Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Punkt, der zwischen Ihnen, Frau Kollegin Matthäus-Maier, und dem Kollegen Merz eine
Rolle gespielt hat, sagen, daß die Bundesregierung mit allem Nachdruck bemüht ist, so schnell wie möglich eine solche Konvention zu erreichen, weil wir nur mit einer solchen Konvention die Dinge international wirklich in den Griff bekommen können. Einseitige oder bilaterale Entscheidungen sind nicht ausreichend. Das ist es, wofür wir kämpfen, nichts anderes. Wir stehen an der Spitze derer, die für eine umfassende Bekämpfung dieses Tatbestandes auch im Ausland stehen.
Erwecken Sie hier also keinen falschen Eindruck!
Kollege Diller, Sie haben als haushaltspolitischer Sprecher der SPD Anspruch, daß ich kurz auf Ihre Ausführungen eingehe. Sie haben mir unterstellt, ich hätte gesagt, ich wäre der erfolgreichste Finanzminister, wenn nicht die deutsche Einheit mir einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. In der Tat habe ich schon einige Male gesagt, daß ich, wenn die deutsche Einheit nicht gekommen wäre, vor Ihnen mit einer glänzenden finanzpolitischen Bilanz aufwarten könnte. Dann habe ich jedesmal hinzugefügt: Gott sei Dank ist die deutsche Einheit gekommen.
Ich trage diese Aufgabe - mit allen Angriffen - gern, weil sie zu den glücklichsten Dingen in diesem Jahrhundert gehört. Jeder andere Finanzminister vor mir, sei er Christlich-Sozialer, Christdemokrat, Sozialdemokrat oder Freier Demokrat gewesen - alle aus diesen Parteien haben schon einmal einen Finanzminister gestellt -, wäre glücklich gewesen - trotz aller Angriffe und schäbigen Unterstellungen -, wenn er diese Aufgabe hätte mit bewältigen dürfen. Darauf bin ich stolz.
Nur eines, Herr Diller, habe ich nicht getan, obwohl ich aus einer großen Volkspartei komme:
Ich habe nicht Ost gegen West und West gegen Ost ausgespielt.
Ich kann mich noch erinnern, wie die Herrschaften Lafontaine und Schröder durchs Land gegangen sind.
Damals war eine Wahl in Niedersachsen, wo der Ministerpräsident, der jetzt Kanzler in Deutschland werden will, durch die Dörfer gegangen ist und den Menschen gesagt hat: Euer Kindergarten, die Straße kann nicht bezahlt werden, kann nicht gebaut werden, weil das Geld für Waigel, für die deutsche Ein-
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
heit benötigt wird. Das nenne ich schäbige Politik, eine schäbige Haltung und einen miserablen Stil.
Dann haben Sie sich zu einer Wortwahl durchgerungen - Sie haben es ruhig vorgetragen -: „Lug", „Trug", „Täuschung", „zum Augenarzt gehen" - wir tragen beide eine Brille;
diese Dummheiten sollten wir uns sparen -, „erbärmlich", „verlogen", „verkommen". Herr Diller, es ist ein nicht mehr zu unterbietendes Niveau, das Sie hier geboten haben.
Nehmen Sie zur Kenntnis: Mit Kritik setze ich mich gern auseinander, aber Unanständigkeit prallt an mir ab. Damit können Sie mich nicht treffen.
Die Debatte dieser Woche hat bestätigt: Die Koalition verfügt über ein überzeugendes Konzept, und die Opposition ist ohne Alternative.
Die Märkte vertrauen unserer stabilitätsorientierten Politik.
Die aktuellen Daten des Statistische Bundesamtes sind eine eindrucksvolle Bestätigung dieses Kurses. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat deutlich an Fahrt gewonnen. Die Impulse aus dem Außenhandel erfassen nun die inländische Nachfrage.
Im ersten Halbjahr 1997 ist das BIP real um 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Wachstumsmotor ist immer noch der Export, der um 9,5 Prozent gewachsen ist.
Auch die Ausrüstungsinvestitionen geben Anlaß zu einer optimistischen Einschätzung: Im ersten Halbjahr 1997 waren sie um 3,5 Prozent höher als im Vorjahr.
Es ist eigentlich schade nach einer so langen Diskussion - obwohl Sie eine Zeitlang über Schiller und andere verfügten -, daß Sie in die national und international längst widerlegte These von Keynes zurückfallen und wieder die alten Rezepte von Nachfrage, Umverteilung, Stärkung und Steigerung der sogenannten Massenkaufkraft aufnehmen. Diese Irrtümer haben wir in den 70er Jahren und Anfang der 80er bitter bezahlen müssen.
Sie und wir haben die Intensität der Ohrfeige der Märkte lange zu spüren bekommen.
Was nützt eine höhere Kaufkraft, wenn das auf Grund dieser Kaufkraft angesammelte Kapital für den Kauf von High-Tech-Produkten aus dem Ausland verwendet wird, die bei uns nicht ebenso kostengünstig produziert und angeboten werden können?
Wenn Sie mit Viktor Klima, Wim Kok oder Tony Blair sprechen, werden Sie merken, daß alle drei Kronzeugen gegen die Politik der deutschen Sozialdemokratie sind.
Ein Wort zu den Zahlen des Statistischen Bundesamts zum Staatsdefizit 1996 und 1997. Eine Überprüfung und gegebenenfalls eine Revision des Staatsdefizits des Vorjahres erfolgen regelmäßig im September des Folgejahres. Bis dahin ergeben sich immer noch Korrekturen bei den Ausgangsdaten. Im März 1997 sind einige Daten des vierten Quartals 1996 noch nicht endgültig, beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt, die Ausgaben der Gebietskörperschaften oder der Sozialversicherungen. Die nun bekanntgegebenen Zahlen zum Staatsdefizit 1996 weisen die Defizitquote für 1996 mit 3,5 Prozent, also mit 0,3 Prozentpunkten weniger als in der März-Rechnung, aus.
Für die Berechnung der Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrages ist aber die Abgrenzung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen verbindlich. Ihr unterliegen alle Mitgliedstaaten der EU, hier gibt es keine Sonderregeln oder Ausnahmen. Danach müssen die öffentlichen Krankenhäuser im Unternehmenssektor gebucht werden, da sie ihre Erlöse überwiegend am Markt erzielen. Nach diesem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen beträgt die Defizitquote 1996 damit 3,4 Prozent.
Die niedrige Basis geht nun in die Berechnungen für 1997 ein. Das hat mit Buchungstricks überhaupt nichts zu tun; das ist europäischer statistischer Standard, an den sich alle halten müssen.
Genauso wurden übrigens die Tätigkeit der Treuhand oder der Bahn bzw. deren Schulden nach den statistischen Regeln zum privaten Sektor gerechnet. Wenn wir nicht vor zwei, drei Jahren die Bahnschulden in den öffentlichen Bereich übernommen hätten und wenn wir nicht die anderen Aufgaben geschultert hätten, dann stünden wir, was die MaastrichtZahlen anbelangt, völlig anders da.
Wir hätten damals sagen können: Unter diesem Aspekt übernehmen wir die Bundesbahnschulden nicht in den Bundeshaushalt. Wir hätten auch die Treuhanddefizite volkswirtschaftlich und finanzwirtschaftlich woanders verankern können. Dann lägen die Schuldenquote um 14 Prozent niedriger und die Defizitquote um mindestens 1 Prozent niedriger als heute. In der Abrechnung für das Jahr 1994 haben wir alle Kriterien von Maastricht erreicht; unter Zugrundelegung der gleichen statistischen Bedingun-
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
gen hätten wir auch heute überhaupt kein Problem, alle Kriterien sehr leicht zu erreichen.
Unter diesen Umständen ist die Einhaltung des Maastricht-Defizit-Kriteriums für 1997 erreichbar. Das halte ich für eine wichtige Botschaft.
Kein anderes Land in Europa - darauf hat der frühere irische Finanzminister Ruairi Quinn, auch ein Sozialdemokrat, hingewiesen - hat in den letzten sieben Jahren solche Herausforderungen bewältigt. Er fügte hinzu, keine andere Volkswirtschaft der Welt hätte sie bewältigt. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Wir werden uns im Frühjahr 1998 mit sachverständigem Beistand entscheiden. Dann liegt der Bericht des EWI vor, an dem die Deutsche Bundesbank und Präsident Tietmeyer mitwirken. Natürlich wird die Stellungnahme der Bundesbank auch für unsere Bewertung und Diskussion eine ganz wichtige Rolle spielen. Bundestag und Bundesrat werden sich genauestens informieren und ihre Bewertung abgeben. Die Kommission wird ihre Empfehlung aussprechen. Der Ecofin wird über das Vorliegen exzessiver Defizite entscheiden und Vorschläge zu ihrer Beseitigung machen. Dann wird der Europäische Rat entscheiden - eine der wichtigsten Entscheidungen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben sich wieder des Begriffs der Steuerquote bedient. Das ist eine völlige Verkennung der Tatsachen. Sie verweisen auf Eurostat: Danach liegt Deutschland etwa im Mittelfeld der EU bei der Steuer- und Abgabenquote. Die Höhe der Steuerquote sagt aber nichts über ihre Qualität aus.
Wäre die günstige Steuerquote ein Ergebnis der von uns gewollten Steuerreform - Absenkung der Sätze -, dann wäre sie erwünscht. Wenn diese niedrige Steuerquote aber das Ergebnis von Steueroptimierungen und Steuerverlagerungen ist, dann ist sie nicht erwünscht und muß durch die Steuerreform geändert werden.
Ein Wort zur Senkung der Lohnnebenkosten. Es gehört zum kleinen ökonomischen Einmaleins: Eine reine Umschichtung ins Steuersystem bringt keine Arbeitsplätze. Darum verbinden wir die Senkung der Lohnnebenkosten mit der klaren Forderung nach Strukturreformen. Ich fordere Sie noch einmal auf: Sagen Sie uns möglichst schnell
- heute - , ob Sie bereit sind, einer Erhöhung der Mehrwertsteuer zuzustimmen, um Strukturreformen auf den Weg zu bringen; denn viel Zeit bleibt uns dafür nicht. Wir können die, die davon betroffen sind,
nicht im unklaren lassen. Aber genau darauf sind Sie eine Antwort in dieser Debatte bisher schuldig geblieben.
Übrigens ist der steuerfinanzierte Bundeszuschuß viel höher als die reklamierten versicherungsfremden Leistungen. Das wissen auch Sie ganz genau.
Der Kollege Jacoby hat in seiner glänzenden Rede bereits darauf hingewiesen, was Manfred Lahnstein am 5. September in der „Zeit" gesagt hat. Ich zitiere wörtlich:
Die vielbeschworene Forderung nach „stärkerer Massenkaufkraft" übersieht penetrant, daß eine derartige Stärkung nur über Investitionen und Beschäftigung, nicht aber über begrenzte Steuerentlastung zu erreichen ist.
Er schreibt vorher - auch das ist es wert, hier erwähnt zu werden -:
Der Koalition ist zugute zu halten, daß ihr gedanklicher Ansatz im Kern richtig war und bleibt: Verbreiterung der schrumpfenden Steuerbasis durch einen einfacheren Lohn- und Einkommenstarif, niedrigere Grenzsteuersätze und eine Beseitigung wesentlicher Steuervergünstigungen. Dieser Ansatz entfaltet seine Entlastungseffekte dort, wo hohe Multiplikatorwirkung und damit Positives für Wachstum und Beschäftigung zu erwarten sind.
Er ist auch nicht „unsozial", wie Vertreter der Opposition immer wieder gerne behaupten.
Der wichtigste Satz:
Unsozial ist allein die gegenwärtige Lage.
Meine Damen und Herren, führen Sie sich das doch um Gottes willen einmal zu Gemüte, bevor wir uns nächste Woche wieder zusammensetzen, um hoffentlich eine gemeinsame Lösung zu erreichen, die der Investitionsstandort Deutschland dringend benötigt.
Wir haben in dieser Woche Kompromißlinien angedeutet. Man könnte das Reformgesetz 1998 um eine Senkung des Eingangssteuersatzes und des Höchststeuersatzes für nichtgewerbliche Einkünfte anreichern. Wir könnten die Nettoentlastung in der Größenordnung lassen, wie wir sie für 1998, für die erste Stufe, miteinander vereinbart haben.
Dann müßte aber auch die Umsetzung des Restpaketes in finanzwirtschaftlich vertretbaren Stufen klar vereinbart werden. Denn es kann nicht sein, daß wir eine Gegenfinanzierung aufbauen, die in den Jahren danach zu einer Überfinanzierung und Überkompensation der öffentlichen Haushalte führen würde. Genau dies kann nicht dem Prinzip Hoffnung überlassen bleiben, sondern bedarf klarer Festlegungen über die Senkung der Steuersätze, damit die Wirtschaft, damit die Investoren, damit alle Beteiligten
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
eine kalkulierbare Grundlage für ihre Investitionsentscheidungen im nächsten Jahrzehnt bekommen.
Sie, Frau Kollegin Matthäus-Maier, sind offensichtlich noch die einzige, die den Höchststeuersatz bei 53 Prozent beibehalten möchte.
- Sind auch Sie dabei?
- Okay. Es ist nicht schön von Ihnen, Frau MatthäusMaier, daß Sie Herrn Scharping so desavouieren; denn wie die „Hannoversche Allgemeine Zeitung" am 20. August letzten Jahres schrieb: „Scharping will Spitzensteuersatz auf 40 Prozent senken." Schleußer auch. Es scheinen sich also ungute Gesellen in Ihrer Nachbarschaft aufzuhalten, mit denen Sie wenig anfangen können. Das kann ich aber verstehen.
Ein Wort zur Privatisierung: Es wird immer wieder versucht, den Eindruck zu erwecken, das sei eine Verschleuderung von Tafelsilber. Selten ist etwas dümmlicher und falscher gewesen. Privatisierung ist neben den wichtigen Konsequenzen für den Bundeshaushalt und für die Landeshaushalte ordnungspolitisch richtig.
Ich nenne Beispiele: Preussag 1959, Volkswagen AG 1961, VEBA AG, VIAG, Salzgitter AG. Aus der Salzgitter AG haben wir die „Bundesstiftung Umwelt" mit einem Kapitalstock in Höhe von 2,5 Milliarden DM ausgestattet. Die Privatisierungen des Bundes waren immer erfolgreich, nie ein Flop. Darauf sind wir stolz.
Ich nenne Beispiele aus neuerer Zeit: Deutsche Bahn AG, Börseneinführung der Telekom im November 1996 mit der größten Plazierung. Für die Postbank AG kommt ein Verkauf und/oder eine Börseneinführung in Betracht. Die Gelbe Post soll in absehbarer Zeit folgen. Der Börsengang zur Vollprivatisierung der Deutschen Lufthansa AG steht unmittelbar bevor.
Übrigens: Die Privatisierung von Bahn und Post fand mit Zustimmung der SPD statt. Ein Teil der SPD-regierten Länder folgt mit dem, was sie noch besitzen, unserem Beispiel.
Frau Matthäus-Maier hat gesagt, man müsse sich für ein Amt erst qualifizieren. Von den zwei Herrschaften in Deutschland, die als Bankrotteure ihrer Landespolitik dastehen, lasse ich mir keine Vorwürfe machen.
1985 übernahm Lafontaine die Regierung im Saarland mit Schulden in Höhe von 6,5 Milliarden DM. Ende 1993 hatten sich diese Schulden auf 14,7 Milliarden DM mehr als verdoppelt. Nur eine Teilentschuldung sicherte dem Land für die Jahre 1994 bis 1998 insgesamt 8 Milliarden DM in Jahresraten von jeweils 1,6 Milliarden DM.
Es gehört eine Menge Chuzpe dazu, wenn sich jemand, der am Tropf des Bundes hängt und damit überhaupt erst seine finanzpolitischen Dinge bewältigen kann, hier hinstellt und uns angreift. Dazu gehört Unverfrorenheit.
Beim Kandidatenkandidaten - ich meine Schröder
- sieht es nicht besser aus. Bis 1990 betrugen die Schulden in Niedersachsen 37 Milliarden DM. Jetzt, nach sieben Jahren, sind es 70 Milliarden DM. Eine exzessive Personalausdehnung führt nach Berechnungen niedersächsischer Experten bis zum Jahre 2020 zu Schulden in Höhe von etwa 150 Milliarden DM. Es wird festgestellt: Wenn nicht mindestens 40 000 Stellen im Landesdienst gestrichen werden, sind in etwa 20 Jahren drei Viertel des Landeshaushalts durch Zins- und Personalausgaben gebunden.
Da sagt der Mann: Hören Sie mal, wenn mir der Griff auf die Makroökonomie nicht gegeben wird, wie soll ich dann die Probleme meines Landes lösen?
- Stellen Sie sich einmal vor, einer unserer Ministerpräsidenten würde mit einer solchen Unverfrorenheit in den Landtag gehen und sagen: Ich kann hier gar nichts machen, nur die große Makroökonomie kann mir die großen Rezepte geben.
Es ist schon ein Stück Unverfrorenheit und Großmannssucht dabei, mit der man versucht, die Deutschen blenden zu wollen; aber ich bin zuversichtlich, sie werden sich nicht blenden lassen.
Ein Wort zur Steuer- und Abgabenlast. Die Abgabenquote lag im Jahr 1977, als wir von einem Weltökonomen regiert wurden, bei 43,3 Prozent des BIP. Das ist ziemlich genau das Niveau von 1993/94. Die Abgabenquote betrug 1970 36,6 Prozent, 1982 lag sie schon bei 42,8 Prozent des BIP. Das ist eine Steigerung um 20 Prozent, und zwar in einer Zeit, in der es nur „normale" Probleme zu bewältigen gab und in der der damalige Bundeskanzler bereits unter der ungeheuren Last einer Ölkrise, die er an die Wand malte, litt. Er war damals nicht in der Lage, die Probleme in den Griff zu bekommen, weil er eine falsche Politik machte.
Es gehört schon eine gehörige Portion Unverschämtheit, Gedankenlosigkeit oder Verdrängung der Wirklichkeit in der Vergangenheit dazu, uns, die wir große Probleme im Zusammenhang mit der Vollendung der deutschen Einheit und dem demokratischen Wiederaufbau erfolgreich bewältigt haben, der gleich hohen Steuerabgabe zu zeihen und sie uns vorzuwerfen.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Von 1991 bis 1996 ist die Neuverschuldung trotz der Belastungen durch die Einheit insgesamt um rund 10 Milliarden DM gegenüber der Regierungsplanung unterschritten worden. Dies ist Ihnen in keinem vergleichbaren Zeitraum, in dem sozialdemokratische Finanzminister regierten, gelungen.
Frau Kollegin Matthäus-Maier, noch ein Wort zu Ihrem Dauerbrenner Jäger 90 bzw. - wenn Sie das lieber haben - Eurofighter. Sie sagen, wir würden die Folgebelastungen des Jäger 90 im Haushalt verschweigen. Das ist falsch. Wir werden die erforderlichen Verpflichtungsermächtigungen von rund 23 Milliarden DM im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens einbringen.
- Sie können doch nicht mehr von uns verlangen, als daß wir 1998 einen konkreten Ansatz einstellen, diesen über den gesamten Zeitraum des mittelfristigen Finanzplans beibehalten und damit deutlich machen: Jawohl, wir werden dieses Projekt durchsetzen, weil es wichtig ist für die Bundeswehr, weil es wichtig ist für die europäische Verteidigungspolitik und weil es wichtig ist für die Bündnis- und Kooperationsfähigkeit Deutschlands.
Übrigens werden wir mit großem Interesse beobachten, wie die SPD-Abgeordneten aus Ingolstadt, Augsburg, München, Niedersachsen, Hamburg - aus all den Wahlkreisen, in denen es DASA-Standorte gibt - reagieren werden. Das wird eine interessante Debatte und eine interessante Abstimmung. Es sind nämlich nicht nur irgendwo ein paar Arbeitsplätze - übrigens keine in meinem Wahlkreis - betroffen. Vielmehr ist dies eine entscheidende Frage für die Luft- und Raumfahrt in Deutschland, für die Möglichkeiten dieser Technologie.
Dieser Eurofighter ist nichts anderes als die Antwort auf die Rüstungsbeschränkungen, auf die Abrüstung, auf den Wegfall der Raketen, die früher einmal auf uns gerichtet waren.
Das ist der Preis, den wir für die Freiheit, für die Verteidigungsfähigkeit und für die Bündnisfähigkeit Deutschlands entrichten.
Frau Matthäus-Maier, eines möchte ich mit Ihnen noch ganz konkret klären. Sie haben mir vorgeworfen, ich hätte mich gegenüber meinem früheren Kollegen, dem letzten Finanzminister der DDR, Romberg, unfair geäußert. Diese Behauptung hat Ihr Kollege Thierse bereits am 12. Oktober 1995 erhoben. Ich habe ihm damals gesagt, er solle das unterlassen.
Denn von mir haben Sie nie ein negatives Wort über den Kollegen Romberg gehört. Trotz unterschiedlicher Meinungen habe ich den Mann hochgeschätzt und weiß, wie schwierig seine Aufgabe damals war. Thierse mußte damals zugestehen:
Ich will ausdrücklich zurücknehmen, daß ich in meiner Rede von beleidigenden Äußerungen gesprochen habe.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß Sie von mir keine negative Bemerkung über den Kollegen Romberg finden werden, weil ich sehr wohl weiß, daß er unter schwierigen Umständen - auch wenn wir unterschiedlicher Meinung waren - eine beachtliche Verantwortung getragen hat; er hat die wichtige Unterschrift unter den gemeinsamen Vertrag zur Einführung der deutschen Währungsunion geleistet.
- Die habe ich nie gemacht. Das müssen Sie nicht mit mir ausmachen. Ich weiß sehr wohl, wie man in einem solchen Stand miteinander umgeht. Ich habe mich an die Spielregeln gehalten und weiß auch, was menschliche Anständigkeit bedeutet. Ich lasse mir von Ihnen keine menschlichen Unanständigkeiten unterstellen. - Das ist nur eine Randbemerkung, aber das konnte ich nicht unwidersprochen lassen.
Meine Damen und Herren, es geht darum, die Zukunft zu gewinnen. Niemals in diesem Jahrhundert waren die Aussichten für einen langen globalen Aufschwung günstiger als heute. Die OECD erwartet einen „Quantensprung" in der weltwirtschaftlichen Entwicklung und spricht von einem „Fenster glücklicher Umstände". Es gibt große Chancen für Wettbewerb, Wachstum und Wohlstand sowie für eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen. Voraussetzung ist, daß wir auf einem marktwirtschaftlichen Kurs bleiben, auf einem Kurs, mit dem Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft.
Wir wollen kein Diktat der Märkte. Wir wollen einen starken Staat, der ein starker Rechtsstaat sein kann, der seine Aufgaben effizient, kostengünstig und bürgerfreundlich erfüllt. Aber es wird ein schlankerer Staat sein müssen als in der Vergangenheit.
Wenn dieses neue Gleichgewicht zwischen Markt und Staat erfolgreich umgesetzt wird, wenn die notwendigen institutionellen und politischen Reformen kommen, dann bestehen auch in Deutschland gute Chancen, an einem neuen Wirtschaftswunder im 21. Jahrhundert weltweit angemessen teilzuhaben. Dafür sind alle in der Pflicht:
Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Opposition, die Tarifpartner, die Kirchen, die Verbände
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
und schließlich jeder einzelne. Wohlverstandene Interessenvertretung braucht den Blick auf das Gemeinwohl genauso wie der Markt die Moral.
Lassen Sie uns - bei allen Unterschieden - das Verbindende suchen und unser Land gemeinsam voranbringen. Das schafft Vertrauen nach innen und nach außen. Stabilität und Vertrauen sind unser größtes Kapital, eine Investition in die Zukunft. Damit werden wir die Probleme für Deutschland, für Europa und weltweit lösen.
Ich danke Ihnen.