Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich meine Ausführungen mit einem Zitat aus dem Londoner „Economist" beginnen:
Die vordringlichste Schwierigkeit unserer Generation ... ist es, daß unsere Leistungen auf der ökonomischen Ebene unseren Fortschritt auf der politischen Ebene in einem solchen Maße überholt haben, daß unsere Ökonomie und unsere Politik ständig und weit auseinanderfallen. Auf der ökonomischen Ebene ist die Welt inzwischen zu einer einzigen, alles umfassenden Einheit des Handelns geworden. Auf der politischen Ebene ist sie nicht nur noch immer in ... Nationalstaaten aufgeteilt, sondern die nationalen Einheiten sind stetig kleiner und zahlreicher geworden, und das Nationalbewußtsein ist noch angewachsen. Die Spannung zwischen diesen beiden antithetischen Tendenzen hat eine Serie von Erschütterungen und Verwerfungen und Zerstörungen im gesellschaftlichen Leben der Menschheit erzeugt.
- Eine Analyse, die durchaus zutreffend ist. Sie beschreibt auch die Schwierigkeiten des politischen Handelns in unserer Zeit. Denn dieser Artikel ist am 11. Oktober 1930 erschienen. Bedenkt man, daß sich 60 Jahre danach die Anzahl der Nationalstaaten von damals 70 mehr als verdoppelt hat, die Finanz- und
Susanne Jaffke
Kommunikationsrevolution wesentlich intensiver geworden ist und die Verdrängung traditioneller Arbeitsweisen durch neue Technologien wesentlich ausgeprägter ist, scheinen Gruppen und Institutionen, ja selbst ganze Länder auf diese Entwicklung immer weniger Einfluß nehmen zu können. Traditionelle Strukturen und Mechanismen scheinen entweder wenig zufriedenstellende oder überhaupt keine Antworten zu geben.
Stehen wir dieser Entwicklung nun hilflos gegenüber? Ich denke, nein. Wir sollten doch wirklich ernsthaft an die Reform unseres Finanzwesens herangehen und nicht bei jedem Vorschlag buchstäblich das Haar in der Suppe suchen, ihn zerreden und schließlich ablehnen.
Der Lebensstandard, den wir in Deutschland haben, zeichnet sich noch immer dadurch aus, daß wir Innovation und technologischen Fortschritt als wirtschaftlichen Motor hatten. Er ist gleichsam die Belohnung für eine erfolgreiche Gesellschaft. Wer aber nicht mehr in der Lage ist, mit diesen neuen Technologien Schritt zu halten, und wer sie ablehnt, wird den Lebensstandard langfristig nicht halten können.
Natürlich kommt hier dem Staat eine besondere Bedeutung zu, insbesondere der Budgetpolitik; denn sie legt die Rangordnung der Ziele fest. Unerläßlich aber ist dabei die Forderung an den Staat, in der Haushaltspolitik ein Höchstmaß an Sparsamkeit zu zeigen. Dies muß vor allem durch eine Reduzierung der Staatsaufgaben erreicht werden. Unsere vorhandene Regelungsdichte ist teuer und schränkt zunehmend die individuelle Entscheidung der Bürger ein. Die Bürger empfinden den Staat als Last und wenden sich ab.
Hanns-Martin Schleyer hat es einmal trefflich so formuliert:
Die Beschaffung der Mittel für gesellschaftspolitische Reformen und Einzelmaßnahmen auf dem Wege der Besteuerung findet ihre Grenzen dort, wo der „ Wirtschafts-Kuh" außer Milch auch noch Blut abgezapft wird!
Deshalb sollte nun endlich nicht nur die Steuerreform durchgeführt werden. Nein, wir brauchen auch eine Anpassung der Verwaltungsstrukturen bei der Bewältigung der Aufgaben, die uns durch die Glo- balisierung der Wirtschaft unweigerlich vorgegeben sind.
Alle Bundesministerien sind deshalb aufgefordert, Organisationsüberprüfungen durchzuführen. Ziel muß eine Straffung des Verwaltungsapparates sein. Das gilt nicht nur für den Bund, das gilt auch für die Länder. Es werden mit Sicherheit nicht allein Entscheidungen im Bereich der Bundesvermögensverwaltung und der Zollverwaltung sein. Ähnliches gilt auch für den BGS und bei der Neustrukturierung zur Effizienzsteigerung der Bundesforschungslandschaft.
Aber - das soll uns gemeinsam wichtig sein - Organisationsstraffung um ihrer selbst willen will niemand; denn es dürfen nicht Dienstleistungsangebote wegfallen, vor allem in Flächenländern, die dann wieder der Wirtschaft längere Wege und damit Mehraufwand und höhere Produktionskosten verursachen. Deshalb denke ich, daß bezüglich der neuen Organisationsstrukturen bei Bundesvermögensverwaltung, Zollverwaltung und Forstverwaltung noch Diskussionsbedarf besteht. Verschlankung im Overhead ja, aber auch schlagkräftige Dienstleistungen der Mittelinstanz!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einem Bereich hat es schon den leider sehr schmerzhaften, aber auch notwendigen Strukturwandel gegeben, nämlich in der Wirtschaft der neuen Bundesländer. Damit komme ich zu den Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt.
1998 müssen die noch verbliebenen Aufgaben der BvS zügig abgearbeitet werden. Gleichwohl wird auch über das Jahr 1998 hinaus ein Restbestand an Aufgaben übrigbleiben. Es gilt zu überlegen, wie die BvS auch nach 1998 ihre Aufgaben abarbeiten kann. Hierzu sind bereits sowohl von der Bundesregierung als auch vom Unterausschuß des Wirtschaftsausschusses Beschlüsse befaßt und Empfehlungen formuliert worden. In der Frage der Fortführung wird deshalb genau zu beachten sein, daß eine möglichst effiziente Organisationsform die Aufgaben in einem absehbaren Zeitraum erfüllen kann.
Es ist durchaus möglich, die schwierigen und notwendigen Strukturreformen anzugehen. Nur müssen wir es jetzt endlich machen. In diesem Sinne hoffe ich auf gute und konstruktive Haushaltsberatungen.