Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl sich die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland im Aufschwung befindet, haben sich eine Reihe von Daten, die den öffentlichen Haushalt betreffen und für ihn von besonderer Bedeutung sind, nicht ausreichend verbessert oder gar verschlechtert. Wir können von Glück reden, daß insbesondere die Exportwirtschaft wieder Fuß gefaßt hat und einen wichtigen Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum leistet. Wir müssen aber mit Erschrecken feststellen, daß die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt weit hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben ist.
Die Grundfrage, wie das Problem Investitionsmangel in Deutschland zu lösen ist, ist wesentlicher Teil der parteipolitischen Auseinandersetzungen, die ja auch die heutige Haushaltsdebatte bestimmen. Die Sozialdemokraten, die mit uneingeschränkter Unterstützung ihrer grünen Koalitionspartner in den Bundesländern von dort aus hier mitregieren und Mitverantwortung tragen, werden sich auch heute wieder den Vorwurf gefallen lassen müssen, daß bei ihnen die Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei notwendigen Gesetzesvorhaben fehlt. Damit tragen sie wesentliche Schuld am Bild des Investitionsstandortes Deutschland.
Dieser Vorwurf sitzt, weil er stimmt.
Wenn der Kollege Metzger hier gerade ein anderes Bild der Grünen zu zeichnen versucht hat, muß man dem entgegenhalten, daß die Grünen überall da, wo in der Praxis anzutreten war, konzentriert und gemeinsam mit der SPD rot-grün gehandelt und blokkiert und nicht hilfreich an der Zukunftsentwicklung Deutschlands mitgewirkt haben.
Es wird in einer Welt offener Grenzen jeder Unternehmer, der dazu in der Lage ist, dort investieren, wo er sich den höchsten Ertrag für sein Kapital verspricht. Deutschland bietet - auch das ist hier zum Teil richtig angeklungen - weiterhin eine ganze Reihe positiver Standortfaktoren, aber in puncto Besteuerung von Unternehmensgewinnen stellt die Bundesrepublik ein trauriges Schlußlicht dar.
Deswegen hilft es überhaupt nicht, wenn die Sozialdemokraten ausweislich einer Äußerung von Oskar Lafontaine von gestern - bei ihm kann man übrigens in doppelter Hinsicht von gestern sprechen - eine neue Steuer erfinden, die als Mindeststeuer offensichtlich in der Hoffnung, hieraus Wählerstimmen zu
Dr. Wolfgang Weng
gewinnen, dazu da sein soll, erneut Neidkomplexe zu wecken.
- Auch Ihre Sprecherin, Frau Kollegin Fuchs, hat hier von dieser Steuer nichts gesagt. Es wäre ja interessant gewesen zu hören, ob die SPD-Fraktion die Meinung von Herrn Lafontaine teilt, die er gestern geäußert hat, denn durchdacht ist diese Sache ganz sicher nicht. Ich bin sicher, sie wird auch ganz schnell wieder beerdigt werden.
- Da gibt es, Frau Kollegin Matthäus-Maier, tatsächlich nichts zu prüfen. Unsinn braucht man nicht zu prüfen.
Aber wenn es um Steuer-, um Ausgabensteigerungen, um zusätzliche Belastungen für die Bürger geht, ist die Sozialdemokratie immer schon ganz besonders erfindungs- und einfallsreich gewesen. Gestern wieder: Zur Behebung einer wirklich schwierigen Situation auf dem Lehrstellenmarkt wird sofort die uralte Diskussion über eine zusätzliche Belastung der Wirtschaft, über eine Ausbildungsabgabe geführt. Ich glaube, es wäre besser, wenn die SPD mit einer Investitionsvertreibungsabgabe belegt würde.
Meine Damen und Herren, in Kenntnis der schwierigen Lage des Bundeshaushalts war die Bundesregierung in diesem Jahr zu besonders enger Kooperation mit dem Parlament bereit. Ich will hier den Finanzminister, Theo Waigel, ausdrücklich für diese Kooperationsbereitschaft loben. In Sondersitzungen der Koalitionsfraktionen hat er im Juli dieses Jahres sein Konzept nach den Beratungen mit den einzelnen Ministerien vorgestellt, ehe er mit dem Haushaltsentwurf und dem Entwurf für den Nachtragshaushalt ins Kabinett gegangen ist, wo er dann in der vorberatenen Form beschlossen wurde. So wird heute das eingebracht, was die Koalitionsfraktionen in den Grundzügen kennen, was sie schon zu Beginn der Sommerpause zur Kenntnis erhalten haben. Wir stellen hier mit Befriedigung fest, daß die Bundesregierung den Willen hat, die Probleme mit dem Parlament, mit der Mehrheit, mit den Fraktionen der Koalition gemeinsam zu lösen.
Wir stehen - dies hat die Steuerschätzung im Mai in bedrückender Weise deutlich gemacht - vor dem Problem, daß die Steuereinnahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung nicht entsprechen, daß sie den Erwartungen nicht standhalten. Das hängt natürlich auch damit zusammen, daß gewollte Investitionsförderung, daß durchaus gewünschte Abschreibungsmöglichkeiten vor allem in den neuen
Bundesländern, die dort zu einer. schnellen Behebung mancher Probleme objektiv beigetragen haben, jetzt zum Tragen kommen.
Es ist viel erreicht worden; aber die Entwicklung war in dieser Dimension nicht vorhersehbar. Dies zeigt umgekehrt, daß das System jetzt nicht mehr im Lot ist. Das kann nach unserer festen Überzeugung nur mit einer großen Steuerreform geändert werden.
Es muß mit einer solchen großen Steuerreform geändert werden.
- Frau Kollegin Fuchs, die Vorstellungen sind bekannt.
Die Koalition hat ein Konzept einer solchen Steuerreform vorgelegt, und dieses Konzept beinhaltet alle Notwendigkeiten.
- Ablehnen ist immer einfach. Es ist kein Zufall, daß gerade Ihre Seite, die SPD, in bekannter Manier des Rosinenpickers kein eigenes Konzept vorgelegt hat,
sondern einzelne Positionen der Koalition, die man in einem solchen großen Konzept immer finden kann, kritisiert und insgesamt das Konzept blockiert.
Da muß ich die Grünen im Vergleich zu Ihnen ausnahmsweise wirklich loben. Sie haben sich wenigstens die Mühe gemacht, ein Konzept zu erarbeiten. Ich glaube allerdings nicht, daß dieses Konzept realistisch gerechnet ist. Die Finanzierungsvorschläge, die sie machen, sind sowieso nirgendwo mehrheitsfähig. Insofern bleibt ihr Konzept Makulatur.
Bei einer großen Steuerreform ohne deutliche Entlastung für die Bürger, wie sie die SPD jetzt andeutet, wie sie sie fordert, bräuchten wir nicht auf zukünftige Mehreinnahmen des Staates zu hoffen. Sie würde keine Zukunftsspielräume eröffnen. Eine solche Entlastung ist deshalb unverzichtbar, wenngleich sie in der Not der gegebenen Haushaltssituation auch nach unserer Überzeugung nur in Stufen stattfinden kann.
Nur mit Änderungen in der Steuerstruktur ist eine Entwicklung zu erwarten, die in der Folge Steuermehreinnahmen für den Staat bedeutet. Wir haben dies in einer ganzen Reihe von Ländern gesehen, die sich so verhalten haben. Man muß daran erinnern: Auch die Bundesrepublik ist nach 1983 einen solchen Weg gegangen, bis sie unter dem Eindruck der Not-
Dr. Wolfgang Weng
wendigkeiten der Wiedervereinigung zeitweise davon abging.
Denken Sie zum Beispiel daran: Die Koalition hat vor wenigen Jahren das steuerfreie Existenzminimum erweitert,
den Familienlastenausgleich verbessert und zusätzlich den Kohlepfennig an die Stromverbraucher zurückgegeben. Dieses bedeutete damals, Frau Kollegin Fuchs, eine Entlastung von rund 28 Milliarden DM ganz wesentlich zu Lasten des Bundeshaushaltes.
Diese Entlastung hat aber nicht zu strukturellem Aufschwung und daraus resultierend zu Mehreinnahmen geführt, sondern im Gegenteil die Steuerbasis erodiert. Dies heißt: Eine reine Umverteilung, wie die SPD sie fordert und sich vorstellt, führt zu weiterer Kapitalflucht und zur Lähmung von Investitionen.
Sie erklären von der Oppositionsseite immer, die Steuerreform, das Konzept der Koalition, sei sozial nicht gerecht. Sie wissen selbst, daß dies nicht richtig ist. Die Bürger in unserem Land sind ja in massiv unterschiedlicher Weise belastet.
Wer diese Belastungsstruktur kennt, weiß, es kann niemals erreicht werden, daß bei der Entlastung jeder auf Mark und Pfennig gleichgestellt wird. Schon jetzt zahlen 50 Prozent der Steuerpflichtigen weniger als 10 Prozent des Gesamtsteueraufkommens, während umgekehrt die 25 Prozent der Steuerpflichtigen mit den höheren Steuerlasten 70 Prozent des Gesamtsteueraufkommens finanzieren. Da ist es zwangsläufig, daß eine Reform unterschiedliche Entlastungen auslöst.
Von uns ist auch gewollt - diesem Ziel werden sich die Sozialdemokraten nicht verschließen können -, daß die Leistungsträger in der Gesellschaft neu motiviert werden. Deshalb waren ja auch in der SPD bis zur Wahl von Oskar Lafontaine als Parteivorsitzendem durchaus Signale einer Bereitschaft vorhanden, diesen für richtig erkannten Weg mit der Koalition gemeinsam zu gehen.
Deshalb geben wir nach den letzten Signalen, die wir in der vergangenen Woche aus Bundesländern erhalten haben, auch weiterhin die Hoffnung nicht auf, daß in der SPD und im Bundesrat noch Vernunft einkehrt, daß die Blockade sowohl der schon lange im Bundesrat liegenden Spargesetze als auch die Blockade einer vertretbaren Steuerreform aufhört und daß es hier grünes Licht gibt.
Die Schraube - Steuerreform schafft Investitionen, schafft Arbeitsplätze, schafft dann Haushaltsentlastungen und schafft in der Konsequenz Spielräume für zusätzliche öffentliche Investitionen - muß in diese richtige Richtung gedreht werden.
Im Etatentwurf 1998, vor allem auch in dem gleichzeitig beratenen Nachtragshaushalt für 1997, sind die zusätzlichen Kosten, die aus der gestiegenen Arbeitslosigkeit resultieren, der ganz entscheidende Faktor der Mehrausgaben und ein Faktor der Einschnürung haushaltspolitischer Handlungsfähigkeit. Wir haben von seiten des Haushaltsausschusses wegen der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt seit langen Jahren darauf verzichten müssen, politisch wünschenswerte und manchmal auch objektiv notwendige Ausgaben auszuweiten, weil uns die zusätzlichen Lasten der Arbeitslosigkeit, die gesetzlich dem Bundeshaushalt anheimfallen, eingeholt haben. Die Verbesserung der Handlungsfähigkeit ist aber nur in einem Klima möglich, das wieder auf mehr Eigenverantwortung, auf mehr Selbständigkeit und auf mehr Initiative setzt. Dieses wird im Zweifelsfall durch das, was die Sozialdemokraten politisch in den Raum stellen, ins Gegenteil verkehrt.
Ich appelliere zusätzlich aber auch an die Bundesanstalt für Arbeit und an das beaufsichtigende Ministerium, das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung: Die sorgfältige Kontrolle aller Leistungen muß fortgesetzt werden.
Aus den Gesprächen mit den Bürgern, die während der Ferienzeit häufiger als zur Zeit der Debatten in Bonn möglich sind, ist deutlich geworden: Es gibt immer noch eine Vielfalt von Mißbrauch. Dieser Mißbrauch muß abgestellt werden. Es muß - Frau Kollegin Fuchs, da sind ja nicht einmal Sie anderer Meinung - die Bekämpfung der Schwarzarbeit in noch größerem Maße als bisher angegangen werden,
weil die Ausweitung grauer und schwarzer Märkte für unsere Volkswirtschaft, vor allem für unseren Mittelstand, fatale Folgen hat.
- Wir machen doch etwas. Darf ich hier nicht auch Forderungen an die Handelnden im Sinne dessen stellen, was getan werden soll? Ich habe Ihnen ja schon gesagt, was Sie tun sollten. Wenn Sie von der linken Seite Ihren Teil dazu beitragen, dann sind wir sehr schnell weiter.
Natürlich ist ein sorgfältiger Umgang mit den Mitteln, die nicht für gesetzliche, sondern für freiwillige Leistungen zur Verfügung stehen, eine Selbstverständlichkeit. Ich weiß, daß sich den letzten Jahren auch bei der Arbeitsverwaltung die Strukturen, zum
Dr. Wolfgang Weng
Teil die Organisationsstrukturen, verbessert haben. Angesichts der immer wiederkehrenden Berichte über Nachlässigkeiten und Mißbrauch aber muß man sagen: Wenn die in den Medien genannten Zahlen über den Umfang der Schwarzarbeit richtig sind, dann müssen verbesserte Kontrollen und Verfolgungen dieses Mißbrauchs durch die Verwaltung erfolgen.
Mit dem Bemühen um einen Abbau der Nettoneuverschuldung haben wir nicht nur die europäische Vision vor Augen. Denn hier sind wir auf Grund internationaler Verträge in der Pflicht. Es geht seit vielen Jahren auch darum, von unserer Seite den Druck auf die Verminderung der Nettoneuverschuldung zu verstärken, damit die nachfolgende Generation nicht mit unangemessenen Lasten belegt wird.
Durch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt treten auch hier unsere Bemühungen der letzten Jahren auf der Stelle. Deshalb ist der Umschwung auf dem Arbeitsmarkt von ganz besonderer Bedeutung. Diesem dienen alle unsere Anstrengungen.
- Wer an dieser Stelle lacht, zeigt, wie töricht er ist und wie wenig er die Probleme des Landes erkannt hat.
Die F.D.P.-Bundestagsfraktion erkennt an, daß die Regierung einen Haushaltsentwurf vorlegt, der darauf verzichtet, mit Steuererhöhungen einen vermeintlich leichten Weg der Haushaltskonsolidierung zu gehen. Wir Freien Demokraten sind davon überzeugt, daß dieser Weg der falsche wäre und die Steuer- und Abgabenlast schon jetzt viel zu hoch ist.
Wir wissen aber auch, welche Anstrengungen die Umsetzung dieses Vorhabens für den Bundesfinanzminister Theo Waigel in der Detailarbeit gekostet hat, und begrüßen deshalb den Erfolg, daß er uns diesen Haushalt heute so präsentieren kann, daß auf Steuererhöhungen verzichtet wurde.
Der Druck auf die öffentlichen Kassen führt zu einer Entwicklung, die uns ordnungspolitisch freut. Ich nenne die Stichworte Privatisierung und Flexibilisierung. Wenn man sich vor Augen hält, wie schwierig es war, eine Reihe von Voraussetzungen für die Privatisierung der Deutschen Lufthansa zu schaffen, weil in der Vergangenheit sowohl in der Führung dieses Unternehmens als auch in den beteiligten Ministerien eher staatsmonopolistisches Denken herrschte, dann muß man jetzt den außerordentlichen Erfolg begrüßen, der mit der abschließenden Privatisierung der Deutschen Lufthansa durch die
Bundesregierung und die Koalition zu verzeichnen ist.
Sie werden mir den Hinweis erlauben, daß die F.D.P. nach 1983 mit ihrem Drängen in Richtung Privatisierung beim Koalitionspartner nur teilweise Zustimmung fand. Ich bin froh, daß dies heute anders aussieht.
Dies gilt auch für den Teil der Privatisierung, der uns eine geordnete Einnahmeseite der Haushalte 1997 und 1998 überhaupt ermöglicht, nämlich die weitere Privatisierung der Deutschen Telekom. Trotz des massiven sozialdemokratischen Sperrfeuers und einer öffentlich leider nie richtig bewußt gewordenen Klientelpolitik der SPD auf Wunsch der Postgewerkschaft
hat die privatwirtschaftliche Umstrukturierung der Post stattgefunden, die zukünftig in Teilbereichen Wettbewerb ermöglicht. Schon jetzt bot und bietet sich weiter die Chance, Teile der früheren Bundespost in den Markt zu entlassen.
Die Freien Demokraten halten dies ausdrücklich nicht nur für eine wünschenswerte Maßnahme mit Blick auf den Bundeshaushalt, sondern für einen dringenden ordnungspolitischen Schritt. Denken Sie einmal darüber nach - Sie brauchen nur wenige Jahre zurückzugehen -, welch ein Aufschwung im gesamten Bereich der Telekommunikation seit der privatwirtschaftlichen Umstrukturierung der Telekom stattgefunden hat und in welchem Maße Mitbewerber, andere freie Kräfte, am Markt Platz finden. Hier ist ein großer Erfolg der Koalition zu verzeichnen.
In diesem Markt steckt auch zukünftig noch Kraft. Da stecken viele Entwicklungschancen, die durch die Privatisierung freigesetzt worden sind. Hier hat also der finanzielle Engpaß des Bundeshaushalts politisch Sinnvolles ausgelöst. Es gibt eine ganze Zahl weiterer Beispiele. Ich hoffe sehr, daß die Koalition den Privatisierungseifer beibehält, an dessen Entstehen wir Anteil haben.
Wir wollen den Weg des Verzichts auf Staatsmonopole konsequent weitergehen.
Die Enge des Bundeshaushalts - das ist der zweite Punkt - hat auch Überlegungen bezüglich des Haushaltsverfahrens ausgelöst. Neue Entwicklungen sind notwendig. Sie sind eingeleitet. Es muß künftig nicht
Dr. Wolfgang Weng
mehr der Fall sein, daß jedes Detail der Haushaltsabwicklung parlamentarisch und bürokratisch vorgegeben wird. Mit Entmündigung der vor Ort Verantwortlichen in der vergangenen Zeit hat dort natürlich auch wenig unternehmerisches Denken Platz gegriffen.