Herr Kollege Dr. Riedl, ich bestätige Ihnen gerne, daß Herr Kollege Dr. Weng zu den ständigen Teilnehmern an Haushaltsausschußsitzungen gehört,
daß aber gerade bei ihm der Fleiß noch nichts aussagt über die Qualität seiner Arbeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein zweites Beispiel für die Nach-mir-die-Sintflut-Politik: Sie setzen Ihre Verpflichtungen zur Tilgung der Bahnschulden ab 1998 durch Gesetzesänderung einfach für drei Jahre aus und verschieben so mal locker acht Milliarden DM an Tilgungsleistungen in die Zukunft. Bislang kannte man Tilgungsaussetzungen bei Staaten nur von bitterärmsten Entwicklungsländern.
Sie schwadronieren in der Koalition aber von einem notwendigen Schritt im finanziellen Gesundungsprozeß. Das können Sie dem Bürger überhaupt nicht weismachen. Der weiß, wie es um die Bundesfinanzen bestellt ist. Er braucht sich dazu nur einen Häuslebauer vorzustellen, der die Raten für sein Einfamilienhaus nicht mehr bezahlen kann und deshalb bei seiner Hausbank um einen Zahlungsaufschub bitten muß. In der Situation sind Sie mittlerweile auch.
Die Liste ließe sich übrigens beliebig verlängern. Privat vorfinanzierte Straßen müssen bald zurückgekauft werden. Mit den Investitionsausgaben im Haushalt müssen zunehmend alte Verpflichtungen abfinanziert werden. Für neue Projekte ist kein Geld mehr da.
Großprojekte wie der Transrapid sind in Ihrem Haushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung
ohne tragfähiges Finanzierungskonzept, belasten künftige Haushalte mit hohen Subventionen.
Dazu sagen wir: Wenn die deutsche Industrie zur Exportförderung den Transrapid will, dann muß sie auch die finanzielle Gesamtverantwortung dafür tragen und sie nicht dem deutschen Steuerzahler aufbürden.
Sie behaupten in Ihrer Haushaltsrede, der Haushalt 1998 würde die Wachstumskräfte stärken. Das Gegenteil ist wahr. Wo sind denn die intelligenten Ansätze für mehr Zukunftsinvestitionen, für Risikokapital, für Existenzgründungen und anwendungsorientierte Forschung?
Sie kürzen die Mittelstandsförderung um 165 Millionen DM. Sie gehen bei den Verpflichtungen für die regionale Wirtschaftsförderung im Osten um 112 Millionen, im Westen um 145 Millionen DM herunter. Sie kürzen den Wirtschaftsministern der neuen Bundesländer die Millionen für den Aufbau Ost, obwohl dort alle Zeichen auf Sturm stehen. Sie kürzen die Ausgabeprogramme für die Städtebauförderung um 10 Prozent, für den sozialen Wohnungsbau sogar um 30 Prozent.
Sie kürzen bei Forschung und Bildung mittelfristig weiter. Zwar steigt nach den Kürzungen im Vorjahr der Etat um 81 Millionen DM an, aber nur, weil die globale Minderausgabe wegfällt. Zu einer Umstrukturierung des Haushalts sind Sie nicht in der Lage; denn der Löwenanteil der Ausgaben fällt nach wie vor auf die Atomenergie.
Für eine Stärkung von Forschung und Bildung, um die deutsche Position im internationalen Wettbewerb zu verbessern, neue Märkte zu gewinnen und damit neue Arbeitsplätze zu schaffen, haben Sie im neuen Haushalt viel, viel zuwenig vorgesehen.
Dagegen leisten Sie sich einen Schildbürgerstreich: Die Auflösung des Postministeriums Ende dieses Jahres wird - man staune - nicht zu Einsparungen, sondern zu Mehrausgaben führen. Die Übertragung der Aufgaben des bisherigen Postministeriums auf andere Ministerien führt zu insgesamt 35 Millionen DM Mehrausgaben. Man könnte sozusagen feststellen: Der Etat eines nicht mehr existierenden Postministeriums hat mit 10 Prozent die höchste Zuwachsrate. Das ist doch schlicht unfaßbar!
Unter dem Strich bleibt: Die Kohl-Regierung gestaltet nicht mehr. Sie verwaltet nur noch den Mangel - und das höchst mangelhaft. Ihre Haushalts- und Finanzplanung ist geprägt durch Ausweglosigkeit und Endzeitstimmung. Da Sie nach dem Motto handeln „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert",
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Karl Diller
wagen Sie ein Steuerpaket vorzulegen, das mit Einnahmeausfällen von 45 Milliarden DM bei Bund, Ländern und Gemeinden deren Haushalte endgültig ruinieren würde.
Dies ist ein in der Finanzgeschichte der Bundesrepublik Deutschland einmaliger und in seiner Verantwortungslosigkeit dem Bürger gegenüber nicht mehr nachvollziehbarer Vorgang. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande wissen, daß die öffentlichen Kassen leer sind. Was soll da Ihre Verlogenheit von einer Nettoentlastung in Höhe von 30 Milliarden DM?
- Ich sage das Wort bewußt, Herr Kollege, weil Sie entweder nicht in der Lage waren oder weil Sie zu feige sind, wenigstens die auf den Bund entfallenden Steuerausfälle in der Größenordnung von über 20 Milliarden DM pro Jahr, wie es eigentlich Ihre Pflicht wäre und wie es das Gesetz erfordert, in der mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 1999, 2000 und 2001 auszuweisen.
Sie, Herr Bundesfinanzminister, haben vor einem Jahr gesagt, daß nach Ihrer Meinung für Steuersenkungen kein Geld da sei und deshalb eine Strukturreform in der Steuergesetzgebung aufkommensneutral gestaltet werden müsse. Inzwischen haben Sie dem erpresserischen Druck der F.D.P. nachgegeben. Ein Finanzminister, der es nicht wagt, zu seinen Amtspflichten zu stehen, die er einmal erkannt hat, und der statt dessen im stillen darauf vertraut, die Länder würden über den Bundesrat parteienübergreifend das Schlimmste schon verhindern, sollte nach meiner Auffassung den Hut nehmen.
Ihr Steuerkonzept ist unwirtschaftlich, unfinanzierbar und ungerecht. Ihr Ziel, bei Verbrauchern, bei Rentnern, bei Pendlern, bei Schichtarbeitern abzukassieren, um Steuergeschenke an Millionäre zu finanzieren, ist einfach schamlos. Sie schaffen so keine neuen Arbeitsplätze; denn es kommt in dieser Situation entscheidend darauf an, die private Nachfrage bei denen zu stärken, die heute jede Mark zweimal umdrehen müssen, bevor sie sie ausgeben können. Jahrelanger Lohnverzicht und das ständige Drehen der Regierung Kohl an der Steuer- und Abgabenschraube haben die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger immer weiter geschwächt. Das ist der Grund, weshalb es überall im Handel, in der Dienstleistung, im Handwerk zu Stagnation kommt. Der Export boomt, aber die inländische Nachfrage lahmt.
Deshalb ist es unsere Auffassung, daß wir alles daransetzen müssen, daß die Kaufkraft in unserem Lande gestärkt wird. Gleichzeitig muß die Belastung der Wirtschaft mit Lohnnebenkosten durch eine Senkung der Sozialabgaben gemindert werden. Einkommensteuerreform und Abgabenreform gehören deshalb bei uns zusammen. Wir setzen auf eine Strategie, die Angebots- und Nachfragepolitik miteinander verbindet. Die Senkung der Lohnnebenkosten und die Senkung der gewerblichen Steuersätze stellen die Angebotsseite unserer Politik dar, die Entlastung
der Arbeitnehmer und Familien die Nachfrageseite unserer Politik.
Deshalb hat unsere Steuer- und Abgabenreform fünf Elemente:
erstens Senkung der Lohnnebenkosten durch eine Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge um 2 Prozentpunkte bei gleichzeitiger Gegenfinanzierung durch einen Einstieg in die ökologische Steuerreform; zweitens Senkung des Eingangssteuersatzes für alle Lohn- und Einkommensteuerzahler auf 22 Prozent; drittens Ausweitung des steuerfreien Einkommens auf 14 000 DM für Ledige und 28 000 DM für Verheiratete plus eine Anhebung des Kindergeldes auf 250 DM für das erste und das zweite Kind; viertens Senkung der gewerblichen Steuersätze für wiederinvestierte Gewinne und fünftens solide Gegenfinanzierung durch das Schließen von Steuerschlupflöchern, eine Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und einen entschiedenen Kampf gegen die Steuerhinterziehung in diesem Lande.
Unter dem Strich bringt unsere Steuer- und Abgabenreform einer Familie mit zwei Kindern eine Entlastung von durchschnittlich etwa 2500 DM im Jahr. Das wäre für viele Familien in meinem Wahlkreis ein zusätzliches Monatsnettoeinkommen, würde ihre Kaufkraft entscheidend stärken und durch ihre Nachfrage zu neuen Arbeitsplätzen führen.
Wenn Sie jetzt nicht zu einer grundsätzlichen Korrektur Ihres unfinanzierbaren, steuerpolitisch ungerechten und wirtschaftlich fragwürdigen Konzepts bereit sind, dann werden wir unser Konzept einer Steuer- und Abgabenreform nach der Bundestagswahl umsetzen.
Unser Konzept einer Steuer- und Abgabenreform ist kein Allheilmittel. Es ist aber - davon bin ich überzeugt - ein auf die finanziellen Möglichkeiten des Staates abgestimmter Schritt in die richtige Richtung, der zu mehr Steuergerechtigkeit und zu mehr Beschäftigung führen wird und so dazu beiträgt, die Finanzprobleme des Staates zu überwinden.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth In der Debatte spricht jetzt der Kollege Peter Jacoby.