Rede von
Walter
Hirche
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorausgesetzt, Frau Caspers-Merk, daß Sie dies nicht als unzulässige Einmischung betrachten, möchte ich doch für die Bundesregierung feststellen: Es ist eine sehr verdienstvolle Arbeit, die Sie als Enquete-Kommission hier vorgelegt haben.
Bei allen kritischen Bemerkungen, die man machen kann und die in dieser Debatte gefallen sind: Es lohnt sich, auf diesem Wege weiter zu diskutieren, insbesondere darüber, was es für Deutschland und eine Weltinnenpolitik bedeutet, die drei Aspekte „ökologisch", „ökonomisch" und „sozial" in ihrem Spannungsverhältnis auszugleichen. Das ist spannend, und ich darf sagen: Ich habe mich beim Nachlesen der Rede des Bundesaußenministers, die er vor zwei Tagen vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen gehalten hat, sehr gefreut, daß er diesen Gedanken unter dem Stichwort „Neue Sicherheitspolitik für die Welt" mit aufgenommen hat.
Insofern ist in der Tat das Wort von dem integrativen Ansatz in der Weltinnenpolitik etwas Richtiges.
Nun sollten wir nicht in die deutsche Art verfallen, uns gegenseitig die Schwierigkeiten, auf die wir auf diesem Weg stoßen, vorzuhalten. Wir sollten vielmehr weiter versuchen, auf diesem Weg voranzukommen; denn es ist in der Tat so: Hier muß nicht nur die Wirtschafts- und die Sozialpolitik, sondern auch die Umweltpolitik lernen, jeweils andere Aspekte mit einzubeziehen. Manchmal kommt es mir in der Debatte - weil sie nur von Umweltpolitikern geführt wird - so vor, als würde man immer mit dem Finger auf die anderen zeigen und nicht sehen, daß einige Finger zurückzeigen.
Ich meine, daß sich die Bundesregierung in den Hauptzielen ihrer Arbeit bestätigt sehen kann. Wir fangen in Deutschland ja nicht beim Punkt Null an. Das sollten wir also auch nicht behaupten, sondern versuchen, die noch offenen Probleme zu lösen. Wenn das amerikanische Worldwatch Institute uns in dem Bericht 1997 „Zur Lage der Welt" bescheinigt, daß Deutschland eine führende Rolle im Umweltschutz spielt, dann sollten wir diese führende Rolle nutzen, zum Beispiel bei der Frage der Internationalisierung von Standards, damit wir weiterkommen, damit wir überhaupt auf der gleichen Grundlage diskutieren können.
Zum anderen ist es sicher richtig, daß der Dialog in unserer Gesellschaft über die Setzung von Prioritäten, die Setzung von Handlungszielen und von Handlungsschwerpunkten fortgesetzt werden muß. Ich bin dankbar, daß von Herrn Fritz und auch von Frau Homburger in dieser Debatte schon gesagt worden ist, daß die Bundesregierung versucht - Sie haben das in Ihrer Kommission positiv begleitet -, neben das Ordnungsrecht neue Instrumente zu stellen, die auf mehr Freiwilligkeit setzen. Ich erinnere an unsere Diskussion über das Umweltaudit.
Um auf ein Ereignis dieser Woche Bezug zu nehmen: Wenn, wie am 23. September geschehen, die chemische Industrie eine Selbstverpflichtung abgibt, wonach eine Stoffdokumentation aufgebaut werden soll, mit der ein Grunddatensatz zu allen betriebsintern gehandhabten Stoffen zusammengetragen wird, der dann auch für Behörden zugänglich ist, so ist das ein Schritt zu dem Ziel, überhaupt zu wissen, was vor sich geht, um dann weitere Fortschritte zu erzielen.
Sie wissen, daß Frau Ministerin Merkel im Dialog mit den gesellschaftlichen Gruppen den Prozeß „Schritte zu einer nachhaltigen Entwicklung" eingeleitet hat. Vor der Sommerpause wurde dazu eine umfängliche Zwischenbilanz vorgelegt. Dieser Dialog muß intensiv fortgesetzt werden.
Er schließt, Frau Caspers-Merk, natürlich auch die Kommunen ein; das ist klar. Aber Deutschland ist ein föderativer Staat, mit Kommunen, die ihre jeweilige Kommunalverfassung haben. Ich möchte nicht wissen, was der Deutsche Städtetag und der Städte- und Gemeindebund sagen würde wenn der Bundeskanzler sich irgendwo hinstellte und erklärte: Bis zum Jahr 2000 werden unsere Kommunen dies und das gemacht haben. - Das kann man in einem zentralisti-
Parl. Staatssekretär Walter Hirche
schen Staat wie Großbritannien machen, aber nicht in Deutschland.
Die Demokratie auf den verschiedenen Selbstverwaltungsebenen, die wir in der Vergangenheit aufgebaut haben, sollten wir uns auch in Zukunft „gönnen" und nicht unter dem Ansatz von bestimmten Vorstellungen vernachlässigen.
Ihre Themen Boden, Bauen und Wohnen sehe ich als besondere Schwerpunkte, weil der Flächenverbrauch ebenfalls ein herausragendes Thema ist. Wir haben mit dem Bundes-Bodenschutzgesetz und auch mit dem Bundesnaturschutzgesetz darauf reagiert.
Ich muß Ihnen sagen, ich bin entsetzt darüber, daß gestern in der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses von Ihren Vertretern jegliche weitere Diskussion über das Bundesnaturschutzgesetz mit dem Hinweis darauf abgelehnt worden ist, die SPD habe überhaupt kein Interesse daran, Landwirten, denen wir wegen naturschutzrechtlicher Erwägungen Einschränkungen zumuten, eine Entschädigung zukommen zu lassen.
Wenn wir den Menschen Einbußen im sozialen Bereich zumuten und sagen „Dafür bekommt ihr aber nichts", dann empfinden sie das nicht als eine Aufforderung zum Dialog;
sondern sie empfinden das als eine Abschreckung durch Politik insgesamt.
Wir sind uns sicher einig darüber, daß der Klimaschutz ein wichtiges Thema ist. Wenn Sie - wie ich in der letzten Woche - Gelegenheit haben, mit den Leuten in Saudi-Arabien darüber zu diskutieren, warum sie als ölerzeugendes Land zum Klimaschutz und zur CO2-Verminderung beitragen sollten, dann müssen Sie auf Vokabeln wie „sustainable development", also „nachhaltige Entwicklung", kommen. Sie müssen die verschiedenen Interessen zusammenbringen. Das müssen wir in Deutschland, glaube ich, noch lernen.
Innovationen sind bei uns Schlüssel der Zukunftsvorsorge; das ist völlig klar. Die Kommission hat entsprechende Schwerpunkte gesetzt - dem gingen lange Diskussionen voraus -: Kreislaufwirtschaft, die in Deutschland nicht umstritten ist, Recyclingtechnologien und Ökobilanzen. Wir diskutieren auch über die Aktualisierung der Verpackungsverordnung. Das alles sind Instrumente, die wir gemeinsam angehen.
Ich biete gern an - weil Sie das erwähnt haben, Frau Burchardt - daß wir uns Gedanken darüber machen, wie die Erfahrungen und Wünsche der Enquete-Kommission besser in das Umweltforschungsprogramm einfließen können. Ich denke, das ist im Zusammenhang mit der Verbesserung des Dialogs ein wichtiger Punkt.
Lassen Sie mich abschließend feststellen: Die Enquete-Kommission hat sich ein großes Programm vorgenommen. Wir als Bundesregierung möchten diese Arbeit auch weiter konstruktiv begleiten. Ich wünsche der Enquete-Kommission - in unser aller Interesse - weiterhin Erfolg bei ihrer Arbeit. Ich bin auf den Abschlußbericht gespannt - auch auf die Umsetzungsphase, die dann hoffentlich folgt.
Vielen Dank.