Ich will noch einmal versuchen, den Grundgedanken, den Sie damit anstoßen, zu Ende zu denken. Ich gehe davon aus, daß es Ihr Bemühen und auch Ihr Verdienst war, innerhalb der Grünen für die Beibehaltung der leistungsbezogenen Rente einzutreten. Ich erkenne das sehr an. Ich sage Ihnen aber: Es wäre doch ein Problem, wenn jemand, der durch Teilzeitbeschäftigung - wir brauchen uns nicht darüber zu streiten, ob es die Hälfte ist - ein nur sehr viel geringeres Arbeitsvolumen über Beiträge in die Rentenversicherung einbringt, dennoch die Garantie hätte, daß ihm die Rentenversicherung eine für das Alter ausreichende Rente gäbe. Wer so etwas behauptet, hat sich von der leistungsbezogenen Rente verabschiedet.
Eine leistungsbezogene Rente ist natürlich nicht nur eine bei hoher Leistungserbringung hohe Rente, sondern auch eine bei geringer Leistungserbringung geringe Rente; sonst paßt das System nicht, sonst gehen Sie ganz automatisch in eine andere Versicherung hinein. Das war mein Gedanke.
Meine Damen und Herren, was die F.D.P. - vielleicht als einzige Partei - sehr offen sagt, ist, daß die gesetzliche Rentenversicherung den Lebensstandard in Zukunft nicht mehr voll abdeckt. Wir sagen das ganz offen. Das macht es in den Augen der F.D.P. so dringlich, über die zwei anderen Säulen, über die betriebliche Alterssicherung und die Eigenvorsorge, nachzudenken. Wir sprechen immer von drei Säulen; in Wirklichkeit aber waren es eine Säule und zwei Girlanden. Wir wollen dazu beitragen, daß aus die-
Dr. Gisela Babel
sen Girlanden Säulen mit statischer Bedeutung, das heißt mit einer tragenden Funktion werden.
Kurz zur betrieblichen Alterssicherung: Hier müssen wir feststellen, daß sie zum Sorgenkind der Politik, insbesondere der Finanzminister - Stichworte sind der Rechnungszinsfuß und der Pauschalsteuersatz - geworden ist. Diese gingen immer schön nach oben, und unsere Finanzminister hatten sich nicht vorstellen können, daß das vielleicht Signale an Arbeitgeber sind, diese freiwilligen Leistungen in Zukunft lieber einzusparen, als sie unter immer unattraktiveren Bedingungen zu gewähren. Der Rückgang dieser Leistungen war entsprechend. Ich bedaure an dieser Stelle sehr, daß es uns in den Verhandlungen - das betraf natürlich auch die über die Steuerreform - nicht gelungen ist, flankierende Besserstellungen zu erreichen.
Wir haben allerdings Verbesserungen im Arbeitsrecht durchgesetzt, nämlich daß die nachholende Anpassung bei den Betriebsrenten wegfällt. Das betrifft die Anpassung, die durch die Rechtsprechung entwickelt worden ist und die ein Arbeitgeber vornehmen mußte, wenn es ihm wirtschaftlich wieder besser ging, indem er nicht nur für das betreffende Jahr, sondern auch für die ausgefallenen Jahre rückwirkend Anpassungen vornehmen mußte. Dies fällt weg. Ich halte das für gut. Gut ist auch der zweite Punkt, nämlich daß man sich jährlich zu einer einprozentigen Anpassung verpflichten kann und sich damit weiterer Verpflichtungen entledigt.
Kurz zur Eigenvorsorge: Sie ist notwendiger denn je. Ich begrüße es, daß wir der Lebensversicherung im Steuerrecht jetzt wieder eine begünstigte Stellung eingeräumt haben.
Ich will darauf hinweisen, daß es nicht nur der Staat ist, der hier beiträgt. Viele Vermögensanlagen oder Lebensversicherungen werden schon heute für Kinder und Enkelkinder abgeschlossen. Hier gibt es eine Generationensolidarität der Alten mit den Jungen, weil sie durchaus die Probleme sehen, die im Rahmen der Alterssicherung ihrer Kinder und Enkelkinder eintreten können. Ich halte das für gut und will das an dieser Stelle auch einmal anerkennen.
Zu den Strukturmaßnahmen im Reformgesetz, zur Rentenformel: Sie wird um einen demographischen Faktor ergänzt. Das ist zwingend notwendig, weil die Lebenserwartung der Rentner ständig steigt - im Durchschnitt 1,4 Jahre pro 10 Jahre. Wenn die Menschen erfreulicherweise länger leben, erhalten sie auch länger Rente. Weil das so ist, ist es richtig und notwendig, den einzelnen Betrag geringer ausfallen zu lassen. Die Renten steigen also in Zukunft langsamer. Dieses Abbremsen führt langfristig zu einem Sinken des Nettorentenniveaus von heute 70 auf 64 Prozent. Das ist ein Niveau, das wir zu Beginn der 70er Jahre hatten.
Herr Dreßler, Sie haben gesagt, das sei schleunigst wieder beseitigt worden. Sie blenden aber aus: Die gesamtwirtschaftliche Beschäftigungslage war damals nun wirklich nicht so dramatisch, wie sie es heute ist.
Die Berücksichtigung der Lebenserwartung in der Rentenformel, die von der Opposition strikt abgelehnt wird, halte ich in der Tat für überfällig. Ohne Verlängerung der Lebenserwartung wäre der Beitragssatz heute bei 12 statt, wie tatsächlich, bei 20,3 Prozent. Man sieht, das ist ein Treibsatz. Es ist richtig, daß man diese finanzielle Belastung, die da eingetreten ist, nicht permanent nur den Beitragszahlern aufbürden kann, sondern daß wir sagen: Es muß einen fairen Ausgleich geben. Dieser liegt darin, daß die Rentner über die Formel, die wir entwickelt haben, zu einem Teil mit herangezogen werden.
Das ist im Grunde der Kernpunkt, angesichts dessen wir der jungen Generation heute sagen können: Wir haben mit der Rentenreform dafür gesorgt, daß die Belastung in dieser Frage etwas leichter wird, als sie vorher war.
Alles spricht dafür, daß die steigende Lebenserwartung und ihre Berücksichtigung in der Rentenformel dazu führt, daß das Abschmelzen im Jahre 2015 beendet sein wird. Der Koalitionspartner hat eine andere Zeitrechnung. Das hängt von dem Grad der Verlängerung der Lebensarbeitszeit in der Zukunft ab. In der Tat überfordert eine solche Voraussicht die prophetischen Möglichkeiten sowohl des Bundesarbeitsministers als auch der Koalitionsparteien.
Meine Damen und Herren, zur Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente: Hauptmotiv dieser Reform war, daß es nicht um einen neuen Weg geht, der sich schleusenartig eröffnet, während wir die Frühverrentung abgeschafft haben. Die Gefahr besteht doch darin, daß Arbeitnehmer dann nicht mehr mit 60 Jahren mit Rentenabschlägen in Rente gehen, sondern daß sie mehr oder weniger den Weg der Erwerbsunfähigkeitsverrentung einschlagen werden. Deswegen ist es richtig, daß man hier eine symmetrische Absenkung vorgenommen hat. Wie weit in jüngeren Jahren das Risiko derzeit abgesichert ist, ist in der Tat eine Frage, über die wir noch einmal nachdenken sollten; das werden wir in den Anhörungen sicherlich noch untersuchen. Der Weg über die Erwerbsunfähigkeitsrente aber, den wir den Menschen im vorgerückten Alter vor der Rente anbieten könnten, ist mit Sicherheit reformbedürftig.
Ich komme nun noch zu dem Bundeszuschuß: Er ist nicht zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen gedacht
- das möchte ich hier noch einmal festhalten -; denn er deckt die versicherungsfremden Leistungen ab.
- Ich weiß, es gibt diese Horrorkataloge. Sie brauchen sie sich nur einmal kritisch anzusehen; dann stellen Sie fest, daß die Argumentation nicht stimmt. Wenn der Kriegsopferanteil sinkt - davon gehen wir alle einvernehmlich aus -, dann wird der Bundeszuschuß auch noch andere Leistungen abdecken können.
Dr. Gisela Babel
Uns geht es bei diesem durch Steuern erhöhten Bundeszuschuß um eine schnelle Entlastung des Beitragssatzes. Deswegen sagen wir: Dieses Geld verwenden wir zum Senken des Beitragssatzes in der Rentenversicherung.