Rede von
Wolfgang
Behrendt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lippold, Sie haben den Vorwurf erhoben, daß in dieser Aktuellen Stunde zum wiederholten Male nur bekannte Positionen dargestellt worden seien, aber im Grunde das gleiche
Wolfgang Behrendt
getan. Sie haben es verabsäumt, sich mit den sachlichen Fakten objektiv auseinanderzusetzen.
Ihr Vorwurf, daß die Opposition nur Ängste schüre und Bürger verunsichere, macht deutlich, daß Sie im Grunde jegliche Diskussion verweigern.
Man kann es doch nicht einfach als Panikmache abtun, wenn die Untersuchung von Greenpeace ganz ernstzunehmende Fakten zu Tage gefördert hat: So sind die Proben aus La Hague siebzehnmillionenfach höher mit Radioaktivität belastet als das normale Meerwasser. Das Sediment im Meerwasser von La Hague ist zehntausendfach höher belastet als Fische in Stauseen bei Kiew nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.
Der Beitrag von Herrn Staatssekretär Hirche hat sich dagegen wohltuend von Ihrem Beitrag abgehoben; denn er hat wirklich versucht, sich mit den Argumenten, die von Greenpeace vorgetragen worden sind, sachlich auseinanderzusetzen.
Ich begrüße es, daß er gesagt hat, die Bundesregierung werde das ernst nehmen und weiter verfolgen. Und in der Tat: Die Bundesregierung kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Denn - das wurde hier schon deutlich gemacht - wir Deutsche liefern einen Großteil des Materials, das in La Hague verarbeitet wird. Von daher tragen wir Mitverantwortung und müssen alles tun, um zu einem Höchstmaß an Aufklärung beizutragen.
Mich haben an dieser Untersuchung nicht nur die alarmierenden Werte irritiert. Mich hat auch irritiert, daß man versucht hat, Greenpeace daran zu hindern, diese Untersuchung vorzunehmen. Das erinnert mich fast ein bißchen an die Behinderungen der norwegischen Umweltorganisation Belona bei ihren Untersuchungen im Nordmeer.
Gerade von einem Nachbarland wie Frankreich, mit dem wir gute, freundschaftliche Beziehungen haben, müssen wir fordern, daß ein Höchstmaß an Aufklärung geleistet wird. Aber es ist, so denke ich, ermutigend, daß die neue französische Regierung unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Jospin eine sehr viel weniger vorurteilsbehaftete Haltung einnimmt als frühere Regierungen. Noch im Mai, als die ersten Untersuchungen über die Häufung von Leukämiekrankheiten bekannt wurden, titelte der „Berliner Tagesspiegel": „Frankreich tut Atomgegner als skurrile Eigenbrötler ab". Da hat sich doch ein Gesinnungswandel vollzogen. Die Tatsache, daß der Superphénix jetzt stillgelegt werden soll, macht das auch in der praktischen Politik deutlich.
Die Ankündigung der Stillegung des Superphénix hat auch Konsequenzen für die Wiederaufbereitungsanlage in La Hague. Denn Wiederaufbereitung macht dann keinen Sinn mehr. Daß es anders geht, zeigt im übrigen auch ein Land wie Schweden, das von vornherein auf die Wiederaufbereitung verzichtet hat. Herr Staatssekretär, Sie sollten dem schwedischen Beispiel folgen. Sie sollten den Ausstieg aus der Wiederaufbereitung vorbereiten. Gemeinsam sollten wir dann versuchen, sichere Entsorgungspfade gemeinsam zu gehen.
Angesichts der neuesten Informationen um die Vorfälle von Gorleben - die ja hier indirekt mit angesprochen sind -, die wir dank Greenpeace haben, muß ich sagen: Wenn wir den Ausstieg aus der Atomkraft nicht zumindest einleiten, wird es die erforderliche Akzeptanz in der Bevölkerung für eine Lösung der Entsorgungsprobleme nicht geben.