Rede von
Dr.
Günter
Rexrodt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Diese Frage ist nun geradezu eine Vorlage. Ich habe an dieser Stelle und bei jeder sich bietenden Gelegenheit gesagt, daß wir eine an sich, gemessen am BIP, günstige Entwicklung des Sozialproduktes haben, daß aber die günstige Wachstumsentwicklung erst sehr zögerlich auf den Arbeitsmarkt durchschlagen wird.
Das bedeutet, daß wir wohl noch in diesem Jahr, wie ich es einschätze, mit einer Trendwende am Arbeitsmarkt rechnen können.
- Hören Sie gut zu. Sie müßten wissen, was eine Trendwende in der Wirtschaftsstatistik bedeutet. Das ist ein Zustand, in dem die Arbeitslosigkeit saisonbereinigt nicht mehr wächst. Das ist aber nicht mit einem drastischen Rückgang der Arbeitslosigkeit gleichzusetzen. Ein solcher Rückgang braucht Zeit und wird nur in dem Maße gelingen, in dem wir hier unsere Hausaufgaben machen können und mit unserer Reformpolitik zurechtkommen.
Wenn Sie im Bundesrat und anderswo nicht mehr als Besitzstandswahrer und Bremser auftreten, dann werden diese „paradiesischen Zustände" eintreten, nicht eher, meine Damen und Herren.
Ich komme auf das Postministerium und dessen Integration in das BMWi zurück. Die Integration des Postministeriums in mein Ministerium ist in trokkenen Tüchern; die Organisation steht. Das gilt auch für die Wettbewerbsbehörde. Gehen Sie bitte davon aus - da setze ich mich heute offiziell unter Zugzwang -: Die administrativen und technischen Bereiche, die wir mit dem Bundesamt für Post und Telekommunikation in Mainz übernehmen, werden ab 1. Januar 1998 systematisch überprüft und deutlich verschlankt; ich sage das ganz offiziell.
In Post und Telekommunikation wird es zusätzliche Arbeitsplätze nur über mehr Wettbewerb, neue Dienste und neue Beschäftigungsfelder geben. Die Explosion der Aktivitäten, wie wir sie beim Mobilfunk, bei Electronic Commerce und auch in privaten Transport- und Logistikzentren erleben, sind dafür anschauliche Beispiele.
Die Politik der Marktöffnung und des Wettbewerbs, wie sie vom Kollegen Bötsch erfolgreich vorangebracht worden ist, wird fortgesetzt.
Es geht nicht darum, die Deutsche Telekom oder die gelbe Post zugrunde zu richten, meine Damen und Herren, ganz im Gegenteil. Aber es geht auch nicht an, daß bestimmte Unternehmensführer in werbewirksamen Auftritten auf der einen Seite den Wettbewerb beschwören und auf der anderen Seite wettbewerbsverzerrende Gebühren durchdrücken wollen.
Das wird es nicht geben. Anmaßende Auftritte beeindrucken mich in diesem Zusammenhang schon gar nicht.
Meine Damen und Herren, in Deutschland liegen die gewerblichen und industriellen Strompreise um 20 Prozent über denen vergleichbarer Nachbarländer. Das hat mehrere Ursachen. Eine wesentliche Ursache dafür ist die weitgehend erstarrte und festgezurrte Ordnung der deutschen Energiemärkte. Seit 25 Jahren wird versucht, diese Strukturen aufzubrechen. Diese Versuche sind immer gescheitert. Niemand hat sich hier mit Ruhm bekleckert, und jeder kehre vor seiner eigenen Tür.
In Brüssel haben wir im vorigen Jahr mit der Stromrichtlinie einen wichtigen Schritt geschafft. Jetzt stehen wir vor wichtigen Entscheidungen in diesem Parlament.
Mein Gesetzentwurf zur Reform des Energiewirtschaftsrechts sieht eine Aufhebung der bestehenden Demarkationen vor, das heißt die Abschaffung der Monopole.
Dabei wird den Belangen des Umweltschutzes und der ostdeutschen Braunkohle soweit wie möglich Rechnung getragen.
Das gilt auch für die Interessen der Kommunen. Wir sind bereit, den Stadtwerken sehr weit entgegenzukommen, auch durch die Gewährung einer Übergangszeit. Aber eine dauernde Herausnahme aus dem Wettbewerb durch zeitlich unbegrenzte Festschreibungen des sogenannten Single-BuyerPrinzips kann es nicht geben.
Damit würde diese Reform in ihr Gegenteil verkehrt.
Die Konzessionsabgabe bleibt unangetastet. Keiner sollte übersehen, daß es viele kommunale Stromversorger gibt, die in der neuen Wettbewerbsordnung Chancen für zusätzliche Aktivitäten und Arbeitsplätze sehen. Bereits im Vorfeld dieser gesetzli-
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
chen Neuordnung ist ungeheuer viel in Gang gekommen.
Es gibt aber auch andere - und das sind, wie so oft, die Lautstarken -, die diese Reform ablehnen, weil sie angeblich die Konzentration in der Elektrizitätswirtschaft fördere. Außerdem gäbe es, so wird argumentiert, ein Strompreisgefälle zwischen Stadt und Land. - Diese Argumente sind in weiten Teilen nicht stichhaltig; sie sind vorgeschoben. Ich sage deutlich: Kommunale Selbstverwaltung ja, aber nicht Arrondierung gewachsener Strukturen und Festschreibung von Privilegien oder am Ende sogar Pöstchenwirtschaft zu Lasten der Stromkunden. Das wird es mit mir nicht geben.