Rede von
Ernst
Schwanhold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser Rede des Kollegen Schauerte
bin ich ein bißchen hin und her gerissen, ob ich auf den Blödsinn, den er erzählt hat, eingehen soll oder ob ich ihn ignorieren soll. Es erinnert mich an den Spruch: Am besten noch nicht einmal ignorieren.
Herr Kollege Schauerte, welche drei Sprüche haben Sie gemacht? Erstens. Der Kanzler hat recht.
Zweitens. Die Opposition ist schuld. Drittens. Der Bundesrat muß abgeschafft werden. Das ist Ihre Vorstellung von Politik und von politischer Gestaltung. Sie sind so weit in Hoffnungslosigkeit versunken,
daß Sie zur Lösung der Probleme nichts mehr anzubieten haben.
Lassen Sie mich eine Bemerkung zu Ihrer Frage machen, die Sie im Wirtschaftsausschuß gestellt haben sollen: Wollt ihr denn Geld in die Hand nehmen? Herr Schauerte, natürlich gibt es die Notwendigkeit zur Harmonisierung in Europa. Dies bestreiten Sie ja auch nicht. Niemand will europäische Beschäftigungsprogramme, die möglichst weit weg von der Verantwortungsebene mit Finanzmitteln ausgestattet werden. Wir wollen aber einen abgestimmten Geleitzug für eine europäische Wachstumspolitik, für eine Harmonisierung von Finanz- und Wirtschaftspolitik, durch die zusätzliche Beschäftigung in Europa geschaffen wird, durch die junge Menschen Arbeits-
bzw. Ausbildungsplätze bekommen und eine Perspektive in diesem europäischen Gebilde sehen.
Warum werden denn eigentlich Machbarkeitsstudien für transeuropäische Netze sonst zum gegenwärtigen Zeitpunkt finanziert? Warum kann denn die EIB jetzt plötzlich sagen: Wir machen Mittelstandsprogramme. Wir versuchen, Eigenkapitalhilfe für Neugründungen zu organisieren. Wir wollen Mittelstandsunternehmen finanzieren, die schnell Wachstum im Technologiebereich organisieren. Wir wollen uns daran beteiligen, daß internationale Projekte Auftragnehmer in Europa finden, und wir wollen uns daran beteiligen, daß die Osterweiterung durch den Ausbau der Infrastrukturen finanziert wird.
Dies ist genau der richtige Weg, um die Voraussetzungen für mehr Beschäftigung zu schaffen und durch eine abgestimmte Politik sofort für mehr Beschäftigung zu sorgen. Das ist der Weg, den die Sozialdemokraten wollen und den Delors vorgeschlagen hat.
Dieses, Herr Schauerte, fand bei Ihnen keinen Niederschlag. Ich glaube, Sie haben nicht einmal mehr die Zeit und die Kraft, kritisch zu reflektieren, wie die Ergebnisse Ihrer Politik hier in der Bundesrepublik Deutschland sind. Die Arbeitslosigkeit war noch nie so hoch. Wir haben noch nie so hohe Arbeitslosigkeit in einem Juni eines Jahres nach dem Kriege gehabt. Wir haben noch nie so viele junge Menschen gehabt, die einen Arbeits- und Ausbildungsplatz suchen. In diesem Jahr werden mehr Menschen keinen Ausbildungsplatz finden als im vergangenen Jahr, trotz aller Bemühungen.
Wir haben eine größer werdende Lücke zwischen Arm und Reich. Und Sie wollen diesen Zug weiterfahren lassen, nämlich den der immer geringeren Zahl von Gewinnern und der immer größeren Zahl von Verlierern. Das gilt nicht nur innerhalb des Landes, sondern das kann auch zu einer internationalen Bedrohung werden.
Deshalb ist Harmonisierung der wirtschaftlichen Ziele, deshalb ist Harmonisierung der Finanzpolitik
Ernst Schwanhold
und deshalb ist Harmonisierung der Geldmengenpolitik und der Währungspolitik notwendig. Dieses ist der eigentliche Ansatz, um zu sagen: Wir müssen in den Industrienationen jenen Weg auf Nachhaltigkeit, auf zukunftsgerichtete Beschäftigungspolitik organisieren, und wir dürfen uns nicht verlieren in freudigen und wohlklingenden Erklärungen, die in Denver gefaßt werden.
Wenn man Lyon, Halifax und Denver ein Jahr später überprüft - für manche haben wir ja Zeit -, dann stellt man fest: Nichts von dem, was an vollmundigen Erklärungen abgegeben worden ist, ist innerhalb der Bundesrepublik auch nur ansatzweise umgesetzt worden. Sie reden auf den Weltgipfeln so, als seien Sie einer der Großen dieser Erde; dabei geht Ihnen hier zuhause die Basis verloren, und Ihre Politik hier ist genau anders, sie ist auf Zerstörung in manchen Bereichen angelegt,
oder Sie finden nicht die Kraft, den Weg zu gehen, der Arbeitsplätze und Wachstum schafft und damit dem Ziel der Vollbeschäftigung näherkommt.
Das ist die Realität in diesem Land. Sie nutzen, Herr Bundeskanzler, nur noch die Bühne Europa, Sie nutzen nur noch die Bühne Denver. Niemand glaubt es mehr. Der Gipfel in Denver war eine Blamage, was die Reputation der Bundesrepublik Deutschland angeht.
In allen Bereichen, in denen Sie sich an die Spitze der Bewegung gesetzt haben, sind Sie hoffnungslos ausgebremst worden. Nichts davon ist durchgesetzt worden. Da, wo die Zukunftsfragen der Beschäftigung gestellt werden, sind Sie selbst das schlechteste Beispiel für die Politik. Da haben Sie nichts zu sagen, da hört Ihnen niemand mehr zu.
Es ist der Initiative von Tony Blair zu verdanken, daß wir die Reform der Weltwirtschaftsgipfel im nächsten Jahr in Birmingham dahin gehend einleiten, daß man sich in den Themen konzentriert und zu viel verbindlicheren Absprachen kommt. Das ist genau der richtige Weg, den die Weltgipfel gehen müssen, und nicht die großen Medienereignisse, die Sie für sich noch zelebrieren und von denen Sie meinen, daß sie Honig für die Auseinandersetzung mit Blick auf die Wahlen im Jahr 1998 innerhalb des Landes sind.
Wir brauchen Ziele, die konkret verabredet werden. Wir müssen uns dazu bekennen, daß wir selbst eine eigene Wachstumspolitik gemeinsam in den Industrienationen organisieren, und zwar mit Rußland und langfristig auch mit China, langfristig insbesondere auch mit Beteiligung von Ländern, die heute noch nicht industrialisiert sind, im Kontext einer sozialen Verträglichkeit, einer ökologischen zukünftigen nachhaltig verträglichen Wirtschaftsform und im
Zusammenhang eines gerechten sozialen Ausgleichs.
Von diesen Zielen sind wir weit entfernt. Es gibt Instrumente, die zu verabreden sind. Ich spreche die Bereiche der Finanz-, Geld- und Währungspolitik an. Wir brauchen Zielzonen und verbindliche Instrumente, um miteinander zu kommunizieren und diese Zielzonen einzuhalten.
Herr Bundeskanzler, wenn wir diese Voraussetzungen nicht erreichen und wenn Sie sich nicht nachhaltig dafür einsetzen, sondern weiterhin davon reden, daß Beschäftigungspolitik zu Hause gemacht wird, und meinen, man könne alles in einer Spirale nach unten münden lassen, dann wird Ihr Weg diesem Land nicht helfen, sondern schaden. Wir brauchen aber Impulse, die dieses Land voranbringen.