Rede von
Hans-Joachim
Fuchtel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Schreiner. Ich nehme die Gelegenheit gerne wahr, Ihnen Sachaufklärung zu geben. Der Kollege Schauerte hat vorhin tatsächlich gesagt, man könne die Mehrwertsteuer nicht isoliert erhöhen. Aber genauso klar ist: Wenn wir dies in einem Zusammenhang mit der Umstrukturierung tun und dadurch eine Absenkung der Belastung erreichen, dann ist der Kollege Schauerte mit mir und mit der gesamten Koalition einer Meinung. Da gibt es überhaupt keinen Dissens. So die Lage.
- Sie Quakfrosch brauchen sich hier nicht auch noch einzumischen.
Ich möchte noch auf die Haushaltsfrage als solche zu sprechen kommen. Sie verweigern hinsichtlich der Steuerreform mit dem Hinweis auf vermeintliche Steuerausfälle von 30 Milliarden DM einen großen Wurf. Auf der anderen Seite finden Sie gar nichts dabei, wenn wir in den Jahren 1997 und 1998 fast 30 Milliarden DM an die Bundesanstalt für Arbeit überweisen müssen.
Anstatt mit Mut durch Reformen die Voraussetzungen für neue Arbeitsplätze zu gestalten - so wie wir dies erreichen wollen -, müssen wegen Ihrer Verweigerungshaltung immer höhere Schulden zu Lasten der Zukunftschancen der jungen Generation ge-
Hans-Joachim Fuchtel
macht werden. Das alles müßte nicht sein, wenn wir zusammenkommen würden.
Hinter der Zahl von 4,3 Millionen Arbeitslosen stehen so viele Einzelschicksale, daß wir wirklich jede Chance nutzen sollten, um zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen, und hier nicht immer nur den Wahlkampf im Hinterkopf haben sollten.
Die Koalition ist zu einer Zusammenarbeit bereit - dies möchte ich hier auch in Absprache mit Wolfgang Schäuble noch einmal klar sagen -, wenn das Ergebnis nicht nur ein Verschiebebahnhof ist, sondern wenn tatsächlich auch ein Umbau des Sozialstaates stattfindet. Wolfgang Schäuble hat gestern hierzu ein klares Angebot gemacht. Er hat gesagt: Bitte stimmen Sie zu, die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt zu erhöhen, und diesen einen Prozentpunkt zu nutzen, um bei der Rentenfinanzierung eine Reduzierung zu erreichen.
Ihre Antwort darauf fehlt. Sie eiern hin und her. Sie könnten einen wesentlichen Schritt tun, wenn Sie zustimmen würden. Dies würde noch lange nicht bedeuten, daß Sie die anderen Bemühungen der Koalition im Rentenbereich unterstützen. Wie Sie wissen, sind die anderen Fragen nicht zustimmungspflichtig. Wir könnten also durchaus eine Lösung finden, die zum einen die Problematik löst und zum anderen auch Sie Ihr Gesicht wahren läßt.
Das ist ein klares Angebot. Ich sage nochmals: Solange Sie dieses Angebot nicht annehmen, müssen wir davon ausgehen, daß Sie die Reformbemühungen blockieren.
Ich habe bewußt „Umbau des Sozialstaates" gesagt. Herr Scharping hat gestern so getan, als ob es den Sozialstaat nicht mehr gebe. Wenn aber nicht weniger als 32 Prozent der Mittel des Bundeshaushalts nach wie vor in den Sozialhaushalt fließen, dann muß mir einmal jemand klarmachen, warum wir plötzlich keinen Sozialstaat mehr haben sollen.
Meine Damen und Herren, wir haben nach wie vor einen Sozialstaat, der unserer Bevölkerung eines der höchsten Wohlstandsniveaus der Welt gewährt. Wir wollen alles tun, daß es so bleibt.
Wer so viele Falschinformationen streut, der sagt natürlich auch kein Wort über die Pflegeversicherung. Diese ist die bisher erfolgreichste Umbaumaßnahme der deutschen Sozialpolitik.
Wir haben dadurch allein in der Sozialhilfe Einsparungen in Höhe von 10 Milliarden DM. Dies ist eine dringende Entlastung für die kommunale Ebene. In jedem Landkreis, in jeder Stadt wird dies sichtbar und hilft, die Gemeindefinanzen zu sanieren.
Die Pflegeversicherung schafft Arbeitsplätze. Auch hierzu eine Zahl: Allein von 1993 bis 1996 hat sich die Zahl von 214 000 festangestellten Vollzeitkräften um 75 000 auf über 289 000 erhöht. Das ist eine wichtige Aussage, weil es zeigt, daß durch diese Umbaumaßnahmen in einem neuen Bereich der Dienstleistungen Arbeitsplätze gesichert und weitere geschaffen werden konnten.
Wenn eine solche Entwicklung im Bereich der hauswirtschaftlichen Tätigkeit, bei den in privaten Haushalten Beschäftigten noch fehlt, dann wird es darum gehen, daß wir uns erneut damit beschäftigen. Das Beschäftigungspotential auf diesem Gebiet wird mit 400 000 Arbeitsplätzen prognostiziert. Wir haben bisher gerade 34 000. Wenn diese Zahl sich nicht in nächster Zeit verändert, werden wir nochmals darüber nachdenken müssen, ob wir das Haushalts-Scheckverfahren und die Rahmenbedingungen nicht weiter verändern, damit diese Maßnahme die Wirkung zeigt, die wir beispielsweise in Frankreich haben.
Weil Frankreich immer wieder dafür gelobt wird, daß neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, möchte ich darauf hinweisen, daß dort nicht weniger als eine Million Arbeitsplätze im Haushalt, also im Bereich der privaten Beschäftigung, entstanden sind - eine riesige Zahl. Wenn wir nur einen Bruchteil davon erreichen, haben wir sehr viel zur Verbesserung der Chancen vieler Arbeitsloser in Deutschland getan.
Wir erwarten positive Wirkungen von der Reform des Arbeitsförderungsgesetzes. Für die Langzeitarbeitslosen wird es durch die neuartigen Eingliederungsverträge sicher mehr Chancen geben. Denn die Bundesanstalt trägt künftig in den ersten sechs Monaten Risiken, wie beispielsweise das der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, daß Existenzgründern attraktive Zuschüsse gewährt werden, wenn sie Arbeitslose einstellen.
Wie bereits erste Ergebnisse zeigen, steigert die Änderung der Zumutbarkeitsanordnung die Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme nachhaltig. Es war überfällig in Deutschland, daß die Zumutbarkeitsanordnung entsprechend geändert wurde.
Im Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern möchte ich darüber hinaus einmal klarstellen: Von vielen Arbeitgebern wird die mangelnde Bereitschaft mancher Arbeitsloser zur Arbeitsaufnahme beklagt. Die gesetzliche Regelung ist klar: Wer Arbeit nicht aufnimmt, erhält eine Sperre von Arbeitslosengeld. Diese Regelung kann aber nur angewandt werden, wenn der Sachverhalt vom Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitsamt auch eindeutig benannt wird. Es mangelt an diesem Punkt sehr. Es wird seitens der Arbeitgeber oft und viel geschimpft, aber es wird zuwenig entsprechend gehandelt. Wir würden sehr viele Klarstellungen bekommen, wenn entsprechend gehandelt würde.
Hans-Joachim Fuchtel
Unbefriedigend ist für uns die Besetzung offener Stellen. Wir haben im Jahresdurchschnitt zirka 360 000 offene Stellen. 1993 dauerte es durchschnittlich 57 Tage, bis eine freie Stelle besetzt wurde. Trotz stark angestiegener Arbeitslosigkeit waren es 1996 noch immer 45 Tage. Meine Damen und Herren, es dauert angesichts einer so hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland zu lange, bis eine offene Stelle wiederbesetzt wird.
Wenn wir diesen Zeitraum auf die Hälfte reduzieren würden, würden wir Einsparungen in Höhe von über 4 Milliarden DM erzielen. Ich kündige deswegen hier für die CDU/CSU zu diesem Punkt eine Initiative an.
Gleiches gilt für die Arbeitslosenhilfe. Es hat eine Steigerung auf nunmehr 25,5 Milliarden DM stattgefunden. Zusätzlich gibt es 50 Milliarden DM Sozialhilfe. Dies ist nicht länger hinnehmbar. Das ist mehr als der gesamte Landeshaushalt Baden-Württembergs. Es muß deswegen ernsthaft geprüft werden, ob Arbeitsfähige bis 45 Jahre, die keine Kinder zu erziehen haben und die nicht krank sind, bei Leistungsbezug nicht innerhalb einer Woche in eine Arbeitsmöglichkeit geführt werden können. Darüber muß in den nächsten Monaten ernsthaft gesprochen werden.
Das zweite große Thema ist die Rente. Viel zuwenig Menschen wissen - deswegen möchte ich das hier noch einmal sagen -, daß der Bund bereits heute mehr als die Hälfte des Sozialetats an die Rentenversicherung weitergibt. Im Haushalt ist diesmal ein Anstieg von nicht weniger als 3,6 Milliarden DM vorgesehen - selbstverständlich finanziert; denn dies sind wir unserer älteren Generation schuldig. Jetzt wird der Bundeszuschuß also 87 Milliarden DM betragen. Jeder, der über versicherungsfremde Leistungen spricht, muß das wissen. Wenn wir die Ausgaben der Rentenversicherung stabilisieren wollen, dann genügt nicht einfach eine Umfinanzierung - ich sage das hier noch einmal -, sondern dann muß die demographische Entwicklung in der Rentenformel berücksichtigt werden. Nur so ist die Sache sinnvoll.
Ich sage zum Abschluß noch einmal deutlich: Die CDU/CSU ist bereit, zur zusätzlichen Finanzierung 1 Prozent Mehrwertsteuer einzusetzen, wenn dies verbunden wird mit einer Berücksichtigung der demographischen Entwicklung, das heißt, mit entsprechenden Umstrukturierungsmaßnahmen. Der Bund gibt dann 103 Milliarden DM. Die Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge wäre eine wichtige Komponente auf dem Weg zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Sie ist deswegen ein Bestandteil unseres Gesamtkonzeptes.
In England sind solche Überlegungen populär, meine Damen und Herren von der SPD. In Deutschland wollen Sie sein wie Tony Blair. Aber leider machen Sie nur Blabla.
Vielen Dank.