Rede von
Andreas
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem die Oppositionsparteien und -fraktionen mit ihrer parteitaktischen Totalblockade ein Stück Glaubwürdigkeit der parlamentarischen Demokratie kaputtgemacht haben, haben wir heute mit der Debatte durchaus die Chance, ein paar Glaubwürdigkeitspunkte im öffentlichen Bewußtsein zurückzugewinnen.
Wir debattieren heute den Schlußbericht der Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages. Der Deutsche Bundestag hat am 29. Juni 1995 beschlossen, die Reformkommission mit der Erarbeitung einer Stellungnahme zu folgenden wichtigen Fragen zu beauftragen:
Welche Schritte sind notwendig, um die Verkleinerung des Parlaments ab 2002 zu realisieren? Die gemeinsame Geschäftsgrundlage unserer Arbeit war eine einvernehmliche Position. Sie hieß: Beibehaltung des geltenden Wahlrechtes, das heißt ein klares Bekenntnis zu unserem personalisierten Verhältniswahlsystem mit einer Parität von Direkt- und Listenmandaten.
Darüber hinaus gehörte zu unserem Prüfungsauftrag folgende Frage: Gibt es bereits für die 14. Wahlperiode Handlungsbedarf in bezug auf einen Neuzuschnitt der Wahlkreise? Auch hier haben wir uns sehr schnell auf die gemeinsame, gute Position geeinigt, daß wir für die kommende Wahlperiode - um keine unnötige Verwirrung für die Wähler zu schaffen - keine Wahlkreisveränderung vornehmen, weil wir für die 15. Wahlperiode ohnehin große Veränderungen vorsehen.
Außerdem mußten wir uns mit den Fragen auseinandersetzen: Ist die in unserer Verfassung verankerte Grundmandateklausel nach unserem Wahlrecht zulässig? Sind die Überhangmandate, die auf. Grund unseres Wahlsystems entstehen können, mit der Verfassung vereinbar?
Die Reformkommission - das will ich hier deutlich sagen - hat meines Erachtens einen hervorragenden Abschlußbericht vorgelegt. Ich will deshalb an dieser Stelle im Namen der CDU/CSU-Fraktion all denen danken, die an dieser Arbeit mitgewirkt haben. Ich danke dem Vorsitzenden der Kommission, dem Vizepräsidenten Herrn Klose. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen. Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Sachverständigen, die ihren Anteil beigetragen haben, und ich danke auch den Mitarbeitern des Kommissionssekretariates für ihre gute Arbeit.
Das Signal, das von diesem Bericht ausgeht, ist meines Erachtens völlig klar und eindeutig: Der Deutsche Bundestag verkleinert sich. Das bereits beschlossene Gesetz wird - daran kann es jetzt keinen Zweifel mehr geben - mit Wirkung für die 15. Wahlperiode umgesetzt. Der Schlußbericht der Reformkommission ist damit ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Glaubwürdigkeit unseres Parlamentes. Wir kündigen nicht nur an, wir versprechen nicht nur - nein, wir realisieren auch und setzen um.
Es ist ja bemerkenswert, wenn sich ein Organ selbst verkleinert. Wir tun dies in aller Entschiedenheit. Wir sind damit ein positives Vorbild für viele staatliche Bereiche, denen eine Schlankheitskur im Sinne staatlicher Effizienzsteigerung ebenfalls guttun würde.
Ich bin mir sicher, daß wir für die uns selbst verordnete Schlankheitskur in der Bevölkerung eine breite Zustimmung finden werden.
Die Verkleinerung unseres Parlamentes, die wir vornehmen werden, ist in ihrem Umfang richtig und angemessen. Die Zahl der Wahlkreise wird von 328 auf 299 reduziert. Da es bei der Gleichordnung von Direktmandaten und Listenmandaten bleiben wird, wird sich daraus - einmal abgesehen von möglichen Überhangmandaten - eine Anzahl von 598 Abgeordneten des Deutschen Bundestages ab 2002 ergeben.
Einen Punkt will ich in diesem Zusammenhang unterstreichen: Die Verringerung der Abgeordnetenzahl bedeutet nicht eine Verringerung der demokratischen Legitimation unseres Parlamentes. Die Verkleinerung des Bundestages ist nicht auch eine Schwächung der repräsentativen Demokratie. Nein, ich finde, das Gegenteil ist der Fall. Die Bedeutung des einzelnen Abgeordneten wird - übrigens auch in der öffentlichen Wahrnehmung - steigen. Die Konzentration der Kräfte des Parlamentariers auf das wirklich Wichtige und Entscheidende wird notwendiger. Das kann keine Fehlentwicklung sein.
Die Arbeit des Deutschen Bundestages wird insgesamt effizienter und für den Beobachter transparenter. Also: Die Verkleinerung des Parlaments bedeutet keinen Abbau von Demokratie, sondern gibt uns eine konkrete Chance, unserer unbestrittenen parlamentarischen und repräsentativen Demokratie neuen Schwung zu verleihen.
Durch die Verkleinerung des Bundestages werden in einem durchschnittlich großen Bundestagswahlkreis zukünftig nicht mehr wie bisher etwa 220 000, sondern dann 250 000 Bürgerinnen und Bürger wohnen. 598 Abgeordnete werden dann rund 80 Millionen deutsche Bürger repräsentieren. Jeder einzelne Abgeordnete repräsentiert dann im Durchschnitt 130 000 Bürgerinnen und Bürger.
Es gibt aber auch Kritik. Sie wissen das. Verbände und Medien sagen, diese Reduzierung reiche nicht aus. Da gibt es sogar Vorschläge, der Bundestag sollte sich auf 250 bis 300 Abgeordnete verringern. Meine Damen und Herren, ich finde, wenn man unsere Bevölkerungszahl und unser personalisiertes Verhältniswahlrecht berücksichtigt, kann man das wirklich nicht als einen Vorschlag zur Verschlankung des Parlaments sehen. Dieser Vorschlag würde viel-
Andreas Schmidt
mehr eine Ausdünnung der parlamentarischen Demokratie bedeuten, die wir in diesem Haus, glaube ich, gemeinsam ablehnen. Ich sage noch einmal: Wir wollen ein schlankeres Parlament, aber wir wollen mit der Verkleinerung keine magere Demokratie in diesem Land. Die Verkleinerung in dieser Größenordnung ist deshalb angemessen. Aber sie ist auch ein klares und eindeutiges Signal für einen schlankeren Staat.
Es ist sicher nicht üblich, daß sich Verfassungsorgane gegenseitig Ratschläge geben. Dennoch finde ich, daß wir mit unserem Verkleinerungsschritt auch ein Vorbild und ein Signal für die Landtage in den Bundesländern geben. Das Repräsentanzverhältnis zwischen Bürgern und Landtagsabgeordneten in den Bundesländern ist im Vergleich zu dem Repräsentanzverhältnis Bürger - Bundestagsabgeordnete höchst unterschiedlich. In Nordrhein-Westfalen repräsentiert zum Beispiel ein Abgeordneter rund 80 000 Bürger, im Saarland nicht einmal 20 000. In Hamburg repräsentiert ein Abgeordneter rund 14 000 Bürger, in Bremen dagegen nur 6 800. Die Zahlen machen, so glaube ich, deutlich, daß die von mir angegebene Vorbildfunktion für die Bundesländer und für die Landtage gerechtfertigt ist.
Meine Damen und Herren, um die Verkleinerung des Deutschen Bundestages ohne Wenn und Aber umzusetzen, haben wir uns durch Gesetz gebunden, den Neuzuschnitt der Wahlkreise für die Bundestagswahl 2002 bereits in dieser Wahlperiode vorzunehmen. Die Reformkommission hat bezüglich des Zuschnittes der 299 Wahlkreise - dies will ich hier betonen, weil es da Mißverständnisse gegeben hat - keinen eigenen Vorschlag unterbreitet. Dies kann auch nicht Aufgabe der Reformkommission sein. Das Statistische Bundesamt hat der Reformkommission einen Vorschlag für den Neuzuschnitt der Wahlkreise übermittelt. Dieser Vorschlag ist eine Grundlage für die jetzt beginnenden Beratungen. Aber - dies will ich hier betonen - die Entscheidungen zu diesem Thema fällt nicht die Exekutive, fällt nicht ein Bundesamt. Vielmehr ist dies Aufgabe dieses Hauses. Federführend für diese Aufgabe - dafür wünsche ich viel Glück und Erfolg - ist der Innenausschuß des Deutschen Bundestages.
Ich glaube übrigens - ich will das hier offen sagen -, daß bei gutem Willen aller Beteiligten und der notwendigen Konzentration auch diese wichtige Aufgabe bis zum Ende dieses Jahres erledigt sein kann. Ich finde, wir sollten uns dieses Ziel gemeinsam setzen und der Öffentlichkeit sagen: Wir gehen zügig an die Sache heran und kommen in diesem Jahr zu einem Abschluß.
Neben dem Punkt der Verkleinerung haben wir in dem Schlußbericht der Reformkommission gemeinsam festgestellt, daß die Fünfprozentklausel zum bewährten Kernbestand des deutschen Wahlrechts gehört und daher ohne jeden Zweifel Bestand haben muß und auch in Zukunft Bestand haben wird. Die Fünfprozentklausel hat nicht nur im Deutschen Bundestag, sondern auch auf der Ebene der Länder für stabile parlamentarische Mehrheiten und Verhältnisse gesorgt und damit die Funktionsfähigkeit der
Parlamente und auch des demokratischen Staatswesens insgesamt sichern geholfen. Ich erinnere mich und Sie alle erinnern sich, daß die Fünfprozenthürde in Hamburg verhindert hat, daß die rechtsradikale DVU parlamentarische Verantwortung bekommen hat. Ich glaube, auch hieran zeigt sich, daß es richtig ist, daß wir die Fünfprozentklausel haben.
Meine Damen und Herren, wir haben uns in der Reformkommission einvernehmlich auch darauf geeinigt, die sogenannte Grundmandatsklausel nicht in Frage zu stellen.
- Der Beifall kommt jetzt von der falschen Seite. Ich will ganz eindeutig sagen: Für die Unionsfraktionen, Frau Kollegin Enkelmann, war es immer klar, daß wir die politische Auseinandersetzung mit der SED- Nachfolgepartei PDS nicht über das Wahlrecht, sondern über politische Inhalte führen.
Damit werden wir viel erfolgreicher sein als über den anderen Weg.