Frau Kollegin, sind Sie mit mir einig, daß Sie jahrelang verzögert haben, bis wir die Sozialhilfereform gemacht haben,
und daß, nachdem Sie im Bundestag beschlossen war, einzelne Minister in den Bundesländern von sozialer Kälte gesprochen haben, von Zwangsarbeit, die wir den Sozialhilfeempfängern verordnen, und daß heute Frau Simonis sagt, es sei endlich an der Zeit, ein bißchen mehr Druck auf manch einen auszuüben? Es ist doch genau so, daß Sie sich hier wie in allen anderen Bereichen verweigert haben, bis der Druck von der Straße so stark war, daß die Reform auch bei Ihren Kollegen in der Kommunalpolitik durchgesetzt werden konnte.
Wir verfolgen das Konzept Arbeit statt Sozialhilfe. Es zeigt Erfolg. Der Erfolg der Seehofer-Reform ist, daß in Lübeck, in Osnabrück und in vielen anderen Städten jetzt manch eine Kommune entlastet wird und manch einer sich wieder mehr auf die eigenen Kräfte besinnt. Das ist genau richtig.
Die SPD möchte nach außen hin - Sie offensichtlich auch, Frau Fuchs - immer die alten Parolen vertreten. „Wie in alten Zeiten wollen Lafontaine und seine Mitstreiter die Probleme mit Hilfe der Staatskasse lösen.", schreibt der „Spiegel" Mitte Mai 1997 unter der Überschrift „Populismus pur" .
Nun komme ich zum Haushalt. Sie klagen über die zu hohe Kreditaufnahme des Bundes. Wenn man sich einmal in den Ländern umschaut, sieht man, daß die SPD schon weiter ist. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat dem dortigen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder, einem der vielen gegenwärtigen SPD-Kanzlerkandidaten, bescheinigt, daß seine Landesregierung mit der Feststellung des Haushaltsplans des Landes Niedersachsen in den letzten beiden Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorsätzlich gegen die Verfassung verstoßen hat. Ein entsprechendes Urteil über Haushaltsgebaren beim Bund gibt es nicht. Also, Gerhard Schröder hat nach Meinung des Verfassungsgerichtshofs in Niedersachsen beim Haushalt vorsätzlich gegen die Verfassung verstoßen. Und dieser Mann soll künftig die Probleme der Bundesfinanzen lösen? Er löst nicht einmal seine eigenen, geschweige denn die niedersächsischen. Gegen Bonn die Backen aufblasen und im eigenen Bundesland gegen die Verfassung verstoßen - das ist Haushaltspolitik à la Gerhard Schröder.
Nehmen wir einmal die anderen, zum Beispiel den Herrn Lafontaine - zweiter Kanzlerkandidat -: Auch er hängt am Tropf des gesamtstaatlichen Finanzausgleiches; auch er hat mit seinem Land als Nettoempfänger darum gebeten, daß man dafür sorgt, seine Finanzprobleme zu lösen.
Verfassungswidrig ist der Haushalt Lafontaines, rechtswidrig die Verscherbelung von Landesvermögen in Kiel. Dort will Frau Simonis jetzt, nachdem sie vorher ohne Rücksicht auf die Mieter-Anteile des Landes an Wohnungen an die Preussag verkauft hat, alle Landesimmobilien verkaufen und anschließend für teures Geld zurückmieten. Sie nennt das intelligente Finanzpolitik; der Landesrechnungshof in Schleswig-Holstein nennt das rechtswidrig.
Voscherau, die vierte Lichtgestalt in der Finanz-und Wirtschaftspolitik der SPD, spielte sich vor kurzem noch auf, er hätte dazu beigetragen, daß die Gewerbekapitalsteuer abgebaut wird. Noch im Jahre 1996 hat er in Hamburg die Gewerbesteuer insgesamt um 20 Prozentpunkte erhöht. Das sind Fachleute in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik!
Meine Damen und Herren, trotz der dramatischen Belastung des Bundeshaushalts durch den überproportionalen Anstieg der Sozialausgaben und durch
Dietrich Austermann
die auf Grund der Übernahme der Erblasten hochschnellenden Zinsausgaben beträgt der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt nur noch 12,1 Prozent. Wir gehen davon aus, daß dieser Anteil mittelfristig weiter gesenkt wird, daß wir also die Senkung der Staatsquote auch weiterhin konsequent betreiben.
Ich möchte Ihnen nun etwas zum Thema Steuereinnahmen sagen und werde dann vielleicht kurz auf das Thema Steuerreform und auf das, was von den Kollegen Poß und Frau Matthäus-Maier gesagt worden ist, eingehen.
Von unseren Rednern ist mehrfach unterstrichen worden, wie sich die Steuereinnahmen bei Bund und Ländern entwickelt haben. 1998 werden die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand um rund 100 Milliarden DM niedriger als vor drei Jahren liegen. Damals wurde ein entsprechend höherer Betrag geschätzt.
Wenn man allerdings die Steuereinnahmen bei Bund und Ländern vergleicht, dann stellt man fest: In jedem Jahr seit 1949 sind die Steuereinnahmen der Länder gestiegen. Möglicherweise sind sie nicht ganz so stark, wie erwartet, gestiegen, aber sie sind immer gestiegen, während die Steuereinnahmen des Bundes seit 1994 immer gesunken sind. Der Kollege Wieczorek hat einmal - genau wie sein Vorgänger im Amt als Vorsitzender des Haushaltsausschusses, Rudi Walther - gesagt: „Die Länder bedienen sich auf Kosten des Bundes. "
Man muß einfach feststellen, daß bei den Steuern inzwischen eine ungerechte Verteilung der Finanzmittel erfolgt. Die Steuereinnahmen der Länder sind ständig gestiegen. Sie kommen aber hierher und beklagen, sie hätten nicht mehr die Mittel, um bestimmte Programme und Maßnahmen durchzusetzen.
Die letzte Steuerschätzung weist gegenüber der Schätzung aus dem vergangenen November bereits für dieses Jahr Ausfälle in Höhe von 18 Milliarden DM aus, obwohl das Bruttoinlandsprodukt selbst nur um ebenfalls 18 Milliarden DM niedriger eingeschätzt wird. Das zeigt, in welch dramatischer Weise eine Entkoppelung zwischen Wirtschaftswachstum und Steuererträgen erfolgt ist, und es macht deutlich, weshalb die Bundesbank sagt, das Konzept, das wir haben, müsse durchgesetzt werden, und weshalb andere - auch die OECD - sagen, das Konzept sei richtig, es verstärke die Investitionsbedingungen. Die Investitionsbedingungen müssen nämlich verbessert werden.
Bei Ihnen findet man statt dessen eine Denkblokkade; Und der Denkblockade folgt die Handlungsblockade. Sie handeln damit nicht verantwortungsvoll, sondern - ich sage es noch einmal - gemeinwohlschädlich. Sie stehen für Stillstand und rückwärts gerichtete Politik. Sie verweigern sich den dringend notwendigen Reformen für die Zukunft des Standortes Deutschland.
Nehmen Sie Nachhilfe bei Ihren niederländischen, britischen, schwedischen oder amerikanischen Kollegen! Mehr Kindergeld anstatt mehr Arbeitsplätze - das ist die falsche Wohlfahrtsstaatsideologie der Sozialisten. Das ist genau die falsche Position.
Ich darf Ihnen eine unverdächtige Zeitung - es ist die „Süddeutsche Zeitung" - vorhalten, in der Gerd Hennemann heute in seiner Kolumne „Haushalt in der Steuerklemme" schreibt:
Denn wer seit Monaten aus rein wahltaktischen Überlegungen eine konstruktive Zusammenarbeit im Bereich der Steuerpolitik verweigert, der verwirkt zugleich sein Recht, in Etatdebatten massiv aufzutrumpfen.
Völlig recht hat der Mann.
Er schreibt weiter:
Die SPD will und kann sich offenbar nicht von ihrer Umverteilungsideologie lösen. Sie blockiert dadurch eine Steuerreform, die heute wirtschaftliche Dynamik freisetzen müßte, damit es morgen zu mehr Beschäftigung und höheren Einnahmen des Staates kommen kann.
- Recht hat der Mann, Frau Matthäus-Maier. Sie sind doch hier vorhin mit Ihrem Zettelkasten angekommen, weil Ihnen eigene Gedanken gefehlt haben, und haben das eine oder andere vorgetragen. Sie müssen doch zulassen, daß ich nun wenigstens in einem Punkt zitiere.
Aber weil Sie mich gerade provoziert haben, möchte ich auch noch einen anderen mitgebrachten Zettel vorlesen, um vielleicht auch etwas zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Ihrer Spitzenkandidaten zu sagen.
Oskar Lafontaine hat nach seiner Wahl vor einem Jahr nicht so richtig gewußt, ob man nun eine Ausbildungsplatzabgabe einführen soll oder nicht - die Jusos haben das ja unter dem Motto „Wer nicht ausbildet, wird umgelegt" gefordert. Nachdem er dann Wind von vorne bekommen hat und es wieder fallengelassen wurde, hat man vor kurzem wiederum neu die Forderung erhoben und gesagt, wir bräuchten unbedingt eine Ausbildungsplatzabgabe.
Jetzt lese ich einmal aus einer Zeitung, was ein bekannter Landesminister dazu schreibt:
Eine Ausbildungsplatzabgabe ist Gift für den
Standort Deutschland. Wer immer noch glaubt,
die Steuer- und Abgabenschraube weiterdrehen
Dietrich Austermann
zu können, beschädigt seine wirtschaftliche Kornpetenz.
Der Mensch meint also, Herr Lafontaine habe eine beschädigte wirtschaftliche Kompetenz. Recht hat er. An anderer Stelle fährt er fort:
Der bürokratische Aufwand für die Abgabe ist atemberaubend. Jedes weitere Plädoyer für eine Entbürokratisierung geriete zur Lachnummer.
Also sind die Aussagen von Herrn Lafontaine Lachnummern. Und an anderer Stelle weiter:
Ein Universalmittel ist zwar eine suggestivkräftige, aber auch naive Vorstellung.
Also eine naive Lachnummer.
Das hat der Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein, Peer Steinbrück, unter der Überschrift „Wer umgelegt worden ist, kann nicht ausbilden" geschrieben.
Ich kann dazu nur sagen -
- Frau Fuchs, er war immerhin persönlicher Referent von Johannes Rau und hat einigen anderen gedient, zum Beispiel Herrn Matthöfer, den Sie, nach Ihrem Alter gerechnet, noch kennen dürften.
Sie sollten nicht so ohne weiteres sagen, daß das, was aus den Bundesländern kommt, uninteressant wäre.
Ich sage jetzt etwas zu der Frage, wie es sich tatsächlich mit der Steuerreform und den wirtschaftlichen Auswirkungen verhält. Genau die gleichen Argumente, die man heute in Sachen Steuerreform und Nettoentlastung hört, gab es 1986. Es gab die gleiche Diskussion: Landespolitiker fürchteten um ihre Haushalte und plädierten für die Verschiebung. Umstritten war 1986 die Senkung des Spitzensteuersatzes, umstritten war die Erhöhung indirekter Steuern und die Abflachung der Progression - alles genau wie heute. Sie haben überhaupt nichts gelernt.
Das Ergebnis der großen Stoltenbergschen Steuerreform, die eine Nettoentlastung von 46 Milliarden DM in drei Stufen enthielt, ließ sich an einer kräftigen Zunahme der Beschäftigung und der Steuern ablesen. Genau das ist das Rezept, das wir heute wieder verfolgen wollen: eine zweite Beschäftigungswelle. Wir haben die Anzahl der Beschäftigten von 1986 bis 1992 durch Steuernettoenflastung, nicht durch eine Umverteilung zugunsten von irgend jemandem, und durch die Entscheidung, Investitionstätigkeit zu ermöglichen und zu beflügeln, um 3,5 Millionen gesteigeit. Dieses Beispiel von 1986, 1988 und 1990 wollen wir mit einer Nettoentlastung wiederholen. So einfach ist das.
Da kann man doch nicht sagen, hinterher fehlt uns das Geld in den Taschen, und die Parolen wiederholen, die damals die Landespolitiker vertreten haben, wie zum Beispiel: Unsere Haushalte gehen dann drunter und drüber; der Spitzensteuersatz ist ungerecht; indirekte Steuern sollen nicht erhöht werden, die Progression dürfen wir nicht abflachen. Sie wiederholen es fugenlos und haben in zehn Jahren überhaupt nichts dazugelernt.
Die Beschäftigungswirkungen zeigen doch offensichtlich, wohin die Geschichte damals gelaufen ist und weshalb es wichtig und richtig ist, dies heute zu wiederholen. Schon bald nach dem Inkrafttreten wird diese Steuerreform die anfänglichen Steuerausfälle kompensieren. Die strukturelle Bereinigung durch die Beseitigung unzähliger Steuerschlupflöcher und die Senkung der Steuersätze auf ein im internationalen Vergleich konkurrenzfähiges Niveau würden schon bald zu mehr Investitionen, mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätzen und damit auch weniger Ausgaben für den Arbeitsmarkt bringen. Investoren können rechnen. Das unterscheidet sie von der SPD.
Wir haben 1996 in Deutschland 180 Milliarden DM für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und ihrer Folgen ausgegeben. Wenn die Steuerreform uns dabei hilft, nur ein Sechstel dieses Betrages einzusparen, dann hat sie sich vollständig refinanziert. Ich bin überzeugt davon, daß die positiven Effekte der Steuerreform noch weit darüber hinausgehen werden.
Wenn ein Vertreter der SPD behauptet - Sie kennen das Thema -, Einkommensmillionäre würden keine Steuern zahlen, dann soll er diese Rechnung doch einmal an Beispielen konkret aufmachen. Wahr ist, daß die Steuerreform viele Steuerschlupflöcher stopft, daß Abschreibungskunststückchen risikoreicher und wegen der abgesenkten Steuersätze weniger lohnend werden.
Frau Fuchs, Sie haben von der Sozialhilfereform gesprochen. Sie wissen, daß, nachdem die Sozialhilfereform gemacht wurde, Ihre Fraktion eine Broschüre herausgegeben hat,
eine Broschüre, die dazu aufgefordert hat, in bestimmten Bereichen Sozialkassen - ich sage es harmlos - extensiv zu nutzen.
Ich nehme ein zweites Beispiel. Frau MatthäusMaier beschimpft uns, wir hätten bei den Steuer-
Dietrich Austermann
abschreibungen für Schiffe nicht schnell genug gehandelt. Sie haben es bei der ersten Beratung im Bundesrat verhindert!
Man kann es zusammenfassen: Sie schützen Sozialschnorrer und Abschreibungstrickser. Das muß aufhören.
Das muß im Interesse der Steuerzahler, der Menschen, die in Deutschland tagein, tagaus ihre Arbeit leisten, ihre Steuern zahlen, beendet werden.
Das ist ein Akt der sozialen Gerechtigkeit: daß man die zur Kasse bittet, die zahlen können, und nicht die Möglichkeit schafft, sich weiter von Zahlungen freizukaufen.
Das Haushaltskonzept 1998 macht klar: Wir bleiben auf der Ausgabenbremse. Wir verbauen den Weg in höhere Steuern und noch mehr Schulden. Mit dieser Politik schaffen wir Verläßlichkeit und ein Klima der Ermutigung und des Aufbruchs.
Erste Ergebnisse sind sichtbar.
- Gucken Sie beispielsweise den Export an!
In den letzten Monaten haben sich Zuversicht und objektive Daten in der deutschen Wirtschaft erheblich verbessert.
Die Mehrheit der Länder geriert sich in besonderer Weise. Wir brauchen keine 16 kleinen Bundesregierungen. In den letzten Wochen und Monaten ist mir als Bundespolitiker gelegentlich das Messer in der Tasche aufgegangen, wenn ich den einen oder anderen Landesminister gehört habe, der uns gesagt hat, was zu tun ist.
Sie wollen mitreden, sie wollen mitentscheiden, aber sie wollen nicht mitverantworten.
Wenn es so ist, daß sie uns daran gehindert haben, die richtigen Entscheidungen zu treffen, tragen sie die Verantwortung für das Ergebnis. Das ist doch wohl selbstverständlich. Das gilt auch für den Bereich des Arbeitsmarktes.
Mitreden, mitentscheiden, aber nicht mitverantworten, das geht nicht.
Ich fordere Sie auf, Ihre Verantwortung wahrzunehmen. Dieses Land kann mehr, als die SPD zulassen möchte.
Herzlichen Dank.