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    Plenarprotokoll 13/187 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 187. Sitzung Bonn, Dienstag, den 9. September 1997 Inhalt: Nachträgliche Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Anke Fuchs (Köln), Dr. Uwe-Jens Heuer, Otto Schily, Walter Link (Diepholz), Dr. Jürgen Rochlitz, Heinrich Graf von Einsiedel und Detlef Kleinert (Hannover) 16865 A, B Wahl eines Mitglieds im Beirat beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR 16865 B Erweiterung der Tagesordnung 16865 C Absetzung des Punktes 2 von der Tagesordnung 16865 D Nachträgliche Ausschußüberweisung . Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1998 (Haushaltsgesetz 1998) (Drucksache 13/8200) 16866 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1997 bis 2001 (Drucksache 13/8201) 16866 A c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1998 (Nachtragshaushaltsgesetz 1997) (Drucksache 13/8199) 16866 A d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Haushaltsrechts von Bund und Ländern (Haushaltsrechts-Fortentwicklungsgesetz) (Drucksache 13/8293) . 16866 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Abgeordneten Oswald Metzger, Antje Hermenau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BONDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine umfassende Haushalts- und Finanzreform: Transparenz, Wirtschaftlichkeit und parlamentarische Kontrolle (Drucksache 13/8472) 16866 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Anrufung des Vermittlungsausschusses zum Steuerreformgesetz 1998 (Drucksachen 13/7242, 13/7775, 13/8020, 13/8177, 13/8178, 13/8326, 13/8465, 13/8466) 16866 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Anrufung des Vermittlungsausschusses zum Steuerreformgesetz 1999 (Drucksachen 13/7480, 13/7917, 13/8022, 13/8023, 13/8177, 13/8179, 13/8465, 13/8467) 16866 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 16866 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 16874 C Paul Breuer CDU/CSU 16883 C Hans-Peter Repnik CDU/CSU 16884 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16890 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . 16893 B Dr. Christa Luft PDS 16897 A Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD . 16898 B Dr. Barbara Höll PDS 16898 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU 16900 D Joachim Poß SPD 16903 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 16905 C Anke Fuchs (Köln) SPD 16907 A Jürgen Koppelin F.D.P 16910 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 16912 C Susanne Jaffke CDU/CSU 16913 D Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 16915 A Hans Georg Wagner SPD 16917 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU 16919 A Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16921 C Horst Friedrich F.D.P. 16923 A Dr. Winfried Wolf PDS 16924 B Elke Ferner SPD 16925 B Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 16927 D Anke Fuchs (Köln) SPD 16930 A Dr. Liesel Hartenstein SPD 16930 B Arnulf Kriedner CDU/CSU 16932 C Dr. Barbara Hendricks SPD 16933 B Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16934 D Birgit Homburger F D P. 16936 B Eva Bulling-Schröter PDS 16937 C Eckart Kuhlwein SPD 16938 C Birgit Homburger F D P. 16939 D Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 16940 D Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 16942A Angelika Mertens SPD 16945 A Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . 16946A Gert Willner CDU/CSU 16947 B Freimut Duve SPD 16948 A Achim Großmann SPD . . . 16949C, 16953 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16950 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 16952 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 16954 B Dieter Maaß (Herne) SPD 16955 C Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch . . 16924 A Nächste Sitzung 16956 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16957* A 187. Sitzung Bonn, Dienstag, den 9. September 1997 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 9. 9. 97 ** Behrendt, Wolfgang SPD 9. 9. 97 * Bindig, Rudolf SPD 9. 9. 97 * Borchert, Jochen CDU/CSU 9. 9. 97 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 9. 9. 97 ** 90/DIE GRÜNEN Eßmann, Heinz Dieter CDU/CSU 9. 9. 97 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 9. 9. 97 ** Friedhoff, Paul K. F.D.P. 9. 9. 97 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 9. 9. 97 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 9. 9. 97 Hornung, Siegfried CDU/CSU 9. 9. 97 * Laumann, Karl-Josef CDU/CSU 9. 9. 97 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 9. 9. 97 Marx, Dorle SPD 9. 9. 97 Mattischeck, Heide SPD 9. 9. 97 (B) Neumann (Berlin), Kurt fraktionslos 9. 9. 97 Neumann (Bramsche), SPD 9. 9. 97 Volker Dr. Probst, Albert CDU/CSU 9. 9. 97 * Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 9. 9. 97 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 9.9.97 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schloten, Dieter SPD 9. 9. 97 ** Schmidt (Aachen), Ulla SPD 9. 9. 97 ** Schmidt (Fürth), CDU/CSU 9. 9. 97 ** Christian Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 9. 9. 97 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Schönberger, Ursula BÜNDNIS 9. 9. 97 90/DIE GRÜNEN Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 9. 9. 97 90/DIE GRÜNEN Schütz (Oldenburg), SPD 9. 9. 97 Dietmar Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 9. 9. 97 Christian Sebastian, Wilhelm CDU/CSU 9. 9. 97 Josef Terborg, Margitta SPD 9. 9. 97 * Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 9. 9. 97 Tippach, Steffen PDS 9. 9. 97 Dr. Wittmann, Fritz CDU/CSU 9. 9. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 9. 9. 97 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 98. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
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    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Entscheidungen zum Bundeshaushalt 1997, 1998 und zum Finanzplan bis 2001 treffen auf einen klaren konjunkturellen Aufwärtstrend in Deutschland.

    (Lachen bei der PDS)

    Wichtige Wirtschaftsindikatoren entwickeln sich günstig: Die Ausfuhr wächst dynamisch und greift auf die Inlandsnachfrage über, auch im Investitionsgüterbereich. Das „Handelsblatt" meldete gestern eine weitere deutliche Belebung der Nachfrage. Die Aufträge wachsen - bei der Automobilherstellung allein im Juni um über 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Industrieproduktion ist aufwärtsgerichtet; sie stieg allein von Juni auf Juli 1997 saisonbereinigt um 3,5 Prozent. Die Kapazitätsauslastung der Industrie und die realen Ausrüstungsinvestitionen zeigen nach oben.

    (Zuruf von der PDS: Und die Löhne?)

    Das Ifo-Geschäftsklima hat sich im Juli erneut verbessert; Zins und Preisniveau sind stabil; die Lohnstückkosten sinken; das Bruttoinlandsprodukt dürfte im zweiten Quartal urn 2,5 bis 3 Prozent über dem Vorjahresergebnis gelegen haben.
    Unsere Wachstumserwartung für das Gesamtjahr 1997 von 2,5 Prozent real wird dadurch eindrucksvoll bestätigt. Im nächsten Jahr wird sich nach Einschätzung aller Experten und Institute das Wachstum noch beschleunigen und bei 2,5 bis 3 Prozent liegen. Diese Tatsachen liegen objektiv vor. Sie zeugen von einer günstigen Entwicklung. Wir sollten froh sein und nicht höhnisch darüber lachen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt., die Staatsquote, liegt schon in diesem Jahr unter 50 Prozent. Diese erfreuliche Entwicklung wird in den nächsten Jahren weitergehen. Wir werden unser im Jahr 1995 formuliertes Ziel, die Staatsquote bis zum Jahr 2000 auf den Stand vor der Wiedervereinigung, also auf etwa 46 Prozent zu senken, erreichen. Das ist, wie ich meine, ein großer Erfolg der Finanzpolitik der Bundesregierung. Er knüpft nahtlos an unsere erfolgreiche Politik der 80er Jahre an, als es uns als einzigem G 7-Land gelang, die Staatsquote zu senken. Dieser Kurs ist zugleich die finanzpolitische Basis, auf der wir die Herausforderungen für

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    den Standort Deutschland entschlossen und zielgerichtet angehen können.
    Meine Damen und Herren, trotz dieser unbestreitbaren Aufwärtsentwicklung der deutschen Wirtschaft kann niemand den dramatischen Einfluß der Globalisierung der Weltwirtschaft auf alle staatlichen, gesellschaftlichen und privaten Bereiche übersehen. Die Struktur der Weltwirtschaft ändert sich, das Ausmaß dieser Änderungen ist mit den Änderungen zu Beginn der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert durchaus vergleichbar.
    Ausgangspunkt sind Basisinnovationen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik, der Verkehrs-, Energie- und der Biotechnologie. Wissen und Kapital sind immer breiter verfügbar, sie können mit einem Klick auf der Computertastatur in jedes Land der Welt gelangen. Der Strukturwandel beschleunigt sich; Innovationen erlauben keine langjährigen Monopolrenten mehr. Viele Länder der Welt sind in der Lage, technologisch hochwertige Produkte herzustellen. Um die Weltmärkte wird von immer mehr Ländern immer härter gekämpft; Gewinnmargen schrumpfen. Das betriebswirtschaftliche Optimierungskalkül der international tätigen Unternehmen wird immer wichtiger, um am Markt zu bestehen.
    Das Welthandelsvolumen wächst derzeit doppelt so schnell wie die weltweite Produktion. Die grenzüberschreitenden Investitionen wachsen noch schneller als die globalen Ein- und Ausfuhren. Noch Mitte der 80er Jahre lagen die weltweiten Direktinvestitionen bei 77 Milliarden US-Dollar, 1995 lagen sie bereits viermal so hoch.
    Das Handelsvolumen der internationalen Finanzmärkte explodiert: Anfang der 80er Jahre betrug der weltweite Devisenhandel täglich zirka 60 Milliarden US-Dollar; Anfang der 90er Jahre lag er bereits bei 1200 Milliarden US-Dollar.
    Was wir heute sehen, sind die Vorboten einer neuen Zeit. Die neue Zeit wird von uns ein völlig neues Denken und Handeln erfordern. Der Wissenschaftshistoriker Thomas Kuhn hat in diesem Zusammenhang von einem „Paradigmenwechsel" gesprochen.
    Es wird in Zukunft nicht mehr damit getan sein, bestimmte Anpassungen zu vollziehen und sich dann in einem neuen Gleichgewicht beruhigt zurückzulehnen. Wenn wir den gewohnten Wohlstand, eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen und soziale Sicherheit bewahren wollen, ist vielmehr die beständige und vorausschauende Bereitschaft zur Veränderung unverzichtbar. Diese notwendige Bereitschaft zur Änderung, die auf dem Fundament unserer Wertordnung, der christlichen Weltanschauung, stehen muß, betrifft staatliche und gesellschaftliche Institutionen ebenso wie die Politik, den Staat, aber auch jeden einzelnen Bürger unseres Landes.
    Nur, die Globalisierung führt keineswegs zwangsläufig zu Arbeitslosigkeit. Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland sind an sich noch kein Zeichen für ein nationales volkswirtschaftliches Problem. Viele Auslandsinvestitionen dienen dazu, ausländische Märkte zu erschließen. Diese Entwicklung hat positive Rückwirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft. Das sichert auch Arbeitsplätze und Investitionen in Deutschland. Deutschland hat von der Ausweitung der internationalen Arbeitsteilung immer profitiert. Sie hat den Menschen Wohlstand und materielle Sicherheit gebracht.
    Der durch die Globalisierung ausgelöste Strukturwandel kann nicht grundsätzlich gestoppt oder gebremst werden. Wir müssen diese Herausforderung offensiv angehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir sollten diesen Prozeß weniger als Gefahr, sondern als eine historische Chance sehen. Deutschland kann zu den Gewinnern der neuen Zeit gehören, wenn wir unsere Tugenden ausspielen. Dazu gehören Innovationsfreude, Pioniergeist, Fleiß und Gründlichkeit,

    (Zuruf von der SPD: Und eine neue Regierung!)

    und dazu gehört das eindeutige Bekenntnis zu einem marktwirtschaftlichen System. Dazu gehört auch eine klare Festlegung des ordnungspolitischen Rahmens, in dem die Märkte handeln. Dabei bleibt die Soziale Marktwirtschaft unser Modell.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Völlig falsch wäre es, in Protektionismus zu flüchten oder die Marktwirtschaft zu beschneiden. Der Niedergang des Sozialismus zeigt: Ökonomische Abschottung führt zu Wettbewerbsunfähigkeit, zur Verarmung und zur Ausbeutung der natürlichen Lebensgrundlagen.
    Meine Damen und Herren, um die Globalisierung zu einem echten volkswirtschaftlichen Gewinn werden zu lassen, müssen noch eine ganze Reihe von wirtschafts- und finanzpolitischen Hausaufgaben gemacht werden - Hausaufgaben, die weit über den alltäglichen politischen Streit hinausreichen und die in letzter Konsequenz einen breiten gesellschaftlichen Konsens verlangen.
    Meine Damen und Herren, wir müssen uns auch fragen, ob unsere bisherigen Verfahren der Konfliktbewältigung dieser neuen Zeit noch angemessen sind. Es geht nicht nur um die Qualität und Quantität der notwendigen Veränderung, sondern auch um die Rechtzeitigkeit der Veränderung.
    Ich denke, daß unser im Grundsatz bewährtes System des Föderalismus auf mittlere Sicht renoviert werden muß.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dabei geht es - lassen Sie mich als überzeugten Föderalisten das sagen - nicht um mehr Zentralismus, sondern um die Stärkung der Eigenverantwortung von Bund und Ländern, letztlich auch um das Prinzip der Subsidiarität und der eigenverantwortlichen Aufgabenerledigung.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik sollte mehr eigenständiges Handeln von Bund und Ländern möglich sein. Das bedeutet eine Hinwendung zu einer stärkeren Orientierung am Prinzip des finanzwirtschaftlichen Trennsystems. Das bedeutet beispielsweise eine kritische Durchsicht des Finanzausgleichs, insbesondere des Problems der Übernivellierung, eine Stärkung der Kompetenzen von Bund und Ländern bei der Steuergesetzgebung und insgesamt eine Rückführung des Konsenszwangs. Bund und Länder müssen zukünftig in der Lage sein, in einem gewissen Rahmen finanzpolitisch zentrale Politikkonzepte autonom durchzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Eine solche Neugestaltung würde nicht nur die Anpassungsgeschwindigkeit an die Herausforderungen der Globalisierung erhöhen. Mehr Wettbewerb in der Politik würde insgesamt zusätzliche wirtschaftliche Dynamik bringen.
    Das Mitglied des Sachverständigenrates, Professor Jürgen Donges, schreibt am 7. Mai:
    So gesehen birgt die Globalisierung eine enorme Chance, den Reformstau in Deutschland aufzulösen. Da die Globalisierung unumkehrbar ist, wird sich die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ebenso wie die Tariflohnpolitik im Qualitätswettbewerb bewähren müssen. An den Finanzmärkten wird gute Politik belohnt - durch Kapitalzuflüsse und niedrige Zinsen - und schlechte bestraft.
    Professor Donges äußert sich auch dazu, was er und mit ihm nahezu gleichlautend alle Experten und wirtschaftswissenschaftlichen Institute, die OECD und der IWF, für eine gute Politik halten. Er schreibt:
    Das Pflegen guter Rahmenbedingungen für das Investieren wird zur Daueraufgabe; deshalb bleiben die Unternehmensteuerreform, die Deregulierung von Märkten, die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und die Eindämmung der Staatsquote aktuell.
    Genau das ist der Kern unserer symmetrischen Finanzpolitik: Konsolidierung, Senkung der Staatsquote, Senkung der Defizite, der Steuer- und Abgabenlast, verbunden mit nachhaltigen Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, im Sozialsystem und im Steuersystem. Dazu gibt es keine Alternative; dazu hat vor allen Dingen die Opposition bisher keinen Beitrag erbracht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben dabei schon viel erreicht. Wichtige Schritte bei den Steuern sind getan, beispielsweise die Abschaffung der Substanzsteuern Vermögen-und Gewerbekapitalsteuer. Mit dem Paket für mehr Wachstum und Beschäftigung aus dem Sommer 1996 ist nicht nur die Konsolidierung vorangebracht worden, sondern ein ganzes Bündel an Strukturreformen und Deregulierungen wirksam geworden.
    Trotz des erfreulichen Wirtschaftswachstums ist die Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Steuereinnahmen schlechter verlaufen, als eigentlich bei diesem Wachstum zu erwarten gewesen wäre. Die Ursachen dafür sind in beiden Bereichen überwiegend struktureller Natur. Das bestätigen internationale Untersuchungen. Beispielsweise kommt der IWF zu einer strukturell bedingten Arbeitslosigkeit in Deutschland von immerhin 80 Prozent.
    Auch bei den Steuereinnahmen zeigt die Analyse strukturelle Nachteile des deutschen Steuersystems: hohe Spitzensteuersätze, die die Leistungs- und Investitionsbereitschaft hemmen, und andererseits viele Schlupflöcher, die zur legalen, halblegalen oder manchmal auch illegalen Steuerumgehung, auch über die Grenzen hinweg, förmlich einladen.
    Die Defizite im Budget legen den Finger genau in die Wunde. Die Ursachen sind klar. Jetzt hilft keine Steigerung der Massenkaufkraft. Die Steigerung der Nachfrage ist immer die Folge eines investitionsgestützten Aufschwungs. Die Daten zeigen seit vielen Jahren: Die Nachfrage ist ein Spätindikator. Eine Finanzpolitik, die nicht primär an den Investitionen, sondern allein an der Kaufkraft ansetzt, wäre genau die schlechte Politik, die von den Märkten sofort mit höheren Zinsen und Preisen und weiteren Arbeitsplatzverlusten bestraft würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nachtragshaushalt 1997, Haushalt 1998 und Finanzplan stehen als Gesamtkonzept für eine Haushaltspolitik mit Augenmaß. Die hohen Mehrbelastungen für die Haushalte 1997 und 1998 im Bereich Steuern und Arbeitsmarkt von jeweils über 30 Milliarden DM sind weitgehend aufgefangen.
    Die Nettokreditaufnahme wird begrenzt und schrittweise zurückgeführt.
    Der Bundeshaushalt leistet einen weiteren substantiellen Beitrag zur Reduzierung der Staatsquote und setzt damit weitere Signale für die Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung.
    Die Konsolidierungslinie der letzten Jahre wird fortgesetzt. Seit 1990 konnten wir Ausgabenentlastungen in Höhe von über 120 Milliarden DM durchsetzen. Damit wurden insbesondere die hohen finanzpolitischen Mehrbelastungen der Wiedervereinigung teilweise abgedeckt.
    Die erfolgreiche Privatisierungspolitik wird entschlossen weitergeführt. Die Investitionsschwerpunkte bleiben erhalten.
    Die Eckwerte des Nachtragshaushalts 1997 werden durch Mehrbelastungen auf Grund von Steuermindereinnahmen und Arbeitsmarktmehraufwendungen von zusammen rund 30 Milliarden DM bestimmt.
    Die Gesamtausgaben erhöhen sich um 18,7 Milliarden DM auf 458,6 Milliarden DM.
    Die Einnahmen liegen mit 387,4 Milliarden DM rund 800 Millionen DM über dem bisherigen Soll. Die steuerlichen Einnahmeausfälle in der Größenordnung von 9 Milliarden DM werden durch zusätzliche Privatisierungseinnahmen ausgeglichen.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Die Neuverschuldung steigt um 17,9 Milliarden DM auf 71,2 Milliarden DM und liegt damit um 7,1 Milliarden DM unter der Neuverschuldung von 1996.
    Nach intensiven Beratungen zwischen der Bundesregierung und der Telekom AG ist ein Konzept erarbeitet worden, das sich in die Privatisierungslinie der Bundesregierung einfügt und den Interessen des Unternehmens und seiner Aktionäre Rechnung trägt. Für 1997 ist ein Nettoerlös von 10 Milliarden DM eingeplant, für 1998 von 15 Milliarden DM.
    Als weitere zusätzliche Einnahmen sind im Nachtrag die Veräußerung einer ersten Tranche der Bundesrohölreserve von 400 Millionen DM

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

    und zusätzliche Einnahmen aus Gewährleistungen in Höhe von 1,2 Milliarden DM vorgesehen.
    Darüber hinaus werden auf der Ausgabenseite zusätzliche Einsparungen als globale Minderausgabe in Höhe von 2 Milliarden DM festgeschrieben.
    Meine Damen und Herren, für eine Einschätzung, ob die Ergebnisse der Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres erreicht werden, ist es vier Monate später noch zu früh.
    So verläuft die Erhebung der Umsatzsteuer voll im Trend. Es gibt andererseits Hinweise dafür, daß die bei der Erhebung der Einkommen- und Körperschaftsteuer bekannten strukturellen Probleme - beispielsweise durch Erstattungen für frühere Veranlagungszeiträume - noch fortwirken.
    Wir müssen das Ergebnis der Steuerschätzung abwarten. Spekulationen sind unseriös. Nach dem Vorliegen von belastbaren Zahlen werden wir bis zur zweiten und dritten Lesung Ende November angemessen reagieren. Nur, wer das beklagt und eine Diskussion darüber anfacht, obwohl er vor wenigen Monaten an der Steuerschätzung beteiligt war und deren Ergebnisse mit verantwortet hat, der muß sich sehr schnell für eine Steuerreform entscheiden, damit wir die Einnahmebasis der öffentlichen Haushalte auf eine verläßliche dauerhafte Basis stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nach Art. 115 Abs. 1 des Grundgesetzes ist die über die Investitionen hinausgehende erhöhte Kreditaufnahme verfassungsrechtlich verantwortbar. Eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts liegt vor. Dies ergibt sich aus der weiterhin angespannten Lage am Arbeitsmarkt.
    Es ist dabei gesamtwirtschaftlich und finanzpolitisch vernünftig, kurzfristig weitgehend die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen. Steuererhöhungen oder drastische Ad-hoc-Kürzungen im Bereich der Ausgaben hätten die schwierige Arbeitsmarktsituation noch verschärft.
    An unserem Kurs der mittelfristigen Konsolidierung ändert sich dadurch nichts. Die Überschreitung der Kreditobergrenze des Art. 115 des Grundgesetzes erfolgt nur 1997. Im Haushalt 1998 und im Finanzplan wird die verfassungsrechtliche Regelgrenze für die Neuverschuldung wieder eingehalten.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aha!)

    Die Gesamtausgaben 1998 betragen 461 Milliarden DM. Sie steigen damit gegenüber dem Soll des Nachtragshaushalts nur um 2,5 Milliarden DM oder 0,5 Prozent. Die Nettokreditaufnahme sinkt um 13,4 Milliarden DM auf 57,8 Milliarden DM und liegt damit wieder unter den Investitionsausgaben von 58,3 Milliarden DM.
    Die Mehrbelastungen in den Bereichen Steuern und Arbeitsmarkt in Höhe von deutlich über 30 Milharden DM gegenüber dem alten Finanzplan werden weitgehend ohne zusätzliche Schulden aufgefangen. Die Nettokreditaufnahme liegt nur um 1,6 Milliarden DM über der Nettokreditaufnahme des alten Finanzplans von 56,2 Milliarden DM.
    Alle Ausgaben wurden kritisch auf Einsparpotenhale überprüft. Alle Einzelpläne haben Konsolidierungsbeiträge erbringen müssen, wobei der Schwerpunkt auf den konsumptiven Ausgaben liegt. Als sichtbares Zeichen sinken die Ausgaben in zwölf von 24 Einzelplänen nominal gegenüber 1997. Mehrausgaben beschränken sich im wesentlichen auf die Bereiche Rentenversicherung und Zinsen. Am bestehenden Haushaltsmoratorium wird im gesamten Finanzplanungszeitraum strikt festgehalten.
    Die Einsparanstrengungen ziehen sich durch fast alle Bereiche des Bundeshaushalts. Als Folge des weiteren Personalabbaus und der maßvollen Tarifentwicklung liegen die Personalausgaben 1998 erneut unter dem Niveau des Vorjahres.
    Der Personalbestand der Bundesverwaltung wird im nächsten Jahr durch eine pauschale Stelleneinsparung von 1,5 Prozent weiter zurückgeführt. Die Bundesverwaltung umfaßt 1998 rund 314 000 Stellen. Seit 1992 hat sich der Stellenbestand dank des konsequent betriebenen Personalabbaus um rund 67 000 Stellen vermindert; das sind immerhin 17,6 Prozent. Das bedeutet einen großen Erfolg, den der Staat hier gesetzt hat, um damit seine öffentlichen Ausgaben unter Kontrolle zu halten und zu begrenzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch die Bundesfinanzverwaltung soll weiter gestrafft werden. Schon seit einigen Jahren führen wir in der Zoll- und Bundesvermögensverwaltung die örtlichen Behörden um rund 300 Standorte zurück. Wir haben ein neues Organisationsmodell für den Bundesbereich der Oberfinanzdirektionen vorgelegt. Die Bundesabteilungen werden voraussichtlich auf acht Direktionen konzentriert. Das entspricht etwa der Struktur bei den Landeszentralbanken. Das Modell ist nun in der Abstimmung. Ich bin sicher, wir werden am Ende Steuergelder sparen, die fachliche Qualifikation steigern und die Bundesfinanzverwaltung insgesamt stärken.
    Im Bereich der Haushaltswirtschaft schaffen wir durch neue Steuerungselemente mehr Effizienz und fördern sparsames Wirtschaften. Dazu beraten wir heute in erster Lesung das Haushaltsrechts-Fortent-

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    wicklungsgesetz. Die Eckpunkte sind: Erweiterung der Deckungsfähigkeit, Erweiterung der Übertragbarkeit, Lockerung des Grundsatzes der Gesamtdekkung, um Anreize zur Erzielung von Mehreinnahmen zu schaffen, Verankerung der Kosten- und Leistungsrechnung im Haushaltsgrundsätzegesetz und in der Bundeshaushaltsordnung.
    Mit dem Gesetzentwurf gehen wir den mittleren Weg zwischen notwendiger Flexibilisierung und parlamentarischer Verantwortung und Kontrolle. Der Entwurf des Haushalts 1998 orientiert sich bereits am neuen Recht. Damit ist eine Effizienz- und Flexibilitätsrendite in Höhe von immerhin 350 Millionen DM verbunden.
    Einsparungen gibt es auch bei der Bundesanstalt für Arbeit durch das zum 1. April 1997 in Kraft getretene Arbeitsförderungs-Reformgesetz und durch zusätzliche Konsolidierungsbemühungen. Die Ausgaben für Asylverfahren können wegen der rückläufigen Zahl der Asylanträge erneut vermindert werden.
    Die Ausgaben für die Steinkohle werden 1998 auf 8,7 Milliarden DM und damit um rund 400 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr zurückgehen.
    Bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" wird der Bundesanteil auf 1,7 Milliarden DM begrenzt.
    Der Verkehrsbereich leistet einen Konsolidierungsbeitrag durch Kürzungen bei der Verwaltungsausgabenerstattung des Bundeseisenbahnvermögens. Die Bundesverkehrsinvestitionen sind nicht betroffen.
    Auch der Verteidigungshaushalt wird in begrenztem Umfang zur Konsolidierung herangezogen: Der Plafond 1998 liegt geringfügig unter dem Ansatz des alten Finanzplans.
    Im Rahmen dieses konsolidierten Plafonds wird die Beschaffung des Jagdflugzeugs Eurofighter ermöglicht. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung unserer Streitkräfte und zur Stützung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Luftfahrtindustrie. Auch die Beschäftigten in diesen Betrieben, der Technologiebereich in Deutschland und die Gesamtbevölkerung erwarten, daß ein solches Flugzeug, wenn wir bereits so viel an Entwicklungskosten aufgebracht haben, in Deutschland und in den anderen europäischen Ländern hergestellt wird, um deutsche Arbeitsplätze zu sichern und weiterzuentwickeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Bereich von Wohnungswesen und Städtebau werden die Leistungen an die Länder im Bereich des sozialen Wohnungsbaus durch Rückführung des Verpflichtungsrahmens um 30 Prozent abgesenkt. Andererseits schaffen wir mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Wohnraumförderung die Grundlagen, um die Effizienz und Zielgenauigkeit der Förderung durch eine stärkere Subjektorientierung und eine bessere Nutzung des Wohnungsbestandes zu steigern.
    Neben dauerhaften Einsparungen werden auch zeitlich begrenzt wirkende Maßnahmen zur Konsolidierung herangezogen.
    Wir aktivieren ein Privatisierungspotential von insgesamt rund 19,5 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, der Bund hat mit der Privatisierung bereits Anfang der 80er Jahre mit großem Erfolg begonnen. Er hat sie konsequent fortgesetzt und ist immer wieder von der SPD angegriffen worden. Nun tun die SPD-Länder das gleiche, nachdem sie eingesehen, haben: Dies ist nicht nur für die Etats sinnvoll, sondern auch ordnungspolitisch richtig, weil die Betriebe und die Beschäftigten danach besser dran sind, als wenn sie in staatlicher Obhut blieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Nettotilgungsleistungen für die Schulden des Bundeseisenbahnvermögens in Höhe von 2,8 Milliarden DM in 1998 werden verschoben.
    Der Einsatz dieser Konsolidierungsinstrumente ist finanzpolitisch eine vernünftige Strategie. Wir können damit die aktuellen Zusatzlasten teilweise kompensieren und die Neuverschuldung in tragbaren Grenzen halten.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, ja!)

    Wir schlagen so eine Brücke in die Zukunft, bis sich die positive konjunkturelle Entwicklung, die bereits auf den Weg gebracht ist, und die noch zu verabschiedenden Strukturreformen positiv auf die Haushalte auswirken.
    Trotz der Einsparungen und Ausgabenbegrenzungen setzt der Haushalt 1998 in den wichtigen standort- und zukunftsrelevanten Bereichen Akzente.
    Die Ausgabentransfers für die neuen Länder erreichen mit rund 94 Milliarden DM das hohe Niveau der Vorjahre. Unter Einbeziehung der Mindereinnahmen aus der Neuregelung des Finanzausgleichs liegen die Bruttoleistungen des Bundes bei rund 139 Milliarden DM. Nach Abzug der Steuerrückflüsse betragen die Nettotransfers des Bundes rund 91 Milliarden DM. Dies ist kein Rückgang gegenüber den letzten Jahren.
    Die Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" wird auf hohem Niveau fortgeführt. Seit 1990 konnten mit Zuschüssen im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und der wirtschaftsnahen Infrastruktur Investitionen von über 200 Milliarden DM angeschoben werden.
    Der Baransatz liegt noch leicht über der alten Finanzplanung. Am 31. August 1997 ist dazu mit den neuen Ländern eine Vereinbarung getroffen worden. Danach wird dem Gesetzgeber vorgeschlagen, die Ausgaben in diesem Bereich 1998 um 200 Millionen DM und die Verpflichtungsermächtigungen um 309 Millionen DM zu erhöhen. Hierüber wird das Parlament in den Beratungen zu entscheiden haben.
    Auch in der regionalen Wirtschaftsförderung Ost ist eine schrittweise Anpassung und Konzentration auf Bereiche mit hoher Investitionswirkung notwendig.
    Ein Beispiel für ein schlüssiges Konzept mit einer Konzentration auf vorhandene Schwachstellen bildet

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    die vor der Sommerpause gesetzlich verabschiedete Fortsetzung der steuerlichen Investitionsförderung ab 1999. Das Fördervolumen liegt jährlich zwischen 5,4 und 6,1 Milliarden DM. Wir haben damit sehr rechtzeitig für alle Investoren und alle Beteiligten eine überschaubare Grundlage geschaffen, um damit die wichtige Investitionsförderung in den neuen Bundesländern auch weiter wirksam und zielgerichtet zu unterstützen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Für Bildung und Forschung stehen 1998 fast 15 Milliarden DM bereit. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung steigen immerhin um 130 Millionen DM.
    Auf dem Gebiet der Weltraumforschung und -technik wird durch die Zusammenführung der Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten mit der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt eine wirtschaftlichere Verwendung der knappen Ressourcen angestrebt.
    Der im Bildungsbereich mit der Einführung des Meister-BAföG, der Teilumstellung beim Studenten-BAföG und der Novellierung des Hochschulbauförderungsgesetzes begonnene Kurs der strukturellen Reformen wird mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes konsequent beibehalten.
    Angesichts der weiterhin besonders schwierigen Lage des Lehrstellenmarktes in den neuen Ländern beteiligt sich der Bund zum fünftenmal hintereinander an einer Lehrstelleninitiative Ost. Zur Finanzierung der Bereitstellung von bis zu 15 000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen werden im Zeitraum 1997 bis 2000 rund 200 Millionen DM bereitgestellt. Das sind 50 Prozent der Gesamtkosten.
    Ich möchte gemeinsam mit dem Kollegen Rüttgers und allen anderen Beteiligten nachdrücklich nochmals von hier aus an die Wirtschaft appellieren: Helfen Sie mit, damit auch dieses Jahr jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz erhält.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Bundeshaushalt wird auch 1998 für die Stützung des wirtschaftlichen Wachstums Investitionsimpulse setzen.
    Innerhalb der vorgesehenen 58,3 Milliarden DM nehmen die Verkehrsinvestitionen eine zentrale Stellung ein.
    Für die Schienenwege beträgt das Investitionsvolumen rund 9 Milliarden DM. Die Investitionsmittel aus dem Bundeshaushalt werden durch zusätzliche Eigenmittel der Bahn ergänzt. Die Investitionen für den Bundesfernstraßenbau steigen mit 8,25 Milliarden DM um 127 Millionen DM an.
    Die Sachinvestitionen - das sind im wesentlichen die Hochbau- und Tiefbaumaßnahmen des Bundes - liegen insgesamt bei 13,8 Milliarden DM und damit um rund 0,8 Milliarden DM über dem Vorjahressoll.
    Einen Anstoß für wachstumsstärkende Investitionen bringt auch das Programm zur Verstetigung beschäftigungsfördernder Investitionen mit einem Gesamtrahmen von 25 Milliarden DM. Die neuesten Zahlen der KfW belegen: Dieses Programm wird ein voller Erfolg. Wichtige Programmteile sind bereits ausgeschöpft.
    Der Haushalt des Bundesarbeitsministers ist mit 147 Milliarden DM der mit Abstand größte Einzelplan im Bundeshaushalt.
    Insgesamt gibt der Bund für den Sozialbereich rund 173 Milliarden DM aus. Das sind mittlerweile über 37 Prozent der Gesamtausgaben. 1991 lagen die um das Kindergeld bereinigten Sozialausgaben noch bei rund 117 Milliarden DM. 1998 leistet der Bund also rund 56 Milliarden DM oder fast 50 Prozent mehr für soziale Aufgaben. Das ist der beste Beweis dafür, daß die Bundesrepublik Deutschland ein Sozialstaat ist und sich vor niemandem zu verstecken braucht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit hinterläßt auch im nächsten Jahr deutliche Spuren bei den Etatansätzen für den Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit und die Arbeitslosenhilfe. Allerdings werden die Aufwendungen hierfür mit 39,5 Milliarden DM angesichts der zu erwartenden Trendwende am Arbeitsmarkt unter den Ansätzen des Nachtrags 1997 in Höhe von 43 Milliarden DM veranschlagt.
    Bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist ein Mehrbedarf für den Bundeszuschuß gegenüber der bisherigen Finanzplanung von rund 3,6 Milliarden DM wegen der notwendigen Beitragssatzerhöhung veranschlagt. Der Bundeszuschuß beträgt dann rund 71,5 Milliarden DM. Insgesamt, insbesondere mit den Zuschüssen an die knappschaftliche Rentenversicherung, müssen 1998 insgesamt rund 87 Milliarden DM aufgebracht werden.
    Wir verfolgen eine klare Linie: Sicherung der lohn-und beitragsbezogenen Rente für die Zukunft sowie eine ausgewogene Lastenverteilung zwischen Beitragszahlern und Rentnern in den kommenden Jahren. Mit der Rentenreform werden zugleich deutliche Signale für eine Stabilisierung und Begrenzung der gesetzlichen Lohnzusatzkosten gesetzt. Hierzu soll auch ein höherer Bundeszuschuß beitragen. Zusätzliche Belastungen kann der Bundeshaushalt allerdings nicht tragen. Unverzichtbar ist daher die volle Refinanzierung der zusätzlichen Mittel, über die im Rahmen der beiden großen Reformvorhaben Steuer- und Rentenreform entschieden werden muß. Für einen Rentenkonsens bleiben strukturelle Konsolidierungsmaßnahmen unverzichtbar.
    Die Einnahmenseite ist auch im nächsten Jahr durch einen nur geringen Anstieg der Steuereinnahmen geprägt. Mit 347,5 Milliarden DM liegen die Steuereinnahmen 1998 auf dem Niveau des Jahres 1995, wenn man die Systemumstellung beim Familienleistungsausgleich berücksichtigt. Gegenüber dem Nachtragshaushalt 1997 erhöhen sich die Steuereinnahmen um 11 Milliarden DM oder 3,2 vom Hundert.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Die Konsolidierungslinie des Haushalts 1998 wird im Finanzplan konsequent fortgesetzt. Der Bundeshaushalt leistet zur Rückführung der Staatsquote weiterhin einen maßgeblichen Beitrag. Der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt sinkt 1998 auf gut 12,5 Prozent und liegt damit unter dem Stand von 1989 mit damals 13 Prozent. Dies zeigt, daß kein Zweig der öffentlichen Hand, keine Stelle die Konsolidierung so intensiv betrieben und mit Erfolg vorangebracht hat wie der Bund.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir setzen diese Politik fort.


    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Erfolgreich!)

    Die Steigerung der Ausgaben in den nächsten vier Jahren liegt mit jahresdurchschnittlich gut 1 Prozent wesentlich unter dem erwarteten Anstieg des nominalen Bruttoinlandsprodukts von rund 4 Prozent. Dies ist der einzige Weg, um die Staatsquote wirkungsvoll zu senken. Damit nähern wir uns auch den Vorgaben, die wir im Stabilitätspakt für Europa als mittelfristiges Defizit vereinbart haben.
    Meine Damen und Herren, der direkte Zusammenhang zwischen der Haushaltspolitik und der Steuerpolitik war selten so deutlich wie jetzt. Fehlende Steuereinnahmen tragen ganz erheblich zu der schwierigen Lage der öffentlichen Kassen von Bund und Ländern bei. Es wäre aber vollkommen verkehrt, den Zusammenhang dahin gehend zu deuten, jetzt müsse man aus finanziellen Gründen auf die Reform der Einkommensbesteuerung verzichten. Gerade das Umgekehrte ist zutreffend.

    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.] Zuruf von der SPD: Ein einsamer Klatscher!)

    Nur mit einer durchgreifenden Strukturreform werden wir die Erosion der Steuerbasis stoppen und die Steuereinnahmen auf eine kalkulierbare Grundlage stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Darauf hat auch die Bundesbank in ihrem letzten Bericht richtig und, wie ich meine, überzeugend hingewiesen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie hat auf mehreres hingewiesen!)

    Wir brauchen die Fortsetzung der Reformpolitik. Dabei müssen die Reformschritte 1996 bis 1999 und danach im Gesamtzusammenhang gesehen werden. Es geht um ein geschlossenes Konzept zur Entlastung aller Steuerzahler, zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung, zur Verwirklichung von mehr Steuergerechtigkeit und zur Schließung von Steuerschlupflöchern.
    Bereits beschlossen wurden die Steuerfreistellung des Existenzminimums 1996 mit einem Volumen von 15,5 Milliarden DM, die Verbesserung des Familienleistungsausgleichs 1996 mit einem Volumen von rund 7 Milliarden DM, der Wegfall der Vermögensteuer ab Januar 1997, die Straffung und Konzentration der steuerlichen Förderung in den neuen Bundesländern, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ab Januar 1998 und die Gemeindefinanzreform mit der Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer.
    Jetzt gilt es, dieses Programm kontinuierlich fortzusetzen: mit einer ersten Reformstufe der Einkommensbesteuerung 1998 und mit der Umsetzung der weiteren Petersberger Beschlüsse ab 1999.
    Meine Damen und Herren, die Menschen, die Bürger, haben für die Art und den Inhalt der steuerpolitischen Konfrontation kein Verständnis mehr.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie des Abg. Gerhard Jüttemann [PDS])

    Die Betriebe warten zu Recht auf die Festlegung zuverlässiger steuerlicher Rahmenbedingungen, um endlich Investitionsentscheidungen treffen zu können. Wenn die ausländischen Direktinvestitionen an Deutschland weitgehend vorbeigehen, ist das ein schrilles Alarmsignal.
    Die Sicherung von Wachstum und Beschäftigung duldet keinen Aufschub. Nachdrücklich unterstützt deshalb auch die OECD in ihrem jüngsten Deutschlandbericht das Steuerreformvorhaben von Bundesregierung und Koalitionsfraktionen. Sie schreibt:
    Die Steuerreform ist von vorrangiger Bedeutung für ein höheres Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung.
    Niedrigere Steuersätze bei weniger Ausnahmen lassen Steuervermeidungsstrategien - auch in Richtung Ausland - unattraktiv werden.
    Meine Damen und Herren, ich erinnere an den Hinweis aus Hamburg, daß ein Großteil der Millionäre einer bestimmten norddeutschen Großstadt keine Steuern bezahle. Das paßt aber nicht zu der Polemik, daß eben diese Millionäre durch die von der Koalition beschlossene Steuerreform in unvertretbarer Weise entlastet werden. Bevor Sie mit dem untauglichen Vorschlag einer Mindeststeuer kommen, greifen Sie doch endlich den Vorschlag von uns und allen Sachverständigen auf, die Steuerschlupflöcher zu stopfen und damit dafür zu sorgen, daß die Millionäre in Deutschland wieder die Steuern bezahlen, die wir benötigen, um andere Aufgaben zu erfüllen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das können wir sofort machen!)

    Das Konzept der Bundesregierung ist auch auf der Verteilungsseite ausgewogen. Vertreter der Opposition haben dennoch das Wort „schamlos" benutzt. Die Fakten sind anders. Nur eines ist hier schamlos: die willkürliche Verdrehung von Tatsachen und das abermalige Schüren von Sozialneid durch eben diese Politiker.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Zahlen belegen nämlich ganz klar: Sowohl durch unseren neuen Tarifverlauf als auch durch die

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Schließung der Schlupflöcher wird die Steuerlast zugunsten der kleinen und mittleren Einkommen umgeschichtet. Die großen Einkommen werden belastet. So beträgt der Anteil der oberen 10 Prozent der Steuerzahler an der Einkommensteuer 50,6 Prozent. Ihr Anteil an der Tarifentlastung beträgt 48,7 Prozent.
    Dazu die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht:
    Der Vorwurf, die Verteilungsgerechtigkeit bliebe dabei auf der Strecke, ist bei ökonomischer Betrachtung nicht gerechtfertigt. Zum einen begünstigt das bisherige, in seiner Inzidenz kaum überschaubare System gerade die zur Steuervermeidung besonders Befähigten. Zum anderen verbessert ein gesamtwirtschaftlich effizientes Steuersystem die Allokation der Produktionsfaktoren, schafft Anreize zur wirtschaftlichen Leistung und wirkt damit wachstumsfördernd. Am Ende stehen nicht zuletzt mehr Arbeitsplätze und geringere Arbeitslosigkeit.
    Meine Damen und Herren, fern aller parteipolitischen Auseinandersetzung: Die Argumente dafür sind doch so gravierend - und Sie haben sie in den letzten Jahren selber verwandt, hier und an anderer Stelle -, daß es bei gutem Willen doch möglich sein müßte, auf dieser Basis eine vernünftige Linie, einen Kompromiß und eine endgültige Entscheidung zu finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bundesregierung und Koalitionsfraktionen jedenfalls sind gesprächs- und einigungsbereit.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

    Wir haben für die Stufen 1998 und 1999 ein in sich geschlossenes Konzept zur Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie des Solidaritätszuschlages vorgelegt. Diese Stufenlösung ist auf breite Zustimmung bei Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden gestoßen.
    Zunächst sollten wir über die Stufe 1998 reden. Unser Konzept mit der Senkung der Sätze der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer auf gewerbliche Einkünfte könnte dazu um einen ersten Schritt bei den Spitzensteuersätzen für nichtgewerbliche Einkünfte auf unter 50 Prozent ergänzt werden. Gleichzeitig sollte es schon 1998 einen Schritt beim Eingangssteuersatz geben, um die Anreize zur Arbeitsaufnahme zu stärken. Die bisher vorgesehene Nettoentlastung in 1998 von knapp 1 Milliarde DM könnte auf diesem Niveau gehalten werden, wenn wir Elemente der bereits gemeinsam ermittelten Gegenfinanzierungsliste nutzen. Die Umsetzung des Restpaketes könnte selbst wieder in Stufen - ab 1999 - vorgenommen werden.
    Wenn es so ist, wie Oskar Lafontaine in seinem Brief vom 5. August 1997 schreibt, daß die SPD bereit ist, alles, was gut ist für unser Land, mitzutragen, dann sollte ein Zugehen auf diesen Vorschlag eigentlich eine Formsache sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In diesem Zusammenhang empfehle ich der Opposition noch einmal die Lektüre des Vorschlags des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung; diese steht Ihnen ja schließlich nicht allzu fern. Dieser Bericht ist ein Beispiel für ein offenes und vorurteilsfreies Herangehen an die Steuerfrage.
    Meine Damen und Herren, Steuerpolitik hört nicht vor unserer Haustür auf. Viele Länder haben ihre steuerlichen Wettbewerbsbedingungen in den letzten Jahren deutlich verbessert. Das verstärkt die Erosion der Steuerbasis in Deutschland und zeigt unseren Nachholbedarf um so deutlicher. An einigen Stellen hat aber der an sich für Wettbewerb und Wachstum wichtige Steuerwettbewerb der Standorte Dumpingcharakter angenommen.

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Das ist wohl wahr!)

    Auch innerhalb der Europäischen Union haben immer mehr Mitgliedstaaten steuerliche Sonderregelungen eingeführt. Die Vergünstigungen bestehen meist in extrem niedrigen Steuersätzen oder der Besteuerung nur eines Bruchteils des Gewinns, etwa für sogenannte Koordinierungszentren, Holdinggesellschaften, Kapitalanlage- und Konzernfinanzierungsgesellschaften. Gegen diesen unfairen Steuerwettbewerb werden wir uns wehren. Wir benötigen deshalb möglichst rasch eine internationale Abstimmung, um diesen unfairen Praktiken ein Ende zu setzen.
    Wir gingen und gehen dieses Problem aktiv an. Über Lösungen wird sowohl auf EU-Ebene als auch auf OECD-Ebene beraten. Es wird auch ein wichtiges Thema des am nächsten Wochenende stattfindenden informellen Treffens der EU-Finanzminister in Luxemburg sein. Die maßgebenden Anstöße zu dieser Diskussion hat die Bundesregierung gegeben. Als ersten Schritt streben wir die Vereinbarung eines Verhaltenskodexes zwischen den EU-Ländern an. In einem solchen Kodex müssen sich die Mitgliedstaaten bindend verpflichten, bestimmte Grundregeln der Fairneß in der Steuerpolitik einzuhalten.
    Auch die Europäische Kommission selbst hat Handlungsbedarf. Sie darf das Steuerdumping durch ihre Wettbewerbspolitik nicht legitimieren. Es kann nicht richtig sein, Sondervergünstigungen von Mitgliedstaaten als „noch binnenmarktkonform" abzusegnen, die einen Anreiz für Steuerflucht bieten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auf europäischer Ebene verfolgen wir darüber hinaus weiter unser Ziel der Verbesserung der steuerlichen Erfassung von Zinseinkünften. Eine wachsende Zahl von Mitgliedstaaten hat sich zwischenzeitlich angeschlossen. Auch die Kommission hält die möglichst rasche Einführung einer Gemeinschaftsregelung für unerläßlich.
    Sie wird dazu so bald wie möglich neue Vorschläge vorlegen. Wir werden die' Kommission aktiv unterstützen. Dabei können wir auf die Vorarbeiten zurückgreifen, die unter unserer Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 1994 bereits geleistet wurden.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Meine Damen und Herren, der Nationalökonom Herbert Giersch schrieb am 3. Juli in der „Wirtschaftswoche":
    Für den Weltkapitalmarkt spielt es keine große Rolle mehr, wo sich die Triebkräfte des Wachstums entfalten. Es gibt genug aufstrebende Länder und Märkte, die die Gelegenheit wahrnehmen werden, uns mit kapitalfreundlichen Regelungen den Rang abzulaufen.
    Er schreibt weiter:
    Zwei Gruppen unserer Bevölkerung werden mittelfristig am meisten leiden, wenn der Kurzfrist-Populismus die Oberhand behält. Die einen sind die Arbeitslosen, für die die Kapitalknappheit sich als Arbeitsplatzmangel darstellt, ohne daß sich für sie am Horizont ein Silberstreifen zeigt. Die anderen Benachteiligten sind die Rentner von morgen, die an den Generationenvertrag gebunden bleiben.
    Das sind eindringliche Worte, die wir ernst nehmen sollten. Die Globalisierung schreitet unaufhaltsam fort. Wir müssen die finanzpolitischen Hausaufgaben machen, unsere Institutionen und unsere Politik auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausrichten.
    Die Unternehmen in Deutschland sind nicht das Problem. Sie haben ihre Politik schon in den letzten Jahren auf die neue Zeit eingestellt. Die Betriebe wurden verschlankt, modernisiert und internationalisiert. Deutsche Unternehmen können sich heute weltweit am Markt behaupten. Die Exportzahlen oder der boomende deutsche Aktienmarkt sprechen für sich.
    Die Frage ist, ob diese positive Ausgangslage deutscher Unternehmen auch der deutschen Volkswirtschaft zugute kommt. Die Frage ist, wo die deutsche, aber auch die ausländische Wirtschaft investiert, wohin Know-how und Kapital fließen, wo letztlich Arbeitsplätze geschaffen werden. An dieser Frage entscheidet sich die Zukunft unseres Arbeitsmarktes ebenso wie die unseres Sozialsystems. Die Lebensperspektive jedes einzelnen, aber auch das Vertrauen in Staat und Politik hängen davon ab. Letztlich geht es hier auch um die Zukunft von Demokratie und Freiheit.
    Das Ende dieses Jahrhunderts ist für uns Deutsche bewegend und faszinierend zugleich. Das letzte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts - davon bin ich überzeugt - wird trotz aller Herausforderungen als das beste Jahrzehnt in die Geschichte dieses Jahrhunderts eingehen. Wir werden die Probleme des nächsten Jahrzehnts nur lösen, wenn wir daran nicht mit Angst und Defensive, sondern mit Aufbruchstimmung und mit einer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Offensive herangehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dieses Jahrzehnt hat Perspektiven eröffnet, von denen die Generationen von 1918 und 1945 nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Deutschland ist wiedervereinigt. Wir sind heute Motor der Neuordnung Europas und haben erstmals in diesem Jahrhundert zu all unseren Nachbarn freundschaftliche Beziehungen. Wir sind unserem Ziel, einer Welt in Frieden und Freiheit und der Bewahrung der Schöpfung, ein großes Stück nähergerückt.
    Nun gilt es, im Zeichen der neuen Zeit das in den letzten zehn Jahren Erarbeitete mit Mut und Augenmaß voranzutreiben. Dies ist die Aufgabe unserer Generation. Dazu leistet die Finanzpolitik dieser Regierung und dieser Koalition einen entscheidenden Beitrag.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich eröffne die Aussprache.
Als erste Rednerin in der Aussprache rufe ich die Kollegin Ingrid Matthäus-Maier auf.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, jetzt die eine Stunde zugehört hat, dann war als Hauptbotschaft erkennbar: Eigentlich ist in diesem Land alles in Ordnung. Dann fragen wir uns nur: Warum haben Sie eigentlich keine Lust mehr, Herr Bundesfinanzminister?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS Michael Glos [CDU/CSU]: Sie machen selbst beim Zuhören Fehler, Frau Matthäus-Maier!)

    Sie wissen, daß etwas nicht in Ordnung ist. Allein Ihr Nachtragshaushalt für dieses Jahr 1997 zeigt Ihr Dilemma auf; denn wieder zeigen sich die berüchtigten Haushaltslöcher des Theo Waigel: über 18 Milliarden DM. Wie stopfen Sie diese Haushaltslöcher? - So, wie Sie das immer tun: durch neue Schulden in Höhe von 18 Milliarden DM, die zu den 53 Milliarden DM Schulden kommen, die Sie schon vorher hatten.
    Dann sagen Leute aus Ihren Reihen, zum Beispiel der Herr Rauen: Im November könnte es sein, daß sogar 20 Milliarden DM fehlen. Das wären dann beim Bund 10 Milliarden DM. - Nein, nein, meint ein anderer; es sind wohl insgesamt nur 10 Milliarden DM. Ich lese in der Zeitung, daß Sie erklärt haben sollen, das wäre gar nicht so schlimm; denn 3 Milliarden DM hätten Sie ja noch versteckt.
    Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Ein Hühnerhaufen ist im Vergleich zu dem Durcheinander, das Sie hier produzieren, ein Ort der Ruhe.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Dieser Tage sagte mir der Eigentümer eines mittleren Unternehmens: Statt eines Punktes mehr oder weniger beim Spitzensteuersatz ist für die Wirtschaft viel wichtiger, daß endlich Berechenbarkeit in die

    Ingrid Matthäus-Maier
    Finanzpolitik dieser Bundesregierung einkehrt. Daran fehlt es eben.

    (Beifall bei der SPD)

    Es gab einmal einen Werbespruch, der hieß: Dieser Name steht für Qualität. Der Name Waigel steht für Schönfärberei, Haushaltslöcher, Staatsschulden, Steuerchaos und zuletzt Aktion Goldfinger bei der Bundesbank.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen titelt heute die „Leipziger Volkszeitung" so treffend: „Waigels Wursteln löst bei der Wirtschaft helles Entsetzen aus". Oder die „Zeit" schreibt: „Waigel hinterläßt eine derart verheerende Bilanz wie keiner seiner Vorgänger, gleich welcher Partei" . Eine solche Finanzpolitik hat Deutschland nicht verdient. Deswegen muß das ein Ende haben!

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Das spürt auch Theo Waigel selber. Deswegen hat er gesagt, er habe keine Lust mehr und könne sich auch etwas anderes vorstellen, etwas Besseres: Außenminister oder Bundespräsident. Hören Sie, das ist eine merkwürdige Logik. Sie reden immer vom Leistungsprinzip. Seit wann begründet denn das Versagen in einem Ministeramt den Leistungsnachweis für ein anderes, besseres Amt?

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Viele von uns kennen den Film „Dr. Kimble auf der Flucht". Das Sommertheater in diesem Jahr hieß aber: Theo auf der Flucht, genaugenommen: Theo auf der Flucht vor der Verantwortung.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Denn erst die Karre in den Dreck fahren und sich dann nach einem höheren Amt aus dem Staube machen, das gehört sich nicht. Das wissen auch Sie, meine Damen und Herren von der Koalition.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Nun ist Herr Waigel sicher nicht allein für das Durcheinander verantwortlich. Das ist zum Beispiel auch die F.D.P. mit ihren andauernden unfinanzierbaren Steuersenkungsversprechen. Das ist ebenfalls der Bundeskanzler; denn wenn nicht der Bundeskanzler im Jahre 1990 immer wieder erklärt hätte, es gebe für die deutsche Einheit keine Steuererhöhungen, hätte Theo Waigel diesen Unsinn gar nicht vertreten können. Das Versagen dieses Finanzministers ist zugleich das Versagen dieses Bundeskanzlers.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Das weiß er auch; denn er liest die Kommentare in den Zeitungen über seine Politik und sein Kabinett. Nur ein paar Auszüge: „Verschleiß überall", „Konkursverschlepper", „Lachkabinett", „Letztes Aufgebot", „Bonner Chaos-Combo" , „Abbruchfirma Kohl und Co.".
    Das ist nicht von der SPD, das sind alles Zitate aus Zeitungen. Da können Sie im Kloster Andechs dreimal beschließen, feste zusammenzustehen. Es ist offensichtlich: Die Union taumelt hin und her. Mit Kohl und Waigel gibt es nun einmal keinen Neuanfang in diesem Lande.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Deswegen wissen Sie, daß Neuwahlen eigentlich die richtige Lösung gewesen wären.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Aber wir wissen, daß Sie versuchen werden, sich durchzumogeln und alles auszusitzen, und daß Sie Waigel nicht entlassen können. Wie schrieb das „Handelsblatt" so klar:
    Dieser Finanzminister wäre von einem Bundeskanzler mit einer breiten parlamentarischen Mehrheit allerdings längst in die Wüste geschickt worden. Der amtierende Kanzler
    - der amtierende! -
    mit seiner hauchdünnen Mehrheit kann es sich aber nicht leisten, den Vorsitzenden der Unions-Schwesterpartei auszuwechseln.
    Dies mag ja aus Gründen des Machterhalts aus der Sicht des Bundeskanzlers so sein. Aber mit uns sagen viele: Es ist doch nicht länger hinnehmbar, daß ein Finanzminister Narrenfreiheit hat, nur weil er CSU-Vorsitzender ist.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Den Nachtragshaushalt 1997, Herr Waigel, haben Sie nicht freiwillig vorgelegt. Das ganze erste Halbjahr haben Sie sich gewehrt, dem Antrag meiner Freunde aus dem Haushaltsausschuß,

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Was, Sie haben Freunde? Das gibt es ja gar nicht!)

    einen Nachtrag vorzulegen und endlich zu erklären, daß die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eingetreten ist, zu entsprechen, noch zuletzt am 26. Juni.
    Schließlich haben aber zwei Dinge Sie doch dazu gezwungen. Grund Nummer eins ist die Tatsache, daß Ihnen im laufenden Jahr das Geld ausgeht. Sie stehen unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Grund Nummer zwei ist die Verfassungsklage der SPD gegen Ihren Haushalt 1996 und die Drohung, daß wir eine ebensolche Klage gegen Ihren Haushalt 1997 einreichen würden. Denn Ihr Haushalt 1996 verstößt gegen die Verfassung. Nach Art. 115 des Grundgesetzes darf die Höhe der Neuverschuldung die Höhe der Investitionen nicht überschreiten. Es gibt eine Ausnahmeregelung: Es ist zulässig „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts".

    Ingrid Matthäus-Maier
    Sie hatten also zwei Möglichkeiten: entweder die Verschuldung unter die Investitionssumme zu drükken, oder aber die Störung des Gleichgewichtes festzustellen. Das eine konnten Sie nicht. Die Nettokreditaufnahme war mit 78 Milliarden DM sehr viel höher als die Investitionssumme. Das andere wollten Sie nicht; denn die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes festzustellen, das fürchteten Sie nach Ihrem Aufschwunggerede wie der Teufel das Weihwasser. Deswegen war Ihr Haushalt 1996 eindeutig verfassungswidrig.
    Sie sagen, nein, nein, das hätten Sie bei der Aufstellung nicht gewußt; auf dem Papier sei es in Ordnung gewesen. Das ist richtig. Das ist leider Ihre Politik: Auf dem Papier ist bei Ihnen immer alles in Ordnung, nur nicht in der Wirklichkeit.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Denken Sie an den berühmten Waigel-Wisch. Sie haben auf einer DIN-A4-Seite über Nacht 20 Milliarden DM herbeigeschafft, die natürlich nie Wirklichkeit wurden. Mondzahlen jeden Tag!
    Da hat Otto Graf Lambsdorff recht, der gesagt hat: Das ist unsere Aufforderung an Herrn Waigel und an das Finanzministerium, Haushaltsentwürfe vorzulegen, bei denen man nicht schon bei der Vorlage weiß oder ahnt: Das kann nicht stimmen. •

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Seltsam ist nur, daß Graf Lambsdorff zwar immer mit dabei, aber nie mit verantwortlich war. Aber dies haken wir unter F.D.P. ab.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das war nur ein Zitat!)

    Wir haben Ihnen die Zahlen immer vorhergesagt. Herr Waigel, eines möchte ich Ihnen auch ganz persönlich sagen: Wenn ich mir Sie so anschaue, eingeklemmt zwischen einer F.D.P., die dauernd unfinanzierbare Steuersenkungsversprechungen macht, um ihre Klientel zu bedienen, und einer CSU, die Sie beim Euro in die Mangel nimmt, tun Sie mir - das will ich nicht verhehlen - manchmal leid.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Um die CSU brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen!)

    Sie wissen, daß ich es Ihnen hoch anrechne und es als Pluspunkt in Ihrer Politik ansehe, daß Sie trotz Gauweiler und Stoiber im Nacken so für die Europäische Währungsunion eintreten.
    Aber ich denke umgekehrt auch daran, wie Sie hier immer wieder gegen die Opposition herumgeholzt haben: „Kassandra" und „Horrorzahlen" waren das Minimum. Die Wirklichkeit Ihrer Zahlen war immer ein viel schlimmerer Horror als unsere vorhergesagten Zahlen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Wenn ich daran denke, mit welcher Eiseskälte Sie im Spätsommer 1990 den damaligen SPD-Finanzminister Walter Romberg aus dem Kabinett de Maizière geekelt haben, nur weil er es gewagt hat, zu sagen, die deutsche Einheit wird doch etwas teurer, hält sich mein Mitgefühl mit Ihnen allerdings in Grenzen. Denn in Deutschland ist niemand gezwungen, Finanzminister zu sein.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    1997 haben Sie jetzt endlich, weil Sie die Schulden beim besten Willen nicht in den Griff bekommen, eingestehen müssen, daß das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist.
    Herr Bundeskanzler, was für ein Canossagang für Sie, welch ein Debakel für Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik: dauerndes Gerede, alles sei in Ordnung, und dann Schuldenrekord, Abgabenrekord, Pleitenrekord, Arbeitslosenrekord! Dieses Land braucht endlich eine Aufbruchstimmung. Daß Sie dazu nicht mehr in der Lage sind, wissen wir alle genau.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wer nun meint, Sie würden angesichts der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bei über 4,3 Millionen Arbeitslosen in Ihren Haushalten die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Mittelpunkt stellen, der sieht sich getäuscht. Ihre Haushalte sind durch vier Merkmale gekennzeichnet: erstens die Explosion der Schulden trotz Bilanzkosmetik, zweitens die Ausplünderung des Bundesvermögens, drittens die dramatische Lastenverschiebung in die Zukunft und viertens die Kapitulation vor der Arbeitslosigkeit.
    Merkmal Nummer eins sind die Schulden; das ist offensichtlich. In nur drei Jahren -1996, 1997 und 1998 - erhöhen Sie allein den Schuldenberg des Bundes um zusätzliche neue Schulden in Höhe von 200 Milliarden DM, und alle in der Regierung machen das mit. Dazu gehört auch die F.D.P., die in ihrem letzten Grundsatzprogramm sogar beschlossen hat, die Neuverschuldung solle per Grundgesetz verboten werden. Aber dies kennen wir von der F.D.P. In Bonn gilt der Spruch: Mit flotten Sprüchen schnell zur Stelle ist der Guido Westerwelle. Nur: Wenn es konkret wird, sind Sie nicht da, meine Damen und Herren von der F.D.P.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Diese eine Billion DM an Schulden, die Sie seit dem Sturz von Helmut Schmidt allein beim Bund oben draufgepackt haben, haben Sie gebraucht, obwohl Sie in der gleichen Zeit sage und schreibe 158 Milliarden DM an Bundesbankgewinnen einkassiert haben. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Sie hier gesagt haben, nie und nimmer würden Sie Bundesbankgewinne einkassieren.
    Ich erinnere nur daran: Die sozialliberale Koalition hatte in 13 Jahren 13 Milliarden DM kassiert, Sie dagegen haben in 15 Jahren 158 Milliarden DM nach dem Motto kassiert „Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern" .

    (Beifall bei der SPD)


    Ingrid Matthäus-Maier
    Das volle Ausmaß Ihrer dramatischen Verschuldenspolitik zeigt sich nicht an der sogenannten Nettoneuverschuldung oder Nettokreditaufnahme, sondern an der sogenannten Bruttokreditaufnahme. Die haben Sie in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung aufgeschrieben. Das ist nun Haushaltschinesisch, aber man muß es verstehen, um zu sehen, welches Schuldenrad diese Regierung dreht.
    Da steht für 1997: Bruttokreditaufnahme 257 Milharden DM, Anschlußfinanzierung 186 Milliarden DM, Neuverschuldung 71 Milliarden DM. Was heißt das auf deutsch? Waigel nimmt allein 1997 257 Milliarden DM Schulden auf und benutzt davon 186 Milliarden DM, um frühere Schulden zu bezahlen. Dann braucht er noch 71 Milliarden DM, weil er mit seinen Haushaltslöchern nicht zurechtkommt.
    Meine Damen und Herren, das Risiko bei dieser enormen Schuldenaufnahme, wenn die Bundesbank einmal wieder die Zinsen erhöhen sollte, ist dramatisch. Wenn die Bundesbank die Zinsen nur um einen Prozentpunkt erhöhen sollte, bedeutete das schon im nächsten Jahr eine zusätzliche Zinsbelastung des Bundes - nur Zinsen! - von etwa 2,4 Milliarden DM. Zum Vergleich: Der Umwelthaushalt beträgt 1,2 Milliarden DM. Mit einem Rutsch wäre zweimal der Umwelthaushalt futsch, nur durch Zinsen auf Ihre Schulden.
    Ich sage Ihnen: Diese Zinsfalle ist verheerend. Wer das Land so in eine Schulden- und Zinsfalle treibt, der verspielt die Zukunft unserer Kinder.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Zweites Merkmal Ihrer Haushalte: Ausplünderung des Bundesvermögens. Der Griff in die Goldreserven der Bundesbank wurde Gott sei Dank gerade noch einmal abgewehrt. Privatisierung in einer sinnvollen Größenordnung ist durchaus etwas, worüber man reden kann. Aber nachdem Sie in den vorherigen 15 Jahren in Höhe von 27 Milliarden DM privatisiert haben, privatisieren Sie jetzt in zwei Jahren Bundesvermögen in Höhe von 40 Milliarden DM.
    Außerdem muß man sich einmal anschauen, was bei dieser Privatisierung denn passiert. Da ist zum Beispiel die Telekom: Die restliche Telekom, so hatten Sie bei deren Börsengang versprochen, würden Sie in den nächsten Jahren nicht verkaufen; das dürften Sie überhaupt nicht.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Posträuber!)

    Jetzt brauchen Sie aber dringend das Geld. Sie wollen ja in zwei Jahren allein 25 Milliarden DM von der Telekom bekommen. Was machen Sie? Sie parken - das ist etwas ganz Neues - die Telekomanteile des Bundes bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die nun wiederum eine öffentliche Bank ist. Die Kreditanstalt überweist Ihnen dann die 25 Milliarden DM. Aber die Kreditanstalt hat die 25 Milliarden DM nicht, die muß sie als Schulden aufnehmen. Deswegen ist das, was Sie hier vornehmen, eine indirekte,
    eine getarnte Schuldenaufnahme des Bundes. Das werden wir Ihnen auch nachweisen.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Damit nicht genug der Notverkäufe. Sie erwähnten es selber: Nicht einmal die Bundesrohölreserve ist vor Ihnen sicher. Wie sehr müssen Sie haushaltspolitisch am Ende sein, wenn Sie sogar diese, von der sozialliberalen Koalition aufgebaute, Zukunftsvorsorge verscherbeln, nur um Ihre Haushaltslöcher zu stopfen!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Drittes Merkmal Ihrer Haushalte: Sie verschieben Lasten in die Zukunft, nach dem Motto „Nach uns die Sintflut! ". Beispiel Nummer 1: Wegen der gigantischen Verschuldung sitzen wir in der Zinsfalle. Allein 25 Prozent der gesamten Steuereinnahmen des Bundes gehen in Zinsen; man nennt das Zinssteuerquote. Das hat nicht nur zur Folge, daß die öffentlichen Haushalte immer weiter stranguliert werden, weil diese 25 Prozent natürlich zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, für mehr Bildungsausgaben und anderes fehlen. Vielmehr ist das auch eine dramatische Umverteilung von unten nach oben; denn es sind ja nicht in erster Linie die Verdiener der kleinen Einkommen, die dem Staat das Geld leihen, sondern die der großen und größten Einkommen sowie die gewerblichen Anleger. Deswegen sage ich Ihnen: Die Umverteilung, die Sie allein über Ihre Schulden betreiben, ist fast so schlimm wie die Abschaffung der privaten Vermögensteuer.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Beispiel Nummer 2 für die Lastenverschiebungen: der Telekom-Verkauf. Da die Erlöse aus dem Telekom-Verkauf für die Erfüllung der gesetzlichen Pensionsverpflichtungen des Bundes gegenüber den Postbediensteten vorgesehen waren, werden sich schon in wenigen Jahren weitere dicke Löcher im Bundeshaushalt auftun. Denn § 16 des Postpersonalrechtsgesetzes schreibt nun einmal vor,

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Vorlesen!)

    daß der Bund die Zahlungsfähigkeit der Postpensionskassen gewährleistet. Wenn aber dann die Erlöse aus dem Telekom-Verkauf schon verfrühstückt sind, meine Damen und Herren, dann rollen diese Lasten in Zukunft auf den Bundeshaushalt zu.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Was ist eigentlich, wenn die Welt untergeht?)

    Beispiel Nummer 3: Der Bund setzt gesetzlich zugesagte Tilgungszahlungen an das Bundeseisenbahnvermögen in Höhe von fast 8 Milliarden DM in den Jahren 1998, 1999 und 2000 aus. Auch das klingt schon wieder so haushaltstechnisch, meine Damen

    Ingrid Matthäus-Maier
    und Herren. Ich werde Ihnen einmal beschreiben, was das heißt.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Wenn Sie es wissen!)

    Der Bund verhält sich so wie jemand, der zur Schuldnerberatung gehen muß. Er müßte eigentlich beim Bundeseisenbahnvermögen 1998, 1999 und 2000 fast 8 Milliarden DM Schulden tilgen. Jetzt kann er aber nicht. Wie ist das bei einer ordentlichen Schuldnerberatung? Sie ruft dann die Gläubiger an und sagt: Hören Sie mal, kann ich mit Ihnen vereinbaren, daß der Schuldner Aufschub bekommt? Genauso haben Sie es gemacht. Sie müssen sogar ein Gesetz ändern, um die Tilgung dieser Schulden auszusetzen. Daß Waigel zu einer Aktion greift, die man bisher nur von Ländern, die kurz vor dem Staatsbankrott standen, kennt, zeigt, wie sehr Ihnen das Wasser bis zum Halse steht.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Beispiel Nummer 4 für die Lastenverschiebungen in die Zukunft - Sie sprachen es selber an -: der Eurofighter. Ich sage lieber: Jäger 90. Warum? 1992 war es Verteidigungsminister Rühe, der gesagt hat, der Jäger 90 sei tot; er werde ein neues Flugzeug entwikkeln, das heiße dann Eurofighter; es werde pro Stück höchstens 90 Millionen DM kosten. Nun haben wir den Eurofighter wieder auf dem Tisch. Er soll pro Stück 125 Millionen DM kosten;

    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Was sagt Gerhard Schröder denn dazu?)

    ein einziges Flugzeug soll 125 Millionen DM kosten.

    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Was sagt Gerhard Schröder?)

    In Ihrem Haushaltsentwurf stehen für die Beschaffung allein im nächsten Jahr 847 Millionen DM.

    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Schröder will ihn!)

    Das verschleiert aber die eigentliche Belastung; denn über die gesamte Laufzeit wird dieses Flugzeug mit Bewaffnung und unter Berücksichtigung von Kostensteigerungen 25 Milliarden DM kosten.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Falsch gerechnet!)

    Da fragen wir Sie, Herr Finanzminister: Warum steht denn diese Folgebelastung nicht in Ihrem Haushalt? Es ist das einzige Beschaffungsvorhaben, bei dem Sie nicht für die Folgejahre die Zahlen ausweisen. Warum? - Weil es Ihnen wohl unangenehm ist, die unzähligen Milliarden für dieses neue Jagdflugzeug auszuweisen. Das ist übrigens ja wohl auch der Grund dafür, daß Sie bis heute weder im Kabinett noch im Deutschen Bundestag eine Beschaffungsvorlage vorgelegt haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

    Sie wissen, wir haben dieses Geld nicht. Übrigens hat nicht nur der Bundeshaushalt das Geld nicht, sondern auch die Bundeswehr nicht. Wie schreibt das „Handelsblatt" so schön: „Der Eurofighter läßt Heer und Marine zittern. " Das ist doch klar; denn wenn man dieses Beschaffungsvorhaben auf die Schiene schiebt, dann ist für die anderen Teilstreitkräfte praktisch kein Geld mehr da. Wir können es uns einfach nicht leisten, mit einem neuen, glänzenden Jagdflugzeug herumzufliegen, während das Heer auf abgefahrenen Reifen daherfährt.

    (Beifall bei der SPD Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Was sagt denn Schröder dazu? Schröder will den Eurofighter! Spöri war auch dafür!)

    Das fünfte Beispiel für Lastenverschiebungen: die private Vorfinanzierung öffentlicher Bauvorhaben. Ich gebe gerne zu, diese private Vorfinanzierung greift nicht nur beim Bund um sich; wir finden sie vielmehr auch bei Ländern und Gemeinden. Ich halte sie für sehr gefährlich; denn sie verschleiert, daß unsere eigene Zùkunft, aber gerade auch die unserer Kinder durch enorme Vorbelastungen zugeschoben wird. In Ihrer mittelfristigen Finanzplanung haben Sie dafür Beispiele. So soll zum Beispiel das Schienenprojekt Nürnberg-Ingolstadt-München an Baukosten etwa 3,5 Milliarden DM kosten. Aber wir zahlen dafür 9,1 Milliarden DM, weil wir es ja später mit Zins und Zinseszins zurückkaufen müssen. Die Zahlung beginnt erst ab dem Jahr 2002, so daß man das Gefühl hat, es sei alles paletti; in späteren Jahren kommen dann aber die enormen Belastungen auf uns zu.
    Nein, meine Damen und Herren, jede dieser Verschiebungen in die Zukunft ist schon für sich alleine genommen fragwürdig. In der Summe sind aber die zukünftigen Haushalte in geradezu erschreckendem Ausmaße vorbelastet,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    denn später wird das Geld fehlen, um auf die neuen Herausforderungen zu reagieren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Viertes Merkmal: die Kapitulation vor der Arbeitslosigkeit. Das Ziel, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 zu halbieren, hat die Regierung Kohl längst aufgegeben. Schaut man in ihre Finanzplanung, stellt man fest, daß sie noch für das Jahr 2001 von 3,7 Millionen Arbeitslosen ausgeht. Es ist doch wirklich unglaubwürdig, wenn Sie hier immer etwas anderes erzählen. Obwohl wir im Moment 4,37 Millionen Arbeitslose haben, stellte der famose Herr Rexrodt vorige Woche fest, das 50-Punkte-Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung sei weitgehend verwirklicht. Da fragen wir uns alle, wo denn die vielen Arbeitslosen herkommen, wenn Sie alles verwirklicht haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Im übrigen zeigt sich am Namen des Programms
    „Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung"

    Ingrid Matthäus-Maier
    etwas, was mir bei Ihnen dauernd auffällt: In der Semantik, im Schöpfen von angenehmen Wörtern sind Sie wirklich Weltmeister. Was verbirgt sich aber hinter diesem schön klingenden Programm? - Kürzung der Lohnfortzahlung, Verlängerung der Lebensarbeitszeit für ältere Frauen, Einschränkung des Kündigungsschutzes.
    Ein anderes Beispiel, mit dem wir im letzten Jahr ehrlich gesagt zu kämpfen hatten: Sie haben immer von einem Sparpaket gesprochen, aber in dem Sparpaket stand ein Steuerausfall von 9 Milliarden DM durch den Wegfall der Vermögensteuer. Da frage ich mich, was das denn mit Sparen zu tun hat. Das mußten wir erst aufbrechen.
    Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich von Herrn Seehofer, das mir besonders auffiel: Hinter einer wunderbar klingenden Überschrift stand knochenharter Sozialabbau. Er sagte nämlich - und das ist geltendes Recht -: Jugendliche unter 18 Jahren erhalten ab 1. Januar 1997 keinen Zahnersatz mehr finanziert, denn sie können sich ja die Zähne putzen. Klingt eigentlich mit der Einschränkung „bis 18 Jahre" ganz gut. Dabei bleibt den meisten Menschen verborgen, daß ab dem 1. Januar 1997 gilt: Alle nach 1978 Geborenen bekommen nie mehr im Leben Zahnersatz, ob sie einmal 38 oder 64 Jahre alt sind. Da irgendwann alle Menschen nach 1978 geboren sind, bekommt irgendwann überhaupt niemand mehr in diesem Lande Zahnersatz. Das verstecken Sie hinter der harmlos klingenden Überschrift „kein Zahnersatz für junge Leute unter 18 Jahren". Wenn Sie schon so etwas machen, klären Sie die Bevölkerung über die Wirklichkeit und das, was Sie dahinter verstecken, auf!

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Nachdem Sie also mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht zurechtkommen und keine Erfolge vorweisen können, sagen Sie: Jetzt wird es die Steuerreform richten. Sie tun so, als sei sie der Schlüssel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Meine Damen und Herren, wir sind für eine große Steuer- und Abgabenreform. Aber wir warnen Sie davor, die Illusion zu erwecken, als würden damit die Probleme dieses Landes gelöst. Sie arbeiten immer mit solchen Illusionen, die sich nachher als Flop erweisen. Ich darf Sie daran erinnern, daß Sie uns gesagt haben, wenn wir das sogenannte Dienstmädchenprivileg, den Hausgehilfinnenfreibetrag, verbesserten, bringe das Hunderttausende von Arbeitsplätzen. Letzte Woche hat die Bundesanstalt für Arbeit von einigen wenigen hundert gesprochen.
    Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wir brauchen diese Steuer- und Abgabenreform, aber hüten Sie sich davor, nur weil Sie auf dem übrigen Feld der Beschäftigungspolitik nichts zustande bringen, die Hoffnungen der Menschen so hochzujubeln, daß sie meinen, die Steuer- und Abgabenreform würde alle Probleme lösen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Sie haben heute, Herr Finanzminister, das Wort Blockade vermieden, wie ich in Ihrer Rede bemerkt habe.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Immerhin!)

    - Was hilft das denn? Hier macht man auf vornehm, aber im Lande rennt man herum und sagt knochenhart: Die SPD blockiert! Ich möchte Ihnen einmal die neuesten Zahlen aus dem Vermittlungsausschuß nennen. In der 13. Legislaturperiode wurden bisher 282 Gesetzesbeschlüsse des Bundestages im Bundesrat beraten. 143 Gesetzesbeschlüssen wurde die Zustimmung erteilt, zu 89 Einspruchsgesetzen wurde der Vermittlungsausschuß nicht angerufen. Das heißt: Glatt durch den Bundesrat gingen rund 82 Prozent aller Gesetze. In 49 Fällen wurde der Vermittlungsausschuß angerufen, übrigens dabei in 35 Fällen mit den Stimmen der CDU/CSU-regierten Länder. - Daß die auch immer so blockieren, Herr Waigel, muß nun bald ein Ende haben. - Nach den Vermittlungsverfahren blieben nur noch rund 8 Prozent der Gesetzesinitiativen übrig, bei denen der Vermittlungsausschuß gesagt hat: Das wollen wir so nicht.
    Daß wir uns dauernd einigen können, sehen Sie zum Beispiel an der steuerlichen Ostförderung. Wir haben die Ostförderung Anfang Juni einvernehmlich hier im Deutschen Bundestag beschlossen. Allerdings will ich gerne hinzufügen: Daß die Bundesregierung diese Einigung benutzt hat, um das erfolgreiche Instrument der Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftsförderung-Ost umgehend zu kürzen, das hatten wir nicht erwartet und ist unvernünftig.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir haben die Gewerbekapitalsteuer in diesen Tagen gemeinsam abgeschafft. Wir haben gemeinsam eine Reform der Hochschulen im Hochschulrahmengesetz auf den Weg gebracht. Wir haben gemeinsam ein Gesetz gegen die organisierte Kriminalität auf die Schiene gesetzt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Viel zu spät!)

    Wir haben zum Beispiel parteiübergreifend eine Kampagne zur Förderung des Absatzes ostdeutscher Produkte gemacht, was ich ausdrücklich begrüße. Aber, Herr Bundeskanzler, daß Sie praktisch in der gleichen Woche den Titel „Förderung des Absatzes ostdeutscher Produkte" in Ihrem Haushalt von 30 Millionen DM auf 20 Millionen DM herunterfahren, finden wir nicht in Ordnung. Das ist widersprüchlich, das können wir nicht verstehen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Und von wegen, wir würden alles nicht so machen, wie Sie es wollen: Für die Rentenreform, die Sie sich vorstellen, brauchen Sie uns überhaupt nicht. Machen Sie sie doch! Dazu brauchen Sie den Bundesrat nicht. Sie wissen doch ganz genau, warum Sie sie 1998 nicht machen wollen: weil dann der Renter

    Ingrid Matthäus-Maier
    merkt, daß er 1998 eine Nullrunde hat. Da ziehen Sie uns nicht mit ins Boot.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    „Die Zeit" hat vor etwa zwei Wochen sehr schön geschrieben: „Unterm Strich ist der Vermittlungsausschuß eher 01 als Sand im Bonner Getriebe. " - Deswegen können Sie sicher sein: Wir wollen eine große Steuer- und Abgabenreform. Warum wollen wir aber nicht Ihre? - Weil sie zu 45 Milliarden DM Steuerausfall führt.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wieviel?) -45 Milliarden DM.


    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Unglaublich!)

    - Das steht im Gesetzentwurf der Bundesregierung. Ich muß mich im Vermittlungsausschuß wie meine Kollegen mit einem Papier beschäftigen, in dem steht: 45 Milliarden DM Steuerausfall. Das ist doch lächerlich, meine Damen und Herren! Das wären allein beim Bund über 20 Milliarden DM und bei den Gemeinden nach Schätzungen zwischen 4 und 8 Milliarden DM.
    Wir lesen in der Zeitung gerade vom Pleitenrekord. Einer der Gründe dafür ist, daß die öffentlichen Auftraggeber den Handwerkern nicht schnell genug ihre Rechnungen bezahlen. Und da wollen Sie die Gemeinden noch weiter ausbluten lassen. Nein!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Im übrigen ist Ihre Steuerreform überhaupt nicht in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten. Sonst würden Ihnen die Zahlen nur so um die Ohren fliegen. Aber von uns erwarten Sie, daß wir einer Reform zustimmen, die Bund, Länder und Gemeinden in den finanziellen Ruin führt. Nein, das werden wir nicht tun. Falls wir das mit Ihnen machen würden und Sie die Bundestagswahl gewinnen würden - wie Sie hoffen, weil es eine schöne Steuerreform gibt -, dann käme es zu dem, was wir schon kennen: Nach den Wahlen bitte zahlen! Dann würden Steuern erhöht, um diese Ausfälle auszugleichen, oder es würde Sozialabbau betrieben, weil Sie sagen: Wir haben das Geld nicht.
    Meine Damen und Herren, unsere Vorschläge für eine große Steuer- und Abgabenreform liegen auf dem Tisch.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Wo? Wo denn?)

    - Daß manche von Ihnen des Lesens leider nicht mächtig sind, habe ich schon gemerkt. Aber hören Sie wenigstens zu!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS Lachen bei der CDU/CSU)

    Unsere Steuerreform hat fünf Elemente:

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Wo ist die Drucksache?)

    Erstens Senkung der Lohnnebenkosten, zweitens Senkung des Eingangssteuersatzes bei der Lohn-und Einkommensteuer, drittens Verbesserung des steuerlichen Existenzminimums für Erwachsene und Kinder,

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Und wo ist der Tarif?)

    viertens Senkung der gewerblichen Steuersätze, fünftens solide Gegenfinanzierung durch das Schließen von Schlupflöchern, eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und Kampf gegen die Steuerhinterziehung.

    (Beifall bei der SPD)

    Dieses wünschen wir schon zum 1. Januar 1998 durchgesetzt. Dies würde eine Entlastung von 2000 bis 2500 DM im Jahr für Durchschnittsverdiener mit Kindern bedeuten.
    Element Nr. 1: Senkung der Lohnnebenkosten. Selbst die Bundesbank schreibt in ihrem Bericht vom August: Das Problem in Deutschland ist nicht die Höhe der Steuerbelastung. Die Steuerquote ist so gering wie nie. - Übrigens ist der Anteil der Unternehmenssteuer geringer als je zuvor. Der Kern des Problems ist die Belastung mit zu hohen Sozialversicherungsbeiträgen, wofür in erster Linie Sie verantwortlich sind, weil Sie die Kosten der deutschen Einheit statt über die Allgemeinheit über die Sozialversicherungsbeiträge finanziert haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wir sagen seit Wochen sehr konkret immer das gleiche - auch in den Spitzengesprächen, Herr Bundeskanzler -: Nehmen Sie die versicherungsfremden Leistungen aus der Rentenversicherung heraus! So werden zum Beispiel die Aussiedlerrenten in Höhe von über 10 Milliarden DM nur von den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern mit ihren Beiträgen bezahlt, nicht aber von den übrigen 20 Prozent der Erwerbstätigen. Jetzt frage ich Sie: Können Sie uns einmal erklären, warum zum Beispiel die Aussiedlerrenten heute nur von den Beitragszahlern bezahlt werden, nicht aber von dem Herrn Bundeskanzler, von dem Herrn Finanzminister, von der Frau Matthäus, von Beamten, von Landwirten und Selbständigen - nur weil sie nicht Mitglied der Rentenversicherung sind?

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Schon einmal etwas vom Bundeszuschuß gehört?)

    Da bietet sich doch an, diese Leistung aus der Rentenversicherung herauszunehmen und über eine ökologische Steuerreform zu finanzieren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Christa Luft [PDS])


    Ingrid Matthäus-Maier
    Weil Sie diesbezüglich immer so empört sind: Der stellvertretende Generalsekretär der CSU, Joachim Herrmann, sagte im Juli dieses Jahres in München:
    Ich halte es ... für richtig, die Lohnnebenkosten zu senken und den Verbrauch unserer Ressourcen höher zu besteuern.
    Das ist eine etwas vornehmere Ausdrucksweise für eine ökologische Steuerreform. Wenn wir außerdem noch einen Prozentpunkt beim Beitrag zur Arbeitslosenversicherung heruntergehen, wären wir - aber nur für diesen Zweck, nämlich die Herausnahme versicherungsfremder Leistungen - bereit, die Mehrwertsteuer anzuheben. Das könnten wir nächste Woche zusammen vereinbaren. Warum ist das so schwer?

    (Beifall bei der SPD)

    Element Nr. 2: Senkung des Eingangssteuersatzes auf 22 Prozent. - Da könnten wir wohl zusammenkommen.
    Element Nr. 3: Verbesserung des steuerlichen Existenzminimums für Erwachsene und Kinder. Wir wissen doch alle, daß wir von der Verfassung gezwungen sind, das Existenzminimum der Menschen steuerfrei zu stellen. Ich halte das, was wir gemeinsam vereinbart haben, doch für mittlerweile recht zweifelhaft. 12 300 DM im Jahr - da fragen sich die Menschen zu Recht, wie sie damit auskommen sollen.
    Die Verbesserung des Existenzminimums erfolgt - technisch - in diesem Lande dadurch, daß ich den Grundfreibetrag für Erwachsene und das Kindergeld anhebe. Dann sagen Sie, das sei Umverteilung; für Transferleistungen sei kein Geld da. - Nein, die Anhebung des Kindergeldes ist nur der technische Weg für die Steuersenkung für Familien mit Kindern. Da Sie uns immer so freundlich auffordern, wir sollten einmal ins Ausland gucken, fordere ich auch Sie freundlich auf, einmal in die USA zu gucken. Die haben vor kurzem eine große Steuerreform gemacht. Was war einer der beiden Kerne der Steuerreform?

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nettoentlastung!)

    Die steuerliche Entlastung für Familien mit Kindern. Genau das wollen wir!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Denn das würde auch die Massenkaufkraft stärken.
    Nun kenne ich ja Ihren Vorwurf, wir setzten nur auf Nachfragepolitik - während Sie auf Angebotspolitik setzen. Gute Politik ist in Deutschland immer nur gemacht worden, wenn man eine Mischung aus beidem verfolgt:

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Angebotspolitik zum Beispiel durch die Senkung der Lohnnebenkosten, Nachfragepolitik dadurch, daß man beispielsweise den Grundfreibetrag und das Kindergeld verbessert. Denn wir haben doch eine gespaltene Nachfrage. Der Export boomt, aber die Binnenkaufkraft liegt am Boden. Auch in diesem Bereich gibt es übrigens einen gespaltenen Markt, etwa beim zweigeteilten Automarkt. - Recht anschaulich hat das ein Betriebsrat vom BMW beschrieben. Er hat gesagt: „Viel Geld ist genug da, nur wenig Geld ist knapp." - Der Verband der Automobilindustrie beschreibt dies so:
    Gutverdienende Privatleute und Unternehmen sehen keinen Grund, ihre geplanten Autokäufe aufzuschieben - das kommt den gehobenen Modellen zugute. Die verunsicherten Arbeitnehmer hingegen halten sich noch zurück. Das bremst den Absatz kleiner und mittlerer Fahrzeuge.
    Meine Damen und Herren, wenn in Ihrem Steuerkonzept steht, daß der Bundeskanzler im Jahr eine Entlastung von 30 000 DM und die Ministerpräsidenten - ich betone: jedes Jahr - eine Entlastung von 26 000 DM erhalten, dann ist das nicht nur sozial ungerecht, sondern auch ökonomisch unvernünftig. Denn diese Leute schaffen doch keine Arbeitsplätze. Wenn ich aber der Masse der Menschen Geld in die Hand gebe, dann steigt die Kaufkraft.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie erklären, daß man, wenn Voscherau sagt, ein erheblicher Teil der Spitzensteuersatzzahler zahle gar keine Steuern, den Spitzensteuersatz doch ohne weiteres von 53 auf 39 Prozent senken könne. Denn dann würden sie ja Steuern zahlen.

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    Darauf antworte ich Ihnen folgendes: Der baden-württembergische Rechnungshof hat unlängst dargelegt, wie erodiert die Steuerbemessungsgrundlage ist - übrigens nach acht Jahren Waigel. Im „Handelsblatt" vom 19. August 1997 heißt es dazu, gestützt auf eine Studie des Rechnungshofes Baden-Württemberg:
    Ein Steuerzahler, der 1994 4,3 Mill. DM verdiente, investierte 13,6 Mill. DM in eine Mietwohnanlage in den neuen Bundesländern. Der daraus zugerechnete Verlust von 6,1 Mill. DM senkte seine Einkommensteuer für dieses Jahr auf Null. Zudem erhielt er infolge eines Verlustrücktrags die für 1992 und 1993 bereits gezahlten Steuern in vollem Umfang zurück. Da der Mann im Veranlagungsjahr 1994 auch noch negative Einkünfte aus einer Schiffahrtsbeteiligung und von einer Verlustzuweisungsgesellschaft von insgesamt 1,5 Mill. DM erzielte, kann er für die Folgejahre noch einen Verlustvortrag geltend machen, der seine Steuer „entscheidend mindern wird".

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Also, eine große Steuerreform!)

    Jetzt meine Frage an Sie: Warum können wir nicht zusammen diese Schlupflöcher schließen?

    (Beifall bei der SPD - Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    - Ihr habt leider zu früh geklatscht.
    Warum soll ein Steuerzahler, der den Spitzensteuersatz zu zahlen hat, nach der Steuerreform nur 39 statt 53 Prozent bezahlen? Schließen wir doch die

    Ingrid Matthäus-Maier
    Löcher und lassen ihn das zahlen, was er in den Jahren davor gespart hat!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Meine Damen und Herren, Sie sagen immer, für eine Kindergelderhöhung hätten Sie kein Geld. Ich nenne Ihnen hierzu zwei Zahlen: Die Anhebung des Kindergeldes um 10 DM kostet 1,5 Milliarden DM.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Deshalb nehmen Sie es in Nordrhein-Westfalen allen wieder ab!)

    Die Absenkung des Spitzensteuersatzes um einen Prozentpunkt kostet 2 Milliarden DM. Wir sind der Ansicht: Sowohl unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit als auch unter dem der notwendigen Stärkung der Binnenkaufkraft ist eine Entlastung der Familien mit Kindern eher angebracht als eine Entlastung der Spitzensteuersatzzahler,

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    zumal die Höhe der Spitzensteuersätze für nichtgewerbliches Einkommen - man nennt sie schon einmal kurz: private Einkommen - im international üblichen Bereich liegt.
    Da auch der Bundeskanzler in seinem Sommerinterview im Fernsehen, wie ich gesehen habe, gesagt hat, die Niederländer hätten einen Spitzensteuersatz von 60 Prozent, habe ich mir gedacht: Herr Bundeskanzler, es ist vielleicht besser - ich habe es hier zwar schon oft gesagt, aber ich denke, durch Nachlesen kann man es sich besser merken als durch Zuhören -, daß ich Ihnen dieses Papier von Theo Waigel überreiche. Dort sind alle privaten Spitzen- steuersätze Europas angeführt, auch der in Höhe von 60 Prozent in den Niederlanden.

    (Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD] überreicht dem Bundeskanzler ein Papier Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Sie sind sehr charmant!)

    - Ja. Beim nächsten Interview wird es besser.

    (Beifall bei der SPD)

    Unser viertes Element: Wir sind zur Senkung der gewerblichen Steuersätze bereit. Wir wissen: Im internationalen Bereich sind vielerorts die gewerblichen Spitzensteuersätze geringer als in Deutschland. Wir glauben jedoch nicht, daß die Belastung der Unternehmen in Deutschland zu hoch ist. Denn wenn man ihre Schlupflöcher und ihre Abschreibungsmöglichkeiten gegenrechnet, ist die Durchschnittsbelastung nicht höher als im internationalen Bereich. Aber aus psychologischen Gründen kann man den gewerblichen Spitzensteuersatz sehr wohl senken: im Rahmen der Körperschaftsteuer und in Verbindung mit einem Optionsrecht für Handwerker und Selbständige, die der Einkommensteuer unterliegen.
    Fünftes Element: Wir sind bereit, die Bemessungsgrundlage zu verbreitern und Schlupflöcher zu schließen. Aber eines muß ich hier doch noch sagen - weil mir das auffällt -: Wissen Sie, was in Ihrem langen Katalog zum Schließen von Schlupflöchern fehlt? Die Abschaffung der steuerlichen Absetzbarkeit von Schmiergeldern im Ausland.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir mußten Sie dazu drängen, im Jahressteuergesetz die steuerliche Absetzbarkeit von Schmiergeldern im Inland abzuschaffen. Es ist die OECD, es sind die Amerikaner und Franzosen, die uns auffordern, endlich den Unsinn abzuschaffen, daß Korruption, daß Schmiergelder von deutschen Firmen im Ausland auch noch von der Steuer abgesetzt werden können. Deswegen sagen wir: Das ist das Minimum, das auch in diesen Katalog gehört.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred Müller [Berlin] [PDS])

    Daß die Erosion der Steuerbemessungsgrundlage
    - auch jedes Jahr ein neues Steuergesetz führt zu Unsicherheit - dazu führt, daß in Deutschland die sogenannten deutschen Global Players, also die Firmen, die international tätig sind, einen enormen Vorteil haben, sehen Sie an den Kreditinstituten. Ich habe noch nie erlebt, daß sich die Kreditinstitute untereinander kritisiert haben. Aber wenn uns der Sparkassenverband und die Genossenschaftsbanken foldende Zahlen auf den Tisch legen, dann heißt das, daß das Dach überm Haus brennt: 1995 haben - bei etwa gleichem Bilanzvolumen - die Großbanken in Deutschland nur 0,8 Milliarden DM Steuern gezahlt
    - weil sie international tätig sind -, die Sparkassen dagegen 8,1 Milliarden DM - zehnmal soviel - und die Kreditgenossenschaften 4,4 Milliarden DM.
    Dies alles können wir ändern. Wir könnten das in den nächsten Wochen tun: beim Eingangssteuersatz, bei den Lohnzusatzkosten, bei den gewerblichen Spitzensteuersätzen und beim Schließen von Schlupflöchern. Dazu sind wir kompromiß- und gesprächsbereit. Aber eines werden Sie mit uns nicht bekommen: eine Reform, die zum Ruin der Staatsfinanzen führt, und zwar auch nicht in einer Stufenlösung. Was hilft es mir denn, wenn ich die öffentlichen Finanzen nicht in einem Jahr, sondern in drei Jahresstufen zerrütte? Nein, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei der. SPD sowie des Abg. Manfred Müller [Berlin] [PDS])

    Und es muß in der Koalition abgestimmt sein. Im Zurufverfahren - Herr Sohns sagt: 30 Milliarden Steuerentlastung; Herr Schäuble sagt im Fernsehen: Könnte auch weniger sein; Herr Waigel sagt: Wir sind ja kompromißbereit - funktioniert das nicht. Nein, wir wollen ein neues Konzept: solide finanziert, sozial gerecht und ökonomisch vernünftig.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sie haben nicht einmal ein altes!)

    Wir bieten Ihnen noch mehr an als die Steuer- und Abgabenreform; die können wir zusammen machen, wenn Sie einsichtig sind. - Wir sind der Ansicht, es gibt eine Menge mehr Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Reduzierung der Schul-

    Ingrid Matthäus-Maier
    den; denn die hohe Arbeitslosigkeit ist doch der Grund für die hohen Schulden.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Hunderttausend Arbeitslose kosten 4 Milliarden DM. Nicht der Sozialstaat ist zu teuer, sondern die Arbeitslosigkeit. Wir fordern Sie auf, mit uns zusammen mehr gegen die hohe Überstundenzahl in Deutschland zu tun, notfalls durch ein modernes Arbeitszeitgesetz.
    Wir fordern Sie zweitens zu einer großen Teilzeitinitiative auf, wie sie die Niederländer eingeführt haben.
    Wir fordern Sie drittens auf - Sie haben gesagt, wir sollten uns das in den Niederlanden anschauen; das haben wir getan -, endlich die Geringfügigkeitsgrenze bis auf eine Bagatellgrenze runterzufahren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Als wir in den Niederlanden sagten, Teilzeitarbeit bis zu 610 DM sei in Deutschland nicht sozialversicherungspflichtig, da fiel denen der Unterkiefer runter; das können die sich gar nicht vorstellen. Wer mehr Teilzeitarbeit will, muß dafür sorgen, daß sie sozialrechtlich abgesichert ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir wollen viertens, daß Sie mehr gegen Scheinselbständigkeit tun. Was ist denn das für ein Zustand: Der Fahrer eines Paketdienstes arbeitet nur für eine Firma, wird von ihr hingeschickt, wohin sie es will, und gilt als Selbständiger, nur damit die Firma für ihn keine Sozialbeiträge zahlen muß.
    Wir brauchen fünftens endlich wirksame Maßnahmen gegen die Lehrstellenlücke. 150000 junge Leute haben in diesem Moment noch immer keine Lehrstelle. Was haben Sie denn eigentlich gegen unseren Vorschlag einer solidarischen Umlage einzuwenden? Die Betriebe, die nicht ausbilden, zahlen, damit die, die ausbilden, eine Entlastung bekommen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir danken dem deutschen Handwerk, das noch immer am meisten ausbildet. Deswegen sollen diese Betriebe belohnt werden, indem die, die nicht ausbilden, oft die großen Betriebe, etwas für sie tun.

    (Beifall bei der SPD)