Rede von
Rudolf
Dreßler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Geißler, ich weiß, was die Abteilung Semantik in Ihrer Partei - das meine ich jetzt sogar konstruktiv - gegenüber der meiner Partei zu leisten imstande ist. Ich weiß, daß Sie da besser sind. Aber an solchen semantischen Ausflügen beteilige ich mich nicht. Ich sage Ihnen: Wir haben von brutto auf netto umgepolt. Das bedeutete gemessen an den Anwartschaften Kürzung. Dazu habe ich immer gestanden und habe nie den semantischen Ausflug gemacht: Wir haben eure Steigerungen etwas reduziert; in Wahrheit ist das keine Kürzung, sondern noch immer eine Steigerung.
Nein, Herr Geißler, wenn man so etwas macht und davon überzeugt ist, dann muß man das auch sagen und dazu stehen. Das habe ich seit 1989 getan, und das tue ich auch heute. Sie versuchen jetzt schon kollektiv, sich dieser damaligen Beschlußfassung zu entziehen. Das halte ich nicht für in Ordnung. Lassen Sie uns doch gemeinsam sagen, was wir gemacht haben, Herr Geißler, und schon treffen wir uns wieder. Kürzung bleibt Kürzung. Wir haben damals gekürzt. Jetzt will Blüm kürzen. Die SPD will nicht kürzen. Das ist der Sachverhalt. Da können Sie hier reden, was Sie wollen.
Ich will Ihnen zur Senkung des Rentenniveaus noch ein Zitat bringen, weil es mich sehr beeindruckt hat, zumal dieser Zeitzeuge als Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundesregierung und Mitglied der Rentenkommission diese öffentliche Äußerung nicht getan hätte, wenn es ihn nicht umtriebe. Herr Professor Schmähl hat zu dem hier skizzierten Sachverhalt in einem Interview im Deutschlandfunk folgendes gesagt:
Wenn man ein Pflichtalterssicherungssystem - gesetzliche Rentenversicherung - schafft, und man verpflichtet die Menschen, zeitlebens dort Beiträge zu zahlen, dann ist die Frage: Sollen dann nicht die Rentenleistungen nach langer Beitragszahlung so hoch sein, daß man deutlich mehr als die Sozialhilfe bekommt? Das ist der entscheidende Punkt. Das heißt gar nicht mal, ob dann diese Personen auch tatsächlich Sozialhilfeempfänger werden, denn die können ja zum Beispiel eine Betriebsrente haben oder Vermögenseinkünfte oder anderes. Es geht um die Legitimität eines Pflichtversicherungssystems, das sich deutlich in seinen Leistungen von der Sozialhilfe unterscheiden muß. Und hier liegt dann möglicherweise eine Schwachstelle in den Vorstellungen, wenn man das generelle Rentenniveau deutlich senkt ...
Herr Blüm, wir haben Ihnen, als Sie in den Sondierungen erklärten, Sie seien nicht bewegungsfähig, gesagt, dann müßten wir eben die Bundestags- und Ausschußverhandlungen abwarten. Wenn Sie diesen Thesen von Schmähl, der Mitglied Ihrer Rentenkommission war, folgen, der sich dazu bekannt hat, daß hier ein Fehler gemacht worden ist, und wir bereit sind, diesen Fehler mit Ihnen auszumerzen, dann müssen Sie Ihre Blockadeposition - „Darüber wird nicht verhandelt; das steht nicht zur Disposition" - aufgeben. Sie können hier nicht laufend von der ausgestreckten Hand reden, aber schweigen, wenn wir nach den Preisen fragen, zu denen wir diese Hand ergreifen sollen. Stellen Sie sich hier hin und sagen Sie: Wir stellen unser Konzept zur Disposition; wir sind bereit zu Verhandlungen. Dann werden die Ausschußberatungen zeigen, daß man etwas Konstruktives bringen kann. Wenn Sie aber nur täuschen wollen und Ihren Fahrplan im Parlament durchpeitschen wollen, dann hören Sie auf, so zu tun, als ob Sie verhandlungsfähig wären.
In Wahrheit blockiert die F.D.P. Sie in Ihrer möglichen Verhandlungsbereitschaft.
Wenn Sie koalitionsinterne Probleme haben, dann sagen Sie das hier. Aber tun Sie nicht so, als seien Sie imstande, gegen die F.D.P. etwas durchzusetzen.
Rudolf Dreßler
Herr Blüm, Sie sind genau wie Seehofer gesellschaftspolitisch von der F.D.P. plattgemacht worden. Das ist Ihr persönliches Schicksal.