Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schreiner, ich war am Anfang etwas hoffnungsvoll, als Sie sagten, Sie wollten in einen Dialog eintreten. Ich finde, das stände einem Parlament gut zu Gesicht. Ich habe heute die Zeitungen studiert und weiß, daß wir Grund hätten, gemeinsam darüber nachzudenken.
Die erste Voraussetzung ist allerdings, daß Sie sich bei der Wortwahl etwas prüfen. Wenn Sie die ganzen Kollegen aus der Unionsfraktion als „Heuchler" und „Pharisäer" bezeichnen, weiß ich nicht, ob Sie es mit dem Dialog so ernst meinen.
- Sie haben mich ausgenommen? Das ist schon etwas Schönes.
Ich weiß, daß Sie in Konkurrenz zu Herrn Dreßler stehen.
Aber Sie sollten die Konkurrenz nicht in erster Linie darauf erstrecken, daß Sie versuchen, ihn in der Lautstärke und in der Wortwahl zu übertönen. Ich glaube, das ist eine falsche Konkurrenz.
Mir fällt übrigens auf, wenn ich die heutige Debatte verfolge, daß bei den Sozialdemokraten und auch bei den Grünen kein Haushaltspolitiker zu Wort kommt. Ich hätte der Kollegin Wegner, die hier sitzt, gewünscht, daß auch sie heute hier etwas hätte sagen können. Das müssen Sie aber selber organisieren. Das wird aber dann zu einem Problem, wenn Sie es in der Weise angehen, daß Sie zwar gerne darüber reden wollen, wo man etwas ausgeben könnte, daß Sie aber nicht darüber reden wollen, wie man das Ganze finanziert. Das ist symptomatisch für alle Ihre Vorschläge und Ihre Beiträge, die Sie hier leisten.
Dr. Hermann Kues
Mir ist auch aufgefallen, Herr Schreiner, daß Sie gerne an Nell-Breuning erinnern. Auch ich tue das ganz gerne; das verbindet uns vielleicht sogar. Er war ein großer Mann der christlichen Soziallehre. Aber er kann sich gegen das, was Sie über ihn sagen, nicht mehr wehren, da er leider seit einigen Jahren nicht mehr lebt. Ich habe von Nell-Breuning gelernt, daß es einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und sozialer Sicherheit gibt.
Das heißt: Wer sich nur mit der einen Seite, mit den sozialen Aspekten, mit den sozialen Sicherungssystemen, beschäftigt und sich nicht fragt, wie das jeweils finanziert werden soll - etwa dadurch, daß man anderswo etwas wegnimmt -, springt zu kurz. Gleiches gilt für den, der sich nur mit wirtschaftlichen Zusammenhängen beschäftigt.
Nell-Breuning hat einmal auf einer Veranstaltung auf die Frage, ob die Politiker den Menschen nicht zuviel versprechen, geantwortet: Nein. - Es gab Unruhe, weil man schon damals, Anfang der 80er Jahre, meinte, die Politiker versprächen zuviel, was sie auch in einem nicht geringen Umfange tun. - Er hat hinzugefügt: Sie müssen ihnen nur sagen, daß sie alles selbst bezahlen müssen. Das ist eine Grundeinsicht, die ich von Nell-Breuning gelernt habe und die auch Sie zugrunde legen sollten.
Viele Ihrer Argumente gehen immer davon aus, daß im Prinzip Geld genug da sei. Wenn ich etwa Ihre Vorschläge zur Rentenreform sehe, dann stelle ich fest, daß Sie sagen: Natürlich muß der Beitragssatz gesenkt werden, und der Staat muß die Differenz zuschießen. Sie versuchen natürlich, zu verschweigen - das merken die Rentnerinnen und Rentner, vor allen Dingen auch die Beitragszahler -, daß auch dieses Geld irgendwo herkommen muß. Das heißt: Sie wollen schlicht umverteilen. Damit lösen wir die Probleme nicht.
Ich möchte ganz gerne auch auf eine Bemerkung von Frau Fuchs eingehen. Sie hat sich heute morgen auf das Kirchenpapier bezogen. Ich habe es dabei.