Rede von
Andrea
Lederer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach § 20 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung besteht die Möglichkeit, die Tagesordnung auch dann zu erweitern, wenn es nicht am Vortag vor 18 Uhr beantragt worden ist, allerdings nur dann, wenn keine Fraktion oder keine anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Hauses dem widersprechen. Ich hoffe, daß das nicht geschehen wird.
Wir beantragen, die Tagesordnung um den Punkt zu erweitern, daß über die Ergebnisse des gestrigen Vermittlungsverfahrens hier im Bundestag heute berichtet wird.
Darüber muß nicht abgestimmt werden; das kann man in der nächsten Woche machen. Aber ich finde, es muß heute darüber berichtet werden.
Ich will das kurz begründen. Der Vermittlungsausschuß ist eine Einrichtung von Bundestag und Bundesrat. Ich finde, es ist für alle Abgeordneten dieses Hauses eine Zumutung, über eine so wichtige Beratung und ihr Ergebnis erst nach einer Woche offiziell im Bundestag informiert zu werden, während wir uns bis dahin mit Interviews und Agenturmeldungen abspeisen lassen müssen. Bei den Agenturmeldungen ist übrigens ein ziemlicher Wirrwarr festzustellen, so daß man ihnen nichts Genaues entnehmen kann.
Nun haben natürlich die meisten Fraktionen ihre Vertreter im Vermittlungsausschuß und können sich von diesen informieren lassen. Aber es ist bekanntlich ein wenig einseitig, wie jeder einzelne so etwas erlebt. Wir würden gern von allen Seiten informiert werden.
Hinzu kommt in bezug auf die Gruppe der PDS, daß sie im Vermittlungsausschuß nicht vertreten ist, so daß wir als ein Bestandteil des Bundestages überhaupt gar keine Kenntnis haben und allein darauf angewiesen sind, über Pressemeldungen informiert zu werden. Ich finde das einfach unzumutbar.
Nach einer so wichtigen Sitzung muß hier wenigstens eine Information möglich sein. Wie gesagt, die Abstimmung muß nicht heute stattfinden. Ich verstehe, daß die Fraktionen darüber noch beraten wollen. Aber daß heute eine Information gegeben wird, das bitte ich auf jeden Fall auf die Tagesordnung zu setzen.
Ich will noch etwas hinzufügen. Wenn es sich nämlich so verhält, wie man es den Interviews entnehmen kann - nun weiß ich ja nicht, ob das so stimmt -, dann haben wir es wirklich damit zu tun, daß es keine Möglichkeit der Verständigung zwischen den jeweiligen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat mehr gibt. Wenn es sich wirklich so verhält, dann steht uns ein Jahr Nichtpolitik bevor. Wahlkampf ersetzt Politik nicht. Die Bevölkerung erwartet politische Entscheidungen. Ich finde, das ist eine Zumutung für die gesamte Bevölkerung, aber auch für die Mitglieder dieses Hauses. Wir würden uns dann ein Jahr lang nur noch darauf konzentrieren, den anderen vorzuführen oder mit irgendwelchen Anträgen
Dr. Gregor Gysi
oder Reden irgendwelche Punkte in der Bevölkerung zu machen. Aber in der Gesellschaft würden wir nichts voranbringen.
Man muß Politik nicht mögen, aber wichtig ist sie für die Gesellschaft doch. Wenn hier keine politischen Entscheidungen mehr möglich sind, dann muß man daraus die Konsequenz ziehen.
Deshalb brauchen wir heute die Information; denn wir haben vor, in der nächsten Woche erneut - wie schon im Juni; nur hoffen wir diesmal auf die Zustimmung des Hauses - die Beratung eines Antrags auf die Tagesordnung setzen zu lassen, wonach der Bundeskanzler aufgefordert wird, die Vertrauensfrage zu stellen, um so den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Darum soll es heute aber nicht gehen. Das können wir in der nächsten Woche entscheiden. Ich denke, dann ist es dringend geboten.
Dieser Stillstand ist für alle Seiten der Gesellschaft unerträglich. Wir müssen jetzt zu einem Neuanfang kommen. Heute brauchen wir aber erst einmal Informationen über das, was gestern tatsächlich gelaufen ist.