Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Debatte zum Haushalt des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ist heute früh von der SPD-Sprecherin, Frau Matthäus-Maier, bereits relativ unqualifizierte Kritik geübt worden. Deshalb möchte ich dies sofort richtigstellen. Wenn Frau MatthäusMaier richtig hingeguckt hätte, dann hätte sie festgestellt, daß der Stammhaushalt des Bundesumweltministeriums lediglich um 1,2 Prozent sinkt.
Dies ist nicht erfreulich, aber angesichts der Gesamtlage und in bezug auf vergleichbare Ressorts verkraftbar, vertretbar und angemessen.
Diese große Absenkung erfolgt deshalb, weil im refinanzierten Bereich der Entsorgung und Endlagerung planmäßig - ich wiederhole es: planmäßig - weniger Mittel erforderlich sind. Dies genau ist immer der Herzenswunsch aller Berichterstatter der Opposition
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
gewesen. Sie wollten, daß wir hier heruntergehen. Deswegen hätte ich eine Lobeshymne erwartet, nicht aber eine Anklage auf einer wirklich brüchigen Grundlage. Das erst einmal als Vorbemerkung zu unserem Haushalt.
Ich möchte noch anschließen, daß die Ausgaben für den Umweltschutz mitnichten nur in unserem Haushalt angesiedelt sind, sondern sich entsprechend dem integrativen Charakter der Umweltpolitik in sehr vielen Einzeletats des Bundeshaushaltes wiederlinden. Wir geben 1998 ungefähr 8,9 Milliarden DM für Umweltanliegen aus. Ich möchte hier nur einmal die einvernehmliche Einigung im Bereich der Braunkohlesanierung für einen relativ langen Zeitraum erwähnen. Zudem möchte ich darauf hinweisen, daß ich in der vergangenen Woche gemeinsam mit dem Bundesforschungsminister das neue Umweltforschungsprogramm vorgestellt habe - mit jährlichen Mitteln von ungefähr 1 Milliarde DM für Forschung, gut geordnet und strukturiert. Ich kann nur sagen: Ein solches Forschungsprogramm einer Regierung sucht man weltweit sehr lange, insbesondere eines, das so abgestimmt ist und mit Verbänden und anderen Ressorts diskutiert wurde.
Meine Damen und Herren, das Worldwatch Institute ordnet in seinem Bericht „Zur Lage der Welt 1997" Deutschland den acht umweltpolitischen Kräften von Bedeutung, den sogenannten U 8, zu. Dazu gehören vier Industrieländer, nämlich USA, Rußland, Japan und Deutschland, und vier Entwicklungsländer, China, Indonesien, Brasilien und Indien. In diesem Bericht wird lobend erwähnt, daß die Bundesrepublik Deutschland insbesondere im Bereich des Klimaschutzes, aber auch in anderen Bereichen des Umweltschutzes eine führende Rolle einnimmt. Wir werden natürlich aufgefordert, diese Rolle beizubehalten. Ich denke, das sollten wir zur Kenntnis nehmen.
Daß wir zu den U 8 gehören, hat eine völlig neue Betrachtung von umweltpolitischen Anliegen weltweit zur Folge; auch dies sollten wir zur Kenntnis nehmen. Worldwatch sagt nämlich nicht einfach: Hier gibt es die Industrieländer, dort die Entwicklungsländer. Worldwatch sagt vielmehr: Diese acht Länder stellen ungefähr 56 Prozent der Weltbevölkerung, 59 Prozent der Weltwirtschaftsproduktion, 58 Prozent der globalen CO2-Emissionen und 53 Prozent der Waldgebiete, sind also geradezu exemplarisch für die Entwicklung des Umweltschutzes weltweit, und deshalb gebührt diesen Ländern besondere Aufmerksamkeit.
Bei meinem Besuch in Japan vor zwei Wochen und auch in China konnte ich noch einmal deutlich machen, daß natürlich bei den Industrieländern durch die Vorreiterrolle im Bereich des Umweltschutzes eine ganz besondere Verantwortung liegt. Auf der anderen Seite laufen wir mit unseren Klimaschutzbemühungen völlig auf - wenn wir einmal ein Land wie China betrachten -, falls wir es nicht schaffen, auch solche Länder schrittweise mit in die Verantwortung hineinzunehmen - bei gleichbleibender Vorreiterrolle der Industrieländer und ganz besonders der Bundesrepublik Deutschland.
Ich war sehr froh, daß wir auf der Grundlage des deutschen Reduktionsziels von 25 Prozent bis zum Jahre 2005 und der europäischen Verhandlungsposition von minus 15 Prozent bis zum Jahre 2010 sehr wohl in der Lage waren, die Japaner inständigst zu bitten und zu drängen, nun endlich auch für die Konferenz in Kyoto eine Verhandlungsposition vorzulegen. Ich denke, in dieser Richtung sind wir Vorreiter und unserer Rolle gerecht geworden. Wir werden uns mit diesem Thema in den nächsten Wochen und Monaten noch ausführlich befassen müssen.
Nun, meine Damen und Herren, ist es natürlich so, daß wir national verpflichtet sind, weitere Schritte zu unternehmen. Hier haben wir im Juni bei einer Zwischenbilanz einen sehr breiten Diskussionsprozeß über Schritte zu einer nachhaltigen Entwicklung abgeschlossen. In verschiedenen Themengruppen haben wir über 130 Gruppen aus allen Teilen der Gesellschaft in die Diskussion einbezogen und gefragt, welche Ziele wir im Bereich des Umweltschutzes verfolgen müssen, um dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung - ich glaube, wir sind uns einig, daß wir genau dieses wollen - gerecht zu werden.
Mit diesem Diskussionsprozeß haben wir einen neuen Weg beschritten und versucht, aus den Beiträgen der gesellschaftlichen Gruppen Zielvorstellungen abzuleiten. Ich muß aber sagen, daß es weiterhin - nach diesem Diskussionsprozeß noch mehr als vorher staatliche Aufgabe bleiben wird, bestimmte Zielvorstellungen zu formulieren und über sie anschließend wieder zu diskutieren; denn die Verständigung auf quantifizierbare Zielvorstellungen im Bereich des Umweltschutzes ist in der Diskussion mit den gesellschaftlichen Gruppen sehr schwierig.
Meine Damen und Herren, wir haben in der zurückliegenden Zeit auf dem Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung einiges erreicht. Ich möchte hier nur noch einmal an die Kfz-Steuerreform für Pkw erinnern, die zum 1. Juli 1997 in Kraft getreten ist. Dies ist die exemplarische Anwendung von umweltökonomischen Instrumenten, um bei der Reduzierung von Abgasen und Schadstoffen voranzukommen.
Mit der Verabschiedung von Euro 3 und der Richtwerte für Euro 4 werden wir es schaffen, daß im Jahr 2000 im Vergleich zu den frühen 80er Jahren durch technische Weiterentwicklungen voraussichtlich nur noch ein Dreißigstel der Emissionen eines Pkws anfallen wird. Das wollen wir fördern und steuerlich begünstigen. Ich glaube, das ist ein richtiger Schritt.
- Nicht in die falsche Richtung.
Wir haben verschiedene internationale Schwerpunkte. Ich möchte hier darauf verweisen, daß wir in der nächsten Woche - jetzt schon begonnen als Vor-
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
konferenz - das zehnjährige Jubiläum des Montrealer Abkommens in Montreal mit einer internationalen Konferenz begehen. Deutschland war auf diesem Gebiet erfolgreich. Wir setzen von 1997 bis 1999 ungefähr 540 Millionen US-Dollar ein, um den Fonds zur Minderung von FCKW in Entwicklungsländern zu speisen. Wir sind mit rund 50 Millionen US-Dollar der drittgrößte Beitragszahler. Auch diese Leistung muß einmal gewürdigt werden.
Wir werden uns auf der Konferenz in Montreal - ich werde am Montag und Dienstag kommender Woche selber dorthin fahren - insbesondere dafür einsetzen, daß Methylbromid und H-FCKW möglichst schnell ausgesondert werden. Ich muß an dieser Stelle sagen, daß ich mir hier eine anspruchsvollere Verhandlungsposition der Europäischen Union gewünscht hätte, was Methylbromid anbelangt. Wir haben uns da mit einer gemeinsamen Verhandlungsposition sehr schwergetan. Deutschland wäre gerne weitergegangen.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns einmal den BMU-Haushalt anschauen, dann stellen wir fest: Der Naturschutz ist nach wie vor einer unserer Hauptschwerpunkte und eines der Gebiete, auf denen wir sogar eine Erhöhung der Mittel zu verzeichnen haben. So wird im Bereich der Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben auf dem Gebiet des Naturschutzes eine Steigerung um 21,9 Prozent auf 13,3 Millionen DM zur Debatte stehen - ich hoffe, das wird auch vom Parlament unterstützt -, und die Fördermittel für Naturschutzgroßprojekte steigen von 41,5 auf 42 Millionen DM. Ich denke, auch dies ist ein sehr positives Zeichen in Zeiten wirklich knapper Finanzen. Ich weiß mich mit unserem Berichterstatter auch sehr einig darin, daß wir dies weiter machen wollen.
Aber es geht nicht an, daß lediglich der Bund die Mittel für den Naturschutz steigert und daß an vielen anderen Stellen einfach Schutzgebiete ausgewiesen werden und von Ausgleich nicht mehr die Rede ist.
Wir werden genau über diesen Punkt in den nächsten Tagen auch im Vermittlungsausschuß zu sprechen haben. Denn die Akzeptanz des Naturschutzes hängt ganz wesentlich davon ab, daß wir Naturschutz mit den Bewohnern und den Nutzern schaffen und nicht gegen sie. Ich erlebe immer wieder, auch gerade jetzt im Zusammenhang mit der Ausweisung von FFH-Gebieten, auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung der trilateralen Wattenmeerkonferenz, ziemlich viel Doppelzüngigkeit. Auf der einen Seite wird vor Ort nicht klar gesagt, welches Ziel der Naturschutz hat, was gemacht werden soll, wie der Management-Plan aussieht, was unter Schutz gestellt werden soll und was die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie für die Bevölkerung im entsprechenden Gebiet bedeutet, und auf der anderen Seite wird großartig ausgewiesen, gemeldet, oder es wird die Bundesregierung kritisiert. Genau so geht es nicht, weil dann die Menschen immer mißtrauischer gegenüber dem werden, was wir im Bereich des Naturschutzes machen wollen. Genau deshalb sage ich: Wir halten unsere Mittel konstant, wir erhöhen sie sogar leicht, und wir setzen damit das Zeichen, daß Naturschutz stattfinden soll, aber eben unter fairen Bedingungen.
Wir werden weiterhin in den nächsten Tagen das Bundesbodenschutzgesetz im Vermittlungsausschuß debattieren. Ich sehe - das will ich hier ganz deutlich sagen - recht gute Möglichkeiten, die Beratungen des Bodenschutzgesetzes zu einem vernünftigen, kompromißfähigen Abschluß zu bringen. Ich glaube, wir haben hier von vornherein mit sehr offenen Karten gespielt; wir haben mit dem Gesetz - ich muß fast sagen: erstmalig - auch die Eckpunkte eines untergesetzlichen Regelwerkes vorgelegt. Deshalb bitte ich um konstruktive und faire Beratungen, um auch dieses bislang nicht geschützte Medium nun endlich zu schützen.
Ein weiteres Gesetzgebungsvorhaben, das von größter Bedeutung ist, ist die Novelle der Verpakkungsverordnung. Wir stehen zur Zeit in sehr intensiven Gesprächen mit den Umweltministern der Länder. Aber man muß, wenn man etwas ablehnt und wenn man etwas ändern will - wie viele das in bezug auf die Verpackungsverordnung wollen -, wirklich auch vernünftige und mehrheitsfähige Alternativen aufzeigen. Es reicht weiß Gott nicht aus, wenn Herr Vahrenholt der Meinung ist, die Verpackungsverordnung tauge nichts und man müsse alles verbrennen, während man in Hessen und anderswo der Meinung ist, die Verpackungsverordnung tauge nichts, man dürfe aber natürlich gar nichts verbrennen, sondern man müsse alles mit schwarzen Punkten versehen und mit unendlich hohen Gebühren belegen. Es scheint ja wohl nicht möglich zu sein, unter den A-Ländern eine gewisse Gemeinsamkeit herzustellen. Daß eine Gemeinsamkeit mit der SPD-Bundestagsfraktion meistens sowieso nicht herzustellen ist, zeigt sich schon an Ihren intensiven Gesprächen mit Ihren Nachbarn. Aber das scheint heute Ihre Taktik zu sein. Wir suchen auch das Gespräch mit den Ländern, wenn es mit Ihnen nicht möglich ist. Ich nehme es interessiert zur Kenntnis, daß Sie sich so gut unterhalten. Der Sommer war lang; da wird ein solches Gespräch sicherlich notwendig sein. Ich hoffe dann auch auf sehr konstruktive Beratungen im Vermittlungsausschuß; das ist dort mindestens so dringlich wie jetzt das Zuhören bei meiner Rede.
Wir haben insgesamt noch eine ganze Reihe von Aktivitäten auf den Weg zu bringen. Umweltschutz spielt sich nicht nur im Bereich des Haushaltes ab. Aber das, was ich Ihnen aus dem Bereich meines Haushaltes genannt habe, kann sich auch sehen lassen. Umweltschutz spielt sich national ab. Hier geht es darum, daß wir in der Rechtsetzung vorankommen.