Rede von
Dr.
Guido
Westerwelle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich bin hundertprozentig Ihrer Auffassung, daß der Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland das eigentliche Alarmsignal ist. Wir hatten 1995 einen Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen auf etwas mehr als 18 Milliarden DM. Er ist 1996 auf etwas mehr als 1 Milliarde DM zurückgegangen.
Deshalb ist es nach meiner Auffassung kein Standortpessimismus, jetzt zu sagen: Wir müssen unseren Standort verbessern. Was uns unterscheidet, ist, daß Sie nur darauf warten, daß andere Länder im internationalen Wettbewerb ihre Standortbedingungen irgendwann einmal verschlechtern. Bei der Steuer- und Abgabenpolitik ist dies besonders offensichtlich. Sie empfehlen, durch europäische und internationale Vereinbarungen dafür zu sorgen, daß beispielsweise in Belgien - wo Frau Schreinemakers hingeht - eine vergleichbare Steuer- und Abgabenquote herrscht wie in Deutschland. Darauf hat ganz Belgien gewartet. Frau Kollegin, kein einziges Land auf dieser Welt wird die eigenen Bedingungen und Wettbewerbsvorteile verschlechtern, nur damit die deutsche Wirtschaft wieder mehr Chancen hat. Wir müssen unseren Standort selbst verbessern, zum Beispiel durch eine Steuersenkungspolitik, Frau Kollegin.
Der Sozialstaat ist auf eine funktionierende und erfolgreiche Volkswirtschaft angewiesen. Sie mögen das mit Neidkampagnen begleiten. Die Neidkampagnen in Wahlkampfzeiten eignen sich vielleicht für demoskopische Erfolge, sie mögen den Leistungsbereiten in dieser Gesellschaft immer neue Lasten aufbürden. Wir sagen dazu: Wir sitzen alle in einem Boot, aber einige müssen auch rudern. Wenn wir die Leistungsbereiten in diesem Lande weiter gängeln und weiter drücken,
dann werden die Abwanderungen von Investitionen
nicht aufhören und in diesem Lande keine neuen Arbeitsplätze entstehen. Deswegen fordern wir eine Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung und wollen an die Politik anknüpfen, die Mitte der 80er Jahre so erfolgreich in Westdeutschland gewesen ist.
Die Steuerreform ist der Schlüssel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und für stabile Haushalte in unserem Land. Steuersenkungen sind das beste Beschäftigungsprogramm, weil sie für neue Investitionen und damit eben auch für neue Arbeitsplätze sorgen. Nur wer Arbeit hat, kann überhaupt Steuern zahlen. Deswegen reißen Steuersenkungen keine Löcher in öffentliche Kassen,
sondern konsolidieren die Haushalte durch eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt.
Wir Freie Demokraten sind zu Kompromissen im Rahmen der Steuerverhandlungen bereit. Es darf aber keine Umverteilungsreform als fauler Kompromiß übrigbleiben. Wir Freie Demokraten halten am Ziel einer Nettoentlastung von 30 Milliarden DM fest. Stufenlösungen sind denkbar, aber auch die erste Stufe muß ein Einstieg in eine echte Steuersenkungsreform sein. Für die Freien Demokraten gilt: Steuersenkungen so viel und so früh wie möglich, um neue Investitionen zu ermöglichen. Ich füge hinzu: Der Solidaritätszuschlag wird wie in der Koalition vereinbart um zwei Prozentpunkte zum 1. Januar 1998 gesenkt.
Je mehr Mut die Politik bei der Steuerreform jetzt hat, um so besser für die Arbeitsplätze in Deutschland.
Die Opposition sagt: Wir können uns eine große Steuerreform nicht leisten. Die Koalition sagt: Deutschland kann sich das Scheitern einer großen Steuerreform nicht leisten.
Wenn die Steuerschraube zu fest angedreht wird, würgt sie die Konjunktur ab, sorgt für das Abwandern von Investitionen und damit für den Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland. Das führt zu weniger Staatseinnahmen. Dieser Effekt wird in der Volkswirtschaft als Laffer-Kurve bezeichnet.
Ich möchte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen vor allen Dingen von den Grünen, das Buch „Grundzüge der Mikroökonomik" von Varian empfehlen. Sie dürfen es allerdings nur dann lesen, wenn Jürgen Trittin nicht zusieht, weil es aus dem Amerikanischen übersetzt ist. Dort heißt es wörtlich:
Dr. Guido Westerwelle
Eine Erhöhung des Steuersatzes führt letztlich zu einer Reduktion der Einnahmen, wenn der Steuersatz bereits hoch genug ist.
Mit anderen Worten: Ab einem gewissen Punkt führen höhere Steuern zu einem sinkenden Sozialprodukt und damit zu niedrigeren Steuereinnahmen, weil die Leistungsbereitschaft zerstört wird. Was Tausende von Volkswirtschaftsstudenten jedes Jahr im zweiten Semester lernen, hat die Opposition bis heute noch nicht begriffen.
Wer wie die SPD bis jetzt noch kein eigenes erstes Steuerreformkonzept vorgelegt hat, kann von der Koalition kein zweites Konzept verlangen. Eine Pressemitteilung oder eine flammende Rede der finanzpolitischen Sprecherin in diesem Hause ist noch kein Konzept.
Das mindeste, was man verlangen darf, sind konkrete Vorstellungen der Opposition über einen Tarifverlauf.