Mein lieber Kollege, wenn Sie a) schon zugehört hätten, hätten Sie einige sehr brisante Aussagen gehört,
und b) werden Sie weitere hören, wenn Sie bereit sind zuzuhören, und nicht nur zählen, wieviel Zeitungen zitiert werden. Diese Zitate zeigen, daß der Landwirtschaftsminister in der Tat hier etwas völlig anderes erzählt als das, was beispielsweise der Kanzler draußen erzählt. Ich würde Ihnen als Koalitionspartner raten, genauer zu lesen, was Ihr Kanzler draußen den Bauern alles verspricht.
Dann legen Sie einmal das Finanzierungskonzept vor. Das ist schon interessant.
Mit einem Nein zur Weiterführung der EU-Agrarreform steuern die Bundesregierung und der verantwortliche Minister geradezu, wie ich meine, in die Isolation, worauf die „Wirtschaftswoche" hinweist. Recht hat sie, wie ich meine.
Wir Sozialdemokraten unterstützen die Grundzüge der Agenda 2000,
die Rückführung der Stützpreise und den entsprechenden Ausgleich über direkte Einkommensübertragungen, die wir allerdings - wo irgend möglich - nach ökologischen und sozialen Kriterien vergeben sehen wollen.
Landwirtschaft braucht zur Erhaltung der Subventionen die Akzeptanz der Gesellschaft. Auch die WTO-Verhandlungen verlangen von uns neue Ideen. Zuletzt darf eine verantwortliche Agrarpolitik auch die Interessen der Dritten Welt nicht aus den Augen verlieren. Fehlentwicklungen, wie die auf afrikanische Märkte geworfenen EU-Rindfleischüberschüsse, müssen zukünftig dringend verhindert werden, wenn wir nicht wollen, daß dort weiter gewachsene Strukturen zerstört werden.
Wir teilen nicht in allen Einzelheiten die Vorstellungen der EU-Kommission. Die Ausgleichszahlungen müssen green-box-fähiger werden. Das System muß einfacher werden. Daher halten wir nichts von der Einführung neuer Einzelprämien, wie der geplanten Kuhprämie. Wir treten für eine Prämie ein, die sowohl Ackerland als auch Grünland umfaßt und die die Beschäftigungssituation in den ländlichen Räumen berücksichtigt.
Eine Reform der Strukturfonds halten wir ebenfalls für dringend geboten. Allerdings treten wir für ein eigenständiges Ziel zur Entwicklung der ländlichen Räume und der Agrarstruktur bzw. der Landwirtschaft ein. So dürfte es eher möglich sein, das Konzept einer nachhaltigen und damit umweltverträglichen Landwirtschaft sowie eine nachhaltige integrierte Entwicklung ländlicher Räume durchzusetzen.
Horst Sielaff
Zu meinem Bedauern ist die Bundesregierung in keiner Weise lernfähig.
Die Milchgarantieregelung ist dafür ein Beispiel. Die Quote wurde 1984 auf Druck der Bundesregierung mit dem Ziel eingeführt, die Milchmengen zu begrenzen. Hohe Erzeugerpreise sollten dadurch gesichert werden. Die Mengenbegrenzung gelang trotz hohen Finanzaufwands nicht.
In Europa haben wir 15 bis 20 Prozent zuviel Milch.
Seit 1989 sind die Milchpreise im Sinkflug, ohne daß bisher eine weiche Landung absehbar ist. Die in 13 Jahren vorgenommenen über 30 Änderungsverordnungen zur Grundverordnung der deutschen Ausbringung der Garantiemengenregelung Milch sprechen für sich. Der planwirtschaftliche Ansatz dieser Bundesregierung ist gescheitert.
Trotzdem setzt sie weiter auf die gleiche Politik. Sie nimmt nicht zur Kenntnis, daß bereits heute gut entwickelte Milchviehbetriebe nahezu zu Weltmarktbedingungen produzieren könnten,
- hören Sie zu -, wenn die Kapitalkosten für Kauf, Pacht und Leasing von Quoten bei sinkenden Milchauszahlungspreisen nicht derart hoch wären. In der Tat, in der Landwirtschaft ist die Diskussion, wie ich meine, sehr unterschiedlich und differenziert.
Aktive Milcherzeuger benötigen keine Mengenbegrenzung, die durch politische Festlegung einen Wert erhält, gehandelt wird und die Einkommen wegen hoher Kapitalkosten verringert. Wenn Mengenbegrenzung, dann in Zukunft nur als Lieferrecht, also als ein Recht, das zeitlich begrenzt vergeben wird
und zurückzugeben ist, wenn die Produktion eingestellt wird. Wir können bei leeren Haushaltskassen in Brüssel und Bonn nicht weiter Eigentum subventionieren und die Einkommenspolitik zugunsten der Landwirte sozialisieren.
Die Agrarpolitik dieser Bundesregierung ist ideen-
und konzeptionslos. Das trifft im besonderen für die national zu bestimmende Förderpolitik zu. Dazu ein Beispiel: Mit diesem Haushaltsentwurf werden die Bundesmittel zur Förderung von Investitionen in der Landwirtschaft und in den Dörfern erneut gekürzt. Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, verhindern damit wichtige Investitionen zur Verbesserung der Wettbewerbssituation in landwirtschaftlichen Unternehmen. Sie verhindern damit die Verbesserung der Lebensverhältnisse in ländlichen
Räumen. Dieser Finanzabbau ist nicht zuletzt ein Beitrag zur Verschlechterung der Beschäftigungssituation insbesondere in schwach strukturierten ländlichen Gebieten.
Wie die Situation aussieht, zeigen die Zahlen in Bayern, wo beispielsweise im Jahre 1996 nur noch 9,6 Prozent der gesamten Mittel für neue Bewilligungen für Investitionen zur Verfügung standen.