Rede von
Hartmut
Schauerte
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein, ich möchte im Zusammenhang vortragen.
- Ihnen fehlt die Größe, die intellektuelle Größe dazu, das zu unterscheiden und es dann hier auch zu erklären.
Ich will mich mit dem Beschäftigungskapitel befassen. Kein vernünftiger Mensch - da bauen Sie einen regelrechten Popanz auf - hätte in der Vergangenheit mit oder ohne Beschäftigungskapitel irgend etwas dagegen gehabt, wenn die Europäische Kommission, das Europäische Parlament oder die europäischen Nachbarstaaten vernünftige und intelligente Vorschläge gemacht hätten, wie man die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpfen kann und wie man das miteinander koordinieren kann, kein vernünftiger Mensch!
Die Forderung war eine ganz andere; das müssen Sie dann hier schon sagen. Die ursprüngliche Forderung, die dann abgewehrt worden ist - das liegt im deutschen Interesse -, war letztlich, daß das mit Geld unterlegt werden sollte, daß einige in Europa für Programme zahlen sollten, die andere beschließen wollten. Wir sind wirklich der Auffassung: Es gilt das Subsidiaritätsprinzip; das kann in den Nationen mit dem zur Verfügung gestellten Geld und mit der richtigen Ordnungspolitik besser und effektiver gemacht werden, als wenn es erst umgeleitet werden muß.
Wenn Sie wollen, daß wir für europäische Beschäftigungsprogramme - das wäre doch dann die einzige Alternative, über die es sich noch lohnt zu streiten - Geld in die Hand nehmen, um es nach Brüssel zu tragen, dann sagen Sie es bitte hier ganz konkret.
Erklären Sie den deutschen Steuerzahlern und den deutschen Arbeitsämtern, daß wir es in Zukunft über diesen Umweg machen wollen. Nein, das liegt nicht im vernünftigen deutschen und europäischen Interesse.
Sie fordern die Harmonisierung ein und wollen sie beschleunigen. Dabei müssen Sie doch einmal ganz realistisch an diese Fragestellung herangehen. Wir sind ein anerkanntes Hochlohnland. Das Lohnniveau in allen anderen Ländern ist niedriger. Wenn es die Harmonisierung gibt, die Sie beschleunigen wollen, dann wird sie nicht die Anhebung des Niveaus bei allen Nachbarstaaten auf unser Niveau bedeuten. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß die Spanier bereit sind, ihr Lohnniveau auf unseres anzuheben und damit ihre Wettbewerbschancen und den Versuch, den Anschluß an den Wohlstand in Europa zu gewinnen, aufzugeben. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Machen Sie das einmal mit den Engländern; machen Sie das mit den Portugiesen. Denken Sie in diesem Zusammenhang an die Amerikaner beim G-8-Treffen. Wenn Sie meinen, das könnten Sie global organisieren, werden sie
Hartmut Schauerte
Ihnen was husten. Wir brauchen einen Wettbewerb der Volkswirtschaften. Wir werden eine Harmonisierung allenfalls zu Lasten der deutschen Löhne hinbekommen, aber nicht zu deren Nutzen. Deswegen habe ich überhaupt kein Verständnis dafür, daß Sozialdemokraten permanent in diesem Feld herum-operieren. Sie wissen nicht, was Sie anrichten, wenn es konkret wird.
Ich erinnere an die Diskussion bei den transeuropäischen Netzen, einem vergleichsweise harmlosen Feld in diesem Zusammenhang. Das ist doch wirklich hochinteressant. Wir haben beschlossen, daß wir transeuropäische Netze haben wollen. Alle, die es beschlossen haben, haben aber gesagt: Hoffentlich muß ich es nicht bezahlen; hoffentlich wird es irgend jemand anderes bezahlen. Niemand in Europa ist gehindert, diese Netze zu bauen. Aber wenn es lediglich über den Versuch, Nettozahlungen von Dritten zu verlangen, geht, wird es nicht gelingen. Es ist hochinteressant: Als es im Wirtschauftsausschuß des Deutschen Bundestages konkret wurde, haben wir den Kollegen von der SPD die Frage gestellt: Wie ist es denn, wollt ihr Geld dazutun? Nein, nein, so haben wir das nicht gemeint. Was soll denn das Gerede? Wenn Sie einen höheren Nettobeitrag aus deutschen Finanzmitteln nach Europa transferieren wollen und wenn das Ihre neue und moderne Europapolitik sein soll, dann sagen Sie es bitte hier, damit wir alle wissen, woran wir sind.
Nun zur Frage: Was wollen Sie denn beim Einstimmigkeitsprinzip? Gibt es eine Alternative bei Ihnen? Sagen Sie bei irgendeinem Feld, bei dem der Bundeskanzler die Einstimmigkeit erhalten hat, dort müsse sie aufgegeben werden? Wollen Sie die Einstimmigkeit beim Asyl- und Zuzugsbereich nicht mehr? Sagen Sie es!
Aber ich bitte Sie: Fragen Sie vorher den Bundesrat und Ihre Innenminister, was sie Ihnen dazu sagen! Seien Sie so vernünftig und hören Sie in diesem Zusammenhang auf die Vernunft!
Ich frage noch einmal: Wo ist die Alternative? Worüber debattieren Sie hier eigentlich?
Denver war ein Meilenstein auf dem Weg zu dem Ziel, daß diese Welt besser zusammenarbeiten muß. Auch in dieser Frage sind Sie alternativlos. Wollten Sie in Denver etwas anderes erreichen?
Sie haben über New York und Denver gesagt, zu Hause sei noch nicht einmal das erreicht, was der Bundeskanzler dort eingefordert habe. Man kann darüber streiten, ob zu Hause schon genug passiert ist.
Aber der Bundeskanzler ist doch derjenige unter den Staatsmännern gewesen, der die richtige Forderung mit Abstand am weitesten nach vorne gebracht hat.
Sagen Sie doch einmal dazu etwas! Sie kritisieren den Bundeskanzler, der gesagt hat, daß sich da etwas ändern müsse, daß da etwas passieren müsse, und sagen kein Wort zu Amerika und Japan, die sich breit hingesetzt und gesagt haben: Mit uns nicht. Sie haben eine verengte Wahrnehmung. Sie sind so auf Kritik aus, daß Sie gar nicht mehr anders können. Man nennt das auch Scheuklappen. Sie können nicht mehr richtig hingucken.
Sie wissen nicht mehr, an welcher Stelle es richtig ist zu kritisieren, und an welcher Stelle es richtig ist zu loben. Eine der sieben Gaben des Heiligen Geistes, nämlich die der Unterscheidung, ist Ihnen leider abhanden gekommen.
Abschließend möchte ich noch einige Bemerkungen zum Reformstau machen. Herr Scharping, Sie haben sich in der Öffentlichkeit wiederholt auf den Bundespräsidenten Herzog berufen. Nur sein Amt verbietet ihm, sich mit Grausen abzuwenden, wenn er merkt, was Sie mit seiner Rede begründen wollen. Wenn der Bundespräsident von Reformstau redet, Herr Scharping, dann hat er insbesondere Ihre Fraktion und den Bundesrat vor Augen. Er darf es nur nicht sagen; sein Amt verbietet es ihm.
Es wäre hochinteressant, wenn er nach seiner Amtszeit, wenn er wieder frei ist, seine Memoiren schreiben würde und Sie dann nachlesen könnten, an wen er insbesondere gedacht hat, als er seine Rede gehalten hat. Das waren Sie; das waren wirklich Sie. Sie handeln in unverantwortlicher Weise.
Analysieren Sie einmal ganz nüchtern, wo das Problem in Deutschland zur Zeit wirklich liegt. Kein großes Industrieland dieser Welt hat eine zweite Kammer mit so massiven Eigeninteressen, mit einem so
Hartmut Schauerte
umfassenden Verfassungsrang wie Deutschland mit dem Bundesrat.
In einer Zeit des konzentrischen Angriffs auf diesen Standort, eines härter werdenden Wettbewerbs in der Welt verweigern Sie eine Veränderung, die notwendig ist, um elegant und ohne Schaden für unsere Volkswirtschaft auf diese Dinge reagieren zu können.
Das ist ein unverantwortlicher Umgang mit einem Verfassungsorgan, auf den wir deutlich hinweisen müssen. Wir müssen um diese Veränderungen kämpfen. Wenn wir sie weiter aufschieben, wenn wir weiter warten, wird die Zeche nicht der Reiche in Deutschland bezahlen, sondern der Arme. Der Sozialstaat wird die Finanzen nicht mehr zusammenbringen, weil wir nicht in der Lage waren, uns rechtzeitig umzustellen und das Nötige zu tun.
Die Wohlfahrtsstaaten befinden sich in bezug auf das Wachstum auf den hinteren Plätzen. Sie haben eine höhere Arbeitslosigkeit. Wir müssen die Reformen jetzt anpacken. Ändern Sie Ihre Position zur Steuerreform! Damit würden Sie einen guten Dienst tun. Überlegen Sie einmal, ob Sie die Kritik an den drei wichtigen Ereignissen in der Welt bzw. in Europa, nämlich in Amsterdam, in Denver und in New York, aufrechterhalten können. Überlegen Sie einmal, ob die Art und Weise, in der Sie die Debatte heute geführt haben, intelligent war.
Herzlichen Dank.