Rede von
Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Niehuis, Sie wissen doch viel besser als ich, daß wir am 22. September im Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu Fragen des Erziehungsurlaubs, möglicherweise auch zum Zeitkonto mit denjenigen eine Anhörung durchführen, die das, wenn man Änderungen vornehmen wollte, umsetzen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
und deshalb auch damit umgehen müssen. Wir machen das, weil wir diese Frage für wichtig halten. Ich weiß heute noch nicht, wie das Ergebnis aussehen wird. Von daher ist das nun wirklich kein überzeugender Beweis, um das, was ich hier gesagt habe, zu widerlegen.
Das Ressort von Frau Nolte umfaßt wichtige gesellschaftliche Bereiche. Es lebt von den Generationen, auch von den Spannungen zwischen den Generationen, nicht aber vom Kampf zwischen diesen. Deswegen ist es meiner Meinung nach ganz wichtig, sich im nächsten Jahr ganz besonders mit dem Themenfeld der Jugend insgesamt zu beschäftigen.
Ich will hier nicht auf die Kinder und das Züchtigungsrecht, das Sie, Frau Hanewinckel, hier angesprochen haben, eingehen. Wir alle gemeinsam wissen, daß wir in zwei Wochen verabschieden werden, daß körperliche und seelische Mißhandlung unzulässig ist.
Ich freue mich persönlich darüber, weil es mein Gesetzentwurf war, der 1994 diese Formulierungen vorsah. Wir haben es damals nicht geschafft, aber jetzt haben wir uns darauf verständigen können. Also: Wenn auch nicht immer mit der nötigen Geschwindigkeit, so kommt es doch sehr wohl zu richtigen Veränderungen und Weiterentwicklungen in diesem Bereich.
- Ja, das ist gerade der Kompromiß, den wir zusammen mit den Vertretern der SPD, auch mit Frau von Renesse, geschlossen haben. Ich weiß, daß es hier sehr wohl noch andere Wünsche gibt. Aber man sollte, wenn man nach vielen Jahren so weit gekommen ist, das Ergebnis nicht kleinreden, sondern anerkennen, was es wirklich ist, nämlich ein sehr guter Fortschritt.
Er war, das gebe ich gerne zu, überfällig. Wir mußten das auch wirklich tun.
Lassen Sie mich ein Wort gerade zu den Jugendlichen sagen. Sie haben die Shell-Studie soeben schon erwähnt. Natürlich muß es uns alle mit Sorge erfüllen, daß bei den 12- bis 24 jährigen an erster Stelle die Angst vor Arbeitslosigkeit steht. Ich brauche die Diskussion von gestern und heute nicht zu wiederholen. Hier gibt es eben vollkommen unterschiedliche Vorstellungen. Aber wenn wir uns doch wenigstens in einem einig sind, daß es nämlich erstens kein Patentrezept gibt und daß es zweitens das Entscheidende ist, auf die zu setzen, die das Ganze schließlich verwirklichen müssen, nämlich die Wirtschaft, die Gesellschaft und das Handwerk, dann, so denke ich, wäre das schon einmal etwas, das nicht nur streitig in die Öffentlichkeit getragen würde.
Was mich aber besorgt macht, ist die Entwicklung im Bereich der Kriminalität von Jugendlichen und Heranwachsenden. Es sind nicht so sehr die Zahlen; denn wenn man sie sich einmal ganz genau anschaut, stellt man fest, daß sie zwar steigen, aber nicht so besorgniserregend sind wie teilweise dargestellt. Mich erfüllt mehr mit Sorge, wie mit diesem Thema umgegangen wird, gerade jetzt zu Wahlkampfzwecken. Ich denke nur an Hamburg. Jugendkriminalität wird als d i e Gefahr an die Wand gemalt, und Gutachten, die man selbst bestellt hat, die eine sachliche Darstellung geben, werden schlechtgemacht, und man will von ihnen nichts hören.
Man muß wohl einmal ein klares Wort sagen: Mit schärferen Gesetzen, mit der Verschärfung des Jugendstrafrechts, mit der Zwangseinweisung in geschlossene Heime - Gott sei Dank haben wir das seit unserer Änderung des KJHG seit 1991 nicht mehr - geben wir den Jugendlichen doch keine Hilfe. Sie brauchen gerade dann, wenn sie in einer Gesellschaft auffällig werden - was viele Ursachen hat, natürlich auch soziale Ursachen haben kann -, eher Hilfe und Unterstützung, statt daß wir in erster Linie nur an Repression denken.
Wenn die Justiz eingreifen, wenn sie reparieren muß, hat die Kinder- und Jugendhilfe versagt. Es muß einen mit Sorge erfüllen, daß in den letzten Jahren die Aufwendungen für Jugendhilfe in den Kommunen um 20 bis 30 Prozent zurückgegangen sind.
Ich denke, da anzusetzen und zu sehen, wie wir hierauf mehr Gewicht legen können - und zwar alle gemeinsam, ohne Schuldzuweisungen an einzelne Parteien -, würde vor allen Dingen den Jugendlichen in unserem Land und damit unserer Gesellschaft helfen.
Vielen Dank.