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    Plenarprotokoll 13/204 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 204. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. November 1997 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 24. November 1997 18431 A Erweiterung der Tagesordnung 18494 C Tagesordnungspunkt 17: a) - Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten (Drucksachen 13/7163, 13/8586, 13/8989, 13/ 9062) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Gesellschaft vor gefährlichen Straftätern (Drucksachen 13/ 7559, 13/8989, 13/9062) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Uwe-Jens Heuer und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines .. Strafrechtsänderungsgesetzes - Sicherungsverwahrung (Drucksachen 13/2859,13/8989, 13/9062) . . 18431 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Gerald Häfner, Halo Saibold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Maßnahmen zur wirksameren Verfolgung der sexuellen Ausbeutung von Kindern durch Deutsche im Ausland - zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Rita Grießhaber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt verbessern - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen), Dr. Jürgen Meyer (Ulm), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: 30-PunkteProgramm: Gesamtkonzept zum Schutz unserer Kinder vor sexueller Gewalt - zu dem Antrag der Abgeordneten Christina Schenk, Heidemarie Lüth, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Zur Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern (Drucksachen 13/5139, 13/7087, 13/ 7092, 13/7166, 13/8989, 13/9062) . . 18431 C c) - Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (Drucksachen 13/7164, 13/8587, 13/8991, 13/9064) - Zweite und dritte Beratung des von Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung des Strafgesetzbuches und zur Reform der Strafvorschriften gegen Kinderhandel (Drucksachen 13/6038, 13/ 8991, 13/9064) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - 174 c StGB (Drucksachen 13/8267, 13/8991, 13/9064) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes - 174 c und 174 d StGB (Drucksachen 13/8548, 13/8991, 13/9064) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (Drucksachen 13/ 2203,13/8991,13/9064) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Totengedenkstättenschutz (Drucksachen 13/3468, 13/8991, 13/ 9064) 18432 C d) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht zur Frage gesetzgeberischen Handlungsbedarfs bei Schutz vor sexuellem Mißbrauch in Abhängigkeits- und Therapieverhältnissen - zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entkriminalisierung des Ladendiebstahls, Schwarzfahrens und der Fahrerflucht bei Sachbeschädigung (Drucksachen 12/8336, 13/725 Nr. 42, 13/2005, 13/8991, 13/9064) 18432 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Gerald Häfner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Reform des Straf- und des Sanktionenrechts (Drucksache 13/8957) 18432 D in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 17 e: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren; Zeugenschutzgesetz) (Drucksachen 13/7165, 13/8990, 13/ 9063) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Dr. Eckart Pick, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von Deliktopfern und zum Einsatz von Videogeräten bei Zeugenvernehmungen in der Hauptverhandlung (Drucksachen 13/3128, 13/ 8990, 13/9063) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (Gesetz zum Schutz kindlicher Zeugen) (Drucksachen 13/ 4983, 13/8990, 13/9063) 18432 D Norbert Geis CDU/CSU 18433 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 18435 C, 18455 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 18436 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18439 A Jörg van Essen F.D.P. 18440 C Christina Schenk PDS 18442 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 18444 B Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 18444 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . 18446 D, 18451B, 18458 D Hanna Wolf (München) SPD . 18447 B, 18458 A Erika Simm SPD 18448 B Franz Peter Basten CDU/CSU 18450 D Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18453 A Dr. Ulrich Goll, Minister (Baden-Württemberg) 18454 B Hermann Leeb, Staatsminister (Bayern) 18457 A Norbert Geis CDU/CSU 18458 C Anni Brandt-Elsweier SPD 18459 A Maria Eichhorn CDU/CSU 18460 D Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 18462 A Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksachen 13/8012, 13/8653, 13/8794, 13/ 8994) 18465 D Heinz Schemken CDU/CSU 18466 A Adolf Ostertag SPD 18467 B Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18468 D Dr. Gisela Babel F.D.P 18469 D Dr. Heidi Knake-Werner PDS 18470 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 18471 B Namentliche Abstimmung 18472 D Ergebnis 18476 A Tagesordnungspunkt 18: a) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (Drucksachen 13/1439, 13/8917) - Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (Drucksachen 13/422, 13/8917) . . . 18473 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann und der weiteren Abgeordneten der PDS: Senkung der Promille-Grenze im Straßenverkehr auf 0,0 Promille - zu dem Antrag der Abgeordneten Gila Altmann (Aurich), Albert Schmidt (Hitzhofen), Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Senkung der Promille-Grenze im Straßenverkehr auf 0,0 Promille (Drucksachen 13/612 (neu), 13/694, 13/ 8917) 18473 B c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (Drucksachen 13/3764, 13/8979) 18473 C d) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 13/6914, 13/7888) . 18473 D e) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze (Drucksachen 13/5418, 13/8655) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, des Straßenverkehrsgesetzes und der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (Drucksachen 13/3691, 13/ 8655) 18473 D Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 18474 A Elke Ferner SPD 18478 B Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18480D, 18489 D Horst Friedrich F.D.P. 18482 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18483 B Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18484 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS . . 18484 B, 18485 D Monika Ganseforth SPD 18448 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 18485 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 18486 A Günter Oesinghaus SPD 18486 D Michael Jung (Limburg) CDU/CSU . . 18487 D Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18488A, 18491 D Alfred Hartenbach SPD 18490 B Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 18491 A Zusatztagesordnungspunkt 11: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages hier: Widerruf der Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen gegen das Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. Erich Riedl (München) gemäß Artikel 46 Abs. 4 des Grundgesetzes (Drucksache 13/9045) 18494 C Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stopp der deutschen Beteiligung am Eurofighter (Drucksache 13/8150) . 18494 D b) Antrag der Abgeordneten Steffen Tippach, Andrea Gysi, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Keine Beschaffung des Eurofighters 2000 (Drucksache 13/8578) 18494 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18495 A Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär BMVg 18496 B Uta Zapf SPD 18497 C, 18504 A Paul Breuer CDU/CSU 18498 A Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . 18499 B Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 18500 B Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 18501 C Hans Raidel CDU/CSU 18502 A Paul Breuer CDU/CSU 18503 B Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beendigung der Strafverfolgung für hoheitliches Handeln von DDR-Bürgern und über die Gewährung von Straffreiheit für Handlungen, bei denen der Strafzweck mit Herstellung der deutschen Einheit entfallen ist (Strafverfolgungsbeendigungsgesetz) (Drucksachen 13/1823, 13/4053) . . . 18504 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 18505 A Dr. Michael Luther CDU/CSU 18506 A Hans-Joachim Hacker SPD 18507 B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS . . 18507 D, 18510 A Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18509 B Dr. Klaus Röhl F.D.P 18511 A Nächste Sitzung 18511 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18512* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Zusatztagesordnungspunkt 7 (Entwurf: 3. Verjährungsgesetz), zu Zusatztagesordnungspunkt 8 (Antrag: Wirtschaftskriminalität in Deutschland insgesamt bekämpfen), zu Zusatztagesordnungspunkt 10 (Antrag: Keine Verlängerung der Verjährungsfristen) Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18512* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 18513* D 204. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. November 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Berninger, Matthias BÜNDNIS 14. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Bindig, Rudolf SPD 14. 11. 97 Böttcher, Maritta PDS 14. 11. 97 Dreßler, Rudolf SPD 14. 11. 97 Hoffmann (Chemnitz), SPD 14. 11. 97 Jelena Hovermann, Eike SPD 14. 11. 97 Janssen, Jann-Peter SPD 14. 11. 97 Kirschner, Klaus SPD 14. 11. 97 Klose, Hans-Ulrich SPD 14. 11. 97 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 14. 11. 97 Kurzhals, Christine SPD 14. 11. 97 Lehn, Waltraud SPD 14. 11. 97 Lotz, Erika SPD 14. 11. 97 Marx, Dorle SPD 14. 11. 97 Palis, Kurt SPD 14. 11. 97 Probst, Simone BÜNDNIS 14. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Reschke, Otto SPD 14. 11. 97 Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 14. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 14. 11. 97 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 14. 11. 97 Reinhard Schumann, Ilse SPD 14. 11. 97 Singer, Johannes SPD 14. 11. 97 Terborg, Margitta SPD 14. 11. 97 Wieczorek (Duisburg), SPD 14. 11. 97 Helmut * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Zusatztagesordnungspunkt 7 (Entwurf: 3. Verjährungsgesetz), zu Zusatztagesordnungspunkt 8 (Antrag: Wirtschaftskriminalität in Deutschland insgesamt bekämpfen), zu Zusatztagesordnungspunkt 10 (Antrag: Keine Verlängerung der Verjährungsfristen) (siehe 203. Sitzung, Seite 18404 B) Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Aufarbeitung des in der DDR geschehenen Staatsunrechtes ist und bleibt eine wesentliche Voraussetzung für das Zusammenwachsen Ost- und Westdeutschlands. Damit die innere Einheit unseres Landes auf einem sicheren Fundament steht, kommt der justitiellen Aufarbeitung, neben der politischen und kulturellen, eine zentrale Rolle zu. Nur in einem rechtsstaatlich geführten Prozeß kann die Verantwortung und Schuld, die diejenigen zu tragen haben, die unter dem Schutz des DDR-Regimes Straftaten begangen haben, geklärt werden. Dies war und ist gerade im Bereich der Regierungskriminalität von tragender Bedeutung. Die strafrechtliche Aufarbeitung erfüllt aber noch weitere wichtige Funktionen. Mit Hilfe der Durchführung der strafrechtlichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren wird der pauschalen Vorverurteilung unzähliger Menschen begegnet. Täter werden sichtbar gemacht und bekommen Namen, die Opfer erfahren späte Genugtuung und häufig erst die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen, weil diese Ansprüche in der Regel erst mit Hilfe der im Strafprozeß gesicherten Beweise durchgesetzt werden können. Die strafrechtliche Aufarbeitung liegt aber auch im Interesse der Gesellschaft insgesamt, die es nicht zulassen kann, daß Straftaten von erheblichem Ausmaß einfach hingenommen werden und daß die Täter den Nutzen und die Opfer aber den Schaden dieser Taten davontragen, ohne daß der Rechtsstaat mit allen seinen Mitteln das ihm Mögliche unternimmt, um die Verantwortlichen festzustellen und einer Verurteilung zuzuführen. Allerdings spreche ich von Aufarbeitung im Rahmen des Rechtsstaates. Der aber hat seinen Preis. Nicht immer werden die Urteile der Gerichte die Betroffenen befriedigen. Zum Rechtsstaat gehört zum Beispiel die Unschuldsvermutung ebenso wie das Rückwirkungsverbot, das Prinzip „nulla poena sine lege" oder auch der Grundsatz der Verjährung. Bisher hat der Rechtsstaat sich bei der Aufarbeitung strikt an seine Regeln gehalten. Insbesondere der Grundsatz „nulla poena sine lege", wonach auf von DDR-Bürgern zu DDR-Zeiten begangene Straftaten nicht das damals oder heute geltende Recht anzuwenden ist, hatte zur Folge, daß eine eminent hohe Zahl der Verfahren mit Freisprüchen oder der Einstellung des Verfahrens endeten. So kommen viele Angeklagte aus guten Gründen in den Genuß von sie schützenden Rechts- und Verfahrensgrundsätzen, die sie selbst zum Beispiel bei der Verfolgung von Oppositionellen in der DDR niemals haben gelten lassen. Vorwürfe wie das böse Wort von der „Siegerjustiz" finden daher keinerlei Ansatzpunkt in der Wirklichkeit. Das muß auch in Zukunft so bleiben. Dies bedeutet, daß die Strafverfolgung nicht unter allen Umständen und schon gar nicht unter Nichtachtung rechtsstaatlicher Grundsätze, geführt werden darf. Wir diskutieren heute über die nochmalige Verlängerung der Verjährungsfristen für sogenannte mittelschwere Delikte, also für solche, die mit einem Strafrahmen von ein bis fünf Jahren bedroht sind. Viele Gründe, insbesondere die vielen noch nicht aufgearbeiteten Akten der Staatssicherheit, die erst am Anfang stehenden Untersuchungen über die Funktion und Tätigkeit der Nomenklaturkader etc. sprechen für eine nochmalige Verlängerung der Verjährungsfristen. Aber es gibt auch erhebliche verfassungsrechtliche und rechtsstaatliche Bedenken, über die wir uns nicht leichtfertig hinwegsetzen sollten. Diese schwerwiegenden Bedenken werden nicht nur von der überwiegenden Zahl aller juristisch und rechtspolitisch Sachverständigen, sondern auch von sämtlichen Justizministern der neuen Länder, vom Bundesminister der Justiz, vom zuständigen Generalstaatsanwalt in Berlin und von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der ehemaligen Staatssicherheit geteilt. Besonders ernste Fragen sind hier im Hinblick auf eine mögliche Ungleichbehandlung etwa von im Osten und im Westen begangener Vereinigungskriminalität angebracht. Es kann nicht, wie es Folge des vorliegenden Entwurfes wäre, richtig sein und verstieße auch gegen das Gleichheitsgebot, wenn ein Täter, der beispielsweise einen Betrug zu Lasten der Treuhand im Westen begangen hat, wegen der dort einsetzenden Verjährung straffrei bleibt, während derjenige, der eine vergleichbare Straftat im Osten begangen hat, noch bis zum 2. Oktober 2000 verfolgt und verurteilt werden kann. Dies wäre eine Ungleichbehandlung, die nicht nur verfassungsrechtlich untragbar erscheint, sondern auch eine Ungleichbehandlung, die die innere Einheit und das Zusammenwachsen des Landes in höchstem Maße schädigt. Ein Rechtsstaat kann nicht nach seinem Belieben die Verjährungsfristen für Straftaten verlängern. Wer die Verjährungsfristen pauschal verlängern will, muß dafür sehr schwerwiegende Argumente angeben. Es schwächt aber unsere Argumentation und ist im übrigen auch ein Skandal, daß die strafrechtliche Verfolgung zum Teil deshalb nicht zügig vorangehen konnte, weil von den Ländern nicht genügend Personal- und Sachmittel zur Verfügung gestellt worden sind, ein Mißstand, den wir hier regelmäßig beklagt haben, der aber gleichwohl nicht behoben wurde. Dies bedeutet, daß wir über den vorliegenden Gesetzentwurf und denkbare Alternativen in den Ausschüssen noch sehr gründlich beraten müssen. Eine Verfassungsbeschwerde gegen ein solches Gesetz wird so sicher kommen wie das Amen in der Kirche. Die Folge eines Scheiterns beim Bundesverfassungsgericht wäre ein immenser Vertrauensverlust in die rechtsstaatliche Aufarbeitung der DDR-Diktatur. Deshalb wäre es klug, wenn hier im Hause eine differenzierte Regelung verabschiedet werden würde, die den verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung trägt und gleichwohl, zumindest für die wichtigsten noch offenstehenden Deliktsbereiche eine praktikable, hieb- und stichfeste Lösung bietet. Ich selbst habe dazu seit Monaten in unzähligen Gesprächen und Runden mit den Kollegen aus den anderen Fraktionen Vorschläge gemacht. So ist im Bereich der vereinigungsbedingten Wirtschaftskriminalität einzelnen, aber auch dem Gemeinwesen erheblicher Schaden entstanden. In diesem Bereich befindet sich die größte Dunkelziffer unaufgeklärter Taten. Auf Grund der Komplexität konnte die zuständige Ermittlungsbehörde vielfach auch noch keine verjährungsunterbrechenden Maßnahmen ergreifen. Die Aufklärung im Bereich der Wirtschaftsdelikte erweist sich ganz grundsätzlich als höchst schwierig, und jeder verstrichene Monat erhöht die Wahrscheinlichkeit, für Taten wie Steuerhinterziehung, Betrug, Subventions-und Kreditbetrug nicht belangt zu werden, da solche und vergleichbare Delikte erst spät und häufig nur zufällig entdeckt werden und, wenn sie entdeckt wurden, nur schwierig auszuermitteln sind (Wirtschaftswoche vom 6. November 1997, S. 238). Das gilt im übrigen für alle Wirtschaftsdelikte, und es gilt in Ost und West gleichermaßen, nicht nur für solche, die im Zusammenhang mit dem Vereinigungsprozeß begangen wurden. Hier böte sich eine zielgenaue Regelung an, deren verfassungsrechtliches Risiko ich für weit geringer halte als bei einer pauschalen Verlängerung der Verjährungsfristen. Aber darüber wird noch zu reden sein. Die Zeit ist äußerst knapp, viel wertvolle Zeit ist verstrichen. Jetzt bleiben im Grunde nur noch zwei Sitzungswochen, damit ein funktionstüchtiger und wasserdichter Gesetzentwurf verabschiedet wird. Nur eine verfassungsrechtlich einwandfreie, saubere Lösung wird dem Anliegen der juristischen Aufarbeitung der DDR-Diktatur nicht schaden sondern vielmehr nützen. Darum sollten wir uns nun alle bemühen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 718. Sitzung am 7. November 1997 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: - Gesetz zur Senkung des Solidaritätszuschlags - Gesetz über den deutschen Auslandsrundfunk - Gesetz zu dem Übereinkommen vom 26. Juli 1995 auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Gesetz) - Gesetz zu dem Protokoll vom 24. Juli 1996 auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung (Europol-Auslegungsprotokollgesetz) - Gesetz zu dem Vierten Protokoll vom 15. April 1997 zum Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 5. November 1997 ihren Antrag „Unterstützung der Europäischen Union für die Hochwasseropfer in Polen und Tschechien" - Drucksache 13/8728- zurückgezogen. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 11. November 1997 ihren Änderungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze - Drucksache 13/7906 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß - Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 BVFG in den Jahren 1993 und 1994 - Drucksache 13/6796- - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 BVFG in den Jahren 1995 und 1996 - Drucksachen 13/8096, 13/8507 Nr. 1.2- Ausschuß für Wirtschaft - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum Entwurf eines OECD-Übereinkommens zur Bekämpfung der Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr - Drucksache 13/8683- Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über das Programm zur Bürgschaftsübernahme - insbesondere für den Erwerb von Wohnungen zur Eigennutzung aus dem Bestand in den neuen Bundesländern - - Drucksachen 13/8297, 13/8507 Nr. 1.12- Verteidigungsausschuß - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Entwicklungsstand des Jagdflugzeuges 90 - Drucksachen 11/7533, 12/210 Nr. 139, 13/725 Nr. 140 - Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung - Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Reformprojekt Berufliche Bildung - flexible Strukturen und moderne Berufe - Drucksache 13/7625- Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Finanzausschuß Drucksache 13/8269 Nr. 1.5 Drucksache 13/8508 Nr. 2.13 Drucksache 13/8615 Nr. 2.100 Drucksache 13/8615 Nr. 2.102 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/7867 Nr. 1.4 Drucksache 13/7867 Nr. 1.5 Drucksache 13/7867 Nr. 1.7 Drucksache 13/7867 Nr. 2.4 Drucksache 13/7867 Nr. 2.13 Drucksache 13/7867 Nr. 2.15 Drucksache 13/7867 Nr. 2.16 Drucksache 13/7867 Nr. 2.17 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/6766 Nr. 1.2 Drucksache 13/7867 Nr. 1.9 Drucksache 13/8106 Nr. 2.2 Drucksache 13/8106 Nr. 2.15 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/6129 Nr. 1.4 Drucksache 13/7867 Nr. 1.1 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/8508 Nr. 2.34
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    Rede von Erika Simm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verabschieden heute umfangreiche und gravierende Änderungen im Strafrecht. Das Ausmaß der Veränderungen und
    Eingriffe ist durchaus vergleichbar mit der in den 70er Jahren durchgeführten Strafrechtsreform. Damals hat sich der Bundestag für sein Reformvorhaben mehrere Jahre Zeit genommen. Es gab eine hochkarätig besetzte Kommission, die Vorschläge erarbeitet hat. Vor der Verabschiedung des Gesetzes fand eine öffentliche Diskussion auf breiter Basis statt. Wissenschaft und Praxis waren intensiv einbezogen.
    Diesmal haben wir das alles im Schnellgang gemacht, in der Art, wie in letzter Zeit leider immer häufiger auch wichtige Gesetze verabschiedet werden, so als handele es sich um irgendeine dritte Durchführungsverordnung zum fünften Ausführungsgesetz.

    (Zuruf von der SPD: Hackfleischverordnung!)

    - Die Hackfleischverordnung wäre ein Beispiel.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie müssen ja nicht alles aufnehmen!)

    Wir verabschieden in letzter Zeit zunehmend wichtige Gesetzesvorhaben unter großem Zeitdruck auf der Grundlage umfangreicher Formulierungshilfen aus dem Justizministerium, die uns kurz vor der abschließenden Beratung auf den Tisch gelegt werden und kaum noch verarbeitet werden können.

    (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Und in sich auch unstimmig sind!)

    - Wir können immer wieder feststellen, daß sie in sich nicht stimmig sind.
    Ich finde das nicht gut, weil die Qualität der Gesetzgebung darunter leidet, ja leiden muß, und weil wir uns durch ein solches Verfahren um die Chance bringen, bei den Bürgerinnen und Bürgern die für so weitgehende Rechtsänderungen notwendige Akzeptanz zu schaffen.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich beginnen mit Änderungen des Strafgesetzbuches, die zunächst Gegenstand eines gesonderten Gesetzentwurfs der Bundesregierung waren und nun im großen Aufwasch mit in das 6. Strafrechtsreformgesetz gekommen sind. Es handelt sich um die Neufassung der Regelung des sexuellen Mißbrauchs von kranken und hilfsbedürftigen Menschen in stationären Einrichtungen, des sexuellen Mißbrauchs in ambulanten Beratungs-, Betreuungs- und Therapieverhältnissen und des sexuellen Mißbrauchs von widerstandsunfähigen Personen. Das sind die §§ 174a, 174c und 179 StGB. Ich möchte dazu gerne etwas sagen, weil ich seit längerer Zeit an dem Thema arbeite und die Aufgabe der Berichterstattung hatte.
    Die Tatsache sollte hier nicht untergehen, daß in diesem Bereich tatsächlich etwas geschehen ist. Ich finde es gut, daß mit der Neuregelung der Schutz kranker und behinderter Menschen vor sexuellen Übergriffen verbessert und insbesondere nun auch der sexuelle Mißbrauch in Therapieverhältnissen unter Strafe gestellt wird. Es hatte dazu bereits vor zwei Jahren eine Initiative aus dem Bundesrat gege-

    Erika Simm
    ben. Wir meinten aber, ihr in der Form, in der sie damals vorlag, nicht folgen zu können.
    Der - zugegebenermaßen - wesentlich verbesserte Gesetzentwurf der Bundesregierung, der in das 6. Strafrechtsreformgesetz Eingang gefunden hat, war bei der ersten Lesung im September bezüglich einer Reihe von, wie ich meine, nicht unwichtigen Details nicht nur bei mir auf Kritik gestoßen. Diese Kritik ist mit den zwischenzeitlich vorgenommenen Änderungen nur zum Teil erledigt. So wurde zwar beim sexuellen Mißbrauch Widerstandsunfähiger - das ist der § 179 StGB - der für den Grundtatbestand völlig unangemessene Strafrahmen - Freiheitsstrafe oder Geldstrafe - auf eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten angehoben, so daß nun wenigstens die für derartige Vergehen völlig unangemessene Geldstrafe als Regelstrafe ausscheidet. Dennoch bleibt eine sachlich nur schwer zu rechtfertigende Diskrepanz zum Strafrahmen insbesondere des § 178 StGB - es handelt sich um die sexuelle Nötigung -, der eine Mindeststrafe von einem Jahr vorsieht, wenn die sexuelle Nötigung unter Ausnutzung einer hilflosen Lage des Opfers begangen wird.
    Ich vermag nicht zu erkennen, daß das völlig hilflose Opfer, das nicht einmal einen entgegenstehenden Willen bilden oder einen solchen äußern kann, weniger schützenswert wäre oder daß der sexuelle Mißbrauch ein geringeres Unrecht als die sexuelle Nötigung ist, die im § 178 StGB behandelt wird. Die jetzt ausgewiesene, immer noch niedrigere Strafe erscheint in meinen Augen nicht gerechtfertigt.

    (Beifall bei der SPD)

    Insbesondere aber finde ich ärgerlich, daß nach wie vor bei den §§ 174a und 174c StGB - diese regeln die ambulanten und stationären Betreuungs-
    und Obhutsverhältnisse und die Therapieverhältnisse - neben Freiheitsstrafe immer noch Geldstrafe als Regelstrafe neben der Freiheitsstrafe vorgesehen ist, und zwar nicht etwa für einen minderschweren Fall oder dergleichen. Gerade dabei geht es doch um Menschen, die auf Grund einer Behinderung oder Krankheit in besonderem Maße des Schutzes vor sexuellen Übergriffen bedürfen.
    Nicht aufgegriffen haben Sie unsere Vorschläge zur Verjährungsverlängerung bei derartigen Straftaten;

    (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Leider!)

    nicht aufgegriffen haben Sie das Problem, daß es bei Therapieverhältnissen auch noch für einen gewissen Zeitraum nach Beendigung der Therapie eines strafrechtlichen Schutzes bedarf.
    Hier hätten wir Beratungsbedarf gehabt. Ich habe diesen Beratungsbedarf bei der ersten Lesung ausdrücklich angemeldet, aber der Zeitdruck, unter den Sie uns bei der Verabschiedung auch dieses Teils der Reform gestellt haben, hat dies alles nicht mehr zugelassen, so daß wir wahrscheinlich auf diesen Komplex auch noch einmal werden zurückkommen müssen.
    Ich möchte nochmals feststellen, daß ich sehr unglücklich darüber bin, wie diese wichtigen Gesetzes vorhaben behandelt wurden, bei denen es um den Schutz von Kindern vor sexuellem Mißbrauch, um die Behandlung von Sexualstraftätern, um einen verbesserten Schutz von Zeugen im Strafverfahren und um die Änderung einer Vielzahl von Vorschriften im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches geht.
    Sie, die Mehrheit in diesem Hause, haben uns - ich bleibe dabei - zu einem wahren Parforceritt durch die Paragraphen gezwungen. Eine der Bedeutung der zu regelnden Sachverhalte angemessene Beratung wurde jedenfalls uns, der Opposition, nicht ermöglicht.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Aber Frau Simm, das ist nicht wahr!)

    Für das Ergebnis tragen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, die Verantwortung.

    (Jörg van Essen [F.D.P.]: Wir haben Beratung angeboten!)

    Sie haben uns kaum Gelegenheit gegeben, fachlich begründete Korrekturen anzubringen.

    (Jörg van Essen [F.D.P.]: Wir sind jedem einzelnen Punkt nachgegangen!)

    Allein zum 6. Strafrechtsreformgesetz haben wir in dem Versuch - die Grundstruktur war bei dem vorgegebenen Zeitablauf nicht mehr zu verändern -, wenigstens in Einzelpunkten noch Änderungen anzubringen, die, wie ich meine, alle gut begründet waren, 13 Anträge eingebracht; einen davon haben Sie mit Ihrer Mehrheit akzeptiert. Dieser betraf die Änderung bei § 226 StGB, weil es nun wirklich unerträglich war, daß bei den schweren Verletzungsfolgen zwar der Verlust der Empfängnisfähigkeit der Frau straferhöhend berücksichtigt worden wäre, nicht aber der Verlust der Gebärfähigkeit.
    Wohlbegründete Einwände wurden regelmäßig von Ihnen damit abgetan, in der Koalition habe man darüber eingehend beraten und anders entschieden. Was Sie uns in den letzten zwei Wochen zugemutet haben, war - ich betone es noch einmal - alles andere als ein geordnetes Gesetzgebungsverfahren. Das Ergebnis dieses Verfahrens kann nicht befriedigen. Die Praktiker, die künftig mit diesem Gesetz umgehen müssen, werden Ihnen das auch bestätigen. Das ist für mich so sicher wie das Amen in der Kirche.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Nur langsam, nur langsam!)

    Sie reden ständig davon, daß die Justiz entlastet werden müsse, und schaffen gleichzeitig mit dieser Strafrechtsreform ein gigantisches Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Strafgerichte.

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Straftatbestände werden aufgebläht, ohne Not werden neue Begriffe eingeführt und beliebig verwen-

    Erika Simm
    det, Ungereimtheiten produziert und Fallen eingebaut, die Fehler geradezu provozieren.

    (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Frau Simm, das stimmt doch alles nicht! Norbert Geis [CDU/CSU]: Bringen Sie doch mal Beispiele!)

    - Ich bringe sie gleich.
    Die Folge wird sein, daß die Gerichte zu sehr unterschiedlichen Auslegungen und Entscheidungen kommen und die Obergerichte lange damit beschäftigt sein werden, das aufzuarbeiten und zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung zu kommen.
    Wir waren uns mit Ihnen durchaus einig, daß wir diese wichtigen Gesetzgebungsmaterien regeln wollten: Schutz der Kinder, Zeugenschutz, Harmonisierung im Strafrahmen. Ich finde es gut, daß wir beim sexuellen Mißbrauch von Kindern die Strafrahmen bei den schwereren Fallgestaltungen erhöht haben.
    Aber bitte erklären Sie mir, warum der Vollzug des Beischlafes - das ist ein Tatbestandsmerkmal; da haben wir den alten Begriff beibehalten - oder die gemeinschaftliche Begehungsweise beim sexuellen Mißbrauch an Kindern nach § 176a StGB ein Qualifizierungsmerkmal und zwei Paragraphen weiter bei der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall ist. Ich vermag den Unterschied nicht zu erkennen. Die Rechtsprechung wird sich darüber den Kopf zerbrechen müssen.

    (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das alles kostet Zeit!)

    Sie haben mit dem neuen § 176a im Strafgesetzbuch einen Rückfallparagraphen durch die Hintertüre wiedereingeführt, nachdem wir einen solchen 1985 glücklicherweise mit dem alten § 48 StGB abgeschafft hatten. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, daß allein die Anwendung dieser Bestimmung Anlaß für unzählige Rechtsmittel sein wird.
    Im Zusammenhang mit der Behandlung von Sexualstraftätern haben Sie darauf bestanden, die Voraussetzungen für die Strafaussetzung zur Bewährung und die Aussetzung von Maßregeln neu zu formulieren. Angeblich soll sich dadurch an dem Sinn des Gesetzes nichts ändern. Ich bin gespannt darauf, wie die Gerichte damit umgehen werden, und befürchte, daß das zu einer restriktiveren Handhabung bei Aussetzungen führen wird mit der Folge - dies betrifft gerade die Belastung der Länder mit dem Strafvollzug -, daß die Gefängnisse, die schon jetzt voll sind, künftig noch voller werden. Wenn dann im Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts steht: „Kosten der öffentlichen Haushalte: keine", dann ist festzustellen, daß den Ländern noch die Augen übergehen werden angesichts dessen, was da auf sie zukommt; denn höhere Strafen wirken sich kostenerhöhend aus.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Sie haben die Fristen für die Löschung der Daten von
    Sexualstraftaten im Bundeszentralregister verlängert. Das ist im Prinzip in Ordnung. Es ist aber nicht in Ordnung, daß Sie die Daten eines Jugendlichen, der eine geringfügige Sexualstraftat unter Jugendlichen begangen hat, für 20 Jahre im Bundeszentralregister stehenlassen wollen und er mehr als zehn Jahre lang im polizeilichen Führungszeugnis diese Verurteilung mit sich herumschleppen muß, nur weil er zufällig noch andere Straftaten, die nichts mit dem Sexualstrafrecht zu tun haben, begangen hat und er zu einer Haftstrafe von beispielsweise 13 Monaten verurteilt worden ist.
    Sie haben im 6. Strafrechtsreformgesetz mit Ihrer Mehrheit unser Anliegen, den strafrechtlichen Schutz der höchstpersönlichen Rechtsgüter wie Gesundheit und sexuelle Selbstbestimmung gegenüber dem Schutz von Eigentum und Vermögen zu stärken, durch eine allgemeine Strafschärfungsorgie - ich bleibe dabei, genau das ist es -

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Frau Simm, wissen Sie, was eine Orgie ist?)

    ad absurdum geführt. Die sowieso schon hohen Strafrahmen für Eigentums- und Vermögensdelikte wurden nicht nur beibehalten, sondern teilweise noch erhöht, während die Strafen für Sexual- und Körperverletzungsdelikte lediglich angehoben wurden.
    Ich hatte den Eindruck, man verfährt nach dem Motto - Frau Präsidentin, ich bin gleich fertig -: Jeder, der hier im Rahmen einer Strafschärfung etwas einbringen möchte, kann das tun, soweit er der Koalition angehört. Zuvörderst hat Herr Geis als Sprachrohr der Bayerischen Staatsregierung

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    im Rechtsausschuß das durchgesetzt, was im Bundesrat nicht mehrheitsfähig war. Auch das, Herr Geis, kann ich Ihnen belegen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Basten.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Franz-Peter Basten


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Däubler-Gmelin, ich möchte zunächst dankbar anerkennen, daß wir zumindest im Bereich der Reform des Sexualstrafrechts mit der größeren Oppositionspartei im Deutschen Bundestag einen Konsens erreicht haben. Ich glaube, es tut dem Gesetzgebungsverfahren gut, daß wir in den Kernfragen der Strafrechtsordnung, gerade wenn sie so sensibel sind wie das Sexualstrafrecht, auf einer breiten Basis Gesetze beschließen können. Deswegen möchte ich das ausdrücklich anerkennen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auf der anderen Seite, Frau Kollegin, kann ich nicht verstehen, weshalb Sie - das halte ich von der Sache her nicht für gerechtfertigt - die abschrekkende Wirkung der Strafe grundsätzlich in Frage stellen. Wir haben es doch nicht nur mit kranken Se-

    Franz Peter Basten
    xualtätern zu tun. Wir haben es sehr häufig - das ist die kriminalpolitische Wirklichkeit - auch in unserem Lande mit rücksichtslosen Räubern, mit brutalen Schlägern und mit geldgierigen Schiebern und Betrügern zu tun. Glauben Sie etwa, die könnten wir mit einer guten Sozialpolitik bekämpfen? Oder wie soll ich das verstehen? Da hilft einfach nur schuldangemessener Knast. Auf etwas anderes reagieren viele dieser Verbrecher eben nicht.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Deshalb bleibe ich dabei, daß wir ein ausgewogenes System von Strafe und Maßregel brauchen. Wo die Maßregelung angemessen und angebracht ist, muß sie auch eingesetzt werden. Wir zeigen gerade bei der Reform des Sexualstrafrechts, daß wir das Recht weiterentwickeln und gerade auch im Zusammenhang mit der Änderung des § 9 des Strafvollzugsgesetzes sehr weit gehen mit der verbindlichen Auflage für die Länder, sozialtherapeutische Vorrichtungen vorzuhalten, damit der kranke Täter behandelt werden kann.