Rede von
Angelika
Mertens
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Töpfer, ich habe irgendwie das Gefühl, daß ich Ihre Rede schon einmal gehört habe, weil Sie letztlich in jeder Rede immer das gleiche ansprechen.
Der Haushaltsplan wird gern als Regierungsprogramm in Zahlen bezeichnet. Unter „Programm" stellt man sich gemeinhin vor, daß es einen Plan, Konzeptionen und Grundsätze gibt, die zur Erreichung eines bestimmten Zieles führen sollen. Wenn man sich den Entwurf des Einzelplanes 25 anschaut, fragt man sich natürlich: Was ist denn das Ziel? Was ist die Botschaft des Haushaltes? Es sind wohl mehrere Botschaften. Sie haben alle mit Abbruch, keine einzige hat mit Aufbruch zu tun.
Eine Botschaft wird in besonderer Weise bemüht, nämlich die, daß gespart werden muß, um einen wichtigen Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes zu leisten. Damit versuchen Sie natürlich, andere Botschaften, die dieser Haushaltsentwurf auch noch hat, zu überlagern und zu verschleiern. Sie lassen sich aber nicht verschleiern. Nebelkerzen können auch Sie in der Form nicht aufstellen.
Im letzten Jahr hat mein Kollege Großmann den Haushaltsentwurf mit den Worten kommentiert: Es ist ein Etat des Wortbruchs, des Vertrauensbruchs und des fehlenden Reformwillens. Ich habe gedacht: Das kann man eigentlich überhaupt nicht mehr top-pen. Aber Sie haben es wirklich geschafft, in diesem Jahr noch eines draufzusetzen. Dieser Etat ist gleichzeitig nämlich auch ein politischer Konkursantrag.
Ich will Ihnen das an drei Beispielen belegen: an der Städtebauförderung, am sozialen Wohnungsbau und an der Frage, wie ich am unsinnigsten spare.
Städtebauförderung ist eine Investition, die sich für Bund, Länder und Gemeinden in barer Münze auszahlt. Ziehen Sie daraus die Konsequenzen? Nein. Was wir schon immer vermutet haben und was sich jetzt durch die Studie des RWI endgültig bestätigt hat, daß nämlich Städtebaufördermittel keine verschenkten Subventionen sind, sondern sich durch Steuereinnahmen und Einsparungen bei der Sozialversicherung vollständig refinanzieren, ignorieren Sie in bekannter Weise.
Um es noch konkreter zu machen: 5 Milliarden DM öffentliche Mittel stehen 6 Milliarden DM Steuereinnahmen und Einsparungen bei der Sozialversicherung gegenüber. Bei diesen Zahlen können Sie nicht im Ernst den Status quo rechtfertigen. Sie wollen uns weismachen, Sie hätten für diesen Haushalt gekämpft und Schlimmeres verhindert. Die Wahrheit sieht aber anders aus: Sie haben gegenüber dem Finanzminister oder gegenüber dem, der bei Ihnen sonst gerade das Sagen hat, auf der ganzen Linie verloren.
Vielleicht ist es ganz bezeichnend, daß der Bundeskanzler in seinem „Ich bin der Chef"-Interview alle in der Presse genannten möglicherweise auswechselbaren Minister hoch gelobt und für unverzichtbar erklärt hat. Nur Ihr Name fiel ihm nicht ein. Ich sage mal: Das schreit geradezu nach einem Töpferkurs in der Toskana.
- Da kann er vielleicht noch was lernen, das stimmt.
Eine Erhöhung der Städtebaufördermittel ist wirklich eine kreative und kontrollierbare Art, gute und beschäftigungswirksame Politik zu machen. Kaum ein anderer Bereich der Politik ist geeignet, nicht nur stadtentwicklungspolitische, sondern auch wirtschafts-, finanz-, arbeitsmarkt- und damit auch sozialpolitische Effekte zu erzielen. Ziehen Sie daraus die Konsequenzen? Nein. Sie bleiben zum Beispiel auch in diesem Jahr bei lächerlichen 80 Millionen DM für die alten Bundesländer.
Zweites Beispiel: sozialer Wohnungsbau. Ich will das hier nur ganz kurz anreißen, weil mein Kollege Dieter Maaß Ihnen dazu nachher noch einiges zu sagen hat. Es ist mehr als offensichtlich: Diese Bundesregierung und dieser Bundesbauminister mögen den sozialen Wohnungsbau nicht. Warum sonst kürzen sie den Ansatz um 30 Prozent? Warum sonst wollen sie mit dem sogenannten Wohngesetzbuch mit dem Kopf durch die Wand? Nicht einmal ihre eigenen Landesbauminister sind dem gefolgt. Ich bin sicher, daß so mancher Kollege oder so manche Kollegin von der CDU und der CSU hier im Bundestag, in den Länderparlamenten und in den Gemeinderäten das jeweilige Nachtgebet mit dem Satz beendet: Lieber Gott, beschütze doch bitte den Bundesrat.
Angelika Mertens
Der soziale Wohnungsbau ist keine sozialdemokratische Erfindung. Alle wollten diese Form des Wohnungsbaus. Unterschiede gab es nur über inhaltliche und zeitliche Ausgestaltung. Die CDU/CSU hat 1949 sogar darauf bestanden, daß dieser Sektor als sozial geschützter Bereich deklariert wird.