Rede von
Dr.
Christa
Luft
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Sehr verehrter Herr Kollege Krüger, der erste Punkt: Sie haben Ihren Beitrag mit der Feststellung eingeleitet, man könne, wenn man über die ostdeutschen Probleme rede, nicht außer acht lassen, was hinterlassen worden sei. Damit stimme ich überein. Ich meine, gerade wir, die aus der früheren DDR kommen, wissen über das, was es an Problemen und Defiziten gegeben hat, sehr gut Bescheid. Aber Sie können doch diesem Hohen Hause und all denen, die uns heute am Fernseher zuschauen, überhaupt nicht klarmachen, was das Thema Massenarbeitslosigkeit mit der früheren DDR zu tun hat. Denn die alte Bundesrepublik, in der es seit Mitte der 70er Jahre Massenarbeitslosigkeit gibt, hat ja nun einmal keine Planwirtschaft gehabt. Nur daran kann es also doch nicht gelegen haben.
Der zweite Punkt: Was man mit den früheren Zuständen in der DDR überhaupt nicht in Verbindung bringen kann, ist die Ausbildungsplatzmisere. In der DDR hat jeder junge Mensch eine, wie sich zeigt, fachlich gute Ausbildung bekommen. Das kann doch wohl niemand bezweifeln. Westliche Manager, die heute Unternehmen in den neuen Bundesländern leiten, bestätigen, wie gut die berufliche Qualifikation der jungen Leute war.
Mich beunruhigt es zutiefst, daß Sie hier denen, die uns zuschauen, den 152 000 jungen Menschen, die in West und vor allen Dingen in Ost eine Lehrstelle suchen, nicht den Anflug eines Tips gegeben haben, was in diesem Jahr von der Koalition noch zu erwarten sei. Mit den Kamingesprächen, die der Kanzler führt, läßt sich das Ganze wohl nicht mehr regeln. Auch mit solchen Sprüchen, es sei eine nationale Schande, daß wir in diesem Lande eine solche
Ausbildungsplatzmisere haben, läßt sich das Problem nicht lösen.
Ich bin zutiefst beunruhigt, wenn mir junge Menschen sagen: Es hat doch überhaupt keinen Sinn mehr; wir steigen aus, oder wenn ältere Menschen - das fängt heute ja schon mit über 50 Jahren an - sagen: Ein Glück, daß ich schon so alt bin und nicht mehr allzulange diese Misere mitzumachen habe.
Glauben Sie nicht, Herr Kollege Krüger, daß Sie auch zu diesen Dingen etwas hätten sagen müssen? Die Floskel, wir sollten auf die DDR zurückschauen, bringt heute nichts mehr. Denen, die zugeschaut haben, werden Sie heute keine neue Hoffnung gemacht haben.