Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Entscheidungen zum Bundeshaushalt 1997, 1998 und zum Finanzplan bis 2001 treffen auf einen klaren konjunkturellen Aufwärtstrend in Deutschland.
Wichtige Wirtschaftsindikatoren entwickeln sich günstig: Die Ausfuhr wächst dynamisch und greift auf die Inlandsnachfrage über, auch im Investitionsgüterbereich. Das „Handelsblatt" meldete gestern eine weitere deutliche Belebung der Nachfrage. Die Aufträge wachsen - bei der Automobilherstellung allein im Juni um über 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Industrieproduktion ist aufwärtsgerichtet; sie stieg allein von Juni auf Juli 1997 saisonbereinigt um 3,5 Prozent. Die Kapazitätsauslastung der Industrie und die realen Ausrüstungsinvestitionen zeigen nach oben.
Das Ifo-Geschäftsklima hat sich im Juli erneut verbessert; Zins und Preisniveau sind stabil; die Lohnstückkosten sinken; das Bruttoinlandsprodukt dürfte im zweiten Quartal urn 2,5 bis 3 Prozent über dem Vorjahresergebnis gelegen haben.
Unsere Wachstumserwartung für das Gesamtjahr 1997 von 2,5 Prozent real wird dadurch eindrucksvoll bestätigt. Im nächsten Jahr wird sich nach Einschätzung aller Experten und Institute das Wachstum noch beschleunigen und bei 2,5 bis 3 Prozent liegen. Diese Tatsachen liegen objektiv vor. Sie zeugen von einer günstigen Entwicklung. Wir sollten froh sein und nicht höhnisch darüber lachen.
Der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt., die Staatsquote, liegt schon in diesem Jahr unter 50 Prozent. Diese erfreuliche Entwicklung wird in den nächsten Jahren weitergehen. Wir werden unser im Jahr 1995 formuliertes Ziel, die Staatsquote bis zum Jahr 2000 auf den Stand vor der Wiedervereinigung, also auf etwa 46 Prozent zu senken, erreichen. Das ist, wie ich meine, ein großer Erfolg der Finanzpolitik der Bundesregierung. Er knüpft nahtlos an unsere erfolgreiche Politik der 80er Jahre an, als es uns als einzigem G 7-Land gelang, die Staatsquote zu senken. Dieser Kurs ist zugleich die finanzpolitische Basis, auf der wir die Herausforderungen für
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den Standort Deutschland entschlossen und zielgerichtet angehen können.
Meine Damen und Herren, trotz dieser unbestreitbaren Aufwärtsentwicklung der deutschen Wirtschaft kann niemand den dramatischen Einfluß der Globalisierung der Weltwirtschaft auf alle staatlichen, gesellschaftlichen und privaten Bereiche übersehen. Die Struktur der Weltwirtschaft ändert sich, das Ausmaß dieser Änderungen ist mit den Änderungen zu Beginn der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert durchaus vergleichbar.
Ausgangspunkt sind Basisinnovationen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik, der Verkehrs-, Energie- und der Biotechnologie. Wissen und Kapital sind immer breiter verfügbar, sie können mit einem Klick auf der Computertastatur in jedes Land der Welt gelangen. Der Strukturwandel beschleunigt sich; Innovationen erlauben keine langjährigen Monopolrenten mehr. Viele Länder der Welt sind in der Lage, technologisch hochwertige Produkte herzustellen. Um die Weltmärkte wird von immer mehr Ländern immer härter gekämpft; Gewinnmargen schrumpfen. Das betriebswirtschaftliche Optimierungskalkül der international tätigen Unternehmen wird immer wichtiger, um am Markt zu bestehen.
Das Welthandelsvolumen wächst derzeit doppelt so schnell wie die weltweite Produktion. Die grenzüberschreitenden Investitionen wachsen noch schneller als die globalen Ein- und Ausfuhren. Noch Mitte der 80er Jahre lagen die weltweiten Direktinvestitionen bei 77 Milliarden US-Dollar, 1995 lagen sie bereits viermal so hoch.
Das Handelsvolumen der internationalen Finanzmärkte explodiert: Anfang der 80er Jahre betrug der weltweite Devisenhandel täglich zirka 60 Milliarden US-Dollar; Anfang der 90er Jahre lag er bereits bei 1200 Milliarden US-Dollar.
Was wir heute sehen, sind die Vorboten einer neuen Zeit. Die neue Zeit wird von uns ein völlig neues Denken und Handeln erfordern. Der Wissenschaftshistoriker Thomas Kuhn hat in diesem Zusammenhang von einem „Paradigmenwechsel" gesprochen.
Es wird in Zukunft nicht mehr damit getan sein, bestimmte Anpassungen zu vollziehen und sich dann in einem neuen Gleichgewicht beruhigt zurückzulehnen. Wenn wir den gewohnten Wohlstand, eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen und soziale Sicherheit bewahren wollen, ist vielmehr die beständige und vorausschauende Bereitschaft zur Veränderung unverzichtbar. Diese notwendige Bereitschaft zur Änderung, die auf dem Fundament unserer Wertordnung, der christlichen Weltanschauung, stehen muß, betrifft staatliche und gesellschaftliche Institutionen ebenso wie die Politik, den Staat, aber auch jeden einzelnen Bürger unseres Landes.
Nur, die Globalisierung führt keineswegs zwangsläufig zu Arbeitslosigkeit. Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland sind an sich noch kein Zeichen für ein nationales volkswirtschaftliches Problem. Viele Auslandsinvestitionen dienen dazu, ausländische Märkte zu erschließen. Diese Entwicklung hat positive Rückwirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft. Das sichert auch Arbeitsplätze und Investitionen in Deutschland. Deutschland hat von der Ausweitung der internationalen Arbeitsteilung immer profitiert. Sie hat den Menschen Wohlstand und materielle Sicherheit gebracht.
Der durch die Globalisierung ausgelöste Strukturwandel kann nicht grundsätzlich gestoppt oder gebremst werden. Wir müssen diese Herausforderung offensiv angehen.
Wir sollten diesen Prozeß weniger als Gefahr, sondern als eine historische Chance sehen. Deutschland kann zu den Gewinnern der neuen Zeit gehören, wenn wir unsere Tugenden ausspielen. Dazu gehören Innovationsfreude, Pioniergeist, Fleiß und Gründlichkeit,
und dazu gehört das eindeutige Bekenntnis zu einem marktwirtschaftlichen System. Dazu gehört auch eine klare Festlegung des ordnungspolitischen Rahmens, in dem die Märkte handeln. Dabei bleibt die Soziale Marktwirtschaft unser Modell.
Völlig falsch wäre es, in Protektionismus zu flüchten oder die Marktwirtschaft zu beschneiden. Der Niedergang des Sozialismus zeigt: Ökonomische Abschottung führt zu Wettbewerbsunfähigkeit, zur Verarmung und zur Ausbeutung der natürlichen Lebensgrundlagen.
Meine Damen und Herren, um die Globalisierung zu einem echten volkswirtschaftlichen Gewinn werden zu lassen, müssen noch eine ganze Reihe von wirtschafts- und finanzpolitischen Hausaufgaben gemacht werden - Hausaufgaben, die weit über den alltäglichen politischen Streit hinausreichen und die in letzter Konsequenz einen breiten gesellschaftlichen Konsens verlangen.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns auch fragen, ob unsere bisherigen Verfahren der Konfliktbewältigung dieser neuen Zeit noch angemessen sind. Es geht nicht nur um die Qualität und Quantität der notwendigen Veränderung, sondern auch um die Rechtzeitigkeit der Veränderung.
Ich denke, daß unser im Grundsatz bewährtes System des Föderalismus auf mittlere Sicht renoviert werden muß.
Dabei geht es - lassen Sie mich als überzeugten Föderalisten das sagen - nicht um mehr Zentralismus, sondern um die Stärkung der Eigenverantwortung von Bund und Ländern, letztlich auch um das Prinzip der Subsidiarität und der eigenverantwortlichen Aufgabenerledigung.
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Bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik sollte mehr eigenständiges Handeln von Bund und Ländern möglich sein. Das bedeutet eine Hinwendung zu einer stärkeren Orientierung am Prinzip des finanzwirtschaftlichen Trennsystems. Das bedeutet beispielsweise eine kritische Durchsicht des Finanzausgleichs, insbesondere des Problems der Übernivellierung, eine Stärkung der Kompetenzen von Bund und Ländern bei der Steuergesetzgebung und insgesamt eine Rückführung des Konsenszwangs. Bund und Länder müssen zukünftig in der Lage sein, in einem gewissen Rahmen finanzpolitisch zentrale Politikkonzepte autonom durchzusetzen.
Eine solche Neugestaltung würde nicht nur die Anpassungsgeschwindigkeit an die Herausforderungen der Globalisierung erhöhen. Mehr Wettbewerb in der Politik würde insgesamt zusätzliche wirtschaftliche Dynamik bringen.
Das Mitglied des Sachverständigenrates, Professor Jürgen Donges, schreibt am 7. Mai:
So gesehen birgt die Globalisierung eine enorme Chance, den Reformstau in Deutschland aufzulösen. Da die Globalisierung unumkehrbar ist, wird sich die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ebenso wie die Tariflohnpolitik im Qualitätswettbewerb bewähren müssen. An den Finanzmärkten wird gute Politik belohnt - durch Kapitalzuflüsse und niedrige Zinsen - und schlechte bestraft.
Professor Donges äußert sich auch dazu, was er und mit ihm nahezu gleichlautend alle Experten und wirtschaftswissenschaftlichen Institute, die OECD und der IWF, für eine gute Politik halten. Er schreibt:
Das Pflegen guter Rahmenbedingungen für das Investieren wird zur Daueraufgabe; deshalb bleiben die Unternehmensteuerreform, die Deregulierung von Märkten, die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und die Eindämmung der Staatsquote aktuell.
Genau das ist der Kern unserer symmetrischen Finanzpolitik: Konsolidierung, Senkung der Staatsquote, Senkung der Defizite, der Steuer- und Abgabenlast, verbunden mit nachhaltigen Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, im Sozialsystem und im Steuersystem. Dazu gibt es keine Alternative; dazu hat vor allen Dingen die Opposition bisher keinen Beitrag erbracht.
Wir haben dabei schon viel erreicht. Wichtige Schritte bei den Steuern sind getan, beispielsweise die Abschaffung der Substanzsteuern Vermögen-und Gewerbekapitalsteuer. Mit dem Paket für mehr Wachstum und Beschäftigung aus dem Sommer 1996 ist nicht nur die Konsolidierung vorangebracht worden, sondern ein ganzes Bündel an Strukturreformen und Deregulierungen wirksam geworden.
Trotz des erfreulichen Wirtschaftswachstums ist die Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Steuereinnahmen schlechter verlaufen, als eigentlich bei diesem Wachstum zu erwarten gewesen wäre. Die Ursachen dafür sind in beiden Bereichen überwiegend struktureller Natur. Das bestätigen internationale Untersuchungen. Beispielsweise kommt der IWF zu einer strukturell bedingten Arbeitslosigkeit in Deutschland von immerhin 80 Prozent.
Auch bei den Steuereinnahmen zeigt die Analyse strukturelle Nachteile des deutschen Steuersystems: hohe Spitzensteuersätze, die die Leistungs- und Investitionsbereitschaft hemmen, und andererseits viele Schlupflöcher, die zur legalen, halblegalen oder manchmal auch illegalen Steuerumgehung, auch über die Grenzen hinweg, förmlich einladen.
Die Defizite im Budget legen den Finger genau in die Wunde. Die Ursachen sind klar. Jetzt hilft keine Steigerung der Massenkaufkraft. Die Steigerung der Nachfrage ist immer die Folge eines investitionsgestützten Aufschwungs. Die Daten zeigen seit vielen Jahren: Die Nachfrage ist ein Spätindikator. Eine Finanzpolitik, die nicht primär an den Investitionen, sondern allein an der Kaufkraft ansetzt, wäre genau die schlechte Politik, die von den Märkten sofort mit höheren Zinsen und Preisen und weiteren Arbeitsplatzverlusten bestraft würde.
Nachtragshaushalt 1997, Haushalt 1998 und Finanzplan stehen als Gesamtkonzept für eine Haushaltspolitik mit Augenmaß. Die hohen Mehrbelastungen für die Haushalte 1997 und 1998 im Bereich Steuern und Arbeitsmarkt von jeweils über 30 Milliarden DM sind weitgehend aufgefangen.
Die Nettokreditaufnahme wird begrenzt und schrittweise zurückgeführt.
Der Bundeshaushalt leistet einen weiteren substantiellen Beitrag zur Reduzierung der Staatsquote und setzt damit weitere Signale für die Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung.
Die Konsolidierungslinie der letzten Jahre wird fortgesetzt. Seit 1990 konnten wir Ausgabenentlastungen in Höhe von über 120 Milliarden DM durchsetzen. Damit wurden insbesondere die hohen finanzpolitischen Mehrbelastungen der Wiedervereinigung teilweise abgedeckt.
Die erfolgreiche Privatisierungspolitik wird entschlossen weitergeführt. Die Investitionsschwerpunkte bleiben erhalten.
Die Eckwerte des Nachtragshaushalts 1997 werden durch Mehrbelastungen auf Grund von Steuermindereinnahmen und Arbeitsmarktmehraufwendungen von zusammen rund 30 Milliarden DM bestimmt.
Die Gesamtausgaben erhöhen sich um 18,7 Milliarden DM auf 458,6 Milliarden DM.
Die Einnahmen liegen mit 387,4 Milliarden DM rund 800 Millionen DM über dem bisherigen Soll. Die steuerlichen Einnahmeausfälle in der Größenordnung von 9 Milliarden DM werden durch zusätzliche Privatisierungseinnahmen ausgeglichen.
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Die Neuverschuldung steigt um 17,9 Milliarden DM auf 71,2 Milliarden DM und liegt damit um 7,1 Milliarden DM unter der Neuverschuldung von 1996.
Nach intensiven Beratungen zwischen der Bundesregierung und der Telekom AG ist ein Konzept erarbeitet worden, das sich in die Privatisierungslinie der Bundesregierung einfügt und den Interessen des Unternehmens und seiner Aktionäre Rechnung trägt. Für 1997 ist ein Nettoerlös von 10 Milliarden DM eingeplant, für 1998 von 15 Milliarden DM.
Als weitere zusätzliche Einnahmen sind im Nachtrag die Veräußerung einer ersten Tranche der Bundesrohölreserve von 400 Millionen DM
und zusätzliche Einnahmen aus Gewährleistungen in Höhe von 1,2 Milliarden DM vorgesehen.
Darüber hinaus werden auf der Ausgabenseite zusätzliche Einsparungen als globale Minderausgabe in Höhe von 2 Milliarden DM festgeschrieben.
Meine Damen und Herren, für eine Einschätzung, ob die Ergebnisse der Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres erreicht werden, ist es vier Monate später noch zu früh.
So verläuft die Erhebung der Umsatzsteuer voll im Trend. Es gibt andererseits Hinweise dafür, daß die bei der Erhebung der Einkommen- und Körperschaftsteuer bekannten strukturellen Probleme - beispielsweise durch Erstattungen für frühere Veranlagungszeiträume - noch fortwirken.
Wir müssen das Ergebnis der Steuerschätzung abwarten. Spekulationen sind unseriös. Nach dem Vorliegen von belastbaren Zahlen werden wir bis zur zweiten und dritten Lesung Ende November angemessen reagieren. Nur, wer das beklagt und eine Diskussion darüber anfacht, obwohl er vor wenigen Monaten an der Steuerschätzung beteiligt war und deren Ergebnisse mit verantwortet hat, der muß sich sehr schnell für eine Steuerreform entscheiden, damit wir die Einnahmebasis der öffentlichen Haushalte auf eine verläßliche dauerhafte Basis stellen.
Nach Art. 115 Abs. 1 des Grundgesetzes ist die über die Investitionen hinausgehende erhöhte Kreditaufnahme verfassungsrechtlich verantwortbar. Eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts liegt vor. Dies ergibt sich aus der weiterhin angespannten Lage am Arbeitsmarkt.
Es ist dabei gesamtwirtschaftlich und finanzpolitisch vernünftig, kurzfristig weitgehend die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen. Steuererhöhungen oder drastische Ad-hoc-Kürzungen im Bereich der Ausgaben hätten die schwierige Arbeitsmarktsituation noch verschärft.
An unserem Kurs der mittelfristigen Konsolidierung ändert sich dadurch nichts. Die Überschreitung der Kreditobergrenze des Art. 115 des Grundgesetzes erfolgt nur 1997. Im Haushalt 1998 und im Finanzplan wird die verfassungsrechtliche Regelgrenze für die Neuverschuldung wieder eingehalten.
Die Gesamtausgaben 1998 betragen 461 Milliarden DM. Sie steigen damit gegenüber dem Soll des Nachtragshaushalts nur um 2,5 Milliarden DM oder 0,5 Prozent. Die Nettokreditaufnahme sinkt um 13,4 Milliarden DM auf 57,8 Milliarden DM und liegt damit wieder unter den Investitionsausgaben von 58,3 Milliarden DM.
Die Mehrbelastungen in den Bereichen Steuern und Arbeitsmarkt in Höhe von deutlich über 30 Milharden DM gegenüber dem alten Finanzplan werden weitgehend ohne zusätzliche Schulden aufgefangen. Die Nettokreditaufnahme liegt nur um 1,6 Milliarden DM über der Nettokreditaufnahme des alten Finanzplans von 56,2 Milliarden DM.
Alle Ausgaben wurden kritisch auf Einsparpotenhale überprüft. Alle Einzelpläne haben Konsolidierungsbeiträge erbringen müssen, wobei der Schwerpunkt auf den konsumptiven Ausgaben liegt. Als sichtbares Zeichen sinken die Ausgaben in zwölf von 24 Einzelplänen nominal gegenüber 1997. Mehrausgaben beschränken sich im wesentlichen auf die Bereiche Rentenversicherung und Zinsen. Am bestehenden Haushaltsmoratorium wird im gesamten Finanzplanungszeitraum strikt festgehalten.
Die Einsparanstrengungen ziehen sich durch fast alle Bereiche des Bundeshaushalts. Als Folge des weiteren Personalabbaus und der maßvollen Tarifentwicklung liegen die Personalausgaben 1998 erneut unter dem Niveau des Vorjahres.
Der Personalbestand der Bundesverwaltung wird im nächsten Jahr durch eine pauschale Stelleneinsparung von 1,5 Prozent weiter zurückgeführt. Die Bundesverwaltung umfaßt 1998 rund 314 000 Stellen. Seit 1992 hat sich der Stellenbestand dank des konsequent betriebenen Personalabbaus um rund 67 000 Stellen vermindert; das sind immerhin 17,6 Prozent. Das bedeutet einen großen Erfolg, den der Staat hier gesetzt hat, um damit seine öffentlichen Ausgaben unter Kontrolle zu halten und zu begrenzen.
Auch die Bundesfinanzverwaltung soll weiter gestrafft werden. Schon seit einigen Jahren führen wir in der Zoll- und Bundesvermögensverwaltung die örtlichen Behörden um rund 300 Standorte zurück. Wir haben ein neues Organisationsmodell für den Bundesbereich der Oberfinanzdirektionen vorgelegt. Die Bundesabteilungen werden voraussichtlich auf acht Direktionen konzentriert. Das entspricht etwa der Struktur bei den Landeszentralbanken. Das Modell ist nun in der Abstimmung. Ich bin sicher, wir werden am Ende Steuergelder sparen, die fachliche Qualifikation steigern und die Bundesfinanzverwaltung insgesamt stärken.
Im Bereich der Haushaltswirtschaft schaffen wir durch neue Steuerungselemente mehr Effizienz und fördern sparsames Wirtschaften. Dazu beraten wir heute in erster Lesung das Haushaltsrechts-Fortent-
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wicklungsgesetz. Die Eckpunkte sind: Erweiterung der Deckungsfähigkeit, Erweiterung der Übertragbarkeit, Lockerung des Grundsatzes der Gesamtdekkung, um Anreize zur Erzielung von Mehreinnahmen zu schaffen, Verankerung der Kosten- und Leistungsrechnung im Haushaltsgrundsätzegesetz und in der Bundeshaushaltsordnung.
Mit dem Gesetzentwurf gehen wir den mittleren Weg zwischen notwendiger Flexibilisierung und parlamentarischer Verantwortung und Kontrolle. Der Entwurf des Haushalts 1998 orientiert sich bereits am neuen Recht. Damit ist eine Effizienz- und Flexibilitätsrendite in Höhe von immerhin 350 Millionen DM verbunden.
Einsparungen gibt es auch bei der Bundesanstalt für Arbeit durch das zum 1. April 1997 in Kraft getretene Arbeitsförderungs-Reformgesetz und durch zusätzliche Konsolidierungsbemühungen. Die Ausgaben für Asylverfahren können wegen der rückläufigen Zahl der Asylanträge erneut vermindert werden.
Die Ausgaben für die Steinkohle werden 1998 auf 8,7 Milliarden DM und damit um rund 400 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr zurückgehen.
Bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" wird der Bundesanteil auf 1,7 Milliarden DM begrenzt.
Der Verkehrsbereich leistet einen Konsolidierungsbeitrag durch Kürzungen bei der Verwaltungsausgabenerstattung des Bundeseisenbahnvermögens. Die Bundesverkehrsinvestitionen sind nicht betroffen.
Auch der Verteidigungshaushalt wird in begrenztem Umfang zur Konsolidierung herangezogen: Der Plafond 1998 liegt geringfügig unter dem Ansatz des alten Finanzplans.
Im Rahmen dieses konsolidierten Plafonds wird die Beschaffung des Jagdflugzeugs Eurofighter ermöglicht. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung unserer Streitkräfte und zur Stützung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Luftfahrtindustrie. Auch die Beschäftigten in diesen Betrieben, der Technologiebereich in Deutschland und die Gesamtbevölkerung erwarten, daß ein solches Flugzeug, wenn wir bereits so viel an Entwicklungskosten aufgebracht haben, in Deutschland und in den anderen europäischen Ländern hergestellt wird, um deutsche Arbeitsplätze zu sichern und weiterzuentwickeln.
Im Bereich von Wohnungswesen und Städtebau werden die Leistungen an die Länder im Bereich des sozialen Wohnungsbaus durch Rückführung des Verpflichtungsrahmens um 30 Prozent abgesenkt. Andererseits schaffen wir mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Wohnraumförderung die Grundlagen, um die Effizienz und Zielgenauigkeit der Förderung durch eine stärkere Subjektorientierung und eine bessere Nutzung des Wohnungsbestandes zu steigern.
Neben dauerhaften Einsparungen werden auch zeitlich begrenzt wirkende Maßnahmen zur Konsolidierung herangezogen.
Wir aktivieren ein Privatisierungspotential von insgesamt rund 19,5 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, der Bund hat mit der Privatisierung bereits Anfang der 80er Jahre mit großem Erfolg begonnen. Er hat sie konsequent fortgesetzt und ist immer wieder von der SPD angegriffen worden. Nun tun die SPD-Länder das gleiche, nachdem sie eingesehen, haben: Dies ist nicht nur für die Etats sinnvoll, sondern auch ordnungspolitisch richtig, weil die Betriebe und die Beschäftigten danach besser dran sind, als wenn sie in staatlicher Obhut blieben.
Die Nettotilgungsleistungen für die Schulden des Bundeseisenbahnvermögens in Höhe von 2,8 Milliarden DM in 1998 werden verschoben.
Der Einsatz dieser Konsolidierungsinstrumente ist finanzpolitisch eine vernünftige Strategie. Wir können damit die aktuellen Zusatzlasten teilweise kompensieren und die Neuverschuldung in tragbaren Grenzen halten.
Wir schlagen so eine Brücke in die Zukunft, bis sich die positive konjunkturelle Entwicklung, die bereits auf den Weg gebracht ist, und die noch zu verabschiedenden Strukturreformen positiv auf die Haushalte auswirken.
Trotz der Einsparungen und Ausgabenbegrenzungen setzt der Haushalt 1998 in den wichtigen standort- und zukunftsrelevanten Bereichen Akzente.
Die Ausgabentransfers für die neuen Länder erreichen mit rund 94 Milliarden DM das hohe Niveau der Vorjahre. Unter Einbeziehung der Mindereinnahmen aus der Neuregelung des Finanzausgleichs liegen die Bruttoleistungen des Bundes bei rund 139 Milliarden DM. Nach Abzug der Steuerrückflüsse betragen die Nettotransfers des Bundes rund 91 Milliarden DM. Dies ist kein Rückgang gegenüber den letzten Jahren.
Die Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" wird auf hohem Niveau fortgeführt. Seit 1990 konnten mit Zuschüssen im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und der wirtschaftsnahen Infrastruktur Investitionen von über 200 Milliarden DM angeschoben werden.
Der Baransatz liegt noch leicht über der alten Finanzplanung. Am 31. August 1997 ist dazu mit den neuen Ländern eine Vereinbarung getroffen worden. Danach wird dem Gesetzgeber vorgeschlagen, die Ausgaben in diesem Bereich 1998 um 200 Millionen DM und die Verpflichtungsermächtigungen um 309 Millionen DM zu erhöhen. Hierüber wird das Parlament in den Beratungen zu entscheiden haben.
Auch in der regionalen Wirtschaftsförderung Ost ist eine schrittweise Anpassung und Konzentration auf Bereiche mit hoher Investitionswirkung notwendig.
Ein Beispiel für ein schlüssiges Konzept mit einer Konzentration auf vorhandene Schwachstellen bildet
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die vor der Sommerpause gesetzlich verabschiedete Fortsetzung der steuerlichen Investitionsförderung ab 1999. Das Fördervolumen liegt jährlich zwischen 5,4 und 6,1 Milliarden DM. Wir haben damit sehr rechtzeitig für alle Investoren und alle Beteiligten eine überschaubare Grundlage geschaffen, um damit die wichtige Investitionsförderung in den neuen Bundesländern auch weiter wirksam und zielgerichtet zu unterstützen.
Für Bildung und Forschung stehen 1998 fast 15 Milliarden DM bereit. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung steigen immerhin um 130 Millionen DM.
Auf dem Gebiet der Weltraumforschung und -technik wird durch die Zusammenführung der Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten mit der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt eine wirtschaftlichere Verwendung der knappen Ressourcen angestrebt.
Der im Bildungsbereich mit der Einführung des Meister-BAföG, der Teilumstellung beim Studenten-BAföG und der Novellierung des Hochschulbauförderungsgesetzes begonnene Kurs der strukturellen Reformen wird mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes konsequent beibehalten.
Angesichts der weiterhin besonders schwierigen Lage des Lehrstellenmarktes in den neuen Ländern beteiligt sich der Bund zum fünftenmal hintereinander an einer Lehrstelleninitiative Ost. Zur Finanzierung der Bereitstellung von bis zu 15 000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen werden im Zeitraum 1997 bis 2000 rund 200 Millionen DM bereitgestellt. Das sind 50 Prozent der Gesamtkosten.
Ich möchte gemeinsam mit dem Kollegen Rüttgers und allen anderen Beteiligten nachdrücklich nochmals von hier aus an die Wirtschaft appellieren: Helfen Sie mit, damit auch dieses Jahr jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz erhält.
Der Bundeshaushalt wird auch 1998 für die Stützung des wirtschaftlichen Wachstums Investitionsimpulse setzen.
Innerhalb der vorgesehenen 58,3 Milliarden DM nehmen die Verkehrsinvestitionen eine zentrale Stellung ein.
Für die Schienenwege beträgt das Investitionsvolumen rund 9 Milliarden DM. Die Investitionsmittel aus dem Bundeshaushalt werden durch zusätzliche Eigenmittel der Bahn ergänzt. Die Investitionen für den Bundesfernstraßenbau steigen mit 8,25 Milliarden DM um 127 Millionen DM an.
Die Sachinvestitionen - das sind im wesentlichen die Hochbau- und Tiefbaumaßnahmen des Bundes - liegen insgesamt bei 13,8 Milliarden DM und damit um rund 0,8 Milliarden DM über dem Vorjahressoll.
Einen Anstoß für wachstumsstärkende Investitionen bringt auch das Programm zur Verstetigung beschäftigungsfördernder Investitionen mit einem Gesamtrahmen von 25 Milliarden DM. Die neuesten Zahlen der KfW belegen: Dieses Programm wird ein voller Erfolg. Wichtige Programmteile sind bereits ausgeschöpft.
Der Haushalt des Bundesarbeitsministers ist mit 147 Milliarden DM der mit Abstand größte Einzelplan im Bundeshaushalt.
Insgesamt gibt der Bund für den Sozialbereich rund 173 Milliarden DM aus. Das sind mittlerweile über 37 Prozent der Gesamtausgaben. 1991 lagen die um das Kindergeld bereinigten Sozialausgaben noch bei rund 117 Milliarden DM. 1998 leistet der Bund also rund 56 Milliarden DM oder fast 50 Prozent mehr für soziale Aufgaben. Das ist der beste Beweis dafür, daß die Bundesrepublik Deutschland ein Sozialstaat ist und sich vor niemandem zu verstecken braucht.
Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit hinterläßt auch im nächsten Jahr deutliche Spuren bei den Etatansätzen für den Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit und die Arbeitslosenhilfe. Allerdings werden die Aufwendungen hierfür mit 39,5 Milliarden DM angesichts der zu erwartenden Trendwende am Arbeitsmarkt unter den Ansätzen des Nachtrags 1997 in Höhe von 43 Milliarden DM veranschlagt.
Bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist ein Mehrbedarf für den Bundeszuschuß gegenüber der bisherigen Finanzplanung von rund 3,6 Milliarden DM wegen der notwendigen Beitragssatzerhöhung veranschlagt. Der Bundeszuschuß beträgt dann rund 71,5 Milliarden DM. Insgesamt, insbesondere mit den Zuschüssen an die knappschaftliche Rentenversicherung, müssen 1998 insgesamt rund 87 Milliarden DM aufgebracht werden.
Wir verfolgen eine klare Linie: Sicherung der lohn-und beitragsbezogenen Rente für die Zukunft sowie eine ausgewogene Lastenverteilung zwischen Beitragszahlern und Rentnern in den kommenden Jahren. Mit der Rentenreform werden zugleich deutliche Signale für eine Stabilisierung und Begrenzung der gesetzlichen Lohnzusatzkosten gesetzt. Hierzu soll auch ein höherer Bundeszuschuß beitragen. Zusätzliche Belastungen kann der Bundeshaushalt allerdings nicht tragen. Unverzichtbar ist daher die volle Refinanzierung der zusätzlichen Mittel, über die im Rahmen der beiden großen Reformvorhaben Steuer- und Rentenreform entschieden werden muß. Für einen Rentenkonsens bleiben strukturelle Konsolidierungsmaßnahmen unverzichtbar.
Die Einnahmenseite ist auch im nächsten Jahr durch einen nur geringen Anstieg der Steuereinnahmen geprägt. Mit 347,5 Milliarden DM liegen die Steuereinnahmen 1998 auf dem Niveau des Jahres 1995, wenn man die Systemumstellung beim Familienleistungsausgleich berücksichtigt. Gegenüber dem Nachtragshaushalt 1997 erhöhen sich die Steuereinnahmen um 11 Milliarden DM oder 3,2 vom Hundert.
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Die Konsolidierungslinie des Haushalts 1998 wird im Finanzplan konsequent fortgesetzt. Der Bundeshaushalt leistet zur Rückführung der Staatsquote weiterhin einen maßgeblichen Beitrag. Der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt sinkt 1998 auf gut 12,5 Prozent und liegt damit unter dem Stand von 1989 mit damals 13 Prozent. Dies zeigt, daß kein Zweig der öffentlichen Hand, keine Stelle die Konsolidierung so intensiv betrieben und mit Erfolg vorangebracht hat wie der Bund.
Wir setzen diese Politik fort.
Die Steigerung der Ausgaben in den nächsten vier Jahren liegt mit jahresdurchschnittlich gut 1 Prozent wesentlich unter dem erwarteten Anstieg des nominalen Bruttoinlandsprodukts von rund 4 Prozent. Dies ist der einzige Weg, um die Staatsquote wirkungsvoll zu senken. Damit nähern wir uns auch den Vorgaben, die wir im Stabilitätspakt für Europa als mittelfristiges Defizit vereinbart haben.
Meine Damen und Herren, der direkte Zusammenhang zwischen der Haushaltspolitik und der Steuerpolitik war selten so deutlich wie jetzt. Fehlende Steuereinnahmen tragen ganz erheblich zu der schwierigen Lage der öffentlichen Kassen von Bund und Ländern bei. Es wäre aber vollkommen verkehrt, den Zusammenhang dahin gehend zu deuten, jetzt müsse man aus finanziellen Gründen auf die Reform der Einkommensbesteuerung verzichten. Gerade das Umgekehrte ist zutreffend.
Nur mit einer durchgreifenden Strukturreform werden wir die Erosion der Steuerbasis stoppen und die Steuereinnahmen auf eine kalkulierbare Grundlage stellen.
Darauf hat auch die Bundesbank in ihrem letzten Bericht richtig und, wie ich meine, überzeugend hingewiesen.
Wir brauchen die Fortsetzung der Reformpolitik. Dabei müssen die Reformschritte 1996 bis 1999 und danach im Gesamtzusammenhang gesehen werden. Es geht um ein geschlossenes Konzept zur Entlastung aller Steuerzahler, zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung, zur Verwirklichung von mehr Steuergerechtigkeit und zur Schließung von Steuerschlupflöchern.
Bereits beschlossen wurden die Steuerfreistellung des Existenzminimums 1996 mit einem Volumen von 15,5 Milliarden DM, die Verbesserung des Familienleistungsausgleichs 1996 mit einem Volumen von rund 7 Milliarden DM, der Wegfall der Vermögensteuer ab Januar 1997, die Straffung und Konzentration der steuerlichen Förderung in den neuen Bundesländern, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ab Januar 1998 und die Gemeindefinanzreform mit der Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer.
Jetzt gilt es, dieses Programm kontinuierlich fortzusetzen: mit einer ersten Reformstufe der Einkommensbesteuerung 1998 und mit der Umsetzung der weiteren Petersberger Beschlüsse ab 1999.
Meine Damen und Herren, die Menschen, die Bürger, haben für die Art und den Inhalt der steuerpolitischen Konfrontation kein Verständnis mehr.
Die Betriebe warten zu Recht auf die Festlegung zuverlässiger steuerlicher Rahmenbedingungen, um endlich Investitionsentscheidungen treffen zu können. Wenn die ausländischen Direktinvestitionen an Deutschland weitgehend vorbeigehen, ist das ein schrilles Alarmsignal.
Die Sicherung von Wachstum und Beschäftigung duldet keinen Aufschub. Nachdrücklich unterstützt deshalb auch die OECD in ihrem jüngsten Deutschlandbericht das Steuerreformvorhaben von Bundesregierung und Koalitionsfraktionen. Sie schreibt:
Die Steuerreform ist von vorrangiger Bedeutung für ein höheres Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung.
Niedrigere Steuersätze bei weniger Ausnahmen lassen Steuervermeidungsstrategien - auch in Richtung Ausland - unattraktiv werden.
Meine Damen und Herren, ich erinnere an den Hinweis aus Hamburg, daß ein Großteil der Millionäre einer bestimmten norddeutschen Großstadt keine Steuern bezahle. Das paßt aber nicht zu der Polemik, daß eben diese Millionäre durch die von der Koalition beschlossene Steuerreform in unvertretbarer Weise entlastet werden. Bevor Sie mit dem untauglichen Vorschlag einer Mindeststeuer kommen, greifen Sie doch endlich den Vorschlag von uns und allen Sachverständigen auf, die Steuerschlupflöcher zu stopfen und damit dafür zu sorgen, daß die Millionäre in Deutschland wieder die Steuern bezahlen, die wir benötigen, um andere Aufgaben zu erfüllen.
Das Konzept der Bundesregierung ist auch auf der Verteilungsseite ausgewogen. Vertreter der Opposition haben dennoch das Wort „schamlos" benutzt. Die Fakten sind anders. Nur eines ist hier schamlos: die willkürliche Verdrehung von Tatsachen und das abermalige Schüren von Sozialneid durch eben diese Politiker.
Die Zahlen belegen nämlich ganz klar: Sowohl durch unseren neuen Tarifverlauf als auch durch die
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Schließung der Schlupflöcher wird die Steuerlast zugunsten der kleinen und mittleren Einkommen umgeschichtet. Die großen Einkommen werden belastet. So beträgt der Anteil der oberen 10 Prozent der Steuerzahler an der Einkommensteuer 50,6 Prozent. Ihr Anteil an der Tarifentlastung beträgt 48,7 Prozent.
Dazu die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht:
Der Vorwurf, die Verteilungsgerechtigkeit bliebe dabei auf der Strecke, ist bei ökonomischer Betrachtung nicht gerechtfertigt. Zum einen begünstigt das bisherige, in seiner Inzidenz kaum überschaubare System gerade die zur Steuervermeidung besonders Befähigten. Zum anderen verbessert ein gesamtwirtschaftlich effizientes Steuersystem die Allokation der Produktionsfaktoren, schafft Anreize zur wirtschaftlichen Leistung und wirkt damit wachstumsfördernd. Am Ende stehen nicht zuletzt mehr Arbeitsplätze und geringere Arbeitslosigkeit.
Meine Damen und Herren, fern aller parteipolitischen Auseinandersetzung: Die Argumente dafür sind doch so gravierend - und Sie haben sie in den letzten Jahren selber verwandt, hier und an anderer Stelle -, daß es bei gutem Willen doch möglich sein müßte, auf dieser Basis eine vernünftige Linie, einen Kompromiß und eine endgültige Entscheidung zu finden.
Bundesregierung und Koalitionsfraktionen jedenfalls sind gesprächs- und einigungsbereit.
Wir haben für die Stufen 1998 und 1999 ein in sich geschlossenes Konzept zur Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie des Solidaritätszuschlages vorgelegt. Diese Stufenlösung ist auf breite Zustimmung bei Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden gestoßen.
Zunächst sollten wir über die Stufe 1998 reden. Unser Konzept mit der Senkung der Sätze der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer auf gewerbliche Einkünfte könnte dazu um einen ersten Schritt bei den Spitzensteuersätzen für nichtgewerbliche Einkünfte auf unter 50 Prozent ergänzt werden. Gleichzeitig sollte es schon 1998 einen Schritt beim Eingangssteuersatz geben, um die Anreize zur Arbeitsaufnahme zu stärken. Die bisher vorgesehene Nettoentlastung in 1998 von knapp 1 Milliarde DM könnte auf diesem Niveau gehalten werden, wenn wir Elemente der bereits gemeinsam ermittelten Gegenfinanzierungsliste nutzen. Die Umsetzung des Restpaketes könnte selbst wieder in Stufen - ab 1999 - vorgenommen werden.
Wenn es so ist, wie Oskar Lafontaine in seinem Brief vom 5. August 1997 schreibt, daß die SPD bereit ist, alles, was gut ist für unser Land, mitzutragen, dann sollte ein Zugehen auf diesen Vorschlag eigentlich eine Formsache sein.
In diesem Zusammenhang empfehle ich der Opposition noch einmal die Lektüre des Vorschlags des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung; diese steht Ihnen ja schließlich nicht allzu fern. Dieser Bericht ist ein Beispiel für ein offenes und vorurteilsfreies Herangehen an die Steuerfrage.
Meine Damen und Herren, Steuerpolitik hört nicht vor unserer Haustür auf. Viele Länder haben ihre steuerlichen Wettbewerbsbedingungen in den letzten Jahren deutlich verbessert. Das verstärkt die Erosion der Steuerbasis in Deutschland und zeigt unseren Nachholbedarf um so deutlicher. An einigen Stellen hat aber der an sich für Wettbewerb und Wachstum wichtige Steuerwettbewerb der Standorte Dumpingcharakter angenommen.
Auch innerhalb der Europäischen Union haben immer mehr Mitgliedstaaten steuerliche Sonderregelungen eingeführt. Die Vergünstigungen bestehen meist in extrem niedrigen Steuersätzen oder der Besteuerung nur eines Bruchteils des Gewinns, etwa für sogenannte Koordinierungszentren, Holdinggesellschaften, Kapitalanlage- und Konzernfinanzierungsgesellschaften. Gegen diesen unfairen Steuerwettbewerb werden wir uns wehren. Wir benötigen deshalb möglichst rasch eine internationale Abstimmung, um diesen unfairen Praktiken ein Ende zu setzen.
Wir gingen und gehen dieses Problem aktiv an. Über Lösungen wird sowohl auf EU-Ebene als auch auf OECD-Ebene beraten. Es wird auch ein wichtiges Thema des am nächsten Wochenende stattfindenden informellen Treffens der EU-Finanzminister in Luxemburg sein. Die maßgebenden Anstöße zu dieser Diskussion hat die Bundesregierung gegeben. Als ersten Schritt streben wir die Vereinbarung eines Verhaltenskodexes zwischen den EU-Ländern an. In einem solchen Kodex müssen sich die Mitgliedstaaten bindend verpflichten, bestimmte Grundregeln der Fairneß in der Steuerpolitik einzuhalten.
Auch die Europäische Kommission selbst hat Handlungsbedarf. Sie darf das Steuerdumping durch ihre Wettbewerbspolitik nicht legitimieren. Es kann nicht richtig sein, Sondervergünstigungen von Mitgliedstaaten als „noch binnenmarktkonform" abzusegnen, die einen Anreiz für Steuerflucht bieten.
Auf europäischer Ebene verfolgen wir darüber hinaus weiter unser Ziel der Verbesserung der steuerlichen Erfassung von Zinseinkünften. Eine wachsende Zahl von Mitgliedstaaten hat sich zwischenzeitlich angeschlossen. Auch die Kommission hält die möglichst rasche Einführung einer Gemeinschaftsregelung für unerläßlich.
Sie wird dazu so bald wie möglich neue Vorschläge vorlegen. Wir werden die' Kommission aktiv unterstützen. Dabei können wir auf die Vorarbeiten zurückgreifen, die unter unserer Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 1994 bereits geleistet wurden.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Meine Damen und Herren, der Nationalökonom Herbert Giersch schrieb am 3. Juli in der „Wirtschaftswoche":
Für den Weltkapitalmarkt spielt es keine große Rolle mehr, wo sich die Triebkräfte des Wachstums entfalten. Es gibt genug aufstrebende Länder und Märkte, die die Gelegenheit wahrnehmen werden, uns mit kapitalfreundlichen Regelungen den Rang abzulaufen.
Er schreibt weiter:
Zwei Gruppen unserer Bevölkerung werden mittelfristig am meisten leiden, wenn der Kurzfrist-Populismus die Oberhand behält. Die einen sind die Arbeitslosen, für die die Kapitalknappheit sich als Arbeitsplatzmangel darstellt, ohne daß sich für sie am Horizont ein Silberstreifen zeigt. Die anderen Benachteiligten sind die Rentner von morgen, die an den Generationenvertrag gebunden bleiben.
Das sind eindringliche Worte, die wir ernst nehmen sollten. Die Globalisierung schreitet unaufhaltsam fort. Wir müssen die finanzpolitischen Hausaufgaben machen, unsere Institutionen und unsere Politik auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausrichten.
Die Unternehmen in Deutschland sind nicht das Problem. Sie haben ihre Politik schon in den letzten Jahren auf die neue Zeit eingestellt. Die Betriebe wurden verschlankt, modernisiert und internationalisiert. Deutsche Unternehmen können sich heute weltweit am Markt behaupten. Die Exportzahlen oder der boomende deutsche Aktienmarkt sprechen für sich.
Die Frage ist, ob diese positive Ausgangslage deutscher Unternehmen auch der deutschen Volkswirtschaft zugute kommt. Die Frage ist, wo die deutsche, aber auch die ausländische Wirtschaft investiert, wohin Know-how und Kapital fließen, wo letztlich Arbeitsplätze geschaffen werden. An dieser Frage entscheidet sich die Zukunft unseres Arbeitsmarktes ebenso wie die unseres Sozialsystems. Die Lebensperspektive jedes einzelnen, aber auch das Vertrauen in Staat und Politik hängen davon ab. Letztlich geht es hier auch um die Zukunft von Demokratie und Freiheit.
Das Ende dieses Jahrhunderts ist für uns Deutsche bewegend und faszinierend zugleich. Das letzte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts - davon bin ich überzeugt - wird trotz aller Herausforderungen als das beste Jahrzehnt in die Geschichte dieses Jahrhunderts eingehen. Wir werden die Probleme des nächsten Jahrzehnts nur lösen, wenn wir daran nicht mit Angst und Defensive, sondern mit Aufbruchstimmung und mit einer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Offensive herangehen.
Dieses Jahrzehnt hat Perspektiven eröffnet, von denen die Generationen von 1918 und 1945 nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Deutschland ist wiedervereinigt. Wir sind heute Motor der Neuordnung Europas und haben erstmals in diesem Jahrhundert zu all unseren Nachbarn freundschaftliche Beziehungen. Wir sind unserem Ziel, einer Welt in Frieden und Freiheit und der Bewahrung der Schöpfung, ein großes Stück nähergerückt.
Nun gilt es, im Zeichen der neuen Zeit das in den letzten zehn Jahren Erarbeitete mit Mut und Augenmaß voranzutreiben. Dies ist die Aufgabe unserer Generation. Dazu leistet die Finanzpolitik dieser Regierung und dieser Koalition einen entscheidenden Beitrag.
Ich danke Ihnen.