Rede von
Dr.
Manuel
Kiper
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Verehrter Kollege Koppelin, es ist auch für die Grünen nicht einfach,
die eigene Position in rotgrünen Landesregierungen durchzusetzen.
Sie haben sicher die Erfahrung gemacht und machen sie in den letzten Wochen immer wieder,
daß die F.D.P. - manchmal sogar zum Glück - mit ihren Vorstellungen auf der Strecke bleibt.
Von daher ändert dies überhaupt nichts an unserer Position. Auch in Kassel sagen wir: Es ist nicht richtig und nicht machbar, daß wir mit 10 Milliarden DM, die letztlich aus dem Bundeshaushalt kommen, diese Strecke finanzieren. Wenn es eine Zukunftstechnologie ist, dann muß sie sich auf dem Weltmarkt verkaufen, und dann können wir nicht die Referenzstrecken in Deutschland bauen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, am 16. Juli 1997 kam es zur Kabinettszustimmung zur bemannten Raumstation Alpha. Dadurch werden bis zum Jahr 2004 2,5 Milliarden DM für die bemannte Weltraumfahrt gebunden. Statt dessen aber sollte endlich auf die unbemannte Weltraumfahrt gesetzt werden.
Die Politik von seiten der Regierungskoalition bedeutet keine Orientierung auf Nachhaltigkeit, keine Orientierung auf zukunftsfähige Technologien. Es ist plumpe Wettlaufideologie und Prestigehascherei.
Herr Minister, Sie wollen erreichen, daß Deutschland endlich High-Tech-Land wird. Aber Deutschland muß nicht Spitze in der bemannten Weltraumfahrt sein. Deutschland muß nicht vorne liegen beim Eurofighter. Deutschland braucht keinen Fusionsreaktor. Deutschland muß auch nicht die Nummer eins in der Gentechnik werden. Wir wollen kein Soja auf dem Eßtisch. Wir brauchen das nicht. Fragen Sie die Leute im Lande. Es ist völlig überflüssig. Wir brauchen keine Pflanzen auf den Äckern, die mehr Gift vertragen. Wir brauchen keine zweifelhaften Gentherapien. Nötig wäre verstärkte Gesundheitsprävention.
Ich möchte deutlich sagen: Wir brauchen sehr wohl biotechnologische Forschung in diesem Land. Der Bioregio-Wettbewerb war im Hinblick auf die Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik durchaus eine bemerkenswerte Leistung. Die Wirkung von Bioregio verpufft aber durch die Einengung auf Gentechnik. Statt vor allem auf Genmanipulation zu setzen, sollten wir viel mehr von der. Natur lernen und ausgeklügelte biotechnologische Verfahren entwickeln, was von Ihrem Ministerium vernachlässigt wird.
Herr Rüttgers, neben der Gentechnologie ist ja Ihr zweites Standbein die Informationstechnologie. Das Förderkonzept läßt aber auf sich warten. Vor allem fehlen die Lehren aus den bisherigen Förderkonzepten. Ihre bisherigen Förderstrategien mögen zwar einzelnen Weltkonzernen nutzen, sie gehen aber am Markt vorbei. Sie unterstützen damit nämlich gerade nicht Existenzgründer. Ich erinnere an SAP, an Utimaco und an Star Division. Die großen Firmen, die Existenzgründer der letzten Jahre, sind alle nicht durch die Förderprogramme aus Ihrem Hause groß geworden.
Neue Arbeitsplätze finden sich in neuen Nischen, bei unkonventionellen Lösungen, vor allem in der Softwarebranche. Dafür müssen die Grundlagen gelegt werden. Das ist aber aus Ihrem neuen Programm nicht erkennbar.
Wie sieht es mit Ihrem dritten großen Steckenpferd aus, der Wissensgesellschaft? Ich möchte nur ein paar Schlaglichter anführen. BAföG wurde gegen die Wand gefahren. Ihre Leitlinien in der Hochschulpolitik gipfeln im Slogan: Auf nach Germany. Die Hochschulen sollen für Ausländer attraktiver werden, was ausgesprochen zu begrüßen ist. Aber der Innenminister plant aktuell eine erschwerte Aufenthaltsgenehmigung für Studenten und Doktoranden. Das paßt doch nicht zusammen.
Die neue Gründerzeit aus den Hochschulen wird zur Zeit konterkariert durch die neue Handwerksordnung, wodurch selbst im Computerbereich Unternehmensgründer wieder zumachen sollen, weil Sie noch keinen Meisterbrief haben. Ist das die Innovationsoffensive?
Dr. Manuel Kiper
Meine Damen und Herren, Herr Minister, in Japan werden die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis zum Jahre 2000 verdoppelt. Dagegen sieht der BMBF alt aus. Aber es ist in der Tat nicht nur das Geld, was zählt. Es geht um die Qualität der Bildung. Es geht um die Problemorientierung der Forschung. Wir brauchen einen neuen Aufbruch in diesem Lande.
Die Schuldenpolitik dieser Bundesregierung und Ihre technologiepolitischen Weichenstellungen lasten als ungeheure Hypothek auf der nächsten Generation. Ihre Aufgabe wäre die Pflege der Forschungs- und Wissenschaftslandschaft in der ganzen Breite.
Ihre Aufgabe wäre eine systematische Pflege des wissenschaftlichen Nachwuchses. Dieses Land verdient endlich eine problemorientierte nachhaltige Forschungs-, Bildungs- und Technologiepolitik, statt Märchenstunden, wie Sie sie uns, Herr Minister, heute geboten haben.
Ich danke.