Rede von
Reinhard
Schultz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich stimme Ihnen zu, daß es in der Tendenz eine Verschiebung in den Finanzbeziehungen zugunsten von Ländern und Gemeinden gegeben hat. Dabei vergessen Sie aber, daß durch Kürzung und Abschaffung von Leistungsgesetzen durch den Gesetzgeber sowie durch andere Maßnahmen - zum Beispiel im Bereich der Sozialhilfe, wenn ich an die Gemeinden denke, oder aber durch den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz - eine solche Fülle zusätzlicher Aufgaben hinzugekommen ist, daß die Ausgaben insgesamt leider höher waren als durch die geringfügige strukturelle Verbesserung in den Finanzbeziehungen Mittel zur Verfügung standen.
Sie haben recht, daß die Länder, die ja über so gut wie keine einzige eigenständige Einnahmequelle verfügen, auf Grund dieser Entwicklung gezwungen sind, in ihrem Gemeindefinanzausgleich kürzer zu treten, weil sie einen Teil der Rücknahme von Leistungsgesetzen oder der Übernahme von Aufgaben
Reinhard Schultz
durch den Bundesgesetzgeber mitfinanzieren müssen. Deswegen wird die Forderung nach Reformen dieser Finanzbeziehungen immer drängender. Diese Reformen müssen sicherstellen, daß die Gemeinden auf Dauer finanziell angemessen ausgestattet sind und über eigenständige, wirtschaftsbezogene Steuerquellen verfügen, daß die Finanzausstattung und Aufgabenwahrnehmung der drei Ebenen im föderativen Staat in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und daß die Aufgaben den Gemeinden vom Gesetzgeber - auf direkte oder indirekte Weise - nur noch dann aufgebürdet werden dürfen, wenn die Aufgabenfinanzierung durch denselben Gesetzgeber abschließend geklärt ist.
Die Aufhebung oder Einschränkung von Leistungsgesetzen führt zu einer Ausgabenexplosion in den Gemeinden und wird auf Dauer dazu führen, daß es nicht nur zu großem politischen Verdruß, auch in den Reihen der Kommunalpolitiker der beiden großen Volksparteien, kommt - ich richte das ausdrücklich an die CDU/CSU -, sondern auch zum finanziellen Kollaps in vielen Gemeinden.
Vor diesem Hintergrund war und ist es für die SPD eine Frage des Grundrechtsschutzes dieser dritten Ebene, nämlich der Städte, Gemeinden und Kreise, einseitige Eingriffe des Bundesgesetzgebers in die einzige bedeutende eigenständige Gemeindesteuer, nämlich die Gewerbesteuer, abzuwehren.
Natürlich wissen auch wir seit langem, daß die Gewerbekapitalsteuer den Nachteil hat, die Substanz von Unternehmen - unabhängig von Gewinnen - zu belasten. Das hat auch in unseren Diskussionen immer eine Rolle gespielt. Was uns davon abgehalten hat, den Vorstoß der Koalition, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen, mit fliegenden Fahnen mitzutragen, war die unverblümte Ankündigung von F.D.P., CDU und CSU in ihrer Koalitionsvereinbarung, die Gewerbesteuer in Gänze abschaffen zu wollen.
Unter massivem Druck der F.D.P. hat bis in die jüngsten Beratungen hinein die Ankündigung der Koalition, an diesem Ziel festzuhalten, eine Einigung zwischen Regierung und Opposition, zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verhindert.
Die SPD hat ihre Bedingungen für eine Zustimmung zur Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer seit mindestens anderthalb Jahren immer wieder eindeutig formuliert: Ein voller Ausgleich für die Gemeinden muß sichergestellt sein und in der Verfassung abgesichert werden. Die verbleibende Gewerbesteuer muß politisch und rechtlich abgesichert werden. Der Anspruch der Gemeinden auf eine eigenständige, wirtschaftskraftbezogene Steuer mit Hebesatzrecht muß, auch in Hinblick auf weitere Reformüberlegungen, im Grundgesetz abgesichert werden.
Das waren unsere Ausgangsbedingungen, mit denen wir in die Diskussion gegangen sind und an Hand deren wir das Ergebnis des Vermittlungsausschusses positiv bewerten können. Über Monate und Jahre hat sich die Koalition mit Händen und Füßen gewehrt, diese Bedingungen zu akzeptieren. Zwar wurde den Gemeinden immer eine angemessene Beteiligung am Umsatzsteueraufkommen in Aussicht gestellt. Was das aber letztendlich in Mark und Pfennig heißen sollte, wie der Ausgleich sowohl in der Übergangszeit als auch auf Dauer garantiert werden sollte oder wie den Gemeinden in den neuen Bundesländern eine Art fiktiver Ausgleich für die Nichteinführung der Gewerbekapitalsteuer zuteil werden sollte, blieb sehr lange im dunkeln.
Der Finanzminister hat sich über zig Finanzausschußsitzungen geweigert, hierzu halbwegs präzise und tragfähige Modellrechnungen vorzulegen. Deswegen waren wir, die Länder und die Gemeinden, nicht in der Lage, die Vorstöße der Regierung in Mark und Pfennig zu bewerten.