Das war wirklich ein typischer Michelbach; ich nehme den Zuruf von Herrn von Larcher gerne auf. Man kann es weiß Gott nicht so sagen, wie es Herr Michelbach hier behauptet hat.
Ich bin ein aufmerksamer Leser der kommunalpolitischen Blätter Ihrer Kommunalpolitikerorganisation. Die CDU-Kommunalpolitiker beklagen in ihren eigenen Reihen zutiefst, daß sich die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern wegen der Überbürdung mit Aufgaben durch Kürzung von gesetzlichen Leistungen strukturell immer mehr zu Lasten der Gemeinden verschlechtern. Das sagen die CDU-Kommunalpolitiker genauso wie die SPD-Kommunalpolitiker. Nur wollen Sie es auf dieser Ebene nicht wahrnehmen. Daß die F.D.P. es nicht wahrnimmt, ist kein Problem. Die hat ja gerade ihren neuen Kommunalpolitikerkongreß einberufen und dafür eine Telefon-
Reinhard Schultz
zelle angemietet. Die F.D.P. kann das nicht wahrnehmen. Aber in CDU und SPD wird das auf kommunaler Ebene ähnlich beurteilt; das wissen Sie so gut wie ich.
Aber ich will mich ja wirklich freuen, Herr Michelbach; denn die Hürden, die Sie über Monate aufgebaut haben, sind nun abgeräumt worden. Die Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer in Höhe von 2,2 Prozent des Aufkommens ist ein Kompromiß, der den Vorstellungen der SPD und der kommunalen Spitzenverbände sehr nahekommt. Dort ist ein Ausgleich materiell geschafft, auch wenn es lange genug gedauert hat, darüber zu verhandeln.
Die Absicherung der Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer in Art. 106 des Grundgesetzes macht diesen Ausgleichsmechanismus, der zu gleichen Teilen zu Lasten der Länder und des Bundes geht, politisch krisenfest, und zwar auch gegen die Kollegen der F.D.P. Ich halte das für einen ganz wichtigen Punkt.
Die drohende Abschaffung der Gewerbesteuer in Gänze ist zunächst einmal jedenfalls vom Tisch. Wer sie abschaffen will, muß eine andere wirtschaftskraftbezogene Gemeindesteuer mit eigenem Hebesatzrecht erfinden, auf die die Gemeinden einen Anspruch haben werden. Es ist ein großer Fortschritt, den die Verankerung dieses Anspruchs in Art. 28 des Grundgesetzes mit sich bringt; denn die Gewerbesteuer ist damit so lange auch vor den Übergriffen der Koalition geschützt, solange nicht zum Beispiel im Rahmen einer Gemeindefinanzreform ein neues, zumindest gleichwertiges Finanzierungsinstrument gefunden wird.
Diese Absicherung hat die Koalition über Monate gescheut wie der Teufel das Weihwasser. Nicht zuletzt die F.D.P. hat sich im Vermittlungsausschuß gegen diesen Kompromiß gestemmt. Sogar in den Beratungen im Finanzausschuß war es auch nur mit der Brechstange möglich, dem Justizministerium halbwegs wasserdichte Formulierungshilfen zu entlokken, wie man die grundgesetzlich abzusichernden Ansprüche der Gemeinden in der Verfassung verankern kann.
Es gab auf allen Seiten dieses Hauses Stimmen, die von „verfassungsästhetischen Bedenken" bis zu dem Vorwurf reichten, eine solche Einzelfallregelung im Grundgesetz sei verfassungswidrig. Das wurde auch in großen Artikeln beschrieben. Ich bin froh, daß sowohl die ernstgemeinten als auch die absurden Bedenken überwunden werden konnten. Damit wurde nicht nur ein Kompromiß in der Sache gefunden, der zeigt, daß wir auch im Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesrat durchaus handlungsfähig sein können. Darüber hinaus wurde die verfassungsrechtliche Absicherung der Finanzautonomie der kommunalen Selbstverwaltung nachhaltig gestärkt.
Wir wollen nicht nur eine Steuerquelle für die Gemeinden, über die sie weitgehend selbst bestimmen können. Wir wollen eine Einnahmequelle, die die Städte und Gemeinden ermuntert, sich um die Wirtschaftsentwicklung vor Ort, um Unternehmen und Unternehmensansiedlungen sowie den Arbeitsmarkt auch mit kommunal- und regionalpolitischen Mitteln zu bemühen,
anstatt däumchendrehend auf die Zuteilung aus Einkommen- und Umsatzsteuer oder auf die Finanzzuweisungen der Länder zu warten.
Das Bekenntnis zur wirtschaftskraftbezogenen Gemeindesteuer ist auch das Bekenntnis zur Infrastrukturpolitik, zur Wirtschaftsförderung, für den Einsatz um Arbeitsplätze in der örtlichen Gemeinschaft. Die Abschaffung einer solchen Steuer würde dazu beitragen, daß die Kommunen im täglichen Einsatz um Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze als Akteure früher oder später weitgehend ausfielen.
Sehr geehrte Damen und Herren, eine weitere spannende Frage war und ist die der Gegenfinanzierung dieses Pakets: Wie sollte das Geschenk an die Wirtschaft, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und der damit verbundene Wegfall des Umsatzsteueranteils für Bund und Länder, in einer Größenordnung von 4 bis 5 Milliarden DM finanziert werden? Die Koalition wollte die Entlastung von nur 18 Prozent der Unternehmen, nämlich der kapital- und exportstarken Häuser, dadurch finanzieren, daß für alle Unternehmen die Investitionen teurer werden.
Die degressive Abschreibung sollte gesenkt werden, was die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in dieser schwierigen Wirtschaftslage noch weiter gelähmt hätte. Das kam für die SPD nicht in Frage.
Die gefundene Lösung ist ehrlich. Die Streichung von Rückstellungen für Verluste aus schwebenden Geschäften schließt endgültig den Verschiebebahnhof für den Cash-flow der Unternehmen zu Lasten des Fiskus. Tatsächlich eintretende Verluste können natürlich weiterhin als Kosten steuerlich geltend gemacht werden. Der Verdacht allein aber reicht nicht aus, sich selbst über Jahre hinweg zinslose Darlehen aus der Staatskasse zu bewilligen; nichts anderes war dies in der Praxis.
Ähnliches gilt für die Unterbindung von Mißbrauchsfällen beim Verlustvortrag, die zum Beispiel dazu geführt haben, daß Firmen die Verluste pleite gegangener Firmen übernehmen, nur um Steuern zu sparen. Das ist ein unmöglicher Zustand, der jetzt abgestellt werden kann.
Die durch diese Maßnahmen einnehmbaren Mittel sind - das muß man zugeben - Deckungsmittel, die die Koalition gerne für die Finanzierung weiterer Steuergeschenke im Rahmen ihrer angeblich größten aller Steuerreformen eingesetzt hätte. Allein die Tatsache, daß diese Mittel zur Deckung von Einnahmeausfällen im Zusammenhang mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer schon heute teilweise verbraucht werden müssen, zeigt, wie kurz die Decke geworden ist. Eine Steuerreform mit Bodenhaftung
Reinhard Schultz
kann nur Schritt für Schritt Steuerschlupflöcher schließen, Steuergerechtigkeit und damit auch Wettbewerbsgerechtigkeit herstellen und - das unterstreiche ich ausdrücklich - den Zusammenbruch der Staatsfinanzen verhindern helfen.
Vielen Dank.