Rede von
Peter
Jacoby
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ihre Frage, Kollege Weng, gibt mir Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß es natürlich einen sehr nachhaltigen Widerspruch gibt zwischen dem, was der Ministerpräsident von Niedersachsen an neuen ordnungspolitischen Überlegungen propagiert, und dem, was in der eigenen Verantwortung geschieht, sowohl in der Verantwortung des Landes wie auch in der Verantwortung etwa der Landesregierung im Bundesrat, im Vermittlungsausschuß und darüber hinaus. Es klaffen Welten zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Dennoch sollte man den Mann beim Wort nehmen. Man sollte sich auf das beziehen, was er propagiert; denn womit sollte man sich denn auseinandersetzen angesichts dessen, was wir in dieser Woche in der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages an unterschiedlichen, widersprüchlichen Akzentsetzungen jeweils erlebt haben?
Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich auch auf folgendes hinweisen, das am Ende dieser
Haushaltswoche doch festzustellen ist. Man kann eben nicht, Kollege Diller, im Rahmen einer allgemeinen Finanzdebatte, wie das heute der Fall ist, die Höhe der Neuverschuldung beklagen, wenn man sich andererseits notwendigen Sparmaßnahmen versagt.
Meine Damen und Herren, man kann nicht freitags kommen und die Nettoneuverschuldung kritisieren - was Sie eben wiederum getan haben -, wenn man an den Tagen zuvor - etwa gestern oder vorgestern - bei den Beratungen der Einzeletats Mehrausgaben in erheblichem Maße gefordert hat. Das ist widersprüchlich, doppelbödig und ergibt kein Konzept.
Gestern haben Sie uns zum Beispiel vorgeworfen, wir kürzten die Mittel im Bereich von ABM sowie für Fortbildung und Umschulung bei der Bundesanstalt für Arbeit. Sie sind weniger darauf eingegangen, was konkret an neuen Instrumentarien - Lohnkostenzuschüssen und dergleichen mehr - zur Bedienung des ersten Arbeitsmarktes eingesetzt wird, weil es beim zweiten Arbeitsmarkt entsprechende Probleme gibt, die bewältigt werden müssen.
Vor allen Dingen lese ich wiederum beim Ministerpräsidenten von Niedersachsen:
Wir werden flexiblere und auf den ersten Arbeitsmarkt abzielende Lösungen realisieren und ein System schaffen, in dem ein Unternehmen grundsätzlich dann Zuschüsse erhält, wenn es zusätzliche Arbeitslose einstellt.
Diese Systemumstellung ist ja längst erfolgt. Der Arbeitsminister hatte gestern Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß die Mittel, die für dieses Haushaltsjahr zur Verfügung gestellt worden sind, gar nicht alle abgeflossen sind. Wieso reden Sie, Kollege Diller, dann davon, wir kürzten die Mittel und betrieben Sozialabbau, und stellen nicht in Rechnung, daß wir Umbau- und Aufbaumaßnahmen an anderer Stelle durchführen, die doch offensichtlich auch dem Kurs des niedersächsischen Ministerpräsidenten entsprechen?
Drittens. Man kann nicht hierherkommen und angesichts der Probleme auf dem Arbeitsmarkt und der Erosion unserer Steuerbasis feststellen, daß diese Tatsachen eine Zangenwirkung auf den Haushalt mit den nachhaltigen Folgen, die das mit sich bringt, ausüben, und uns kritisieren, weil wir in dieser Situation eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen, und dann auch noch die Argumentation vortragen: Natürlich muß bei den Investitionen und dem sonstigen operativen Bereich alles so bleiben, wie es ist. Alles zusammen geht eben nicht, und deshalb haben wir uns für diesen Weg entschieden, weil wir so sicherstellen können, daß die Konjunktursignale nicht abgetötet werden, sondern in positiver Weise in die Zukunft hineingetragen werden. In diese Richtung gehen unsere
Peter Jacoby
Überlegungen. Ich sage klipp und klar: Glaubwürdig ist Ihre Position in diesem Zusammenhang nicht.
Ich möchte eine weitere Bemerkung zu den Reformnotwendigkeiten machen, die mittlerweile überhaupt nicht mehr bestritten werden können. Wer morgen sicher leben will, muß heute zu Reformen bereit sein, muß sie kraftvoll durchsetzen und darf keine Angst vor Veränderungen haben. Wir müssen Wirtschaft und Gesellschaft umfassend modernisieren; denn wenn sich die ökonomische Basis der Gesellschaft dramatisch verändert, kann der gesellschaftliche Überbau nicht statisch bewahrt werden. Wenn man aber wirklich vorankommen will, müssen Brüche und Sprünge gewagt werden; denn nur sie schaffen neue Chancen.
Alles das formuliert Gerhard Schröder in dem Papier von gestern. Wir stellen einfach fest: Alle diese Forderungen richten sich an ihn selbst; es sind Forderungen auch an Sie, an die SPD-Bundestagsfraktion. Wir fordern Sie auf, auch seinen Äußerungen zur Steuerpolitik Beachtung zu schenken, daß nämlich privates Kapital seit Jahren den Investitionsstandort Deutschland meidet, weil hier die nominalen Steuersätze im europäischen Vergleich nicht wettbewerbsfähig seien. Dem müssen jetzt endlich Konsequenzen folgen. Das ist es, was es einzufordern gilt, auch im Rahmen dieser Schlußbetrachtung zur Haushaltswoche im Deutschen Bundestag.
Deshalb sage ich: Es kommt nicht darauf an, Papiere zu formulieren; es kommt nicht darauf an, neue Programmentwürfe zu formulieren, wodurch man viel Zeit verliert. Der Bundesfinanzminister hat dieser Tage davon gesprochen, es sei notwendig, die richtigen Entscheidungen zu treffen, aber es komme auch auf den richtigen Zeitpunkt an. Deshalb kann es so nicht weitergehen, daß im Vermittlungsausschuß und im Rahmen der übrigen Beratungen des Bundesrates die Umsetzung der Dinge, die teilweise parteiübergreifend und auch vom Sachverständigenrat, der OECD und anderen internationalen Organisationen als richtig erkannt worden sind, weiter gebremst wird. Wir sind der Auffassung, daß Konsequenzen folgen müssen, auch in der Steuerpolitik, der Rentenpolitik und in Fortsetzung der notwendigen Programme und Reformschritte, die in unserem Land schon bisher auf den Weg gebracht worden sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will zum Schluß auf folgendes hinweisen: Die finanzpolitischen Kennziffern, von denen der Kollege Diller gesprochen hat, gehen an einigen wesentlichen Momenten und Elementen vorbei. Man muß die Höhe der Verschuldung, der Staatsquote, der Zinsausgaben und der Abgabenbelastung in Relation zu den Aufgaben sehen, die seit 1990 im Zusammenhang mit der deutschen Einheit zu meistern waren und die bewältigt worden sind. Wenn mit Recht gesagt werden kann, ohne diese neue Dimension von Problemen hätten wir jetzt eine Staatsquote und einen Anteil der Gesamtausgaben des Haushaltes am Bruttosozialprodukt wie vor der Wiedervereinigung, dann ist das doch ein Beleg dafür, daß auch enorme Konsolidierungsmaßnahmen in diesen Jahren auf den Weg gebracht wurden.
Da frage ich mich natürlich, bei welchen dieser Konsolidierungsmaßnahmen - summa summarum eine Größenordnung von 120 Milliarden DM; diese Mittel waren notwendig, um neue Aufgaben im Zusammenhang mit der deutschen Einheit und andere Aufgaben zu finanzieren und zu bewältigen - Sie jemals mitgewirkt haben. Wo haben Sie einen Beitrag zu einer Begrenzung dieser Situation geleistet?
Alles in allem, meine Damen und Herren, eine Haushaltswoche, die deutlich gemacht hat: Wir sind mit ganz unterschiedlichen Positionen aus Ihrem Bereich konfrontiert. Wir wünschen, daß sich diejenigen durchsetzen, die mit uns der Auffassung sind, daß Modernisierung, Erneuerung und Zielorientierung im Blick auf die Zukunft der richtige Weg sind. Wir laden Sie ein, in den anstehenden Verhandlungen der nächsten Tage, der nächsten Woche mitzuhelfen, damit das, was als notwendig und richtig erkannt worden ist, auch entsprechend umgesetzt werden kann. Alle in unserem Land werden davon profitieren.