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    Plenarprotokoll 13/189 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 189. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. September 1997 Inhalt: Benennung des Abgeordneten Werner Lensing als Mitglied im Kuratorium des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung 17095 A Erweiterung der Tagesordnung 17095 A Tagesordnungspunkt 1: a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1998 (Haushaltsgesetz 1998) (Drucksache 13/8200) . . 17095 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1997 bis 2001 (Drucksache 13/8201) 17095 B Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 17095 C, 17125 C Norbert Formanski SPD 17097 A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 17098 A Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . 17099 B, 17125 A Dankward Buwitt CDU/CSU 17102 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17105 B Ernst Hinsken CDU/CSU 17106 D Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17108 C Ernst Hinsken CDU/CSU . . . 17109 A, 17128 C Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 17109 C, 17126 A Rolf Kutzmutz PDS 17113 A Rolf Schwanitz .SPD 17114 D Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU . 17116 D,17120 D Dr. Christa Luft PDS 17120 A Otto Schily SPD 17120 C Ernst Schwanhold SPD . . . . 17122 A, 17127 C Hartmut Schauerte CDU/CSU . 17127 A, 17154 A Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17130 B Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 17131 B, 17138 B Rudolf Dreßler SPD 17134 B, 17138 B Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . 17135 B Dr. Gisela Babel F.D.P 17136 B, 17150 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17138 C Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 17139 A Rudolf Dreßler SPD 17139 C Ottmar Schreiner SPD 17140 C Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17142 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU . 17142 D, 17152 B Manfred Grund CDU/CSU . . 17144 A, 17153 A Dr. Gisela Babel F.D.P 17145 B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17145 D Dr. Heidi Knake-Werner PDS 17147 C Ottmar Schreiner SPD 17149 A Dr. Hermann Kues CDU/CSU 17154 C Zusatztagesordnungspunkt 5: - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksachen 13/ 1685, 13/8488) . 17156 A - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 28 GG) (Drucksachen 13/8340, 13/8488) 17156A Hansgeorg Hauser, Parl. Staatssekretär BMF 17156B Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD . 17157 B Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . 17157 C Hans Michelbach CDU/CSU 17158 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17160 A Gisela Frick F.D.P 17160 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 17161 C Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 17162 B Detlev von Larcher SPD 17162 D Namentliche Abstimmung 17163 C Ergebnis 17173 A Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 17163 C Doris Odendahl SPD 17166 C Edelgard Bulmahn SPD 17168 A Steffen Kampeter CDU/CSU 17170 D Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17175 B Jürgen Koppelin F.D.P. 17176 A, 17199 B, 17203 B Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . . 17177 B Dr. Ludwig Elm PDS 17178 B Tilo Braune SPD 17179 C Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 17181 A Christel Hanewinckel SPD 17184 C Wilfried Seibel CDU/CSU 17186 C Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17189 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 17190 B Dr. Edith Niehuis SPD 17190 D Rosel Neuhäuser PDS 17191 D Siegrun Klemmer SPD 17192 D Jochen Borchert, Bundesminister BML 17195 A Horst Sielaff SPD 17197 C Albert Deß CDU/CSU 17198 C Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 17200 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17202 D Jochen Borchert CDU/CSU 17204 A Günther Bredehorn F.D.P. 17204 D Dr. Günther Maleuda PDS 17206 A Ilse Janz SPD 17207 A Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 17208 C Gerhard Rübenkönig SPD 17210 D Roland Sauer (Stuttgart) CDU/CSU . . 17212 C Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17215 A Jürgen W. Möllemann F.D.P. . . . . . 17216 C Dr. Ruth Fuchs PDS 17217 C Waltraud Lehn SPD 17218 B Nächste Sitzung 17220 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 17221* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgit Homburger (F.D.P.) zur Abstimmng über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 28 GG) (Zusatztagesordnungspunkt 5) 17221* C Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Otto Graf Lambsdorff (F.D.P.) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 28 GG) 17221* D 189. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. September 1997 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 11. 9. 97 ** Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 11. 9. 97 ** 90/DIE GRÜNEN Eßmann, Heinz Dieter CDU/CSU 11. 9. 97 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 11. 9. 97 * * Friedhoff, Paul K. F.D.P. 11.9. 97 Günther (Duisburg), Horst CDU/CSU 11. 9. 97 Irmer, Ulrich F.D.P. 11. 9. 97 ** Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 11. 9. 97 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 11. 9. 97 Laumann, Karl-Josef CDU/CSU 11. 9. 97 Marx, Dorle SPD 11. 9. 97 Müller (Düsseldorf), SPD 11. 9. 97 Michael Dr. Probst, Albert CDU/CSU 11. 9. 97 * Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 11. 9. 97 90/DIE GRÜNEN Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 11. 9. 97 Schaich-Walch, Gudrun SPD 11. 9. 97 Schloten, Dieter SPD 11. 9. 97 ** Schmidt (Aachen), Ulla SPD 11. 9. 97 ** Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 11. 9. 97 ** Schmidt (Salzgitter), SPD 11. 9. 97 ** Wilhelm Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 11. 9. 97 90/DIE GRÜNEN Sebastian, Wilhelm Josef CDU/CSU 11. 9. 97 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 11. 9. 97 Terborg, Margitta SPD 11. 9. 97 * Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 11. 9. 97 Vosen, Josef SPD 11. 9. 97 Dr. Wittmann, Fritz CDU/CSU 11. 9. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 11. 9. 97 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 98. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgit Homburger (F.D.P.) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 28 GG) (Zusatztagesordnungspunkt 5) Ich begrüße, daß es aufgrund des langjährigen Drucks, insbesondere der Freien Demokratischen Partei, nun endlich gelungen ist, Konsens darüber zu erzielen, daß die Gewerbekapitalsteuer als Substanzsteuer unnötig Arbeitsplätze belastet und abgeschafft werden muß. Ich bedauere, daß es noch keinen parteiübergreifenden Konsens darüber gibt, daß auch die Gewerbeertragsteuer zu einer Doppelbelastung des Gewerbes und damit zu einer unnötigen Belastung von Arbeitsplätzen vor allem in den Bereichen führt, die besonders beschäftigungsintensiv sind. Obwohl ich die Ergänzung des Grundgesetzes, insbesondere im Art. 28, als überflüssig empfinde, stimme ich dem Gesetzentwurf zu, nachdem fraktionsübergreifend in der Begründung des Antrages klargestellt wird, daß die jetzt gefundene Formulierung einer späteren Abschaffung der Gewerbeertragsteuer nicht im Wege steht und daß eine Abschaffung der Gewerbeertragsteuer zu einem späteren Zeitpunkt auch keiner Grundgesetzänderung bedürfte. Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Otto Graf Lambsdorff (F.D.P.) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 28 GG) - Drucksache 13/8488 - Im Hause Görresstraße 34 ist vor Eröffnung der namentlichen Abstimmung nur wenige Male der Signalruf erfolgt, so daß meine Nichtteilnahme an der Abstimmung von mir nicht zu vertreten ist. Hätte ich die Abstimmung rechtzeitig erreichen können, hätte ich mich der Stimme enthalten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ernst Hinsken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Kollegin Wolf, zum ersten: Sie können in meinem Betrieb nicht bis 20 Uhr einkaufen, weil ich meinen Betrieb auf Belieferung und Verschickung umgestellt habe. Sie können sich von mir jede Menge der guten Produkte schicken lassen, die in meinem Betrieb hergestellt werden.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU Zuruf von der CDU/CSU: Rund um die Uhr!)

    Zum zweiten: Wir haben uns gerade bei der Neufassung der Anlage A der Handwerksnovelle mit den Themen auseinandergesetzt, die Sie jetzt noch einmal in Form dieser Frage einbringen. Wir wollen das Handwerk so ausrichten, daß es auch in Zukunft Bestand hat.

    Ernst Hinsken
    Um das Problem Pfefferküchle zu nennen: Wir wollen eine Grundlage schaffen, daß diejenigen, die bisher diesen Beruf ausgeübt haben, diesen auch weiterhin mit der Bezeichnung ausüben können. Aber das wissen Sie natürlich alles nicht, weil Sie bei der Anhörung zu diesen Problemen durch Abwesenheit immer geglänzt haben. Leider Gottes muß ich das sagen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Pfefferkuchenmeister!)

    Verehrter Herr Präsident, ich möchte mich deshalb Ihrer Aufforderung entsprechend dem Schluß zubewegen und möchte verschiedene Sachen, die mich bewegen, hier nicht mehr besonders ansprechen. Aber eines sei mir doch gestattet, nämlich zur Lehrstellensituation noch ein paar Worte sagen zu dürfen. Niemand bildet mehr aus als der Mittelstand. Deswegen gehört er auch gepflegt und gestützt, so daß er dieser Ausbildungsbereitschaft nachkommen kann.
    Herr Kollege Fischer, Ihre Zwischenrufe von vorhin verstehe ich gar nicht. Sie tun ja gerade so, als würden Sie von Berufsausbildung etwas verstehen. Wenn ich im Handbuch des Deutschen Bundestages nachlese, was Sie gelernt haben, dann kann man dort lesen: Staatsminister a.D. Deshalb fehlt mir dafür jedes Verständnis. Also würde ich Ihnen empfehlen, sich zunächst zu informieren, bevor Sie sich wieder einmal hierzu äußern.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich werde eine Ausbildung als Bäckerlehrling machen!)

    Im großen und ganzen meine ich, daß gerade diese Bundesregierung hervorragende Wirtschaftspolitik in harten Zeiten, in einer Zeit der Globalisierung betrieben hat und weiterhin betreiben wird. Wenn dieser Weg von uns gegangen und wenigstens ein bißchen von Ihnen, der Opposition, unterstützt und nicht weiter blockiert wird, dann ist mir nicht bange, daß wir die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft bewältigen werden.
    Die Wähler werden hoffentlich wissen, auf wen sie zu setzen haben. Ich gehe davon aus, daß diese Botschaft übergekommen ist, und hoffe, daß Sie von der SPD diesen Appell gehört haben.
    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Weitere Wortmeldungen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft liegen nicht vor.
Wir kommen jetzt zum Einzelplan 11, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Das Wort hat Herr Minister Blüm.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren jetzt über den Einzelplan 11,
    Soziales. Es liegt nahe, daß wir in dieser Debatte eine große Rentenschlägerei veranstalten. Das geht. Sie können es; wir können es; ich kann es. Ich frage nur: Wem nutzt es? Ich habe zu einer solchen Rentenschlägerei keine Lust.
    Eigentlich ist es traurig, meine Damen und Herren. Sie wollen das Rentensystem erhalten; wir wollen das Rentensystem erhalten. Sie wollen den Bundeszuschuß erhöhen; wir wollen ihn erhöhen. Dennoch gibt es keine Einigung.
    Gewinner dieses Streits, die lachenden Dritten werden diejenigen sein, die das System überwinden wollen. Verlierer sind die Rentner; Verlierer ist die Rentenversicherung - sie wird Vertrauen verlieren.
    Ich sage auch jetzt den Satz: Die Rente ist sicher. Aber sie bleibt nicht sicher, wenn wir nicht handeln. Rentensicherheit ist kein Naturereignis; sie fällt nicht vom Himmel, und sie fällt uns nicht in den Schoß. Wir müssen Antworten geben auf neue Herausforderungen. Von der Hand in den Mund zu leben und Rentenpolitik bis zur nächsten Straßenecke zu betreiben, das ist kein Beitrag zur Rentensicherheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Immer nur mehr Ausgaben zu fordern, das ist ebenfalls kein Beitrag zur Rentensicherheit. Diese Rechnungen erinnern mich an Jean Pauls Schulmeisterlein Wutz, dessen Haushalt auch immer ausgeglichen war, weil er nur die Ausgaben zählte.
    Zur Rentensicherheit gehört auch, eine langfristige Politik mit erträglichen, verkraftbaren Beiträgen und anständigen Renten zu machen. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wollen mit der einen Hand den Bundeszuschuß um 13 Milliarden DM erhöhen; mit der anderen Hand wollen Sie Einschränkungen beim Rentenbezug zurücknehmen, nämlich die Verkürzung der anzurechnenden Ausbildungszeit. Ferner wollen Sie eine gewisse Mindesthöhe der Rente garantieren. Das allein kostet schon 18 Milliarden DM. Was Sie mit der einen Hand unter Beifall als Maßnahme zur Rentensicherheit durchführen, nämlich den Bundeszuschuß zu erhöhen, das machen Sie mit der anderen Hand wieder zunichte.
    Zur Umfinanzierung sage ich ausdrücklich ja; ich bekenne mich dazu, auch deshalb, weil bei der Sozialleistungsquote der Beitragsanteil gestiegen und der Steueranteil zurückgegangen ist. Diese Entwicklung geht in die falsche Richtung. Darin stimmen wir überein. Aber nur eine Umfinanzierung ohne entlastende Umstrukturierung vornehmen zu wollen, das halte ich für Flucht aus der Verantwortung.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ina Albowitz [F.D.P.])

    Was ist richtig, was ist wichtig? Ich verweise noch einmal auf die beiden Begriffe „Rentensicherheit" und „Rentengerechtigkeit". Die Lebenserwartung steigt. Sie steigt jetzt. Die Rentner des Jahres 1997 beziehen im Durchschnitt zwei Jahre länger Renten als die Rentner des Jahres 1980. Das ist ein Anstieg um zwei Jahre in 17 Jahren. Die Beitragszahler des Jahres 1980 haben zwei Jahre weniger Rentenlaufzeit finanzieren müssen. Gemessen an den geleiste-

    Bundesminister Dr. Norbert Blüm
    ten Beiträgen bekommt der Rentner des Jahres 1996 aus den laufenden Beiträgen ein wesentlich höheres Rentenvolumen ausgezahlt als der Rentner des Jahres 1980. Das ist ein Verstoß gegen das in der Rentenversicherung geltende Prinzip der Beitragsgerechtigkeit. Gleichen Beitragsleistungen sollten gleiche Rentenleistungen gegenüberstehen.
    Ich nehme das Wort „Gerechtigkeit" ernst; es ist für mich nicht nur ein abstrakter Oberbegriff. Ich meine die Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Der Sinn des Generationenvertrags ist, daß keine Generation auf Kosten der anderen lebt, die Jungen nicht auf Kosten der Alten und die Alten nicht auf Kosten der Jungen. Deshalb brauchen wir eine demographische Formel, mit deren Hilfe wir die Lasten gerecht verteilen können.
    Wenn Sie darauf erwidern: „Wir werden erst im Jahre 2015 auf die demographische Veränderung antworten" , dann sage ich: Das verstehe ich überhaupt nicht. Die Lebenserwartung steigt nicht erst im Jahre 2016; jetzt steht das Thema an. Das ist so ähnlich, als wenn Sie bei steigender Flut sagen würden: Wir bauen die Dämme 2015. Wenn Sie das an der Oder gemacht hätten, wären alle weggeschwommen. Eine Antwort muß jetzt gegeben werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Diese demographische Formel wird mit dem Vorwurf der Rentenkürzung attackiert, weil das Rentenniveau sinkt. Ich gebe zu: Unser Rentenchinesisch ist schwer verständlich. Mit Rentenkürzung hat die Formel gar nichts zu tun, sondern: Die Renten steigen nicht mehr so steil wie in der Vergangenheit.
    Ein Durchschnittsbeitragszahler erwirbt heute mit einem Jahresbeitrag einen Rentenanspruch von 47 DM. 2030 werden es für einen Jahresbeitrag 109 DM sein. Durch diese Rentenreform werden es aber nicht mehr 109 DM, sondern 103 DM sein; das ist ein Unterschied von 6 DM. Aus einer Rente von 2000 DM wird in 30 Jahren eine Rente von 4544 DM. Mit dieser Reform werden es nicht 4544 DM sein, sondern 4310 DM.
    Eine Steigerung können Sie doch nicht als Kürzung bezeichnen. Ich habe noch keinen Gewerkschaftler gehört, der eine Lohnsteigerung um 1,50 DM statt um 2 DM, die er gefordert hat, zu einer Kürzung erklärt hat.
    Anfang der 70er Jahre hat das Rentenniveau 64 Prozent nie überschritten - ein Niveau, das wir 2030 erreichen wollen. 1971 lag das Niveau sogar bei nur 61 Prozent.
    Die Versicherten hatten damals weniger Beitragszeiten als heute. Bei den Rentenzugängen der letzten Jahre haben sich die Beitragszeiten erhöht.
    Niemand hat zu Zeiten Brandts behauptet, ein Rentenniveau von 61 Prozent treibe die Rentner in die Armut. Was 1971 von der SPD nicht gesagt wurde, das darf auch 1997 von ihr nicht gesagt werden. Wir haben es 1971 nicht gesagt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zur Erwerbsunfähigkeit. Da besteht „Regelungsbedarf"; das ist auch so ein technisches Wort. Dazu, daß hier Veränderungen vorgenommen wurden, sagen Sie ausdrücklich: dem Grunde nach ja. Das ist die SPD-Politik: dem Grunde nach ja. Konsequenz: nein. Das ist Radio Eriwan: im Prinzip ja. Doch: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß! "
    Daß die Rentenversicherung heute Risiken übernimmt, die eigentlich in die Arbeitslosenversicherung gehören - wenn kein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden ist -, ist doch eine klassische Fremdleistung. Sie reden von morgens bis abends über Fremdleistungen. Risiken der Arbeitslosenversicherung gehören nicht in die Rentenversicherung. Da bedarf es einer klaren Trennung der Zuständigkeiten.
    Wir arbeiten nicht mehr nach dem Alles-oder-
    nichts-Prinzip. Wir arbeiten mit einer Teilerwerbsunfähigkeitsrente, die durch Teilzeitarbeit ergänzt werden muß. Dafür haben wir im übrigen ein Teilarbeitslosengeld eingeführt.
    Wir werden in dem Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, die Regelungen zur Erwerbsunfähigkeit und bei Schwerbehinderten - auch auf Grund der Diskussionen - variieren. Wir werden die Abschläge mildern. Die Zurechnungszeiten werden erhöht. Wir machen eine Politik mit Augenmaß. Wir wollen auch Diskussionsergebnisse berücksichtigen.
    Zu den Kindererziehungszeiten. Meine Damen und Herren, das ist für mich keine Frage der Barmherzigkeit. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es gibt eine schöne Geschichte von Johann Peter Hebel aus dem „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes". Auf die Frage des Fürsten, wie er sein Einkommen verbraucht, sagt der Bauer: ein Drittel für mich, ein Drittel zur Entschuldung und ein Drittel zur Kapitalisierung. Das versteht der Fürst nicht. Der Bauer erklärt es ihm: ein Drittel für mich, ein Drittel für die Alten, ein Drittel für die Jungen. Bei den Älteren Entschuldung, bei den Jüngeren Investition in die Zukunft. So muß auch die Rentenversicherung funktionieren. Sie ist kein Zweigenerationenvertrag - drei Generationen tragen sie.
    Wenn wir die Kindererziehungszeiten auf das Niveau des Durchschnittslohns aufwerten, ist das für mich nicht nur eine Aufwertung in Mark und Pfennig, sondern das ist die Anerkennung, daß Kindererziehung etwas bedeutet, daß sie nicht weniger bedeutet als der Durchschnittsverdienst. Dahinter steckt Anerkennung.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Natürlich kann die Kindererziehung nicht vollständig beim Staat abgerechnet werden. Kinder sind nicht nur Lasten - dann müßten wir sie der Unfallversicherung übergeben und abschreiben.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Es handelt sich um eine Anerkennung, eine Unterstützung, aber keineswegs darum, Kinder als eine

    Bundesminister Dr. Norbert Blüm
    Art Schaden zu betrachten, den man beim Staat abrechnen muß.
    Zur Hinterbliebenenrente. Ich habe schon einmal gesagt: Das Splitting, das seinen Platz in der gescheiterten Ehe hat, nehmen Sie jetzt in bestehende Ehen hinein. Wenn es damit einmal ernst wird, müssen wir das richtig in Paragraphen ausformulieren.
    Sie behandeln einen Beitragszahler abhängig davon, ob er einen Trauschein hat oder nicht. Was hat das mit der Rentenversicherung zu tun? Diejenigen, die in nichtehelichen Lebensgemeinschaften wohnen, können dann noch zwischen der neuen und der alten Form wählen. Das ist ja geradezu eine Privilegierung; die Verheirateten können nicht wählen. Wissen Sie, die nichteheliche Lebensgemeinschaft toleriere ich; aber man muß sie ja nicht fördern. Das steht jedenfalls nicht im Grundgesetz.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zur Umfinanzierung sage ich ausdrücklich ja. Mit der Reform der Rentenversicherung wollen Sie nichts zu tun haben. Dann machen Sie doch bei der Umfinanzierung mit. Es geht darum, die Beitragszahler zu entlasten. Sagen Sie jetzt: Wollen Sie oder wollen Sie nicht? Lassen wir die Taktik beiseite: Sollen die Beitragszahler entlastet werden - und zwar dauerhaft und nicht vorübergehend - oder nicht? Ihre Umfinanzierung ist vorübergehend. Ich wollte mich ja heute zurückhalten. Deshalb sage ich nur ganz sachlich: Ihr Vorschlag ist asymmetrisch: Die Steuererhöhung wirkt dauerhaft, während die Beitragsentlastung wieder zurückgeht.
    Deshalb die klare Frage: Gibt es in diesem Feld keine Einigungsmöglichkeit? Ihr Vorschlag ist im übrigen nicht nur gegen die Beitragszahler, sondern sogar gegen die Rentner gerichtet. Denn eine Beitragssenkung erhöht die Rentenanpassung des folgenden Jahres. Das ist das Prinzip der Nettorente. Also: Die Verweigerung einer Beitragssenkung mit Hilfe einer Umfinanzierung wegen irgendwelcher technisch-dogmatischer Fragen führt dazu, daß Beitragszahler und Rentner höher belastet werden.
    Ich bleibe dabei: Laßt uns die Diskussion nicht verschärfen, sondern den Versuch machen, eine Einigung herbeizuführen. Es versteht kein Mensch, wenn das nicht möglich ist. Deshalb wiederhole ich die Frage, die der Fraktionsvorsitzende gestern hier gestellt hat: Machen Sie bei einer handfesten, dauerhaften Beitragsentlastung mit, oder bleiben Sie mit allen möglichen Ausflüchten bei Ihrem Nein?
    Ich sehe der Debatte trotz all der strittigen Fragen - Polemik und Demagogie müssen beiseite bleiben - relativ ruhig entgegen. Die Rentner wissen: Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Die meisten Rentner haben Enkel und bringen deshalb Verständnis dafür auf, daß ihre Enkel nicht Beiträge zahlen können, unter denen sie zusammenbrechen. Spielt also nicht eine Generation gegen die andere aus, macht keinen plumpen Wahlkampf, sondern bleibt bei dem alten Prinzip!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Rentner im Osten wissen, daß es ihnen bessergeht als Honecker -

    (Lachen bei der PDS)

    - als zu Honeckers Zeiten. - Entschuldigung, Honekker ist es natürlich bessergegangen. Der hat in Wandlitz besser gelebt als die Rentner.
    Richtig ist: Vor der deutschen Einheit beliefen sich die Rentenzahlungen im Osten auf 16,7 Milliarden Mark. In diesem Jahr sind es 76,1 Milliarden DM. Da können Sie soviel reden, wie Sie wollen: Den Rentnern geht es besser als zu Zeiten Honeckers. Das haben sie auch verdient; sie haben ein schweres Leben gehabt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zum Arbeitsmarkt nur soviel - das ganze Thema ist ja heute morgen behandelt worden -: Wir können nicht um die schlimme Nachricht herumreden, daß es mehr als vier Millionen Arbeitslose gibt. Aber ich habe mir einmal überlegt: Was wäre eigentlich passiert, wenn die Generation, die die Zeit nach 1945 erlebt hat - eine Zeit mit noch schlimmeren Nachrichten -, nur geklagt und nur Forderungen an den Staat gestellt hätte? Etwas von dieser Gesinnung - nicht alles vom Staat zu verlangen - täte heutzutage gut. Natürlich kann sich der Staat nicht aus dem Staub machen. Aber man muß wissen, daß wir ein ganzes Bündel von Maßnahmen angeboten haben.
    Von dem größten Manko wissen die wenigsten: Im BMA haben wir eine Telefonaktion gestartet, in deren Zuge es 12 000 Gespräche - die Hälfte davon mit Arbeitgebern - gab. Die meisten Arbeitgeber haben gar nicht gewußt, was wir alles anbieten: Trainingsmaßnahmen, Eingliederungsbeihilfen, Lohnkostenzuschüsse. Ich frage mich: Was machen eigentlich die Verbände, die uns in einem Übereifer mit Klagen und Forderungen überziehen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das scheint eine verbandserhaltende Kraft zu sein. Aber durch das Übermaß von Klagen und Forderungen haben sie keine Zeit, ihren Mitgliedern - dem Handwerksmeister, dem Arbeitgeber - zu sagen, welche neuen Möglichkeiten es gibt, Einstellungen zu erleichtern.
    Deshalb: Wir brauchen nicht ständig neue Paragraphen auf altem Papier. Wir brauchen mehr Macher und weniger Jammerer in dieser Republik. Lassen Sie uns nicht immer alles vom anderen verlangen!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Den Höhepunkt hat allerdings die SPD geliefert. Sie fordert sogar Sachen, die sie selbst abgelehnt hat.
    Vom Schröder habe ich heute morgen gelesen, die Kriterien der Zumutbarkeit müßten voll ausgeschöpft werden. Ja, meine Damen und Herren, die Zumutbarkeitskriterien haben Sie doch abgelehnt. Mister Veränderung läßt sich auf Unternehmertagungen feiern, und seine Haustruppe hier macht alles kaputt,

    Bundesminister Dr. Norbert Blüm
    was er in Festreden behauptet. Das ist sozialdemokratischer Maskenball, aber keine normale Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der von mir verehrte Kollege Scharping sagte gestern, die Arbeitsmarktpolitik müßte lokalisiert werden. Ja, es steht im Arbeitsförderungsgesetz, daß ab dem nächsten Jahr mehr Entscheidungen vor Ort zu treffen sind. Wer hat die Lokalisierung und Regionalisierung abgelehnt? Dreimal dürfen Sie raten. Es war dieselbe SPD, die sie gestern gefordert hat. Sie stellen Forderungen, die schon erfüllt sind. Sie stellen Forderungen, die Sie selber abgelehnt haben.
    Zum Schluß möchte ich noch eines ganz kurz ansprechen. Die größte Erfolgsgeschichte - ich will ja nicht nur klagen - ist die Pflegeversicherung. 80 Prozent der Menschen sind damit zufrieden, 64 Prozent haben sie als Ansporn verstanden. Es wächst eine Infrastruktur von Nachbarschaftshilfen und nahen Hilfen. Statt 300 Tages- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen gibt es jetzt 6000. Statt 4000 Sozialstationen gibt es jetzt 11 000. Das ist der größte Erfolg.
    Ich habe die Pflegeversicherung nie nur als Geldverteilungsmaschine gesehen. Sie ist der größte Erfolg. Die Anträge auf Heimunterbringung gehen zurück. Die Menschen können länger in den vier vertrauten Wänden bleiben, in denen sie ihr Leben lang gewohnt haben.
    Das verstehe ich unter Subsidiarität: nicht den Menschen allein lassen, sondern ihm in seinem Schicksal zusammen mit den Angehörigen helfen. Deshalb bin ich stolz, daß wir die Pflegeversicherung gemeinsam eingerichtet haben. Auch das gehört zu den Nachrichten dieses Tages.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Langer Rede kurzer Sinn - Schlagabtausch hin, Schlagabtausch her -: Laßt uns die Chancen der Einigung nicht vertun, laßt sie uns im Interesse unserer Rentenversicherung nicht vertun. Die Leute werden das Schwarze-Peter-Spiel nicht verstehen. Laßt uns an der guten alten Tradition der Rentenversicherung festhalten, die Einigung erhalten; denn das Rentenzutrauen hängt nicht nur von der Höhe der Leistungen ab, es hängt auch davon ab, ob die Rentenversicherung eine breite Basis hat. Darum bitte ich auch in dieser Debatte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Gerd Andres [SPD]: War ganz schön blaß vom Blüm! Die Nerven sind ganz schön runter!)