Rede von
Gerhard
Rübenkönig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Schluß der heutigen Debatte steht der Gesundheitshaushalt und damit die Gesundheitspolitik der Bundesregierung auf der Tagesordnung. Lassen Sie mich zu Beginn hierzu folgendes grundsätzlich feststellen: Seit dem Amtsantritt dieser Regierung ist das Gesundheitswesen vor allem von ständigen Haushaltskürzungen, steigenden Beitragssätzen sowie immer stärkeren Belastungen für die Versicherten und Patienten durch Leistungskürzungen und Zuzahlungsregelungen geprägt. Ich denke, das ist an dieser Stelle einmal zum Haushalt grundsätzlich festzuhalten.
Gerhard Rübenkönig
Diese Politik wird auch im Haushalt 1998 fortgesetzt und zeigte bereits bei der Festsetzung der globalen Minderausgabe in Höhe von 26 Millionen DM für den Haushalt 1997 seine Wirkung. Auf der Basis dieser globalen Minderausgabe wurden allein im Präventionsbereich Kürzungen zwischen 25 und 60 Prozent durchgeführt.
Auch der vorliegende Haushaltsentwurf 1998 macht wiederum deutlich, daß präventive und solidarische Gesundheitssicherung für diese Bundesregierung überhaupt kein Thema ist.
Er ist mit einem Volumen von 712 Millionen DM für das Haushaltsjahr 1998, bezogen auf 1997, einschließlich der globalen Minderausgabe um 1,9 Prozent und, gemessen an 1994, um zirka 17 Prozent heruntergefahren worden.
Der Ausgabenrückgang im vorliegenden Finanzplan 1997 bis 2001 liegt bei 7,5 Prozent. Die Kürzung im Vergleich der Jahre 1994 und 2001 macht somit 22 Prozent aus. Gemessen an dieser Haushaltsperspektive könnte man nach den Erfahrungen der letzten Jahre wieder zur Tagesordnung übergehen. Überzogene Interessen der Haushaltssanierung bestimmen die Richtung in der Gesundheitspolitik. Dies kann und darf aber nicht die Grundlage für eine moderne und präventive Gesundheitspolitik sein.
Ich möchte an dieser Stelle in nur einigen Bereichen deutlich machen, in welcher Höhe von 1994 bis 1998 bei der Aufklärungs- und Präventionsarbeit gekürzt wurde: in der Psychiatrie um 77,5 Prozent. Hier wurde das Modellprogramm Psychiatrie für die Entwicklung und Erprobung neuer Arbeitsformen und Organisationsstrukturen zur Reform der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung gekürzt. Bei der Krebsbekämpfung wurde um 70,2 Prozent gekürzt, obwohl - da höre man gut zu - die Erkrankungen im Krebsbereich nachweislich zunehmen. Hier wurden die Zuschüsse zur Förderung von Modellen zur onkologischen Zusammenarbeit und die Zuschüsse zur Errichtung, Erweiterung und Ausstattung von klinischen Krebsregistern gekürzt.
- Sie können das nicht verstehen? Vielleicht kennen Sie den Haushalt nicht. Ich zitiere nur die Aussagen in Ihrem Haushalt.
Bei der Aidsbekämpfung wurde um 45,6 Prozent gekürzt. Gekürzt wurden die Aufklärungsmaßnahmen
auf dem Gebiet der Aidsbekämpfung und die Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Erkennung und Bekämpfung von Aids. Bei der Drogenbekämpfung wurde um 32,6 Prozent gekürzt. Obwohl wir im Berichterstattergespräch - Herr Sauer, Sie wissen das noch - im vorigen Jahr zum Haushalt 1997 einvernehmlich der Auffassung waren, daß hier ein Aufwachs von mindestens 1 Million DM erforderlich war, wurde auch hier eine Reduzierung beschlossen.
Herr Minister Seehofer, ich fordere Sie auf: Machen Sie endlich eine Gesundheitspolitik, die in die Zukunft weist und auf präventive Maßnahmen ausgerichtet ist, damit nicht die Aidskranken, die Krebskranken, die chronisch Kranken, die Suchtkranken und die Kranken in der Psychiatrie, um nur einige zu nennen, immer wieder die Leidtragenden Ihrer Politik sind!
Diese kontraproduktive Politik finden wir auch im Beitragsentlastungsgesetz wieder. Dort ist die Streichung wesentlicher Inhalte des Auftrages der Krankenkassen - Prävention und Gesundheitsförderung -
verankert.
Ich denke, daß ein vernünftiges Gesundheitssystem seine Rechtfertigung nicht allein aus möglichst vielen Krankheiten, die es zu heilen gilt, ableiten darf, sondern auch aus der Gesundheit in unserer Gesellschaft ableiten muß. Deshalb fordere ich Sie, Herr Minister Seehofer, noch einmal auf: Setzen Sie endlich einen Schwerpunkt in der Gesundheitspolitik auch auf die Prävention!
Die SPD-Bundestagsfraktion hat die Bundesregierung aufgefordert, den Rechtsanspruch der Versicherten auf Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung unverzüglich im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches zu verwirklichen und ein Gesamtkonzept „Prävention und Gesundheitsförderung in der gesetzlichen Krankenkasse " vorzulegen. Denn Präventionsmaßnahmen und gesundheitsfördernde Programme senken die Gesundheitskosten und sind Investitionen in die Zukunft.
Es ist aber offensichtlich - das zeigen auch Ihre Zwischenrufe -, daß die Koalition nicht bereit ist, das Gesundheitswesen grundlegend zu reformieren und damit die Solidarfunktion der gesetzlichen Krankenversicherung durch neue, flexible Instrumente abzusichern.
Kolleginnen und Kollegen, die SPD tritt mit dem Gesundheitsstrukturgesetz II dem Reformstillstand der Bundesregierung und der Zweiklassenmedizin in unserem Lande entgegen.
Gerhard Rübenkönig
Denn die. Versicherten und Patienten in diesem Lande brauchen ein Gesundheitswesen,
das auf Solidarität zwischen Gesunden und Kranken sowie zwischen Mehr- und Wenigerverdienenden aufgebaut ist.
Die Voraussetzung hierfür ist natürlich eine durchschlagende Wachstums- und Beschäftigungspolitik zur wirksamen Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit.
Eines steht fest - dies ist auch die Meinung aller Sachverständigen -: Nicht der Sozialstaat verursacht die enormen Belastungen. Vielmehr ist die steigende Massenarbeitslosigkeit der Kostenfaktor Nummer eins.
In der Gesundheitsdebatte des Deutschen Bundestages im Juni 1997 klagten Sie selbst, Herr Seehofer - ich zitiere wörtlich -: „Wir haben im deutschen Gesundheitswesen keine Leistungskrise, sondern Finanzierungsprobleme." - Dann stellten Sie im September 1997 zu den veröffentlichten Defiziten der gesetzlichen Krankenkassen fest: „Wir haben keine Krise im Gesundheitswesen, sondern am Arbeitsmarkt." - Ich sage Ihnen, Herr Seehofer: Dieses Gesundheitswesen steckt tatsächlich in einer tiefen Krise, weil diese Regierung,
der Sie angehören, in allen Bereichen - im Gesundheitsbereich, am Arbeitsmarkt und bei den Finanzen - eine katastrophale Politik betreibt.
Bevor ich nun zum Schluß komme, zitiere ich den