Ich möchte gern darauf verweisen, daß ich das nachher natürlich noch genauer ausführen werde. Ich ziehe das aber jetzt als Antwort auf Ihre Frage vor, damit es keinen Zweifel gibt.
Dr. Gisela Babel
Ich stehe durchaus auch in dieser Beziehung zu dem Beschluß vom 5. August, in dem ja steht, daß wir die Mehrwertsteuer erhöhen - dazu brauchen wir die Zustimmung der SPD; das ist klar; dazu komme ich noch - und mit diesem Geld den Bundeszuschuß erhöhen wollen, um den Beitragssatz zu senken.
- Er hat den Beschluß vom 5. August nicht bis zum Ende gelesen; seien Sie ein bißchen milde.
Das ist ja das Rentenkonzept, das die Bundesregierung und die Koalition vorgelegt haben. Sie wissen es. Die Zwischenfrage war nur eine Aufforderung, etwas Ihnen schon Bekanntes noch einmal zu wiederholen.
Ich bin froh, daß dieser Beschluß wieder bestätigt wurde. Handelt jetzt!, sagt der Bürger. Erst kürzlich wieder habe ich das auf einer Versammlung gehört: Handelt jetzt, und setzt euch nicht selbst dem Vorwurf der Blockade aus, den ihr gegenüber der SPD erhebt! In der Tat muß die Koalition zeigen, wie ernst es ihr mit der Rentenreform ist. Auf alle Fälle muß die Strukturreform mit den Sparelementen kommen. Sie ist unverzichtbar.
Die Zustimmung der SPD zur Mehrwertsteuererhöhung hängt, wenn ich es recht sehe - hier war ein bißchen Nebel -, zum großen Teil an der Frage, welche Funktion der erhöhte Bundeszuschuß Ihrer Meinung nach haben sollte. Ihr Vorschlag ist ja, drei versicherungsfremde Leistungen herauszunehmen und sie gezielt zu bezahlen. Meine Position ist, daß sie durch den jetzigen Bundeszuschuß, der in diesem Jahr 67 Milliarden DM beträgt, bereits bezahlt sind.
Der Kerngedanke des SPD-Vorschlags ist aber so falsch nicht. Er könnte einen Prozeß hin zu mehr Transparenz in bezug auf den Bundeszuschuß einleiten und eines Tages vielleicht dazu führen, daß wir uns alle in diesem Haus darüber klar werden, welche Funktion der Bundeszuschuß denn hat. Es heißt, er habe eine Garantiefunktion. Aber ich frage: Zu welchem Preis? Wir hatten die Garantiefunktion schon bei Sätzen von 12 Prozent, von 15 Prozent, von 18 Prozent und 20 Prozent. Wieviel wollen wir dafür ausgeben? Eine weitere Möglichkeit wäre, zu sagen, daß der Bundeszuschuß zur Stützung und langfristigen Sicherung eines erträglichen Beitragsniveaus dient. Insofern sehe ich diesen Ansatz als nicht so ganz aussichtslos an.
Aber ich kann Sie ja nun nicht dauernd loben, so daß Sie weiterhin so ruhig bleiben. Ich komme also jetzt zur SPD und ihrem Reformverständnis.
Die politischen Auseinandersetzungen in dieser
Haushaltswoche sind ja oft geprägt von düsteren Prophezeiungen. Sie stellen sich vor, wie schrecklich wir
scheitern werden; wir stellen uns vor, wie furchtbar es wäre, wenn Sie an die Macht kämen.
Auch ich möchte jetzt eine dieser düsteren Prophezeiungen aufstellen. Die Frage, wie man auf die längere Lebenserwartung der Rentner reagieren soll, wird Sie einholen, und zwar bald. Alle Industrienationen, nicht nur die Deutschen,
haben das Problem der Verteuerung der Alterssicherung durch längeren Rentenbezug und weniger Geburten. Das kann man nicht einfach durch Einnahmeverbesserungen wie die Einführung der Rentenversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte oder Scheinselbständige oder durch mehr Steuergeld lösen. Mit dieser Beschwichtigungspolitik nach dem Motto „Wir müssen nicht sparen; wir holen uns das fehlende Geld" treiben Sie ein schlimmes Spiel.
Die Bürger durchschauen das auch; da bin ich ganz sicher.
Auf das, was Sie sonst noch an Wohltaten in Ihrem Rentenkonzept versteckt haben, will ich jetzt gar nicht eingehen. Das haben wir ja schon einmal gehabt; diese Vorstellung wird sich wiederholen.
Ich will aber auf ein Thema zu sprechen kommen, das hier auch schon sehr oft angesprochen worden ist und das ich mittlerweile für einen wichtigen Longseller der Politik halte, das sind die 610-DM-Verträge. Die SPD und leider auch der Bundesarbeitsminister werden nicht müde, die Versicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte zu fordern und sich davon Geld, Gerechtigkeit und die Lösung aller Probleme zu erhoffen.
Dabei ist unstrittig, daß jedenfalls langfristig die Sozialsysteme dadurch nicht entlastet werden und daß der dann erreichte zusätzliche Versicherungsschutz oft auch gar nicht erforderlich ist.
Das Ganze ist arbeitsmarktfeindlich, arbeitnehmerfeindlich
und eigentlich auch unsozial.
Es sind gerade Personen mit niedrigem Einkommen, die auf diesen Zusatzverdienst angewiesen sind; Studenten, Hausfrauen, Rentner.
Dr. Gisela Babel
Wenn auf diese Verträge eine Sozialversicherungspflicht gelegt wird, wird es sie bald nicht mehr geben.
Die F.D.P. sieht sich wohl als letzte Schutzpatronin der 610-DM-Verträge und wird an diesem Punkt nicht mit sich reden lassen.
Meine Damen und Herren, die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist nicht gut. Die Opposition fordert wie gehabt mehr Arbeitsmarktpolitik. Wir haben das große Experiment in Deutschland gemacht. Ich will auch nicht sagen, daß es eine Alternative gab. Aber eines wissen wir heute doch noch besser als vor fünf Jahren, nämlich daß diese Arbeitsmarktpolitik nicht der gerade Weg zu mehr Arbeitsplätzen ist, daß die Strukturprobleme des Ostens nicht gelöst werden konnten, daß es eben nicht der wirkungsvolle Schubs oder Ruck - wie man heute sagt - ist, den wir brauchen, um im Osten neue Arbeitsplätze für die Zukunft zu entwickeln.
Gerhard Schröder, der ganz neue Sozialexperte der SPD, kommt auf die Idee - es steht heute in der Zeitung -, das Arbeitslosengeld für die Subventionierung von Löhnen zu verwenden. Gut daran ist, daß der so Beschäftigte in einem Betrieb am Wertzuwachs beteiligt wird. Fragwürdig daran ist, daß eine solche Politik die Lohnfindung - dazu müssen sich die Gewerkschaften äußern - sehr verändern wird.
Immerhin haben wir in Ostdeutschland auf etwas schmalerer Basis - zeitlich eingeschränkt, abhängig von der Betriebsgröße und der Personenzahl - so etwas gestartet. Sie wissen vielleicht auch, daß dieses Modell mittlerweile in Brüssel geprüft wird - wegen des Verdachts der Wettbewerbsverzerrung. Das ist vielleicht auch nicht das, was man von europäischer Beschäftigungspolitik erwartet hat.
Meine Damen und Herren, ich will zum Schluß nochmals bekräftigen: Die Sozialpolitik muß die Aufgabe der Senkung von Lohnnebenkosten anpacken und lösen.
Hier ist viel geschehen, und hier wird noch viel geschehen. Das, was die Opposition vorträgt, ist die schrille Beschreibung einer gewiß kritischen Lage. Sie bietet aber keinen Weg an, aus dieser herauszufinden. Einen solchen Weg haben die Koalition und die Bundesregierung eingeschlagen.
Wir müssen ihn tapfer gehen.
Ich bedanke mich.