Rede von
Christine
Scheel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Michelbach, ich denke, ich kann Sie beruhigen; denn auch wir sagen: Na endlich! Es ist so eine Art Stoßseufzer, der uns mehr oder weniger flockig und locker aus der Kehle kommt. Das ist auch kein Wunder angesichts des Gezerres der letzten zwei Jahre und Ihrem Versuch, die Kommunen über den Tisch zu ziehen.
Das ist die Wahrheit, die dahintersteckt: Sie wollten den Kommunen die Kompensation nicht in der Form gewähren, wie sie notwendig ist. Durch die lange Diskussion haben Sie es im Prinzip, was die Situation der Kommunen im Osten anbetrifft, geschafft, den Kommunen gerade in den neuen Bundesländern die Einnahmen so lange vorzuenthalten. Das muß man in diesem Zusammenhang einmal sehen.
Ich will auch nicht verhehlen, daß dies symptomatisch ist für die Unfähigkeit dieser Koalition, eine tatsächliche Steuerreformpolitik zu betreiben. Dies ist nur ein einziger Mosaikstein, der in dieser Legislaturperiode gesetzt werden konnte.
Ich finde es, was das Gezänk um die Kompensation der Steuerausfälle durch eine ausreichende Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer anbetrifft, ganz gut, daß wir es geschafft haben - es war in den letzten zwei Jahren unsere Aufgabe, hier aufzupassen -, daß die Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer, die ursprünglich mit 1,9 Prozentpunkten vorgesehen war, jetzt auf 2,2 Prozentpunkte angehoben wurde. Das ist schon ein Erfolg.
Es muß auch gesagt werden, daß die Bundesregierung versucht hat, den Kommunen das Recht auf eine eigene wirtschaftskraftbezogene Steuer, die im Grundgesetz festgeschrieben ist, zu verweigern, was selbstverständlich damit zusammenhängt, daß im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und F.D.P. nach wie vor der Wunsch verankert ist, auch die Gewerbeertragsteuer abzuschaffen.
Die F.D.P. sagt sowieso immer wieder, sie will Steuern senken. Sie will auch, daß die Unternehmen in diesem Land keine Steuern mehr zahlen müssen. Am liebsten würde sie auch noch den Sozialstaat abschaffen, anstatt den Kommunen ausreichende finanzielle Mittel für ihre wichtigen Aufgaben in unserem Gemeinwesen zu gewährleisten.
Das wundert uns nicht; denn die F.D.P. ist flächendeckend in der Bundesrepublik Deutschland kaum kommunalpolitisch verankert. Deswegen hat sie selbstverständlich überhaupt kein Interesse, etwas Positives für die Kommunen zu leisten. Sie will letztendlich auch die Leistungen der Kommunen für die öffentliche Wirtschaft nicht zur Kenntnis nehmen.
Es war eine konfuse Politik in den letzten zwei Jahren, die verhindert hat - dies ist sehr fatal für diese Bundesregierung -, daß wir eine tatsächliche Gemeindefinanzreform bewerkstelligen können. Wir haben keine Gemeindefinanzreform. Vielmehr haben wir einen einzigen Baustein, nämlich die Gewerbekapitalsteuer, jetzt abgeschafft.
Wir haben aber die Aufgabe der Neuordnung des gesamten Finanzgefüges, wobei die Aufgabenzuschreibung im Prinzip mit finanziellen Mitteln für die Kommunen zukünftig abgesichert werden müßte, bislang nicht angehen können. Ich finde das äußerst problematisch, wenn man sieht, in welcher finanziellen Situation die Kommunen heute stehen. Es muß im kulturellen und sozialen Bereich gekürzt werden, und Sie setzen von dieser Seite aus immer noch einen drauf.
Das bedeutet - dies sei abschließend gesagt -, die Unternehmenssteuerreform darf sich nicht in der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer erschöpfen. Die Gewerbe- wie die Körperschaft- und Einkommensteuer müssen grundsätzlich reformiert werden. Da sind wir uns ja einig. Wir müssen vor allem sehen, daß Bilanzierungsgrundsätze sowohl steuerlich als auch handelsrechtlich die tatsächliche Ertrags- und Gewinnsituation der Unternehmen wiedergeben. Wir müssen die Spielräume für Steuersatzsenkungen schaffen, indem wir gerade in diesem Bereich über eine saubere Bilanzierung die Ausnahmen regeln und die Schlupflöcher schließen.
Letztendlich bleibt es selbstverständlich unser Wunsch, daß diese Regierung 1998 abgelöst wird, daß sie den Weg frei macht für einen Neuanfang, so daß wir dann das tun können, was zwingend notwendig ist, nämlich die Versäumnisse dieser Koalition nach 1998 wettzumachen.