Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Haushaltsentwurf mit seinen Einsparungen einerseits, seinen Ausgabeschwerpunkten andererseits trägt den wirtschaftspolitischen Erfordernissen in unserem Land Rechnung. Der Bund tut dort, wo er auf Wachstum, auf Beschäftigung Einfluß nehmen kann, das Seine. Er tat und tut das Seine, soweit die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat dies zuließen und zulassen.
Vor wenigen Tagen ist es uns endlich gelungen, daß auch die letzte Substanzsteuer, die Gewerbekapitalsteuer, abgeschafft wird, daß auch die SPD-Mehrheit im Bundesrat der Abschaffung dieser sub-
Gerda Hasselfeldt
stanzverzehrenden und arbeitsplatzvernichtenden Steuer zustimmt.
Dies war und ist ein ganz wichtiges Signal für mehr Investitionen, für mehr Beschäftigung, für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe.
Frau Matthäus-Maier, es ist eben nicht so, wie Sie es in Ihren Ausführungen zum Ausdruck gebracht haben, daß Sie keine Blockadepolitik betrieben hätten. Es hat immerhin fünf Jahre, meine Damen und Herren, volle fünf Jahre, gedauert, bis dies endlich gelungen ist.
Das Interessante dabei ist, daß es SPD-Politiker wie den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen gibt, Gerhard Schröder, der in einem Interview mit der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" vor wenigen Wochen - es war am 27. August - unter anderem sagte:
Und zweitens haben wir schon eine Menge auf den Weg gebracht,
-„wir" -
wie zum Beispiel die Vermögensteuer ... abgeschafft.
Meine Damen und Herren, das hat der SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen gesagt.
Was schließt man daraus? Es ist eine solche Verlogenheit eines Menschen, der zunächst immer wieder massiv gegen die Abschaffung der Vermögensteuer Stellung bezieht und sich dann brüstet - je nachdem, wer die Frage stellt -, er habe diese substanzverzehrende Steuer abgeschafft.
Das zeigt auch, daß in Ihrer Partei so reagiert und argumentiert wird, wie Sie es gerade brauchen.
Wenn ein Sachverständiger fragt, dann wird gesagt: Die Abschaffung der Vermögensteuer haben wir gemacht. Ansonsten wird populistisch argumentiert, wird auf der Neidschiene argumentiert. Meine Damen und Herren, diese Äußerung von Gerhard Schröder hat das deutlich gemacht.
Ich mache kein Hehl daraus, daß es uns lieber gewesen wäre, wenn wir mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer auch die von uns vorgesehene, im Gesetzentwurf enthaltene mittelstandsfreundliche Senkung der Gewerbeertragsteuer hätten mitmachen können. Die SPD hat auch dabei blockiert. Das wollen Sie von der SPD nicht. Das war mit Ihnen nicht zu machen, obwohl der Mittelstand diese Entlastung dringend gebraucht hätte. Meine Damen und
Herren, dieses Ziel steht bei uns nach wie vor auf der Tagesordnung.
Bei der Reform der Lohnsteuer, der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer hat die SPD der Reformmut bislang verlassen. Sie haben kein einziges Kompromißangebot von unserer Seite angenommen, da bei Ihnen von vornherein feststand: Eine Steuerreform, die diesen Namen wirklich verdient, darf nicht Realität werden. Daß Ihr Parteivorsitzender, Oskar Lafontaine, seiner Partei diese Blockadehaltung verordnet hat, zeigen beispielsweise Äußerungen von ihm Anfang August, in denen es wörtlich heißt: „Auch bei uns bleibt die Steuerreform auf der Tagesordnung.
Direkt nach der Bundestagswahl werden wir eine Steuerreform machen. "
Meine Damen und Herren, bis dahin werden viele Arbeitsplätze verlorengegangen sein, werden weiter viele Menschen den Arbeitsplatz verlieren, werden viele Investitionen zurückgehalten werden.
Deshalb frage ich Sie: Ist denn dies zu verantworten?
- Nein, das ist nicht wahr.
- Ich verstehe gar nicht, warum Sie sich so aufregen. - Wir haben im Gegensatz zu Ihnen erstens ein Konzept vorgelegt
und zweitens vereinbart, daß bereits am 1. Januar 1998 ein Teil der Steuerreform in Kraft treten soll; der zweite Teil dann am 1. Januar 1999.
Wir brauchen die Steuerreform jetzt. Wir brauchen wenigstens einen ersten Schritt. Dabei geht es nicht darum, irgend etwas zu machen, sondern darum, die Inhalte so zu gestalten, daß die Bedingungen für mehr Wachstum, für mehr Investitionen, für mehr Arbeitsplätze verbessert werden. Es geht nicht im Vordergrund darum, die Massenkaufkraft zu stärken. Vielmehr geht es um die Stärkung der Investitionskraft unserer Wirtschaft, um die Stärkung derjenigen, die Arbeitsplätze schaffen und erhalten.
In diesem ersten Schritt muß eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes enthalten sein, genauso wie eine Senkung des Steuersatzes für die gewerblichen Einkünfte, die der Einkommensteuer unterliegen. Dies geht nicht, wie es die SPD vorsieht, im Wege einer Option für Handwerksbetriebe und ähnliche Unternehmen. Dies ist eine Lachnummer. Die-
Gerda Hasselfeldt
sen Vorschlag haben wir Anfang der 50er Jahre schon einmal gehabt. Das war nur ganz kurz in Kraft, dann ist das ganz schnell wieder abgeschafft worden, weil sich herausgestellt hat, daß dieses Mittel untauglich ist. Warum sollten wir etwas, was sich vor 40 Jahren als nicht praktikabel herausgestellt hat, wieder auflegen?
Deshalb müssen in einem ersten Schritt auch der Eingangs- und Spitzensteuersatz nichtgewerblicher Einkünfte bei der Lohn- und Einkommensteuer gesenkt werden.
- Frau Matthäus-Maier, ich vermisse dabei immer, daß deutlich gemacht wird, daß diese nichtgewerblichen Einkünfte nicht nur Privateinkünfte umfassen, sondern auch die Einkünfte derjenigen, die Arbeitsplätze schaffen, beispielsweise der Selbständigen, beispielsweise der in der Land- und Forstwirtschaft Tätigen, beispielsweise derjenigen, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung haben. All dies gehört zu den nichtgewerblichen Einkünften, für die derzeit ein Spitzensteuersatz von 53 Prozent erhoben wird.
Weil diese Diskussion - auch heute ist dies wieder zum Ausdruck gekommen - häufig unter Neidgesichtspunkten geführt wird, will ich darauf hinweisen: Wir stehen in einem internationalen Wettbewerb um die Arbeitsplätze, ganz wesentlich auch um die Arbeitsplätze der Qualifizierten.
Warum, glauben Sie, sagen viele junge hochqualifizierte Leute ihrem international tätigen Unternehmen: Wir wollen lieber in den USA oder in Großbritannien als in Deutschland arbeiten? - Weil ihnen im Endeffekt vom Verdienst mehr bleibt als in Deutschland.
Wir müssen berücksichtigen, daß es für hochqualifizierte Kräfte mittlerweile einen internationalen Arbeitsmarkt gibt. Wollen Sie denn, daß diese hochqualifizierten Leute, die bei uns ausgebildet wurden, ihre Leistung woanders bringen? Oder wollen Sie, daß sie bei uns arbeiten?
Wenn die Sätze in der Körperschaftsteuer, wenn die Steuersätze für die gewerblichen Einkünfte in der Einkommensteuer gesenkt werden, dann - dies ist letztlich schon aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendig; darauf ist in der Debatte heute mehrfach hingewiesen worden - muß auch der Spitzensteuersatz für die nichtgewerblichen Einkünfte gesenkt werden.
Nun sagt der SPD-Parteivorsitzende, Vorbedingung für weitere Verhandlungen sei, daß wir ein neues Konzept vorlegen. Ist Ihnen denn entgangen, daß wir es im Gegensatz zu Ihnen, die nur einige Punkte vorgelegt haben, waren, die ein vollständiges, ein umfassendes, ein ausgewogenes Konzept vorgelegt haben, ein Konzept, das den Erfordernissen des Arbeitsmarktes entspricht? Ist es Ihnen denn entgangen, daß unser Konzept von allen, die etwas von der Sache verstehen, ob es die Wissenschaftler, die Verbände oder die Wirtschaftsvertreter sind, als positiv bewertet wurde? Ist Ihnen denn das alles entgangen?
Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, daß wir ein neues Konzept vorlegen. Unser Konzept steht, unser Konzept ist gut, wir sind verhandlungsbereit.
Ich will in diesem Zusammenhang den Vorstandsvorsitzenden der Firma BMW, Herrn Pischetsrieder, zitieren, der in einem Interview in der gestrigen „Süddeutschen Zeitung" unter anderem gesagt hat:
... wobei ich schon, als die Petersberger Vorschläge vorgelegt wurden, gesagt habe, daß mein Unternehmen zwar mehr Steuern zahlen müßte,
- man höre und staune -
ich aber trotzdem dafür bin, das Konzept insgesamt so zu verabschieden, weil es volkswirtschaftlich richtig ist.
Das sagt der Vorstandsvorsitzende eines der größten Unternehmen in Deutschland.
Ähnliche Zitate könnten wir Ihnen haufenweise liefern. Aber das hilft natürlich nichts, wenn Sie diesen Fachleuten nicht glauben und entsprechende Entscheidungen nicht mittragen wollen.
Nun ist es nicht so, daß alle SPD-Kollegen überhaupt nichts wollen. Es gibt durchaus ernstzunehmende Finanzpolitiker in dieser Partei, zum Beispiel Finanzminister Schleußer und andere, die schon seit langem sagen, wir brauchen nicht nur eine Steuerreform, sondern wir brauchen eine deutliche Senkung des Eingangssteuersatzes und des Spitzensteuersatzes. Sie sprachen dabei von 20 bis 40 Prozent. Herr Schleußer hat ebenso recht wie andere, die sich in dieser Richtung äußern.
Der Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung ist heute bereits zitiert worden.
Er empfiehlt einen Eingangssteuersatz von 15 Prozent und einen Spitzensteuersatz von 40 Prozent. Meine Damen und Herren, dieses Ergebnis hätten Sie, wir und die Bevölkerung schon lange haben können, wenn Sie unseren Vorstellungen zugestimmt hätten.
Gerda Hasselfeldt
- Dann sind Sie selber schuld. Wenn Sie ständig nein sagen, müssen Sie sich auch den Vorwurf gefallen lassen,
daß Sie wesentlich für die Arbeitsmarktsituation und für jeden zusätzlichen Arbeitslosen verantwortlich sind.
Nun gibt es den Einwand der SPD, wir könnten uns eine Steuerreform mit einer Nettoentlastung für die Steuerzahler angesichts der hohen Einnahmeverluste nicht leisten. Meine Damen und Herren, gerade wegen der Einnahmeverluste brauchen wir die Steuerreform. Wir brauchen sie, weil der Grund für diese Verluste insbesondere bei der veranlagten Einkommensteuer liegt. Der Grund liegt darin, daß die Steuerbasis eine Erosion durch die Nutzung von legalen, früher einmal sinnvollen, aber heute nicht mehr notwendigen steuerlichen Vergünstigungen und Gestaltungsmöglichkeiten erlebt hat.
Es gibt eine Schätzung des Instituts der Deutschen Wirtschaft, die besagt, daß Bund, Länder und Kornraunen allein in den nächsten vier Jahren 135 Milliarden DM an Steuereinnahmen verlieren würden, wenn die Steuerreform nicht käme. Das macht doch deutlich, daß wir die Steuerreform gerade wegen der Einnahmeverluste brauchen.
Wir brauchen eine grundlegende Reform mit niedrigen Steuersätzen, mit dem Abbau von Steuervergünstigungen; denn das ist letztlich die sozialste aller Steuerreformen, die es nur geben kann, weil dann alle, auch die Reichen, ihre Steuern nach ihrer Leistungsfähigkeit zahlen. Das ist das Ziel einer sozial ausgerichteten Steuerreform.
Daß es auch ohne Dauerblockade wie bei unserer Opposition geht, zeigt das jüngste Beispiel aus den USA. Fast zeitgleich zu unserem Vermittlungsverfahren zur Steuerreform haben sich dort der demokratische Präsident und der republikanisch dominierte Kongreß auf ein gemeinsames Programm über Steuererleichterungen und einen ausgeglichenen Haushalt verständigt.
- Frau Matthäus-Maier, es ist eben nicht so, daß bei dieser Reform, wie Sie uns heute glauben machen wollten, das Kindergeld im Mittelpunkt stand, sondern im Mittelpunkt dieser Reform stand und steht die Absenkung des Tarifs. Nach wie vor beträgt das Kindergeld dort nur einen Bruchteil von der Höhe unseres Kindergeldes, ganz zu schweigen von anderen familienpolitischen Leistungen in unserem Land.
In ähnlicher Weise haben die Skandinavier, die Niederländer und die Briten ihre Hausaufgaben gemacht. Ich frage mich: Wenn das in anderen Ländern mit den Sozialdemokraten, mit anderen Parteien möglich war, wenn dort die Einsicht bei einer gleichen Systematik wie bei uns und die Gemeinsamkeit vorhanden war, warum soll dies nicht auch bei uns möglich sein?
Deshalb appelliere ich ganz herzlich an Sie, bei den Verhandlungen in der zweiten Runde nun alles daranzusetzen, eine Reform zustande zu bringen, die nicht nur den Namen Steuerreform verdient, sondern die tatsächlich auch zur Verbesserung der Bedingungen für mehr Wachstum und für mehr Beschäftigung beiträgt. Das ist das Gebot der Stunde. Die Arbeitslosen, diejenigen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, und die ganze Bevölkerung werden es Ihnen danken.