Rede von
Antje
Hermenau
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Rexrodt, man könnte fast Mitleid mit Ihnen haben: Da sind Sie geknebelt durch einen Haushalt, an dem Sie nichts mehr rühren, regeln oder verändern können, und müssen sich völlig handlungsunfähig hierherstellen und erzählen, wie Sie darunter leiden, daß Ihnen dieser Haushalt zugemutet wird.
Aber Sie erklären mir als Haushaltsberichterstatterin munter, heiter und voller Stolz, daß Sie es endlich geschafft haben, für das Aktionsprogramm Lehrstellen Ost 1997 in den Einzelplan 09 einen Titel mit identischer Zweckbestimmung wie bei dem von Herrn Rüttgers im Einzelplan 30 eingestellt zu haben. Das erläutern Sie mir voller Stolz.
Ich gehe davon aus, daß Sie dann an die Lehrlinge Buttons verteilen werden. Auf den Buttons der einen Sorte wird stehen: „Liebe Leute, Lehrstellen gesponsert von der CDU. Wählt Rüttgers!" Auf dem anderen wird stehen: „Liebe Leute, Lehrstellen gesponsert von der F.D.P. Wählt Rexrodt!" Es ist eigentlich wie im Buddelkasten: Der eine möchte das haben, was der andere auch hat. Sie machen dieselben Aktionen in zwei Ministerien mit zwei verschiedenen Etats, weil in dieser Koalition keiner dem anderen über den Weg traut.
Sie versuchen damit, auf eine - wie ich finde - ausgesprochen dümmliche Weise zu verhehlen, daß Ihr Ministerium, Herr Rexrodt, zunehmend einen Bedeutungsverlust erleidet. Sie führen im Prinzip nur noch ein Subventionsdurchreichungsministerium, das in dieser Republik einen Branchensozialismus - wie ich das immer nenne - fördert und unterstützt, ohne wirklich auf Handlungsspielräume in der Wirtschaftsförderung einzugehen. Dann stellen Sie sich hierher und sagen, Ihnen seien die Hände gebunden, Sie könnten nichts ändern.
Sie hatten sieben Jahre Zeit, um in den fünf neuen Bundesländern zu sehen, wie man es anders machen kann. Dort waren wir gezwungen, anders zu handeln. Wir haben dort eine andere Industriestruktur. Es gibt dort keine Großunternehmen in der Form mehr, wie Sie sie hier haben. Wir haben schon veränderte Unternehmens- und Betriebsgrößen. Wir richten uns darauf ein, regionaler zu wirtschaften, weil die Globalisierung sowieso zunächst einmal von den größeren Unternehmen in Anspruch genommen werden wird. Darauf gehen Sie aber nicht ein.
Sie haben überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, daß nach der Wende die Chance bestand, Ihre Wirtschaftsstruktur zu modernisieren. Sie haben dies unterlassen, weil Sie Angst vor dem Streit mit Ihrer eigenen Bevölkerung hatten.
Statt dessen blähen Sie das inzwischen fast bedeutungslos gewordene Wirtschaftsministerium noch dadurch auf, daß Sie die Postregulierungsbehörde mit hineingenommen haben. Dies ist eine Personalaufblähung, was Sie selbst auch zugegeben haben. Bis zum Juni, also bis zur Sommerpause, hatten Sie Unternehmensberater im Haus. Ich habe das sehr wohlwollend verfolgt. Ich habe mich gefreut: Der schlanke Staat sollte im Wirtschaftsministerium vorexerziert werden. Sie wollten Unterabteilungen auflösen. Es sind sehr vernünftige Handlungen vorgeschlagen worden.
Blubb, bekommen Sie die Regulierungsbehörde mit hinein, und Ihre ganzen Anstrengungen waren umsonst. Sie erzählen mir, daß Sie jetzt erst einmal ein Organisationskonzept für die Regulierungsbehörde machen müssen, wozu Sie eine ganz neue Abteilung in Ihrem Ministerium brauchen, weil Sie „völlig überraschend" zu dieser Regulierungsbe-
Antje Hermenau
hörde gekommen sind. Das konnten Sie im Juni dieses Jahres ja noch nicht wissen.
Herr Rexrodt, Sie gehören für mich zu den Ministern, die auf gefährliche Art und Weise mit dem Vertrauen in den Staat spielen. Sie sind einer von den Ministern, die mit der Verläßlichkeit der Politik spielen. Sie gehören zu den Ministern, deren Ministerium schleichende Zahlungsunfähigkeit zugeben muß. Die Außenhandelskammern beschweren sich, daß es nicht möglich ist, das im Sommer auf Ihre Versprechungen von Zuwendungen hin eingestellte Personal zu halten, weil Sie nicht in der Lage sind, diese Zuwendungen zu geben. Wenn es eine effektive Institution gibt, dann ist das die Institution der Außenhandelskammern, die nur 25 Prozent Bundeszuschuß braucht - und damit weniger als die meisten anderen Zuwendungsempfänger. Um so schwieriger ist es für mich, nachzuvollziehen, daß wir uns im Ausland so darstellen und den Eindruck hinterlassen, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht pünktlich zahlt. Was für ein Bild geben wir denn dort ab?
Dasselbe stellt sich auch im Inland heraus.
Die Investitionstätigkeit ist sehr gering; das wissen Sie selbst. Das hat auch damit zu tun, daß man nicht weiß, in welcher Form denn jetzt die Steuerreform kommt. Man ist sich auch hinsichtlich der Rahmenbedingungen des Euros nicht sicher. Also hält man sein Geld privat und geschäftlich zurück. Das ist ja einigermaßen logisch. Sie können dann aber nicht von einer Konjunkturerholung sprechen und suggerieren, daß sich die Beschäftigungslage verbessern werde. Sie wissen ganz genau, daß diese Konjunkturerholung vor allen Dingen auf der Exportwirtschaft beruht. Das ist aber nicht beschäftigungswirksam, zumal wir uns nicht mehr in den klassischen Zyklen befinden, wonach bei einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts im Bereich von 2,5 Prozent automatisch Beschäftigungseffekte einsetzen. Das wissen Sie so gut wie ich. Es finden zwar starke strukturelle Veränderungen in den Unternehmen statt. Aber ich halte es für gefährlich, jetzt zu suggerieren, daß die Arbeitslosenzahlen ganz von selbst sinken werden. Ich glaube, daß das ein Trugschluß ist. Sie untergraben damit weiterhin `das Vertrauen der Menschen in diesen Staat. Das Vertrauen in die Regierung ist ohnehin schon untergraben; das halte ich nicht für weiter untergrabbar.
Die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland sind auf einem noch nie dagewesenen Tiefstand. Das stellt sozusagen eine historische „Bestleistung" der Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland dar. Wir haben eine Reihe von Vorschlägen gemacht; Sie haben sie ja eingeklagt. Ich bin Ihnen gerne dabei behilflich, einmal ein paar Gedanken zu erwägen. Sie können sie ja dann mit ihren
Beamten besprechen. Vielleicht fällt Ihnen dazu auch einmal selbst etwas ein.
- Man soll die Hoffnung ja nie aufgeben.
Wir haben zum Beispiel erst gestern einen Vorschlag zur Änderung der Handwerksordnung eingebracht, weil wir der Meinung sind, daß wir in diesem Bereich dringend alte Zöpfe vergangener Jahrhunderte abschneiden müssen, so etwa im Bereich des Zunftdenkens. Die Gesellen sollen nach drei Jahren ununterbrochener Tätigkeit die Möglichkeit haben, sich in die Handwerksrolle einzutragen und eigene Betriebe zu gründen. Dabei kann man einige Handwerker ausnehmen, zum Beispiel die Installateure auf Grund der Gefahrengeneigtheit ihrer Arbeit. Im Prinzip ist das durchaus möglich. Nach zweijähriger erfolgreicher Arbeit soll es möglich sein, daß Gesellen auch ohne Meisterbrief Lehrlinge ausbilden. Das wäre ein Beitrag, um mehr Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen. Diesen Vorschlag haben wir gemacht.
Als nächstes haben wir einen Vorschlag gemacht - die Berufsbildung spielt ja diese Woche eine große Rolle -, wie man im Prinzip dazu beitragen kann, die Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft zu fördern. Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der vor allen Dingen darauf abzielt, einen Ausgleich zwischen kapital- und arbeitsplatzintensiven Branchen herzustellen. Wir beziehen unsere Umlage auf den Umsatz und nicht auf die Bruttolohnsumme und entlasten damit den Faktor Arbeit. Das sind zukunftsweisende Vorschläge.