Frau Kollegin Altmann, Sie sollten zuhören, was ich sage.
Sie haben meine Rede noch gar nicht bis zum Ende gehört, sondern bereits am Anfang Einwände erhoben, als ich kritisiert habe, daß Sie hier ein Feindbild aufbauen. Sie haben Formulierungen gewählt wie „absurdes Theater" und „wir bräuchten eine Koalition der Vernünftigen", was indiziert, wir hätten sie im Moment nicht, wir würden also unvernünftig handeln.
Ich sage gleich noch etwas zu dem Rückgang der Zahlen. Aber Ihre Formulierungen beweisen, daß wir uns in Fragen der Verkehrssicherheit von Ihnen sicherlich nicht übertreffen lassen.
Es kommt darauf an - das tun wir im übrigen durch Bonus-Regelungen und andere -, an die Vernunft zu appellieren und Sanktionen dort zu verhängen, wo es notwendig ist. Dies machen Sie in anderen Bereichen, zum Beispiel bei Drogen, nicht mit; um dies auch einmal deutlich zu sagen. Hier klammern Sie sich aus. Deswegen versuchen wir aber, partnerschaftlich mit den Menschen umzugehen und sie nicht zu bevormunden, wie Sie das offensichtlich vorhaben.
Ich will mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß wir erhebliche Erfolge auch in der Verkehrssicherheitsarbeit zu verzeichnen haben. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der auf deutschen Straßen Getöteten mit rund 8700 erstmals seit 1952 wieder unter 9000. Das bedeutet allein gegenüber 1995 einen Rückgang um 8 Prozent. Damit starben im deutschen Straßenverkehr im vergangenen Jahr weniger Menschen als 1951, obwohl sich der Kraftfahrzeugbestand seither von 3 Millionen auf über 51 Millionen vervielfacht hat. Das zeigt doch, daß solche auf Partnerschaft angelegte Arbeit erfolgreich ist und daß wir auf diesem Weg weiter fortschreiten sollten.
Jetzt möchte ich mich zu einigen Schwerpunkten äußern. Das erste Thema ist die Promillegrenze. Ich wundere mich - das sage ich als jemand, der in diesem Bereich als Anwalt praktiziert -, daß offensichtlich noch immer nicht erkannt ist, daß die erste Promillegrenze bei 0,3 Promille liegt,
nämlich nach der Rechtsprechung eindeutig dann, wenn andere Zeichen der Fahruntüchtigkeit hinzutreten. Insofern sollten Sie nicht, wie dauernd geschehen, fälschlicherweise von einer 0,8- oder 0,5-
Promille-Grenze reden, sondern im Interesse der öffentlichen Aufklärung auch von der 0,3-PromilleGrenze, die von der Rechtsprechung schon lange gezogen worden ist und die im übrigen auch durch andere Grenzen, die wir jetzt einführen, überhaupt nicht geändert wird, sondern weiter bestehenbleibt.
Dann haben wir die 0,8-Promille-Grenze mit Fahrverbot, § 24 a StVG, und wir haben die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit, früher durch Sicherheitszuschlag 1,3 Promille, jetzt durch Rechtsprechung auf 1,1 Promille festgelegt.
Wir haben im übrigen noch eine andere Größe - das spielt dann bei der MPU für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde eine Rolle -, nämlich 1,6 Promille.
Das sind die Grenzen, die hier eine Rolle spielen und
die wir auch für die Arbeit zu berücksichtigen haben.
Jetzt hat es eine lange und intensive Diskussion auch bei uns in der Fraktion gegeben: Ist eine Veränderung der Grenzen notwendig, oder ist es sinnvoll, anderes zu tun? Da komme ich auf einen Punkt, der bisher in der Diskussion keine entscheidende Rolle gespielt hat, obwohl er notwendig wäre, nämlich die Frage der Kontrolle und der Dunkelziffer.
Es gibt hier unterschiedliche Zahlen. Experten des Verkehrsgerichtstages in Goslar und andere Experten schätzen, daß auf eine abgeurteilte Alkoholfahrt zwischen 300 und 600 unentdeckte Fahrten kommen. Das Problem sind nicht unbedingt die Personen mit zwischen 0,5 und 0,8 Promille, sondern diejenigen mit deutlichen Werten über 1 Promille, die fahren, weil sie glauben, ihre Chance, erwischt zu werden, sei sehr gering. Das ist das eigentliche Problem, mit dem wir uns hier beschäftigen müssen.
Da kommen wir zu dem Ergebnis, daß dies nur durch eine größere Anzahl von Kontrollen verbessert werden kann. Das ist Sache der Länder. Da können Sie ja einmal Ihren Einfluß geltend machen - nach
Michael Jung
den Mehrheitsverhältnissen, die wir dort haben. Das ist eine Frage der personellen Stärke der Polizei
- dazu komme ich jetzt gerade, Frau Kollegin, auch ohne Ihr Stichwortgeben -, und das ist auch eine Frage der Atemalkoholanalyse. Jeder weiß, wie das in der Praxis geschieht. Es wird, selten genug, eine Kontrolle durchgeführt. Dann muß die Kontrollstation abgebaut werden, weil die Blutentnahme nicht an Ort und Stelle vorgenommen wird. Das wird dann entweder auf dem Revier oder im Krankenhaus beim Arzt gemacht. All dies kann durch die Atemalkoholanalyse vermieden werden.
Wir erreichen dadurch eine größere Dichte von Kontrollen. Genau dies ist absolut notwendig.
Bei uns in der Fraktion war - das hat der Kollege von Stetten vorhin schon formuliert - diese Frage durchaus von unterschiedlichen Seiten betrachtet worden. Die Kollegen aus den neuen Bundesländern hatten ihre Erfahrungen,
andere hatten praktische Erfahrungen in der Beurteilung aus juristischer Sicht und anderes mehr. Wir haben dann nach einer Phase der Überlegung und der Diskussion, sehr oft vom Kollegen Dr. Jobst, dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses, angestoßen und auch mit seinem Namen verbunden, was diese Regelung der 0,5-Promille-Grenze angeht, eine Neuregelung eingeführt, die für den Bürger eine Denkzettelfunktion hat, die ihm deutlich macht, daß nach Möglichkeit überhaupt kein Alkohol im Straßenverkehr genossen werden soll, die aber die härteste Sanktion des Fahrverbotes außen vor läßt. Insofern glauben wir, daß diese Staffelung, die wir auch in anderen Bereichen haben, zum Beispiel bei Geschwindigkeitsüberschreitungen erst als Ultima ratio die Möglichkeit des Fahrverbotes, auch hier nutzbringend angewendet werden kann. Deswegen halten wir dies für einen guten und sinnvollen Kompromiß, der hier vorgeschlagen wurde und heute realisiert wird.
Ich möchte eine zweite kurze Bemerkung zu dem Thema Drogen im Straßenverkehr machen. Ich bedaure ein bißchen, wenn ich sehe, Frau Kollegin Altmann, - Sie haben sich vorhin zu dem Thema Promillegrenze sehr deutlich geäußert -, daß Sie in diesem Bereich gar nichts tun wollen. Sie begründen dies mit - so steht es in Ihrem Entschließungsantrag - angeblich lückenhaften wissenschaftlichen Untersuchungen. Man könnte ja auch sagen, daß das, was Sie da betreiben, Klientelpolitik wäre, was auch aus anderen Teilen Ihres Programmes hervorgeht.
Das kann man uns nicht nachsagen. Wir sind in diesem Bereich zu Ergebnissen gekommen, und wir
sind der Auffassung, daß es längst überfällig gewesen ist, daß wir im Bereich der Drogen im Straßenverkehr eine solche Regelung auch im Ordnungswidrigkeitenrecht einführen, wie dies nunmehr geschieht.
Ich möchte zwei abschließende Bemerkungen machen, die mir am Herzen liegen. Das eine ist: Ich habe vorhin gesagt, daß der partnerschaftliche Umgang mit dem Autofahrer natürlich nicht ausschließt, dort, wo es notwendig ist, zu Sanktionen zu kommen. Aber was mich immer gestört hat, ist, daß wir immer nur eine Malus-Regelung gehabt haben. Wir haben den Autofahrer bestraft. Warum soll man Leuten, die sich vernünftig verhalten, Nachschulungen annehmen, bereit sind, über ihr Verhalten nachzudenken und praktische Übungen zu machen, nicht einen Bonus in Form der Möglichkeit der Abarbeitung von Punkten geben? Das verstehe ich unter partnerschaftlichem Zusammenwirken mit dem Autofahrer, wie wir es in unserer ganzen Straßenverkehrspolitik auch für sinnvoll ansehen.
Eine zweite Anmerkung, die in die gleiche Richtung geht: Es ist aus der praktischen Erfahrung geboren worden und ist heute unter der Belastung der Justiz vielfältig Praxis, daß eine gewisse zeitliche Wahlmöglichkeit für das Nehmen des Fahrverbots existiert. Jeder, der anwaltlich oder richterlich in diesem Bereich tätig war oder ist, weiß, wie das heute läuft. Es wird Einspruch eingelegt, weil das Fahrverbot sonst nach einer Woche sofort rechtskräftig würde. Verhandlungen werden anberaumt. Dann paßt es nicht, man beantragt eine Verschiebung des Termins. Dies wird mit dem Richter abgesprochen. Später wird der Einspruch zurückgenommen. All dies können wir in Zukunft durch diese Regelung vermeiden.