Rede von
Peter
Jacoby
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Ende dieser Haushaltswoche und mit Blick auf die Diskussion, die auch über diesen Raum hinaus in Deutschland stattfindet, möchte ich zunächst einmal sagen: Wir haben es in unserem Land ganz offensichtlich mit
Peter Jacoby
zwei unterschiedlichen sozialdemokratischen Parteien zu tun.
Um das zu belegen, möchte ich an das anknüpfen, womit Kollege Diller eben geschlossen hat.
In der vergangenen Woche erschien unter der Überschrift „Üble Heuchelei" ein Beitrag des früheren Finanzministers Manfred Lahnstein in der „Zeit".
Er greift das Argument, das Sie gerade gebracht haben, daß es die Massenkaufkraft zu stärken gelte, wie folgt auf:
Die vielbeschworene Forderung nach „stärkerer Massenkaufkraft" übersieht penetrant, daß eine derartige Stärkung nur über Investitionen und Beschäftigung, nicht aber über begrenzte Steuerentlastung zu erreichen ist.
Das schreibt Manfred Lahnstein - und er hat recht, meine Damen und Herren.
Manfred Lahnstein fährt fort:
An sich hätte da ein Blick auf das Jahressteuergesetz 1996 bereits vollauf genügt.
Er spitzt es dann zu und fragt:
Wo sind sie denn geblieben, die konjunkturellen Anstoßwirkungen der zwanzig Milliarden Mark an Steuerentlastungen aus höherem Grundfreibetrag und Umstellung beim Kindergeld?
Deshalb, meine Damen und Herren, sage ich: Wir haben diese Besserstellung im Rahmen des Jahressteuergesetzes 1996 ermöglicht, nicht in erster Linie aus konjunkturellen Überlegungen, sondern aus sozialpolitischen, aus familienpolitischen Überlegungen.
Hinzu kommen unsere Maßnahmen, die an der Wurzel ansetzen, der Modernisierung unseres Standortes. Diese sind mittlerweile auch von anderen, jenseits von Lahnstein, als notwendig erkannt worden. Sie in der Bundestagsfraktion haben Nachholbedarf, das bei einer Haushaltsdebatte wie der heutigen entsprechend zu realisieren.
Eine zweite Bemerkung. Sie, Kollege Diller, haben die Bundesregierung am Schluß Ihrer Rede angegriffen und von der unangemessenen Privatisierung in unserem Land gesprochen. Jetzt will ich gar nicht darauf abstellen, was mittlerweile alles in der Verantwortung sozialdemokratischer Landesregierungen
privatisiert wird und was jeweils in den Haushalt eingestellt wird. Ich möchte Sie vielmehr auf etwas ganz anderes hinweisen, wiederum unter Bezugnahme auf jemanden, der für Ihre Partei über Jahre hinweg nicht irgendeine Verantwortung, sondern finanzpolitische Verantwortung in Deutschland getragen hat, nämlich Hans Apel. Er hat vor Monaten hier in Bonn ein Buch vorgestellt, in dem er auch etwas zur Privatisierung sagt. Das will ich Ihnen ebenfalls nicht vorenthalten.
Hans Apel schreibt:
Obwohl die Privatisierung öffentlicher Unternehmen in der Bundesrepublik im Vergleich zu unseren Nachbarn in Westeuropa weit gediehen ist, zwingen die riesenhaften Haushaltsdefizite den Bund und die Länder, sich von weiteren Vermögenswerten zu trennen. Das Schlagwort
- so Hans Apel -
vom Verscherbeln des „Tafelsilbers" macht erneut die Runde. Mit diesem törichten Begriff wird der Sachverhalt überhaupt nicht getroffen. Jede Kreditaufnahme der öffentlichen Hände belastet den Haushalt zur Zeit mit etwa sechs Prozent Zinsen. Falls die Zinsen wieder steigen, kann diese Last auch auf acht und mehr Prozent pro Haushaltsjahr wachsen. Wenn das öffentliche Vermögen derartige Renditen nicht abwirft, ist eine Privatisierung zur Verringerung exzessiver Haushaltsdefizite finanzpolitisch vernünftig.
Das schreibt Hans Apel, meine Damen und Herren. Er fügt hinzu:
Gesellschaftspolitische Einwände gegen die Veräußerung öffentlichen Vermögens zur Haushaltsfinanzierung sind häufig nur vorgeschoben und sollen partikulare Interessen verdecken.
Das, meine Damen und Herren, stand eigentlich hinter der Argumentation des Kollegen Diller.
Es haut einen fast vom Sockel, wenn man sich einmal anschaut, was der Ministerpräsident von Niedersachsen dieser Tage in Dresden gesagt hat zum notwendigen Kurs von mehr Wettbewerb, mehr Liberalisierung und mehr Privatisierung, was nachgeahmt werden soll im Blick auf die Telekommunikation. Das sei ein guter Weg gewesen, der, wie ich hinzufüge, gegen Ihren hartnäckigen Widerstand durchgesetzt worden ist. Ich finde, Sie sollten sich, Kollege Diller, auf die Höhe der programmatischen Diskussion bringen, wenn - wie im Moment - Haushaltsdebatten im Deutschen Bundestag zu führen sind.