Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen CDU/ CSU und F.D.P. bringen heute den Gesetzentwurf zur Rentenreform ein. Ziel dieser Reform ist es, die gesetzliche Alterssicherung Rente für die Zukunft sicher, verläßlich und bezahlbar zu machen. Das läßt sich nicht allein mit Umfinanzierung, wie die Opposition meint, erreichen, sondern dazu bedarf es auch vernünftiger Sparmaßnahmen.
Ziel ist es weiterhin, die Beitragsschraube, die sich immer schneller dreht, anzuhalten und zu einem neuen Ausgleich zwischen Beitragszahlern - das sind die Erwerbstätigen - und den Rentnern zu kommen; Stichwort: ein fairer Generationenvertrag.
Daß es gerade die Beschäftigungsprobleme sind - sie spielten übrigens in der Rede von Herrn Dreßler noch nicht einmal am Rande eine Rolle -, die Strukturmaßnahmen erfordern, spricht nämlich für die Strukturmaßnahmen und nicht gegen sie.
Herr Dreßler, ich denke, daß Sie sich in Ihrem Debattenbeitrag völlig mit der Fortschreibung der Oppositionsrolle begnügt haben. Denn Sie haben es nicht für nötig gehalten - das ist ja in der Tat auch sehr schwierig -, uns das Rentenkonzept der SPD einmal in irgendeiner Weise plausibel darzustellen. Dazu hatten Sie keine Zeit. Ich finde, das ist charakteristisch. Entsprechend Ihrer hohen polemischen Begabung haben Sie sich nur mit Norbert Blüm auseinandergesetzt, aber nicht mit sich selbst und mit dem, was Ihre Partei vorschlägt.
Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben schon im letzten Jahr im Wachstums- und Beschäftigungspakt Sparmaßnahmen eingeleitet. Ich mache hier keinen Schmus. Es handelte sich dabei um Sparmaßnahmen, und zwar auch um solche, die gewisse Härten mit sich gebracht haben: Abschläge bei der Frühverrentung, Heraufsetzung des Rentenzugangsalters, Senkung der Anrechenbarkeit der Ausbildungszeiten. Wir gehen jetzt mit der Gesetzesnovelle an die langfristigen Strukturmaßnahmen. Dazu wird die Rentenformel geändert.
Meine Damen und Herren, es ist eine schwerwiegende politische Entscheidung, die wir hier treffen. Das Motiv ist das gleiche wie bei den Reformen in allen anderen sozialen Sicherungssystemen: die Belastung des Faktors Arbeit zu senken, Beschäftigung zu sichern und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
Für manche Kritiker ist das, was wir hier tun, noch zuwenig und halbherzig, für die Opposition ist es zuviel. Ich denke, verantwortliche Politik kommt nicht umhin, die Rentenreform mit in diese notwendige Sparpolitik einzubeziehen.
Einer der Vorwürfe aus den Reihen der Opposition lautet, es handele sich hierbei gar nicht um eine Reform; eine Reform wäre sie nur, wenn man sie einvernehmlich - wie im Jahre 1989 - beschlossen hätte und wenn sie auf einem breiten politischen Konsens beruht hätte.
Meine Damen und Herren, diesen breiten politischen Konsens wünschte ich mir heute auch.
Aber wenn er nicht erreichbar ist, darf sich die Regierung nicht daran hindern lassen, das Notwendige zu beschließen. Sicher ist, daß es damals wichtige Korrekturen gab, vor -allem die Abwendung von der bruttolohnbezogenen Rente hin zur nettolohnbezogenen Rente. Das ist übrigens noch eine Tat meines Vorgängers Julius Cronenberg, der nicht müde wurde, diesen Punkt einzufordern, bis er schließlich auch kam.
Aber wir erkennen heute, daß damals keineswegs alle Entwicklungen scharf genug gesehen wurden, etwa die ständig steigende Lebenszeit der Leistungsbezieher oder die enorme Abhängigkeit der Rentenfinanzen von der Beschäftigungssituation, die heute zu schweren Einbrüchen führt.
Heute sehen wir das klarer. Heute sehen wir auch mit größerer Beklommenheit, daß die Probleme, die wegen der demographischen Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten auftreten, nach wie vor ungelöst sind. Die damalige Debatte ließ keine Kritik an
Dr. Gisela Babel
einem Rentenversicherungsbeitrag von 26 Prozent oder 28 Prozent im Jahre 2030 erkennen. Das hat man damals schlankweg für akzeptabel gehalten. Wir halten es heute nicht mehr für akzeptabel.
Wir sagen: Eine junge Generation will Auskunft, und sie will, daß die heutige Politik verantwortlich handelt, indem sie die Weichen stellt, daß das nicht eintritt. Beitragsstabilität als Garant für einen fairen Generationenvertrag ist eine heutige Erkenntnis und Forderung. Die jetzige Generation soll etwa das gleiche für die Alterssicherung aufbringen wie die nachfolgende.
Noch etwas fällt auf, wenn man die damalige Debatte nachliest: Die sozialen Probleme der Altersarmut - sie sind übrigens geringer als die Armutsprobleme der Jugend, insbesondere der jungen Familien -, die Probleme der Alterssicherung der Frauen und das Problem der unterbrochenen Lebensläufe sind Stichworte, die damals schon angesprochen worden sind. Was nicht erörtert wurde, ist, daß die Lösung dieser Probleme einen Abschied von diesem System bedeutet. Darauf komme ich noch zu sprechen.
Zurück zur Gesetzesnovelle: Sparmaßnahmen müssen auch in der Rentenversicherung vorgenommen werden, deswegen werden die Renten in Zukunft langsamer steigen. Damit wird ihr Niveau im Vergleich zum Nettolohn sinken. Ich habe überhaupt keine Probleme zu sagen, daß die Renten damit in Zukunft ein niedrigeres Niveau haben. Von der Sprache her habe ich keine Probleme damit, Herr Dreßler.
Der Streitpunkt ist der Anspruch an die gesetzliche Rentenversicherung, eine Alterssicherung zu garantieren, also eine Alterssicherung zu sein. Die Frage bleibt, wie diese Aufgabe nach wie vor erfüllt werden kann.
Vor allem die unterbrochenen Arbeitsbiographien stellen ein großes Problem dar. Frau Fischer, eine Rentenversicherung, die bei nur halbem Arbeitsvolumen eine volle Rente gewährt, gibt die Leistungsbezogenheit auf. Damit sinken Sie, Frau Fischer, in die Arme von Herrn Biedenkopf. Es ist ganz klar: Das kann die Rentenversicherung nicht leisten, damit ist die Weiche für eine Versicherung gestellt, die, über Steuern oder über Beiträge finanziert, nivelliert ist.
Das ist ein Systemwechsel zum Versorgungssystem.