Rede von
Horst
Seehofer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Entwurf des Gesundheitshaushaltes 1998 umfaßt ein Volumen von 712 Millionen DM. Das ist gegenüber dem laufenden Haushaltsjahr ein Rückgang von 1,9 Prozent. Obwohl wir bei einigen Positionen maßvolle Abstriche durchführen müssen, möchte ich zuallererst feststellen, daß wir mit diesem Haushaltsentwurf genügend Mittel zur Verfügung haben, um alle wichtigen und notwendigen Maßnahmen der Gesundheitspolitik auch im Jahre 1998 zu finanzieren.
Dazu bedurfte es einiger neuer Prioritäten. Ich verschweige nicht, daß wir in einigen Bereichen, wie ich sagte, maßvolle Abstriche durchführen müssen, die ich absolut mitverantworte. Aber das heißt nicht, daß in diesen Bereichen, beispielsweise der Psychiatrie, die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung nicht mehr durchgeführt wird, wenn die Bundesregierung Modellvorhaben der Psychiatrie nicht mehr fördert, sondern das heißt, daß die Modellphase zu Ende geht und daß es zu einer Regelfinanzierung kommt, für die dann anschließend die Bundesländer, die nach der Verfassung für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung verantwortlich sind, aufkommen werden.
Ich möchte exemplarisch die wichtigsten Schwerpunkte nennen, die wir neu setzen und wo es entweder zu gleichbleibenden oder sogar zu verstärkten Haushaltsmitteln kommt. Ein Bereich ist unsere Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die bei Aufklärungsbedarf zu aktuellen gesundheitspolitischen Themen mit großem Erfolg eingesetzt wird.
Dort haben wir im laufenden Jahr wegen deutlicher Sparmaßnahmen die größten Schwierigkeiten. Ich bin sehr froh, daß wir gegenüber 1997 jetzt die Mittel für die gesundheitliche Aufklärung unserer Bevölkerung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, um etwas mehr als 1,7 Millionen DM erhöhen können.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit - nachdem ich vor kurzem eine Aufklärungsausstellung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eröffnet und besucht habe - auch einmal herausstellen, daß die Arbeit dieser Zentrale außerordentlich gut ist und daß die Arbeit von der Bevölkerung in großem Maße angenommen wird.
Zur Aidsbekämpfung. Die Aidsbekämpfung behält einen sehr hohen Stellenwert. Das ist auch notwendig, um die großen Erfolge, die wir bei der epidemiologischen Entwicklung in Deutschland zu verzeichnen haben, aufrechtzuerhalten.
Ich freue mich, daß der Ansatz für Aidsaufklärung auf 16 Millionen DM erhöht wird. Das ist ein Plus von 17 Prozent. Damit kann die Arbeit der Deutschen Aids-Hilfe - eine sehr segensreiche Arbeit - weiterhin gut unterstützt werden. Es freut mich besonders, daß es trotz der Sparzwänge gelungen ist, den An-
Bundesminister Horst Seehofer
satz für die Aidsforschung von heute 3,8 Millionen DM auf 4,2 Millionen DM zu erhöhen.
Nachdem der Blutplasmaskandal schon wieder etwas in Vergessenheit geraten ist, ist es gut, daß wir mit den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses Ernst machen und uns intensiv darum kümmern, daß wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Selbstversorgung mit Blut und Blutprodukten in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden, damit wir die Selbstversorgung mit Blut und Blutprodukten in der Bundesrepublik Deutschland möglichst bis Ende dieses Jahrhunderts erreichen. Denn es ist nach wie vor ein unguter Zustand, daß wir gerade beim Blutplasma fast die Hälfte des nationalen Bedarfs aus dem Ausland einführen müssen. Deshalb ist es gut, daß dafür Geld in der Größenordnung von 2 Millionen DM neu in den Haushalt eingestellt wird. Das ist ein neuer Titel; bisher wurde das überhaupt nicht aus dem Bundeshaushalt finanziert.
Ein weiterer positiver Punkt ist, daß wir für 1998 die Maßnahmen der medizinischen Qualitätssicherung deutlich verstärken konnten. Denn wir werden ein hochwertiges deutsches Gesundheitswesen auf Dauer nur aufrechterhalten können, wenn wir umfassende Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle sicherstellen.
Das sind wichtige Prioritäten, die in diesem Haushalt gesetzt werden.
Ich möchte, obwohl es nicht in unserem Haushaltsplan, dem Einzelplan 15, sondern im Bundeshaushalt insgesamt veranschlagt ist, nicht unerwähnt lassen, daß wir im Bundeshaushalt trotz der schwierigen Haushaltssituation nach wie vor und ungeschmälert jährlich 700 Millionen DM für Bauinvestitionen im Zusammenhang mit Krankenhäusern in den neuen Ländern bereitstellen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Akt der Solidarität zwischen Ost und West.
Ich halte fest: Der Bundeshaushalt 1998 gewährleistet, daß wir alle wichtigen und notwendigen Maßnahmen der Gesundheitspolitik auch künftig finanzieren können.
Der Einzelplan 15, der Gesundheitshaushalt, ist relativ klein. Dabei ist dieses Ministerium in der Gesetzgebung im wesentlichen für zwei Bereiche zuständig, die Krankenversicherung und die Sozialhilfe. Deshalb möchte ich zu diesen beiden Punkten einige Bemerkungen machen.
Zunächst zur Sozialhilfe. Wir haben die Sozialhilfe - das Bundessozialhilfegesetz - reformiert und können heute die erfreuliche Feststellung machen, daß im abgelaufenen Jahr 1996 zum erstenmal seit Bestehen des Bundessozialhilfegesetzes, also seit 1962, die Sozialhilfeausgaben in der Bundesrepublik Deutschland rückläufig sind.
Dafür gibt es mehrere wesentliche Ursachen. Zunächst einmal liegt das an der Einführung der Pflegeversicherung, die am 1. Juli des letzten Jahres in Ihrer Gänze, also auch für den stationären Bereich, in Kraft getreten ist. Ich meine, das ist eine wichtige Botschaft. Wir haben damit nicht nur umfassende zusätzliche Hilfe für pflegebedürftige Menschen ins Leben gerufen, sondern auch die Kommunen in, wie wir heute wissen, umfassender Weise von Pflegegeldleistungen entlastet. Ich sage es noch einmal: Das erste Mal seit 35 Jahren haben wir in der Bundesrepublik Deutschland rückläufige Sozialhilfeausgaben, insbesondere durch diese Pflegeversicherung. Dieser Trend wird sich fortsetzen; denn im nächsten Jahr gilt die Pflegeversicherung im stationären Bereich zum erstenmal für das ganze Jahr und wird die Kommunen zusätzlich um 4 bis 5 Milliarden DM entlasten.
Aber es ist auch die Sozialhilfereform, die für die Entlastung der Kommunen, insbesondere durch die Budgetierung, die Deckelung der Pflegesätze in den Einrichtungen, sorgt. Hier hatten wir in der Vergangenheit zweistellige Steigerungsraten. Diese sind deutlich zurückgegangen.
Was ich auch nicht unerwähnt lassen möchte, ist die Deckelung der Bedarfssätze in der Sozialhilfe. Es konnte nicht so weitergehen, daß die Sozialhilfebedarfssätze - wie in den vergangenen Jahren - stärker steigen als die Nettolöhne der Arbeitnehmer. Dies war eine gute Reform. Sie hat ihre Wirkung, und sie zeigt, daß man sparen und trotzdem ein hohes Niveau an Sozialhilfeversorgung in der Bundesrepublik Deutschland erreichen kann.
Das gleiche gilt für das Asylbewerberleistungsgesetz. Dies wird die Kommunen um über 1 Milliarde DM entlasten. Dies ist ein typisches Beispiel dafür, daß man durch lange Verhandlungen viel Geld umsonst ausgeben kann. Die Blockade des Bundesrates hat über ein Jahr gedauert. Es hat ungeheuer lange gedauert, bis wir zu einem Konsens kamen. Der Konsens war richtig und wichtig. Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß Asylbewerber, die sich im Asylverfahren befinden, nicht von der ersten Minute an gleich hohe Sozialleistungen erhalten müssen wie Bürger, die in der Bundesrepublik Deutschland berufstätig sind.
Ich bin froh, daß uns dies gelungen ist. Aber wir haben damit die Kommunen mit 1 bis 2 Milliarden DM mehr belastet, als es notwendig gewesen wäre, wenn wir uns schon vor über einem Jahr auf diesen Vorschlag verständigt hätten.
Die Sozialhilfereform hat also Erfolg. Ich möchte hier ankündigen, daß wir in allernächster Zeit im Vollzug dieser Sozialhilfereform noch zwei wichtige Punkte angehen werden. Dies bedarf keines Gesetzes, sondern nur des Vollzuges der Sozialhilfereform. Wir wollen gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden darauf hinwirken, daß die Kommunen die jetzt angelaufenen Anstrengungen bei der Hilfe zur Arbeit weiter verstärken. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland viele positive Beispiele dafür, daß Kommunen Sozialhilfeempfänger, gerade jüngere Sozialhilfeempfänger, in Arbeit vermitteln und entsprechend fördern. Es hat sich in der Realität herausgestellt, daß sich dies unter dem Strich für die Kommunen rechnet. Sie müssen zwar vielleicht im
Bundesminister Horst Seehofer
Moment mehr Mittel aufwenden, sie werden aber auf Dauer weniger Sozialhilfeempfänger haben, weil mehr Menschen in Arbeit vermittelt werden. Es ist immer noch besser, Arbeit zu subventionieren, als Sozialhilfe zu zahlen. Das ist das eine, das wir noch stärker fördern wollen.
Wir überlegen im Moment und führen intensive Gespräche darüber, das, was unter dem Stichwort „Kombilohn" in der öffentlichen Diskussion ist, durch eine Verordnung der Bundesregierung in der Weise zu unterstützen, daß wir den Kommunen in stärkerer Form als bisher erlauben wollen, Sozialhilfeempfängern, die eine Arbeit in den Niedriglohngruppen aufnehmen, einen Teil ihres erzielten Erwerbseinkommens zu belassen, damit ein Anreiz zur Arbeitsaufnahme entsteht und sich beim Sozialhilfeempfänger nicht der Eindruck verfestigt: „Wenn ich eine Arbeit aufnehme, wird mein erzieltes Einkommen sofort auf die Sozialhilfe angerechnet" und so der Arbeitsanreiz zerstört wird. Ich nehme an, daß wir Ende September bzw. Anfang Oktober in der Lage sind, nachdem wir mit den Sozialpartnern, Gewerkschaften und Arbeitgebern, gesprochen' haben, diese Verordnung der Öffentlichkeit vorzulegen und im Herbst 1997 zu verabschieden.
Zur gesetzlichen Krankenversicherung: Die gesetzliche Krankenversicherung ist leistungsfähig wie eh und je. Sie ist auch preiswert. Die Gesundheitsreform wird dazu führen, daß wir Ende dieses Jahres jedenfalls im Westen der Bundesrepublik Deutschland eine ausgeglichene Bilanz im Gesundheitswesen erreichen werden, wenn der Sparwille, der sich seit einigen Monaten in der Selbstverwaltung zeigt, in den nächsten Monaten weiter umgesetzt wird. Jedenfalls hat die Selbstverwaltung unsere volle politische Unterstützung, sparsam und wirtschaftlich mit den Beitragsmitteln umzugehen.
Wir können heute feststellen, daß zum erstenmal - auch dies ist ein Novum - nach der deutschen Einheit die Ausgaben im deutschen Gesundheitswesen rückläufig sind. Das gab es nicht einmal nach Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes 1993. Damals hatten wir zwar einen Milliardenüberschuß; aber wir dürfen nicht übersehen, daß damals die Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung anwuchsen und nur deshalb ein Überschuß entstand, weil es satte Grundlohnzuwächse gab, die beispielsweise im Westen bei 5 Prozent lagen.
Bemerkenswert finde ich, daß der Rückgang der Gesundheitsausgaben vor Inkrafttreten der Gesundheitsreform stattgefunden hat. Es gibt ja jetzt Zauberer, die die Wirksamkeit der Gesundheitsreform mit dem aktuellen Defizit in Verbindung bringen. Dieses Defizit ist vor Inkrafttreten der Gesundheitsreform trotz sinkender Leistungsausgaben entstanden. Es ist deshalb entstanden, weil wegen der hohen Arbeitslosigkeit und der moderaten Lohnabschlüsse, die wir ja aus gesamtwirtschaftlichen Gründen wollen, die Einnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung stagnieren bzw. in den neuen Ländern rückläufig sind. Deswegen erwarten wir realistisch, daß sich die Situation durch Zuzahlung und weitere Sparmaßnahmen im zweiten Halbjahr in den alten Bundesländern unter der Voraussetzung, daß Sparsamkeit in der Selbstverwaltung weiterhin an der Tagesordnung bleibt, stabilisieren wird.
Zu den neuen Bundesländern möchte ich noch sagen: Wir werden in den nächsten Wochen mit den Krankenkassen, den Bundesländern und den Leistungserbringern Gespräche führen. Ich bitte, diese Gespräche verantwortungsvoll in der Öffentlichkeit zu begleiten; denn wir haben es mit einer historischen Sondersituation in den neuen Bundesländern zu tun, und historische Sondersituationen rechtfertigen auch besondere Antworten. Da kann man nicht mit den Antworten Bismarcks aus dem letzten Jahrhundert kommen, sondern man muß auf die Sondersituation dieses Jahrzehnts eingehen. Wir werden hier aber Lösungen finden.
Wie sehr man neben der Realität liegen kann, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Opposition, zeigen die Ausführungen des Kollegen Kirschner an diesem Pult bei der letzten Haushaltsdebatte am 12. September 1996, fast auf den Tag genau vor einem Jahr, daß wir, wenn ich weiter in der Regierung bliebe, 1997 ein Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung von über 20 Milliarden DM erreichen würden. Herr Kirschner, ich gebe Ihnen anschließend das Protokoll. Es zeigt, wie groß die Treffsicherheit der SPD ist, insbesondere wenn es um Zukunftsprognosen geht.
Insgesamt lassen wir uns bei unserer Gesundheitspolitik davon leiten, daß wir erstens die Qualität erhalten, zweitens den sozialen Schutz für kranke Menschen gewährleisten und drittens auch den medizinischen Fortschritt fördern wollen. Dem dient auch dieser Haushalt.
Ich bedanke mich.