Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Luft hat die hohe Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern angesprochen und den Schluß gezogen, daß die Ursachen dafür nicht in dem vergangenen System liegen. Dem muß ich entschieden widersprechen. Natürlich liegen die wesentlichsten Ursachen dort. Sie liegen darin, daß wir ganz andere Strukturen hatten, daß viele Prozesse, die in der Marktwirtschaft einfach notwendig sind, dort überhaupt nicht bekannt waren.
Sie liegen darin - das kann man eigentlich mit wenigen Worten zusammenfassen, ohne darüber stundenlang zu philosophieren -, daß letztlich der Strukturwandel eines sozialistischen Systems, von einer Planwirtschaft, die zu 100 Prozent vom Staat dirigiert wird, in der alle Initiative über Jahrzehnte zerstört worden ist, wesentlich komplizierter ist, als wir uns das ursprünglich vorgestellt haben. Dieses Problem kann man wahrhaftig nicht nur, wie es heute zum Teil den Anschein hat, mit Geld lösen. Es sind vielmehr umfassende, komplexe Prozesse zu realisieren, die sehr, sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, mehr, als wir, wie ich schon sagte, eigentlich wollten.
Wichtig dabei ist auch, daß wir den Menschen in den neuen Bundesländern immer wieder sagen, daß diese Strukturwandelprozesse von umfangreichen
Dr.-Ing. Paul Krüger
sozialpolitischen Maßnahmen begleitet werden. Sie werden natürlich auch von Maßnahmen begleitet, die dazu führen, daß die Menschen qualifiziert werden und sich auf diesen Strukturwandel einstellen können.
Das Problem der Ausbildungsplatzsuchenden, das Sie angesprochen haben, beschäftigt diese Bundesregierung und diese Koalition seit Monaten intensiv. Wenn Sie die Zeit aufmerksam verfolgt hätten, hätten Sie gewußt, daß wir bereits im März dieses Jahres als Gruppe der ostdeutschen Unions-Abgeordneten einen Vorschlag zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation unterbreitet haben, dem sich die Bundesregierung dann durch ein Sonderprogramm angeschlossen hat.
Frau Luft, ich war gerade in der letzten Woche im Arbeitsamt in meinem. Heimatort Neubrandenburg und habe mich über die Ausbildungsplatzsituation im dortigen Arbeitsamtsbezirk informiert. Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, daß die Horrorzahlen, die jetzt durch die Gazetten geistern, nicht realistisch sind. Sie sind eindeutig überhöht.
Ich habe keine Lust gehabt, in meiner Rede den Menschen bezüglich dieser Entwicklung jetzt auch noch Angst zu machen, wie Sie das immer wieder versuchen. Wir werden dort in diesem Jahr - das kann ich Ihnen als Ergebnis unseres Gesprächs sagen - insbesondere durch das Sonderprogramm der Bundesregierung für die betriebsnahe Ausbildung wieder garantieren können, daß jeder Ausbildungsplatzsuchende einen Ausbildungsplatz zur Verfügung hat. Das gilt zumindest für den Bereich, über den ich mich informiert habe.
- Vielleicht lassen Sie mich ausreden.
Ich halte es für schlimm, wenn Sie die Jugendlichen in den neuen Bundesländern auf diese Weise zusätzlich verunsichern. Gerade wenn Sie gestern die Reden des Bundeskanzlers und vieler anderer gehört haben,
können Sie die Bundesregierung nicht verdächtigen, daß sie für die Schaffung von Ausbildungsplätzen zuwenig tut.
Wir werden auch im nächsten Jahr - das ist hier zu Recht gesagt worden - wieder ein Programm auflegen, weil uns dieser enorm wichtige Bereich so sehr am Herzen liegt. Ich gehe im Gegensatz zu Ihnen davon aus - wir können uns am Jahresende gern wieder unterhalten -, daß wir trotz aller Schwierigkeiten die Misere meistern.
Die Behauptung, Frau Luft, daß ich auf die Ursachen nicht eingegangen wäre, zeugt wahrlich von Ihrer wirtschaftspolitischen Kompetenz.
Denn eigentlich müßten auch Sie wissen, daß der wichtigste Indikator für eine gute Ausbildungsplatzsituation eine gedeihliche Wirtschaft ist. Wenn es uns gelingt, die Wirtschaft in den neuen Bundesländern wieder anzukurbeln, werden damit nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Ausbildungsplätze geschaffen. Genau zu diesem Thema habe ich heute gesprochen. Wenn Sie nicht in der Lage sind, diese Verbindung herzustellen, sollten Sie sich Ihr wirtschaftspolitisches Lehrgeld wiedergeben lassen.