Zunächst einmal: Wir brauchen keine Belehrung über Bundesrats- und Bundestagsmehrheiten.
Wir haben seit 1975 mit einer CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat regiert, und zwar bis zum Ende der sozialliberalen Koalition. Ich glaube nicht, daß wir durch eine besonders schlechte Wohnungspolitik aufgefallen sind. Bei Ihnen sieht es schon ganz anders aus.
Sie wissen, daß es regionale Unterschiede gibt. Ich antworte Ihnen jetzt einfach einmal mit einer Gegenfrage: Wissen Sie eigentlich, wieviel der Bund im ersten Förderweg zu den Mitteln dazutut, mit denen die Wohnungen in Hamburg gebaut werden?
- Genau, 2 Prozent.
Sie wissen, daß Sie durch eine letztendlich verfehlte Politik in den neuen Bundesländern Leerstände produziert haben. Wir waren ja neulich gemeinsam in Görlitz und haben uns die Situation dort angesehen. Es ist zwar eine wunderschöne Stadt. Aber wenn ich mir überlege, daß die Einwohner trotz der 75 Millionen DM, die dort in den Wohnungsbau geflossen sind, nicht gehalten werden können, dann sollten Sie sich einmal Gedanken darüber machen, was Sie in der Wirtschaftspolitik falsch machen.
Die CDU/CSU war also sehr für den sozialen Wohnungsbau, aber die F.D.P. hat durchgehalten, was sie auch jetzt noch sagt, nämlich daß er nur zeitweise benötigt wird. Da Sie noch immer diese Auffassung haben, müssen wir wohl davon ausgehen, daß die F.D.P. in dieser Beziehung nicht besonders lernfähig ist.
Die Regierung kündigt diesen Konsens jetzt endgültig auf, im übrigen nicht aus finanziellen, sondern aus ideologischen Gründen. Wenn es nämlich nur um das Geld gehen würde, müßte insbesondere der soziale Wohnungsbau auf der sicheren Seite sein. Ihre Verkaufswut bei den Bundeswohnungen hat ja zur Folge, daß eine Menge Geld in die Staatskasse fließt. Dieses Geld ist aber, soweit es sich um den Erlös aus Wohnungen handelt, die dem Zweiten Wohnungsbaugesetz unterliegen, zweckgebunden und für den sozialen Wohnungsbau wieder einzusetzen. Alles andere wäre ein Gesetzesbruch.
Mit diesem Polster den Karren „sozialer Wohnungsbau" weiter an die Wand zu fahren wird Ihnen sicherlich noch einigen Ärger bringen, auch bei Ihren eigenen Leuten.
Ziehen Sie daraus die Konsequenzen? - Sie tun es nicht. Ich gehe aber davon aus, daß andere die Konsequenzen ziehen werden, spätestens dann, wenn die Wählerinnen und Wähler im nächsten Jahr werden entscheiden können.
Das dritte Beispiel: Wie spare ich am unsinnigsten? Wer mehr ausgibt, als er hereinbekommt, hat sicherlich ein Problem. Er wird sich deshalb intensiv damit auseinandersetzen, was er einsparen kann. Aber viel intensiver wird er sich damit auseinandersetzen, wie er künftig seine Lage verbessern kann. Die Bundesregierung verhält sich anders: Sie spart heute für die Löcher von gestern. Sie spart sozusagen von der Hand in den Mund. Sie verhalten sich wie jemand mit einer ständig wachsenden Familie, der sein Feld nur zum Teil beackert, weil ihm das Geld für das Saatgut fehlt, aber gleichzeitig sein Orchideenhaus nicht aufgeben will.
Ich will Ihnen das übersetzen: Obwohl Ihr politisches System immer mehr Menschen „produziert", die sich aus eigener Kraft mit Wohnraum zu angemessenen Preisen nicht versorgen können, kürzen Sie zwar in brutaler Weise den sozialen Wohnungsbau, wagen sich aber an die steuerliche Absetzbarkeit von Luxusbauten und Luxusmodernisierungen nicht heran.
Angelika Mertens
Wir haben einen Antrag eingebracht, der sich mit diesen Luxusmodernisierungen befaßt, dem Sie getrost zustimmen können, genauso wie unserem Antrag zur Städtebauförderung und den Eckwerten für den sozialen Wohnungsbau. Bisher sind Sie immer ganz gut damit gefahren, wenn Sie sich auf uns eingelassen haben, zum Beispiel beim Anheben der Einkommensgrenzen im sozialen Wohnungsbau, beim Eigenheimzulagengesetz oder beim Mietenüberleitungsgesetz. Sie könnten getrost einmal für die Zukunft planen. Aber wenn Sie das sollen, werden Sie immer ganz, ganz bescheiden. Dann gibt es nur Gänsewein zu trinken. Das Zielwasser für eine langfristige Haushaltskonsolidierung ist aber nicht schlecht eingeschenkter Gänsewein. Vielmehr sind es die hochprozentigen Investitionen, die Bewegungen bringen.
Zum Gänsewein zähle ich übrigens auch das von Ihnen erwähnte MW-Programm, von dem bereits der Kollege Graf Lambsdorff sagte, es sei unsinnig und riskant, weil Kredite irgendwann zurückgezahlt werden müßten. Hinzugefügt hat er - in der „FAZ" vom 14. März 1997 - , mit solchen Kreditprogrammen sei die sozialliberale Koalition erst in die Ecke gefahren, und dann habe sie sich damit um die Ecke gebracht. Dem kann man eigentlich nichts hinzufügen, außer daß es vielleicht nicht das MW-Programm sein wird, das Sie - wenn ich das Wort aufgreifen darf - um die Ecke bringt.
Was Sie machen, ist eine Politik, auch eine Wohnungspolitik, die die Ängste und Sorgen der Menschen nicht ernst nimmt und - das ist fast noch schlimmer - die die Menschen nicht mehr motiviert.