Rede von
Dr.
Uwe-Jens
Rössel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 1998 steht eindeutig im Banne von Euro und Maastricht. Diese Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wurde im übrigen in diesem Hohen Hause nur von der PDS thematisiert.
Die Bundesregierung begibt sich mit ihrer Maastricht-Bezogenheit erneut in eine selbstgestellte Falle. Alles Wursteln des amtsmüden Finanzministers ist darauf ausgerichtet, das sogenannte 3,0-ProzentKriterium zu erfüllen. Dieser unverantwortliche Fetischismus und nicht die Lösung der dringendsten Probleme des Landes - des Abbaus der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit, der Sicherung von Ausbildungsplätzen für alle oder eines umfassenden Ausbaus von zukunftsfähigen Innovationen vor allem im Umweltbereich - bestimmt die Bonner Haushaltspolitik. Das ist eine unverantwortliche Politik, die sich von den Menschen entfernt hat und gebührend bestraft werden wird.
Die Bundesregierung versucht mit ihrer sogenannten Haushaltskonsolidierung die Quadratur des Kreises. Darum haben sich auch schon andere bemüht. Sie versucht bei der Konzipierung dieses Haushaltes, geringeres Wirtschaftswachstum und Massenarbeitslosigkeit nicht zur Kenntnis zu nehmen. Denn diese Faktoren führen bekanntlich Einnahmeverluste des Staates nach sich. Die Reaktion von Waigel und Kompanie darauf besteht in beständigen Ausgabenkürzungen insbesondere im Sozial- und Umweltbereich, wodurch wiederum die gesamtwirtschaftliche Basis und insbesondere die niedrige Binnennachfrage - ein Grundübel in der Bundesrepublik - weiter ausgehöhlt werden.
Das ist ein Teufelskreis. Neue Haushaltslöcher sind die Folge. Das im übrigen, Herr Austermann, nenne
Dr. Uwe-Jens Rössel
ich Geisterfahrerei und nicht den Tatbestand, den Sie der Opposition an den Kopf geworfen haben.
Recherchen des Deutschen Instituts. für Wirtschaftsforschung in Berlin belegen nämlich - das ist ein sehr seriöses, anerkanntes Institut -, daß 1 Milliarde DM mehr Staatsausgaben einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von durchschnittlich 1,8 Milliarden DM bewirken würden. Die Folge wiederum wäre: Bund, Ländern und Gemeinden stünden beträchtlich höhere Steuereinnahmen zur Verfügung. Sie hätten damit. mehr Gestaltungskraft vor allem auf wirtschaftlichem, aber nicht zuletzt auch auf ökologischem und sozialem Gebiet. Nur so kann der Weg sein. Die Bundesregierung macht genau das Gegenteil und wundert sich über die Folgen.
Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung ist an vielen Stellen nicht nur unsolide und in weiten Teilen sozial ungerecht; er ist auch kommunalfeindlich. Die Bundesregierung fährt damit fort, die Folgen der insbesondere anhaltend hohen Langzeitarbeitslosigkeit auf die Kommunen, und zwar konkret auf deren Sozialhilfeausgaben abzuwälzen. Besonders in den großen Städten kulminieren rapide gestiegene Sozialhilfekosten zu sozialem Sprengstoff. Sie treiben zudem die Kommunen an den Rand des finanziellen Ruins - mit verheerenden Wirkungen für die Bürgerinnen und Bürger.
Auch mit der im Frühjahr 1997 eingereichten Novelle des sogenannten Energiewirtschaftsgesetzes schränkt die Bundesregierung ohne Not kommunale Selbstverwaltung ein, beschneidet wirtschaftliche Aktivitäten der Stadtwerke und vergrößert die finanzielle Not der Städte durch Reduzierung der Kommunalfinanzen.
So würden die Städte die Hälfte des Aufkommens aus der Konzessionsabgabe verlieren, wodurch sie nicht mehr wie bisher 6 Milliarden DM jährlich, sondern lediglich 3 Milliarden DM zur Verfügung hätten. Gerade diese Einnahmen der Städte sind wichtig, um den defizitären öffentlichen Personennahverkehr vielerorts überhaupt noch am Laufen zu halten. Ein Verzicht auf diese städtischen Einnahmen ist eine unverantwortliche, sozial gefährliche Politik.
Es wird daher Zeit, daß die Kommunalfinanzierung in der Bundesrepublik endlich vom Kopf, auf dem sie jetzt steht, auf die Füße gestellt wird. Die PDS-Bundestagsgruppe wird diese Fragen noch mehr als bisher mit in den Mittelpunkt ihres politischen Wirkens rücken.
Ich möchte ausdrücklich den CDU-Fraktionsvorsitzenden Kollegen Schäuble erinnern, daß er vor wenigen Monaten im Bundestag angekündigt hat, daß nach der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer jetzt eine umfassende Gemeindefinanzierungsreform auf die Tagesordnung des Hohen Hauses gestellt wird. Wir bitten, dieses Wort nicht im luftleeren Raum verschallen zu lassen, sondern Taten folgen zu lassen.
Die spürbar desolate Finanzlage der meisten Kommunen und rückläufige Investitionen führen dazu, daß vielerorts die kommunale Infrastruktur zusehends verkommt, vor allem in Ostdeutschland, aber auch in differenzierter Weise in Westdeutschland. Wir fordern daher, daß die Bundesregierung ein gutes Rezept des Jahres 1991 und 1993 wieder aufgreift und in angemessener Weise eine kommunale Investitionspauschale auflegt, die vom Bund unmittelbar in die ostdeutschen Gemeinden sowie ebenfalls in westdeutsche Gemeinden mit besonders schwierigen regionalen Problemen fließt. Dafür gibt es von der PDS einen Finanzierungsvorschlag, der mit den Milliardengewinnen, die der Bund aus Eigenkapitalherabsetzung und Gewinnabführung ostdeutscher Geschäftsbanken in den Jahren 1994 bis 1996 gemacht hat und die in den Bundeshaushalt geflossen sind, verwirklicht werden kann.