Rede von
Dr.
Paul
Krüger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei allen Horrorszenarien, die hier gemalt werden - wenn wir betrachten, was 40 Jahre Sozialismus uns hinterlassen haben, stellen wir fest, daß wir beim Aufbau in den neuen Ländern enorm vorangekommen sind.
Neben dem, was jeder sehen und wahrnehmen kann, will ich heute einmal ein paar andere Fakten nennen. Wir haben eine enorme Existenzgründerwelle gehabt. Wir haben im Saldo etwa 500 000 neugegründete Existenzen. Wir haben die Eckrenten von 536 DM auf 1598 DM erhöht. Wir haben 375 000 neue Wohnungen gebaut und die Hälfte des Bestandes bereits saniert. Wir haben die Wohneigentumsquote von 24 Prozent auf heute 29 Prozent erhöht und damit die Vermögenssituation in den neuen Ländern enorm verbessert.
Das Wachstum, meine Damen und Herren, hat sich im letzten Jahr leider etwas verlangsamt, kommt jedoch, Gott sei Dank, wieder in Fahrt. Besonders wichtig sind dabei das verarbeitende Gewerbe und die Dienstleistungen. Wir freuen uns, daß sowohl im Jahr 1996 als auch im Jahr 1997 in beiden Bereichen ein Wachstum von zirka 6 Prozent konstatiert werden kann. Ich glaube, das ist ganz besonders wichtig für die zukünftige Entwicklung.
Dr.-Ing. Paul Krüger
Trotz der insgesamt positiven Entwicklung - das haben alle Redner hier zum Ausdruck gebracht; dem kann ich mich nur anschließen - ist unser Hauptproblem die enorm hohe Arbeitslosigkeit, auch angesichts der aktuellen Zahlen, die uns gestern erreichten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gab und gibt einen breiten Konsens, daß wir dieses Problem nur lösen können, daß wir ihm nur begegnen können, wenn wir den sich wandelnden globalen und demographischen Bedingungen durch eine konsequente Reformpolitik Rechnung tragen.
Die Bundesregierung hat hierzu bereits seit 1995 wichtige Maßnahmen eingeleitet und diese im wesentlichen auch umgesetzt. Ich darf hierzu nur einige Beispiele nennen: Die Steuerbelastung der wirtschaftlich Aktiven wurde spürbar verringert durch die vollständige Abschaffung von Substanzsteuern, nämlich der Vermögensteuer für Unternehmer und - aktuell in diesen Tagen - der Gewerbekapitalsteuer.
Für die Unternehmen in den neuen Bundesländern war es ganz besonders wichtig, daß diese Substanzsteuern, die der wirtschaftlichen Ansiedlung entgegenstehen, nicht eingeführt wurden.
Darüber hinaus haben wir Anreize zur Schaffung von Arbeitsplätzen durch Eindämmung der Lohnnebenkosten geschaffen. Wir müssen auf diesem Gebiet noch mehr tun, aber angesichts der Neuregelung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und der dritten Stufe der Gesundheitsreform haben wir - gegen den Widerstand aus Ihren Reihen - schon Erhebliches durchsetzen können. Das Arbeitsrecht wurde beschäftigungsfreundlicher gestaltet, zum Beispiel durch die Neuregelung des Kündigungsschutzrechtes.
Darüber hinaus ist die Arbeitsförderung nun verstärkt auf die Integration in den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet. Allein mit dem Instrument von Lohnkostenzuschüssen für die gewerbliche Wirtschaft, meine Damen und Herren von der SPD, konnten innerhalb von vier Monaten 15 000 Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern induziert werden.
Damit wurden die Chancen der Betroffenen auf eine dauerhafte Beschäftigung im Sinne von „learning by doing" verbessert. Gleichzeitig konnten die Unternehmen von Kosten - insbesondere von viel zu hohen Lohnkosten - entlastet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, statt ständig über die Reduzierung von ABM-Stellen zu palavern, hätten Sie sich lieber für die breite Umsetzung der Instrumente des AFRG einsetzen sollen.
Dann wären wir, so glaube ich, einen erheblichen Schritt weiter.
Die Blockade der SPD hat dazu geführt, daß die Umsetzung um drei Monate verzögert wurde und die neuen Instrumente erst am 1. April im Markt greifen konnten. Durch diese Verzögerung sind wahrscheinlich einige tausend Arbeitsplätze verhindert worden.
Die Koalition hat den wirtschaftlichen Aufbau in Ostdeutschland von Anfang an kontinuierlich begleitet. Die Bundesregierung hat sich immer wieder dazu bekannt, daß dies so bleiben muß. Im Bündnis für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland haben sich Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften auf eine gemeinsame Initiative verständigt, um dem Aufbau Ost zusätzliche Schubkraft zu geben und die Beschäftigungslage in den neuen Bundesländern zu verbessern. Sie beinhaltet unter anderem - das ist beispielgebend auch für die alten Bundesländer - eine Flexibilisierung tarifvertraglicher Regelungen sowie die Steigerung des Einkaufs von Produkten aus den neuen Bundesländern. Die Düsseldorfer Messe hat jüngst sehr erfolgreich dazu beigetragen, daß Produkte aus den neuen Bundesländern besser in die Märkte kommen.
Die Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten für Wachstumsinvestitionen ist ein weiteres Beispiel aus diesem Programm, genauso wie die Konzentration der Instrumente der Arbeitsmarktpolitik auf die Eingliederung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Ich habe dazu bereits eine Zahl genannt; dieses Instrument hat sich hervorragend bewährt.
Wir werden verstärkt Investoren werben und nicht zuletzt die Infrastruktur in den neuen Bundesländern gezielt und kontinuierlich ausbauen.
Besondere Bedeutung kommt in dieser Initiative der verstärkten Innovationsförderung in den neuen Ländern zu. Diese Förderung ist - das hat Herr Schwanitz vergessen zu sagen - bereits auf einem enorm hohen Niveau. Fast 50 Prozent aller Tätigkeiten im Bereich der Industrieforschung in den neuen Bundesländern werden über staatliche Maßnahmen finanziert. Diese beträchtliche Leistung wird immer wieder verschwiegen. Deshalb sind Ihre Vorwürfe hier völlig deplaziert. Um eine größere Breitenwirkung zu entfalten, brauchen wir in diesem Feld allerdings neue Instrumente. Um eine größere Breitenwirkung zu erzeugen, haben wir uns seit Jahren für eine Innovationszulage, also eine steuerliche Fördermaßnahme, eingesetzt.
Ich werde nicht hinnehmen, daß im Haushalt 1997 eine Bewilligungssperre in Höhe von 25 Prozent im Bereich der Personalförderung Ost enthalten ist.
Wir werden massiven Druck machen, um diese
Sperre aufzuheben. Denn wir müssen den ohnehin
Dr.-Ing. Paul Krüger
zu wenigen Unternehmen in den neuen Bundesländern mehr Rechtssicherheit in diesem Bereich geben.
Wir haben im übrigen durchgesetzt, daß die Innovationsförderung auf dem bisherigen Niveau bis zum Jahr 2001 fortgesetzt wird, und das, obwohl wir in diesem Bereich Riesenschwierigkeiten im Haushalt des Wirtschaftsministers haben. Von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, brauchen wir daher wahrhaftig keine Belehrungen.
Wer hat denn den Druck auf den Haushalt des Wirtschaftsministers ausgeübt, so daß er zugunsten der Kohleförderung quasi indirekt auf Mittel der Innovationsförderung verzichten mußte? Es waren doch, Herr Schwanitz, Ihre Genossen Lafontaine und Scharping,
die auf der B 9 die Bergarbeiter aufgehetzt haben. Dabei ging es genau um das Geld, was uns jetzt bei der Innovationsförderung fehlt bzw. was wir mit großer Mühe irgendwoher nehmen müssen. Sie sind auf keinen Fall eine Innovationspartei.
Wir haben keine Belehrungen nötig, weder von Herrn Scharping noch von Herrn Schröder.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD hat uns gestern einige wichtige und wesentliche neue Erkenntnisse offenbart. Er formulierte in seinem Reformkonzept in Dresden: Innovationsfähigkeit und -geschwindigkeit sind der Schlüssel aller Modernisierungsstrategien. Sehr richtig, Herr Schröder. Die Frage ist nur: Warum ist Herr Schröder nicht bereit, diese Erkenntnisse auch in praktische Politik umzusetzen? Warum hat er den Fonds zur Förderung innovativer Mittelständler in Niedersachsen seit 1990 um mehr als die Hälfte gekürzt? Warum hat er das Landesdarlehensprogramm in Niedersachsen, mit dem Anreize für Unternehmensneugründungen gegeben werden sollen, von 152 Millionen DM auf 50 Millionen DM zusammengestrichen?
Warum hat er das Technologieprogramm von 80 Millionen DM auf 23 Millionen DM gekürzt?
In diesem Zusammenhang muß man auch fragen: Warum versucht die SPD immer wieder, technische Fortschritte zu blockieren, selbst dann, wenn wie beispielsweise beim Transrapid die Vorteile für Mensch und Umwelt auf der Hand liegen? Die SPD-Blockade in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bezüglich des Transrapid ist ein beredtes Beispiel.
Man muß weiter fragen: Warum, Herr Schwanitz, haben die SPD-Finanzminister in den neuen Ländern verhindert, daß eine Innovationszulage für die neuen Länder bereits in diesem Jahr verabschiedet werden kann? Das ist im wesentlichen am Widerstand der Finanzminister der SPD aus den neuen Bundesländern gescheitert.
Herr Schwanitz, ich finde es gut, daß Sie auf das Trittbrett gesprungen sind und sich mit dem Programm, das Sie unlängst vorgestellt haben, zur Innovationszulage, für die wir seit drei Jahren kämpfen, bekannt haben. Machen Sie dann aber auch bitte Druck auf Ihre Finanzminister, damit wir in diesem wesentlichen Bereich vorankommen, um endlich mehr für die Innovation in den neuen Bundesländern tun zu können.
Ein besonderer Schwerpunkt für die neuen Länder ist die Förderung von Investitionen, wie wir sie mit dem neuen Investitionszulagengesetz vor der Sommerpause verabschiedet haben. Wir haben wesentliche Incentives für weitere Investitionen in den neuen Ländern gesetzt. Wir haben uns dabei auf das verarbeitende Gewerbe und produktionsnahe Dienstleistungen sowie auf die Modernisierung und Sanierung von Wohnraum konzentriert.
Im wesentlichen haben wir die Fördersätze verdoppelt, und wir haben erreicht, daß die wirtschaftlich Aktiven unabhängig von ihrer Ertragssituation gefördert werden. Gerade das gibt den Unternehmen in den neuen Bundesländern mehr Planungssicherheit. Wir haben dieses Programm über einen sehr langen Zeitraum, bis zum Jahre 2004, angelegt. Dahinter steht ein Gesamtvolumen von zirka 30 Milliarden DM.
Angesichts dieser Situation, Herr Schwanitz, hätte ich nicht ganz so laut geschrien, als es um die Gemeinschaftsaufgabe ging. Wir werden die Gemeinschaftsaufgabe in den folgenden Jahren auf dem notwendigen Niveau weiter fördern.
Lassen Sie mich zu dem, was Sie bezüglich des Sommerstreits gesagt haben, einiges klarstellen. Die GA-Förderung der regionalen Wirtschaftsstrukturen war keine Kürzung, sondern der Finanzminister hat hier bezüglich einer Bugwelle, das heißt bezüglich der aufgelaufenen Mehrverpflichtungen, die eingegangen worden sind, gesagt: Wir müssen uns erst darüber unterhalten, wie das finanziert werden kann. Es geht also nicht um eine Kürzung, sondern um einen Aufwuchs an Mitteln im Bundeshaushalt. Man hat sich geeinigt, man hat einen Lösungskompromiß mit den Ländern gefunden.
Was ich besonders bedauerlich finde, sind die scheinheiligen Appelle der SPD in diesem Zusammenhang. Sie waren völlig überflüssig. Die SPD hatte nämlich in Ihren eigenen Landeshaushalten keine Vorsorge zur Komplementärfinanzierung dieser Gemeinschaftsaufgabe getroffen; denn 50 Prozent müssen von ihnen bereitgestellt werden. Bisher ist übrigens in Sachsen-Anhalt die Komplementärfinanzierung im Landeshaushalt immer noch nicht untersetzt, um überhaupt sicherzustellen, daß die Mittel, die vom Bund bereitgestellt werden, abfließen können. Deshalb hat meiner Meinung nach die Sommerdebatte von der SPD in erheblichem Maße einen scheinheiligen Charakter gehabt.
Dr.-Ing. Paul Krüger
Wenn man in den letzten Tagen die Reden der Opposition verfolgt hat, so muß man einfach sagen: Dort konnte man sehr viel Scheinheiligkeit erleben.
Da wurde von Gerechtigkeit geredet und mehr Gerechtigkeit angemahnt.
- Ich weiß, daß Ihnen das weh tut, das soll es auch. - Gerechtigkeit, meine Damen und Herren von der SPD, ist aber zunächst für diejenigen notwendig, die Arbeitsplätze in Deutschland im Wettbewerb der Bedingungen zwischen den Standorten Europas und der Welt schaffen oder erhalten wollen.
Nur damit schaffen wir am wirkungsvollsten für diejenigen Gerechtigkeit, die heute arbeitslos sind oder um ihren Arbeitsplatz bangen müssen.
Liebe Kollegen von der Opposition, kämpfen Sie doch zunächst mit dafür, daß sich die sozialen und ökologischen Bedingungen in möglichst vielen Ländern der Welt unseren höchsten Standards annähern!
Dann, Frau Fuchs, werden wir sofort wettbewerbsfähig sein. Dadurch würden Investoren motiviert werden, wieder mehr in Deutschland zu investieren.
Mit welchem Recht beklagen Sie die hohe Arbeitslosigkeit angesichts Ihrer Blockadehaltung? Schauen Sie sich an, wie es in den Ländern aussieht, in denen Sie selbst regieren.
- Schauen Sie sich doch an, wie hoch die Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg und in Bayern ist. Dort ist sie am niedrigsten in der Bundesrepublik. Im Saarland und in anderen Flächenländern wie Niedersachsen sind sie am höchsten.
Dieser Trend - das ist das bedauerliche - setzt sich in den neuen Bundesländern schon fort. Die höchsten Arbeitslosenquoten haben wir in Sachsen-Anhalt.
Wenn wir Brandenburg von den drei Prozent Einpendlern nach Berlin bereinigen, ist auch dieses Land mit auf dem Trip.
Am niedrigsten ist die Quote zur Zeit Gott sei Dank in Sachsen, dort, wo die CDU regiert.