Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Herr Wissmann, was Sie eben zu Beginn Ihrer Rede gesagt haben, läßt erahnen, daß es jetzt auf die Landtagswahl in Hamburg zugeht; sonst hätten Sie sich wahrscheinlich nicht ausgerechnet die Schiffahrtspolitik herausgegriffen. Ich muß Sie fragen: Wer hat denn in den letzten 15 Jahren in Bonn regiert und es in der Hand gehabt, die deutschen Seehäfen zu stärken?
Das war nicht die SPD-Bundestagsfraktion; das war
die Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. Das gleiche
gilt für das, was im Zuge der Steuerreform mitgeregelt werden muß. Seit Jahren fordern wir, daß der sogenannte Montageerlaß im Steuerrecht eingeführt wird, um eben die Wettbewerbssituation der deutschen Seeschiffahrt zu stärken. Wiederum von der Koalition ist blockiert worden, daß hier in den letzten 15 Jahren etwas geschehen ist.
Wenn Herr Kalb anfängt, einige wenige Sozialdemokraten zu zitieren, dann muß ich sagen, daß Ihnen Ihre eigenen Argumente mittlerweile ausgegangen zu sein scheinen; sonst hätten Sie vielleicht etwas dazu gesagt, wie Sie sich eine umweltverträgliche Verkehrspolitik für die nächsten vier Jahre vorstellen. Dazu haben wir kein Wort gehört.
Wenn man sieht, wie widersprüchlich - auch eben wieder - Sie sich verhalten - Herr Kalb sagt, er ist, wenigstens für den PKW, strikt gegen streckenbezogene Gebühren; Horst Friedrich hat das gerade begrüßt -, dann muß man sagen: Bringen Sie Ordnung in Ihren eigenen Laden, bevor Sie anfangen, an uns herumzukritisieren!
Daß diese Koalition am Ende ist, läßt sich nicht nur an dem diesjährigen Sommertheater ablesen. Ihre Handlungsunfähigkeit bei der Bekämpfung der steigenden Arbeitslosigkeit, bei der Steuer- und Rentenreform wird durch diesen Haushaltsentwurf noch gekrönt.
Der Verkehrshaushalt ist völlig unakzeptabel. Er könnte, wenn die richtigen Akzente gesetzt würden, einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Sicherung von Beschäftigung leisten. Er könnte auch in die Zukunft gerichtet sein.
Die Reden und Taten des Ministers aber stehen nicht ein einziges Mal in Einklang. Wenn dem anders wäre, dann könnte vielleicht sogar eine Trendwende in der Verkehrspolitik erreicht werden. Denn:
... liegt die zentrale Herausforderung für die kommenden Jahre darin, Verkehr im Spannungsfeld „Mensch - Umwelt - Wirtschaft" so zu gestalten, daß unsere Mobilität auf Dauer ökonomisch und ökologisch tragfähig ist. ... Daher muß es in der Verkehrspolitik jetzt darum gehen, Wirtschafts- und Verkehrswachstum zu entkoppeln. ... bei steigendem Transportvolumen sollen die Fahrleistungen nur noch unterproportional steigen, wenn nicht gar langfristig konstant bleiben oder sinken. ... Wenn wir jedoch drastische Verkehrsverbote sowie andere Auflagen und Einschränkungen schon in naher Zukunft vermeiden wollen, müssen wir jetzt handeln und den Verkehr mit marktwirtschaftlichen Instrumenten besser organisieren.
Das kommt Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition, offensichtlich nicht bekannt vor.
Elke Ferner
Das hat der Bundesverkehrsminister in der „FAZ" vom 4. August dieses Jahres zum besten gegeben.
Dazu kann ich nur sagen: Verbal scheint er ja hinzugelernt zu haben, der Verkehrsminister. Der Haushaltsentwurf aber, Herr Wissmann, spricht eine andere Sprache. Sie haben längst vor den realen Zukunftsaufgaben kapituliert. Sie haben weder Perspektiven noch Lösungen für die anstehenden Probleme. Sie wursteln weiter wie bisher.
Von meiner Kollegin Altmann und meinem Kollegen Wagner ist soeben schon die Bahnpolitik angesprochen worden. Auch ich will hierzu noch etwas sagen. Herr Wissmann, wenn Sie mit Ihrer bahnfeindlichen Politik so weitermachen, dann, so sage ich Ihnen, setzen Sie die Bahnreform, die wir vor vier Jahren gemeinsam beschlossen haben, aufs Spiel.
Herr Wissmann, Sie haben es zu verantworten, daß der Ansatz für den Schienenneu- und -ausbau mehr als halbiert worden ist. 1994 standen noch 6,4 Milliarden DM zur Verfügung. Jetzt sind es gerade noch 3 Milliarden DM. Wie wollen Sie denn eigentlich mit 3 Milliarden DM eine Schienenvorrangpolitik betreiben, wenn für den Straßenbau nach wie vor über 8 Milliarden DM zur Verfügung stehen? Wie ist es denn, Herr Wissmann, mit den Bahnreformgesetzen in Einklang zu bringen, daß die Bahn jetzt mit eigenen Mitteln, für die sie Kredite aufnehmen muß, die gesetzlichen Verpflichtungen des Bundes übernimmt? Was ist denn das für eine Politik? Ich sage Ihnen: Das ist glatter Gesetzesbruch, was hier passiert.
Herr Wissmann, Sie bauen damit einen Schattenhaushalt auf; denn nicht mehr der Finanzminister, sondern der Bahnvorstand muß das Geld aufnehmen. Wenn Sie so weitermachen, befürchte ich, daß Sie die Bahn genauso ruinieren, wie die Koalition den Bundeshaushalt ruiniert hat.
Mit dieser Politik entziehen Sie der Bahn das Geld für die Erneuerung der Fahrzeuge und Lokomotiven oder für die Erweiterung der Güterverkehrkapazitäten - sei es auf der Strecke, sei es durch den Bau von Güterverkehrszentren.
Die Modernisierung der Bahnhöfe bleibt bis auf wenige Prestigeobjekte ebenfalls auf der Strecke.
- Wer hier sagt, das sei nicht wahr, ist offensichtlich
schon seit Ewigkeiten nicht mehr mit der Bahn gefahren. Denn die Realität von Bahnreisenden sieht so
aus: Verspätungen durch Lokschäden, überaltertes Wagenmaterial im Nahverkehr und defekte Rolltreppen in den Bahnhöfen sind an der Tagesordnung.
Das ist der Alltag der Fahrgäste der Deutschen Bahn AG, nur weil der Bund seiner Investitionsverpflichtung nicht nachkommt und der Bahn Geld entzogen wird, um in andere Bereiche zu investieren.
Lieber Kollege Friedrich, wir brauchen jetzt keine Streichungen und Kürzungen bei der Bahn. Wir benötigen Investitionen für die Zukunft und für mehr Arbeitsplätze. Das leistet dieser Haushalt eben nicht.
Ich betone aber auch: Das ist zum Glück der letzte Haushalt, für den Sie verantwortlich sind. Sonst würden Sie es noch fertigbringen, den Schieneninvestitionstitel komplett auf Null zu bringen.
Sie stehen finanzpolitisch so an der Wand, daß Sie auch noch die Tilgung der Altschulden der Bahn einfach aussetzen. Meine Kollegin Ingrid Matthäus-Maier hat es heute früh schon angesprochen; ich wiederhole es: Das ist ein Verhalten, das sich sonst nur Entwicklungsländer an der Schwelle eines Staatsbankrotts leisten. Ob der Bundesrat - es ist ja ein zustimmungspflichtiges Gesetz - dieses Spiel dann mitmacht, bleibt abzuwarten.
Sie gehen aber in Ihrem Haushalt noch einen Schritt weiter. Mit Deckungsvermerken beim Schienenbautitel öffnen Sie einen Verschiebebahnhof in Richtung Straßenbautitel von immerhin 150 Millionen DM. Die KV-Förderung für Dritte - auch das ist schon gesagt worden - soll nur aus dem Schienenbautitel und aus dem Wasserstraßenbautitel gespeist werden. Wollen Sie die Straße nicht mit den KV-Terminals vernetzen? Wir hatten hier bei den letzten Haushaltsberatungen im Ausschuß eigentlich schon Einigkeit. Außerdem - das halte ich haushaltspolitisch für äußerst bedenklich - erlauben Sie mit einem Deckungsvermerk den Abfluß von Investitionsmitteln, die für den Schienenbau vorgesehen sind, zur Deckung von Verwaltungsausgaben des BEV, die Sie wiederum künstlich nach unten gerechnet haben. Da man Ihre Politik mittlerweile kennt und weiß, wie es dann weitergeht, prognostiziere ich, daß bei dem Ist 1998 - soweit das noch von Ihnen verausgabt werden kann - für die Schieneninvestitionen am Ende keine 3 Milliarden DM mehr stehen werden, sondern daß möglicherweise sogar noch weniger als 2,5 Milliarden DM ausgegeben werden.
Der Sperrvermerk ist schon angesprochen worden. Was heißt das denn? Soll das heißen, daß in 1998 möglicherweise überhaupt kein Geld mehr ausgegeben werden soll? Wird die Bahn erst einmal so lange vorfinanzieren, bis sie quasi nicht mehr kreditwürdig ist, um dann vielleicht den Rest noch mit Bundesmit-
Elke Ferner
teln zu decken? Nein, das ist keine seriöse Politik, was Sie hier machen, liebe Kollegen und Kolleginnen von der Koalition, das ist Nebelkerzenwerferei, das ist Verschleierung. Sie sind mit Ihrer Politik am Ende.
Wenn dann jetzt noch einmal Ortsumgehungen angesprochen werden und betont wird, der Straßenbautitel sei um 100 Millionen DM aufgestockt worden, dann muß man wirklich sagen: Sie sind in den Wahlkreisen umhergezogen und haben gesagt: Unsere Ortsumgehung ist im vordringlichen Bedarf, und jenes ist im vordringlichen Bedarf. Dabei haben Sie aber verschwiegen, daß der Bedarfsplan kein Finanzierungsplan ist, sondern eben nur ein Bedarfsplan. Sie können jetzt Ihre Versprechungen nicht mehr einhalten. Deshalb wird bei der Schiene munter gekürzt, beim Straßenbau aber wird sogar noch was draufgelegt.
Ein unrühmlicher Punkt für diese Koalition ist der Lärmschutz an bestehenden Schienenwegen. Einer Ihrer Beamten, Herr Wissmann, schreibt in einer Stellungnahme an den Petitionsausschuß:
Für das Bundesministerium für Verkehr bleibt die Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen auch unter dem Gesichtspunkt der Förderung des umweltfreundlichen Verkehrsmittels Eisenbahn ein wichtiges verkehrs-, umwelt- und gesundheitspolitisches Ziel. Es wird sich deshalb weiterhin dafür einsetzen, eine haushaltsrechtliche Lösung für die Finanzierung einer Lärmsanierung an Schienenwegen zu schaffen.
Was finden wir im Haushalt?
Zum wiederholten Male keine müde Mark. Deshalb kann man hier nur sagen, Herr Wissmann: Im Ankündigen sind Sie Weltmeister, beim Umsetzen sind Sie Schlußlicht.
Das ist keine Politik, die die Bevölkerung versteht, und das wird die Bevölkerung auch nicht akzeptieren. Was Sie hier betreiben, Herr Wissmann, ist auch keine Schienenvorrangpolitik und schon gar keine umweltverträgliche Verkehrspolitik. Ihre Verkehrspolitik kommt wirklich einer Bankrotterklärung gleich.
Ein weiterer Sargnagel für die Bahn ist Ihr unseriöses Transrapidfinanzierungskonzept. Sie entlassen die Industrie nun völlig aus dem Risiko und bürden es alleine der Bahn und dem Bund auf. Dafür muß dann am Ende nicht nur die Bahn zahlen, die zusätzliche Kosten hat, sondern wahrscheinlich werden wir alle, die ganze Bevölkerung, dafür geradestehen müssen. Es werden Strecken stillgelegt werden, es werden höhere Fahrpreise verlangt werden, und es wird eine Verschlechterung des Angebotes geben, nur damit dieses unwirtschaftliche Projekt auf der Strecke von Hamburg nach Berlin gebaut wird, obwohl die Industrie kein Risiko einzugehen bereit ist.
Zu der Führerscheinrichtlinie will ich jetzt nur soviel sagen, daß Sie, weil Sie wieder einmal Angst vor der eigenen Courage und Angst um Mehrheiten in Ihrer Koalition gehabt haben, kurz vor den Ferien noch nicht einmal mehr in der Lage waren, einen einfachen Änderungsantrag meiner Fraktion hier abzulehnen. Wir werden die Diskussion, wenn es um das Thema Drogen im Verkehr geht, auch in der nächsten Ausschußsitzung wieder führen. Sie werden wieder Gelegenheit haben, darüber abzustimmen. Ich bin gespannt, wann Sie sich endlich trauen, auch hier im Plenum über die Absenkung der Promillegrenze abzustimmen.
Bei dem, was Sie hier machen, bleibt die Verkehrssicherheit auf der Strecke. Auch die internationale Glaubwürdigkeit bleibt auf der Strecke, genauso wie die Glaubwürdigkeit der Koalition mit diesem Haushalt auf der Strecke bleibt. Sie sind überhaupt nicht in der Lage, einen zukunftsfähigen Haushalt vorzulegen. Sie sind ein Zukunftsrisiko geworden, und das wird Gott sei Dank im Herbst nächsten Jahres beendet sein.