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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Plenarprotokoll 13/184 (Zu diesem Plenarprotokoll folgt ein Nachtrag) Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 184. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. Juni 1997 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Vizepräsidenten Hans-Ulrich Klose sowie des Abgeordneten Hans-Wilhelm Pesch . . 16519 A Wahl von sechs Mitgliedern für den Beirat beim Bundesbeauftragten gemäß § 39 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes 16519 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 16519 B Nachträgliche Ausschußüberweisung . 16520 C Begrüßung des Präsidenten der Nationalversammlung der Republik Ruanda, Herrn Joseph Sebarenzi Kabuye, und seiner Delegation 16536 C Tagesordnungspunkt 3: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1999 (Drucksachen 13/7480, 13/7917, 13/ 8022, 13/8023, 13/8024) 16520 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Barbara Höll und der Gruppe der PDS: Ersetzen der Kilometerpauschale bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch eine einheitliche Entfernungspauschale - zu dem Antrag der Abgeordneten Joachim Poß, Ingrid Matthäus-Maier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Für eine gerechte und einfache Einkommensbesteuerung - zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Oswald Metzger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einkommensteuerreform für Gerechtigkeit und Transparenz (Drucksachen 13/734, 13/3701, 13/ 7895, 13/8022, 13/8023) 16520 D c) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes (StRG) 1998 (Drucksachen 13/7242, 13/7775, 13/8020, 13/8021) 16521 A d) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung in den neuen Ländern (Drucksachen 13/7792, 13/8059, 13/ 8060) 16521 B e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag des Abgeordneten Werner Schulz (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aufbau Ost wirksam voranbringen (Drucksachen 13/5722, 13/7831) 16521 C f) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Anke Fuchs (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den wirtschaftlichen Aufbau Ostdeutschlands voranbringen (Drucksachen 13/4702, 13/7832) 16521 C g) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem An- trag der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Eine Zuspitzung der sozialen und wirtschaftlichen Krise in Ostdeutschland abwenden (Drucksachen 13/5732, 13/7833) 16521 D h) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Schulz (Berlin), Antje Hermenau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neue Impulse für den Aufbau Ost (Drucksachen 13/ 4946, 13/7836) 16521 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.-Ing. Paul Krüger, Gunnar Uldall, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Jürgen Türk, Dr. Karlheinz Guttmacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Aufbau Ost vorantreiben (Drucksachen 13/4979, 13/7834) . . . 16522 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Aufbau Ost - Chancen und Risiken für Deutschland und Europa (Drucksachen 13/5657, 13/7835) 16522 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag des Abgeordneten Gunnar Uldall und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Paul K. Friedhoff und der Fraktion der F.D.P.: Investieren in Deutschland (Drucksache 13/8047) 16522 B Gerda Hasselfeldt CDU/CSU 16522 B Detlev von Larcher SPD 16525 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16530 B Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . 16533 B, 16537 B Detlev von Larcher SPD 16535 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16536 D Dr. Barbara Höll PDS 16537 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 16539 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 16543 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 16548 B, 16554 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 16550 C Hans-Peter Repnik CDU/CSU . . . 16551 B Joachim Poß SPD 16551 D Rudolf Scharping SPD 16554 C Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16555 C Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . 16556 C Carl-Ludwig Thiele F.D.P. 16558 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 16559 A Jörg-Otto Spiller SPD 16560 D Dr. Christa Luft PDS 16562 A Dr. Gregor Gysi PDS 16563 A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 16565 D Wolfgang Ilte SPD 16567 C Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . 16569 D Dr. Barbara Hendricks SPD 16571 C Heinz-Georg Seiffert CDU/CSU . . . 16574 C Joachim Poß SPD 16576 A Peter Rauen CDU/CSU 16578 C Hans Michelbach CDU/CSU 16579 C Ilse Janz (Erklärung nach § 31 GO) . . 16580 D Namentliche Abstimmung über den Ent- wurf eines Steuerreformgesetzes 1999 . 16581 B Ergebnis 16581 D Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache 13/8048 . 16581 D Ergebnis 16584 B Namentliche Abstimmung über den Ent- wurf eines Steuerreformgesetzes 1998 . 16587 A Ergebnis 16588 A Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung straf-, ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 13/4948, 13/5986, 13/ 6668, 13/7956) 16590 D Erwin Marschewski CDU/CSU 16590 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD 16591 D Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16592 D Ulrich Irmer F.D.P 16593 C Ulla Jelpke PDS 16594 C Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . . . 16595 B Namentliche Abstimmung 16595 D Ergebnis 16597 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998) (Drucksachen 13/6392, 13/ 7588, 13/7589, 13/7886, 13/8019) . . . 16596 A Klaus-Jürgen Warnick PDS (Erklärung nach § 31 GO) 16596 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel '77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Absicherung der Wohnraummodernisierung und einiger Fälle der Restitution (Wohnraummodernisierungsgesetz) (Drucksachen 13/2022, 13/7275, 13/7568, 13/7957) 16596 C Hans-Jürgen Warnick PDS (Erklärung nach § 31 GO) 16596 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 13/7558, 13/8076, 13/8077) . . 16600A Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . 16600B, 16602D, 16612 C Susanne Kastner SPD 16600 D Ulrike Mascher SPD 16602 B Karl Hermann Haack (Extertal) SPD . . . 16603 A, 16610 A Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . . 16603 D Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16604 B Dr. Dieter Thomae F.D.P 16605 B, 16607 D Klaus Kirschner 16606 A Dr. Wolfgang Wodarg SPD 16606 B Dr. Ruth Fuchs PDS 16606 D Oswald Metzger BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN 16607B Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 16608A, 16611 A Halo Saibold BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16609 B Halo Saibold BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16610 C Antje-Marie Steen SPD 16611B Peter Dreßen SPD 16612 D Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache 13/8081 . 16613 B Ergebnis 16613 B Zusatztagesordnungspunkt 8: Wahlvorschlag der Fraktion der SPD: Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission gemäß § 4 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Drucksache 13/8041) 16616A Ergebnis der Wahl 16624 A Tagesordnungspunkt 15: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Begleitgesetzes zum Telekommunikationsgesetz (Drucksache 13/8016) . . 16616 C b) Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Ulrike Höfken und der Fraktion BOND-NIS 90/DIE GRÜNEN: Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den landwirtschaftlichen Altschulden (Drucksache 13/7709) . . 16616C c) Antrag der Abgeordneten Dr. Günther Maleuda, Eva Bulling-Schröter, Dr. Christa Luft, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsbeschwerde betreffend LPG-Altschulden (Drucksache 13/7903) 16616D d) Antrag der Abgeordneten Christoph Matschie, Michael Müller (Düsseldorf), Klaus Lennartz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Einrichtung eines Nationalparks Hainich im Rahmen des Thüringer Naturparks „Eichsfeld-Hainich-Werratal" (Drucksache 13/7820) 16616 D e) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bierstedt, Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Zum Endbericht des Technikfolgenabschätzung-Projektes „Auswirkungen moderner Biotechnologien auf Entwicklungsländer und Folgen für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern" (Drucksache 13/7902) 16617 A f) Antrag der Abgeordneten Volker Neumann (Bramsche), Wieland Sorge und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Gerd Poppe, Wolfgang Schmitt (Langenfeld) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik China (Drucksache 13/7943) 16617 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Für moderne Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Freizeit- und Tourismuswirtschaft (Drucksache 13/ 8045) 16617 B b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Christel Hanewinckel, Ingrid Holzhüter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung der Benachteiligung der Prostituierten (Drucksache 13/8049) . . . . 16617 B c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Rindfleischetikettengesetzes (Drucksache 13/8052) . . 16617 C Tagesordnungspunkt 16: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anwendung von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen (Fernsehsignalübertragungs-Gesetz) (Drucksachen 13/7337, 13/7939) 16617 C b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Seefischereigesetzes (Drucksachen 13/5739, 13/7843) . . . 16618A c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. Dezember 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über den Durchgangsverkehr von Exekutivorganen und die Durchbeförderung von Häftlingen (Drucksachen 13/7285, 13/8069) 16618B d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlagerung des Sitzes des Bundesverwaltungsgerichts von Berlin nach Leipzig (Drucksachen 13/2714, 13/7997, 13/7999) . . 16618 C e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Zustimmungsbedürftige Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) (Drucksachen 13/7761, 13/7855 Nr.2.1, 13/8008) 16618D f) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Einhundertvierunddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz (Drucksachen 13/7486, 13/7535 Nr.2, 13/7966) 16619A g) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Zweiundneunzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - (Drucksachen 13/7577, 13/7700 Nr. 2.1, 13/7967) 16619A h) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Manuel Kiper, Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umweltverträglicher Postverkehr (Drucksachen 13/7161, 13/7938) 16619B i) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Brigitte Adler, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reinheitsgebot bei Schokolade (Drucksachen 13/6536, 13/7844) . . . 16619C j) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Dietmar Schütz (Oldenburg), Michael Müller (Düsseldorf), Horst Sielaff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schutz von Mensch und Natur vor den Folgen der Überfischung der Meere (Drucksachen 13/ 3624, 13/1354, 13/2582, 13/7924) . . . 16619C k) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 1994/95 - zu dem Antrag der Abgeordneten Claus-Peter Grotz, Hartmut Koschyk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ina Albowitz, Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Standortbestimmung der Auswärtigen Kulturpolitik - zu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland - zu dem Antrag der Abgeordneten Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auswärtige Kulturpolitik: Den Standort neu bestimmen - den Stellenwert erhöhen (Drucksachen 13/3823, 13/4863, 13/4851, 13/4844, 13/7146) 16619D 1-p) Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 216, 217, 218, 219, 220 zu Petitionen (Drucksachen 13/7925, 13/7926, 13/7927, 13/7928, 13/7929) . . . . 16620 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Weitere abschießende Beratungen ohne Aussprache a-e) Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 221, 222, 223, 224, 225 zu Petitionen (Drucksachen 13/8063, 13/8064, 13/ 8065, 13/8066, 13/8067) 16621A f) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Abkommen vom 10. Juni 1996 zur Gründung einer Assoziation zwischen den im Rahmen der Europäischen Union handelnden Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Slowenien andererseits (Drucksachen 13/7447, 13/7965) . . . 16621 C Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Fraktion der SPD: NATO- Osterweiterung, Grundakte NATO- Rußland und die Zukunft der europäischen Sicherheit (Drucksache 13/8033) 16622 A b) Antrag der Abgeordneten Andrea Gysi, Heinrich Graf von Einsiedel, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: NATO-Osterweiterung und Europäische Friedensordnung (Drucksache 13/7297) 16622A c) Antrag der Abgeordneten Andrea Gysi, Heinrich Graf von Einsiedel, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Atomwaffenfreie Zone in Mittel-und Osteuropa (Drucksache 13/7889) . 16622A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Die neue NATO als Teil der europäischen Sicherheitsarchitektur (Drucksache 13/8046) 16622 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Ludger Volmer, Angelika Beer, Winfried Nachtwei, Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Erweiterung der NATO und eine gesamteuropäische Sicherheitsordnung (Drucksache 13/8074) 16622 B Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . 16622B Günter Verheugen SPD 16624 B Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16626 C Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . 16628 C Ulrich Irmer F.D.P 16629 B Andrea Gysi PDS 16631 A Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 16632 C Konrad Gilges SPD 16635 A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 16635 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16637 B Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . 16638A Gernot Erler SPD 16640 B Andreas Krautscheid CDU/CSU . . . 16642 A Tagesordnungspunkt 12: a) - Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption (Drucksachen 13/5584, 13/6425, 13/8079) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze - Korruptionsbekämpfungsgesetz - (Drucksachen 13/3353, 13/ 8079) 16644 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Hofmann (Volkach), Allred Hartenbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Maßnahmen zur Bekämpfung der nationalen und internationalen Korruption (Drucksachen 13/4118, 13/8079) . 16644 B Norbert Geis CDU/CSU . . . . 16644 C, 16653 D Alfred Hartenbach SPD 16645 D Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16647 C Jörg van Essen F.D.P. 16648 D Maritta Böttcher PDS 16649D, 16651 D Erwin Marschewski CDU/CSU 16650D, 16652 B Frank Hofmann (Volkach) SPD 16652B, 16654 A Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 16654 C Tagesordnungspunkt 5: a) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Mit einem Nachtragshaushalt die Arbeitslosigkeit be- kämpfen und den Bundeshaushalt auf eine solide Basis stellen (Drucksachen 13/6903, 13/7542) 16656B b) Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Arbeitsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit und der Arbeitsämter wieder herstellen (Drucksache 13/7521) 16656B Karl Diller SPD 16656 C Dr. Hermann Kues CDU/CSU 16658 A Dr. Christa Luft PDS 16658 C Eckart Kuhlwein SPD 16658 D Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16661A, 16664 D Dr. Christa Luft PDS 16662 A Irmgard Karwatzki, Parl. Staatssekretärin BMF 16663 A Dr. Konstanze Wegner SPD 16665 A Tagesordnungspunkt 6: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Berufsbildungsbericht 1997 (Drucksache 13/7607) 16666 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Reformprojekt Berufliche Bildung - Flexible Strukturen und moderne Berufe (Drucksache 13/7625) . 16666 C c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Antje Hermenau, Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Gila Altmann (Aurich), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Bundesgesetzes zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft (Umlagefinanzierungsgesetz) (Drucksache 13/7821) 16666C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von den Abgeordneten Maritta Böttcher, Rosel Neuhäuser und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur solidarischen Ausbildungsfinanzierung (Ausbildungsfinanzierungsgesetz) (Drucksache 13/8040) . . 16666 D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 16666 D Günter Rixe SPD 16668 B Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU . . . 16668D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16670D Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . 16672 A Günter Rixe SPD 16673C, 16679 B Christian Lenzer CDU/CSU 16673 D Maritta Böttcher PDS 16674 A Werner Lensing CDU/CSU . . . 16675B, 16676 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16676 C Tilo Braune SPD 16677 A Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/ CSU 16678 B Franz Thönnes SPD 16679 D Werner Lensing CDU/CSU 16680 B Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU . . . 16681 B Elke Wülfing, Parl. Staatssekretärin BMBF 16682 A Franz Thönnes SPD 16682 C Tagesordnungspunkt 7: a) - Zweite und dritte Beratung des von dem Abgeordneten Volker Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Wohnung für den hinterbliebenen Lebenspartner (Drucksachen 13/847, 13/3595) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme der gemeinsamen Wohnung nach Todesfall der Mieterin/des Mieters oder der Mitmieterin/des Mitmieters (Drucksachen 13/2355, 13/3595) 16684 C b) Große Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bürgerrechtssituation von Schwulen und Lesben in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich mit der rechtspolitischen Entwicklung in den Nachbarländern (Drucksachen 13/ 2719, 13/5456) 16684 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16684 D Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 16685 D Klaus-Jürgen Warnick PDS 16686 D Margot von Renesse SPD 16687 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 16688 C Christina Schenk PDS 16689 B Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 16690 A Klaus-Jürgen Warnick PDS 16690 B Tagesordnungspunkt 14: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Christa Luft, Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Erhalt des Wohnblockes Luisenstralle/Ecke Schiffbauerdamm in der Bundeshauptstadt Berlin (Drucksache 13/7826) . . 16691 A b) Antrag der Abgeordneten Dr. Christa Luft, Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Gregor Gysi, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Verantwortung des Bundes für den Erhalt des Palastes der Republik sowie für die Gestaltung des Bereiches „Mitte Spreeinsel" in der Bundeshauptstadt Berlin (Drucksache 13/7827) 16691 B c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hauptstadtverkehrsplanung Berlin - Bundespolitisches Stoppsignal für den Lehrter Zentralbahnhof und den Tiergartentunnel (Drucksachen 13/365, 13/4757) . . . 16691 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Dr. Jürgen Rochlitz, Werner Schulz (Berlin), Christa Nickels und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erhalt des „Platzes der Republik" (Drucksache 13/8043) . . . 16691 C Klaus Jürgen Warnick PDS 16691 C Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung im Baugewerbe (Drucksache 13/8038) 16693 C b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in Baubetrieben (Drucksache 13/7507) 16693 C Zusatztagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Drucksache 13/8034) 16693 D , Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Zöpel, Freimut Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Unterrichtung des Deutschen Bundestages über internationale Vereinbarungen mit besonderer Bedeutung für die Ausländer-, Asyl- und Menschenrechtspolitik (Drucksache 13/7923) 16693 D Zusatztagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Amke Dietert-Scheuer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aussetzung des Rückübernahmeabkommens mit Algerien (Drucksache 13/8037) . . . . 16694 A Zusatztagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Neuntes SGB V-Änderungsgesetz - 9. SGB V-ÄndG) (Drucksache 13/8039) 16694 C Zusatztagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksache 13/8035) 16694 C Zusatztagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika Knoche, Marieluise Beck (Bremen), Annelie Buntenbach, Andrea Fischer (Berlin), Irmingard Schewe-Gerigk, Marina Steindor und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Grundsätze zur gesetzlichen Regelung der Berufe der Psychologischen Psychotherapie und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (Drucksache 13/ 8087) 16694 C Nächste Sitzung 16694 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16695' A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Christa Nickels, Angelika Beer, Irmingard Schewe-Gerigk und Dr. Antje Vollmer (alle BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur namentlichen Schlußabstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz) in der 183. Sitzung (Seite 16401B und 16456C) . 16695* C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Aus- schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung straf-, ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften (Zusatztagesordnungspunkt 4) 16695* D Dr. Max Stadler und Hildebrecht Braun (Augsburg) (beide F.D.P) 16695* D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . . 16696* B Anlage 4 Berichterstattung des Abgeordneten Dr. Heribert Blens (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuches und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998) (Zusatztagesordnungspunkt 5) 16696* C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heidemarie Lüth (PDS) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses zur Sammelübersicht 220 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 16p) 16697' A Anlage 6 Liste der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission gem. § 4 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes teilgenommen haben 16697* C Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 12a (Korruptionsbekämpfungsgesetz) Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär BM V 16699* D Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 5 (a - Antrag: Mit einem Nachtragshaushalt die Arbeitslosigkeit bekämpfen und den Bundeshaushalt auf eine solide Basis stellen, b - Antrag: Die Arbeitsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit und Arbeitsämter wieder herstellen) Ina Albowitz F.D.P. 16701* B Anlage 9 Betr.: namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - § 177 bis 179 StGB (Tagesordnungspunkt 8) in der 175. Sitzung am 15. Mai 1997 (Seite 15800) 16702* C 184. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. Juni 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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      Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich zunächst unserem Kollegen und Vizepräsidenten Hans-Ulrich Klose vom Präsidium aus ganz herzlich zum 60. Geburtstag gratulieren, den er am 14. Juni feierte. (Beifall) Herzlichen Glückwunsch und alles Gute! Ebenso gratuliere ich dem Kollegen Hans-Wilhelm Pesch, der am 19. Juni ebenfalls seinen 60. Geburtstag beging, nachträglich ganz herzlich. (Beifall) Nun komme ich zu den amtlichen Mitteilungen. Nach § 39 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes sind für den Beirat beim Bundesbeauftragten sechs Mitglieder neu zu wählen. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt hierfür die Abgeordneten Hartmut Büttner (Schönebeck) und Hartmut Koschyk sowie Herrn Jürgen Fuchs aus Berlin vor. Die Fraktion der SPD benennt Herrn Professor Richard Schröder, den Kollegen Rolf Schwanitz und übereinstimmend mit dem Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Ulrike Poppe. Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Das ist der Fall. Damit sind die genannten Personen als Mitglieder des Beirats beim Bundesbeauftragten gemäß § 39 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes gewählt. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die Ihnen vorliegenden Punkte auf der Zusatzpunktliste zu erweitern: 1. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.-Ing. Paul Krüger, Gunnar Uldall, Dr. Hermann Pohler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Jürgen Türk, Dr. Karlheinz Guttmacher, Dr. Rainer Ortleb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Aufbau Ost vorantreiben - Drucksachen 13/4979, 13/7834 - 2. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Aufbau Ost - Chancen und Risiken für Deutschland und Europa - Drucksachen 13/5657, 13/7835 - 3. Beratung des Antrags des Abgeordneten Gunnar Uldall und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Paul K. Friedhoff und der Fraktion der F.D.P.: Investieren in Deutschland - Drucksache 13/8047 - 4. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung straf-, ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften - Drucksachen 13/4948, 13/5986, 13/6668, 13/7956 - 5. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauRog) - Drucksachen 13/6392, 13/7588, 13/7589, 13/7886, 13/8019 - 6. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Absicherung der Wohnraummodernisierung und einiger Fälle der Restitution (Wohnraummodernisierungssicherungesetz - WoModSiG) - Drucksachen 13/2022, 13/7275, 13/7568, 13/7957 - 7. Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGV VI - ÄndG) - Drucksachen 13/7558, 13/8076, 13/8077 - 8. Wahlvorschlag der Fraktion der SPD: Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission gemäß § 4 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes - Drucksache 13/8041- 9. Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 15) a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Für moderne Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Freizeit- und Tourismuswirtschaft - Drucksache 13/ 8045 - b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Christel Hanewinckel, Ingrid Holzhüter, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung der Benachteiligung der Prostituierten - Drucksache 13/8049 - c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Rindfleischetikettierungsgesetzes - Drucksache 13/8052 - 10. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 16) a) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß): Sammelübersicht 221 zu Petitionen - Drucksache 13/8063 - b) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß): Sammelübersicht 222 zu Petitionen - Drucksache 13/8064 - Präsidentin Dr. Rita Süssmuth c) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß): Sammelübersicht 223 zu Petitionen - Drucksache 13/8065 - d) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß): Sammelübersicht 224 zu Petitionen - Drucksache 13/8066- e) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß): Sammelübersicht 225 zu Petitionen - Drucksache 13/8067 - f) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Abkommen vom 10. Juni 1996 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Im Rahmen der Europäischen Union handelnden Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Slowenien andererseits - Drucksachen 13/7447,13/7965 (Erste Beratung 175. Sitzung) 11. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Die neue NATO als Teil der europäischen Sicherheitsarchitektur - Drucksache 13/8046 - 12. Beratung des Antrags der Abgeordneten Ludger Volmer, Angelika Beer, Winfried Nachtwei, Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Erweiterung der NATO und eine gesamteuropäische Sicherheitsordnung - Drucksache 13/8074 - 13. Erste Beratung des von den Abgeordneten Maritta Böttcher, Rosel Neuhäuser und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur solidarischen Ausbildungsfinanzierung (Ausbildungsfinanzierungsgesetz) - Drucksache 13/8040- 14. Beratung des Antrags der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Dr. Jürgen Rochlitz, Werner Schulz (Berlin), Christa Nickels und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erhalt des Palastes der Republik" - Drucksache 13/ 8043 - 15. Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Entlastung der Versicherten und der Unternehmen von Lohnzusatzkosten - Drucksache 13/8042 - 16. Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen - Drucksache 13/8034 - 17. Beratung des Antrags der Abgeordneten Amke Dietert-Scheuer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aussetzung des Rückübernahmeabkommens mit Algerien - Drucksache 13/8037 - 18. Beratung des Antrags der Abgeordneten Rudolf Dreßler, Ulrike Mascher, Ottmar Schreiner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Strukturreform statt Leistungskürzungen in der Alterssicherung - Drucksache 13/8032 - 19. Beratung des Antrags der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin) Marieluise Beck (Bremen), Matthias Beminger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den Generationenvertrag neu verhandeln - Drucksache 13/8036 - 20. Beratung des Antrags der Gruppe der PDS: Rentenversicherung stabilisieren und Reform 2000 vorbereiten - Drucksache 13/8044 - 21. Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Haltung der Bundesregierung zu möglichen atomaren Verseuchungen des Meerwassers bei La Hague durch die Wiederaufbereitung deutschen Atommülls Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden. Des weiteren ist interfraktionell vereinbart worden, die beiden Gesetzentwürfe der Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P. zur der Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - es betrifft die Jugendpsychiatrie - sowie den Entwurf eines Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten auf 1 den Drucksachen 13/8039 und 13/8035 am Schluß der heutigen Tagesordnung zu beraten. Darüber hinaus soll die Beratung des Rentenreformgesetzes auf Freitag nach der Regierungserklärung und der darauf folgenden Aussprache verschoben werden. Die Tagesordnungspunkte „NATO-Osterweiterung" sowie „Korruptionsbekämpfungsgesetz" sollen bereits heute nach den Punkten ohne Debatte aufgerufen werden. Die Vorlagen zu Tagesordnungspunkt 14 sollen ebenfalls heute nach Punkt 7 beraten werden. Außerdem mache ich auf eine nachträgliche Ausschußüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam: Der in der 182. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Juni 1997 überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll nachträglich zusätzlich dem Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus zur Mitberatung überwiesen werden: Gesetzentwurf des Bundesrates zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit - Drucksache 13/6398 - überwiesen: Rechtsausschuß (federführend) Ausschußfür Fremdenverkehr und Tourismus Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Das ist der Fall. Dann verfahren wir entsprechend. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 h sowie die Zusatzpunkte 1 bis 3 auf: 3. a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1999 - Drucksachen 13/7480, 13/7917 - (Erste Beratung 173. und 181. Sitzung) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuß) - Drucksachen 13/8022, 13/8023 - Berichterstattung: Abgeordnete Gisela Frick Gerda Hasselfeldt Dr. Barbara Höll Detlev von Larcher Christine Scheel bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 13/8024 - Berichterstattung: Abgeordnete Karl Diller Oswald Metzger Peter Jacobi Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuß) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Barbara Höll und der Gruppe der PDS Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Ersetzen der Kilometerpauschale bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch eine einheitliche Entfernungspauschale - zu dem Antrag der Abgeordneten Joachim Poß, Ingrid Matthäus-Maier, Edelgard Bulmahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Für eine gerechte und einfache Einkommensbesteuerung - zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Oswald Metzger, Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einkommensteuerreform für Gerechtigkeit und Transparenz - Drucksachen 13/734, 13/3701, 13/7895, 13/8022, 13/8023 - Berichterstattung: Abgeordnete Gisela Frick Gerda Hasselfeldt Dr. Barbara Höll Detlev von Larcher Christine Scheel c) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes (StRG) 1998 - Drucksachen 13/7242, 13/7775 -(Erste Beratung 167. und 178. Sitzung) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuß) - Drucksache 13/8020 - Berichterstattung: Abgeordnete Gisela Frick Gerda Hasselfeldt Dr. Barbara Höll Detlev von Larcher Christine Scheel bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 13/8021 - Berichterstattung: Abgeordnete Karl Diller Oswald Metzger Peter Jacoby Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) d) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung in den neuen Ländern - Drucksache 13/7792 - (Erste Beratung 179. Sitzung) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuß) - Drucksache 13/8059 - Berichterstattung: Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig Gisela Frick Wolfgang Ilte Dr. Uwe-Jens Rössel Gerhard Schulz (Leipzig) bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 13/8060- Berichterstattung: Abgeordnete Karl Diller Oswald Metzger Adolf Roth (Gießen) Ina Albowitz e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu dem Antrag des Abgeordneten Werner Schulz (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aufbau Ost wirksam voranbringen - Drucksachen 13/5722, 13/7831 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Hermann Pohler f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Anke Fuchs (Köln), Wolfgang Thierse, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Den wirtschaftlichen Aufbau Ostdeutschlands voranbringen - Drucksachen 13/4702, 13/7832- Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Hermann Pohler g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Ernst Bahr, Wolfgang Behrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Eine Zuspitzung der sozialen und wirtschaftlichen Krise in Ostdeutschland abwenden - Drucksachen 13/5732, 13/7833 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Hermann Pohler h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Schulz (Berlin), Antje Hermenau, Vera Lengsfeld, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Neue Impulse für den Aufbau Ost - Drucksachen 13/4946, 13/7836 - Berichterstattung: Abgeordnete Sabine Kaspereit ZP1 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.-Ing. Paul Krüger, Gunnar Uldall, Dr. Hermann Pohler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Jürgen Türk, Dr. Karl-Heinz Guttmacher, Dr. Rainer Ortleb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. Aufbau Ost vorantreiben - Drucksachen 13/4979, 13/7834 - Berichterstattung: Abgeordnete Sabine Kaspereit ZP2 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Aufbau Ost - Chancen und Risiken für Deutschland und Europa - Drucksachen 13/5657, 13/7835 - Berichterstattung: Abgeordneter Jürgen Türk ZP3 Beratung des Antrags des Abgeordneten Gunnar Uldall und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Paul K. Friedhoff und der Fraktion der F.D.P. Investieren in Deutschland - Drucksache 13/8047 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Auswärtiger Ausschuß Haushaltsausschuß Dazu liegen vier Entschließungsanträge und ein Änderungsantrag vor. Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt drei namentliche Abstimmungen durchführen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache vier Stunden vorgesehen. - Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Hasselfeldt. Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir schließen heute die parlamentarischen Beratungen zu einer Reform ab, die notwendig ist und die geeignet ist, die Bedingungen für mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze in Deutschland zu verbessern. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ein echtes Jahrhundert- werk! - Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die größte Steuerreform der Geschichte!) Auch die Anhörung im Finanzausschuß hat uns vor wenigen Wochen deutlich gemacht: Diese Reform wird in ihrer Gesamtheit dazu führen, daß ausländische Investoren (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh!) wieder nach Deutschland zurückkehren. Sie wird dazu führen, daß inländische Investoren ihr Kapital in Deutschland lassen, und sie wird damit dazu führen, daß wieder Arbeitsplätze geschaffen werden und daß Arbeitsplätze in Deutschland erhalten werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Münchener Lach- und Schießgesellschaft geht an die Börse! Das ist das einzige!) Meine Damen und Herren, im Mittelpunkt der Reform steht die deutliche Senkung der Steuersätze für die Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer. Mit der Senkung des Eingangssteuersatzes von jetzt 25,9 Prozent auf 15 Prozent wird der Anreiz für die Aufnahme von Arbeit erhöht. Außerdem werden gerade auch die Bezieher unterer Einkommen deutlich entlastet. Nicht minder wichtig und nicht minder notwendig und richtig ist die Senkung des Spitzensteuersatzes für nichtgewerbliche Einkünfte auf 39 Prozent. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß das nicht, wie gelegentlich der Eindruck erweckt wird, nur die sogenannten Privateinkünfte sind, sondern daß damit zum Beispiel auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, aus Land-und Forstwirtschaft und nicht zuletzt auch die Einkünfte der Freiberufler, also der Ärzte, Rechtsanwälte usw., verbunden sind. Dahinter, meine Damen und Herren, stehen auch Ausbildungsplätze, stehen auch Arbeitsplätze. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) In diesem Zusammenhang ist nicht zu vergessen, daß die Spreizung, die Differenz zwischen dem Höchststeuersatz bei den gewerblichen und dem bei den nichtgewerblichen Einkünften, nur eine gewisse Breite haben darf. Sie ist nämlich nur darin begründet, daß die einen Gewerbesteuer zahlen und die anderen nicht. Dies müssen wir nicht nur bei den jetzigen Beratungen, sondern natürlich auch bei den künftigen Beratungen im Vermittlungsausschuß im Auge behalten. Gerda Hasselfeldt Ein dritter Punkt ist ausschlaggebend für die Senkung des Spitzensteuersatzes: Es sind auch gutverdiendende und international tätige Arbeitnehmer in hochqualifizierten Berufen betroffen. International tätige Unternehmen überlegen sich sehr genau, ob sie ihre Manager in ein Land mit hohen Steuersätzen schicken wie beispielsweise nach Deutschland oder in Länder mit niedrigen Steuersätzen wie Großbritannien oder die Niederlande und ob sie von dort aus operieren. Auch mit diesen Standortentscheidungen sind Arbeitsplätze verbunden, nicht nur für diese Manager, sondern auch für andere. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Deshalb müssen wir uns bei der Gestaltung des Spitzensteuersatzes für die nichtgewerblichen Einkünfte auch an international üblichen Steuersätzen orientieren. Hier ist kein Platz für eine Neiddiskussion, sondern dies müssen wir nach sachlichen Kriterien und nach den ökonomischen Notwendigkeiten entscheiden. Daran geht kein Weg vorbei. Für den Standort Deutschland von ganz entscheidender Bedeutung ist natürlich die Senkung der Körperschaftsteuer und die Senkung des Steuersatzes für die gewerblichen Einkünfte. Wir wollen dies schon in einem ersten Schritt zum 1. Januar 1998 bewerkstelligen. Auch hier haben die Anhörungen gezeigt, daß für die in- und ausländischen Investoren der nominale Steuersatz eine erhebliche, eine enorme Signalwirkung hat. Es kommt bei den Investitionsentscheidungen nicht darauf an, wie viele und welche Sondervergünstigungen, Sondertatbestände und Ausnahmetatbestände vorhanden sind, sondern es kommt auf die international vergleichbaren nominalen Steuersätze an. (Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]) Deshalb ist der Weg richtig: Weg mit den Sonderregelungen, runter mit den Steuersätzen! (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Nun hat auch die SPD in ihrem Programm, das sie zwar nicht als Gesetzentwurf eingebracht hat, aber immerhin als Beschluß eines Parteiorgans, die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes vorgesehen, allerdings nur für einbehaltene Gewinne. Ich möchte dies ausdrücklich anerkennen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Aha!) Aber er ist unzureichend. Er ist einmal deshalb unzureichend, weil die ausgeschütteten Gewinne nicht mit einbezogen sind, und er ist vor allem deshalb unzureichend, weil Sie den Einkommensteuersatz für die gewerblichen Einkünfte nicht mit einbezogen haben. Wir haben in Deutschland 90 Prozent der Unternehmen als Personengesellschaften organisiert. Diese wären von der Senkung des Körperschaftsteuersatzes nicht betroffen. Nun sehen Sie für diese eine sogenannte Optionsmöglichkeit vor, und dies - erlauben Sie mir das zu sagen, meine Damen und Herren - ist absoluter Schwachsinn. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir hatten dies in den Jahren 1951 bis 1953 ja schon einmal. Es hat sich herausgestellt, daß es nicht praktikabel ist, daß es viel zu kompliziert und nicht sachgerecht ist. Es ist aus guten Gründen sehr schnell wieder abgeschafft worden, und wir wären von allen guten Geistern verlassen, wenn wir das, was sich einmal als nicht praktikabel, als unsinnig herausgestellt hat, wieder einführen würden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die guten Geister haben euch verlassen! - Joachim Poß [SPD]: Nein, die guten Geister können sie gar nicht mehr verlassen!) Deshalb haben wir aus guten Gründen an den Tarifsenkungen für die Lohnsteuer-, für die Einkommensteuer- und für die Körperschaftsteuersätze so festgehalten. Wir haben in den Ausschußberatungen nichts geändert. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Edmund, Edmund!) Nun ist verständlich, daß der Abbau von bisherigen Vergünstigungen, von Ausnahmen, von Freibeträgen, von Sondervergünstigungen und ähnlichem bei all denen, die heute davon profitieren, nicht gerade mit Freude aufgenommen wird. Aber, meine Damen und Herren, eine Reform wie diese kann man nicht nur danach beurteilen, ob sie jedem einzelnen zusätzliche Vorteile bringt, sondern sie muß danach beurteilt werden, ob sie den Bedingungen, die wir stellen, gerecht wird, ob sie Impulse am Arbeitsmarkt bringt, ob sie für mehr Beschäftigung im Land sorgt, ob sie für mehr Gerechtigkeit im Steuersystem sorgt, und diesen Anforderungen wird diese Reform gerecht. Es ist natürlich auch unseriös, wenn die Maßnahmen zur Abschaffung dieser Sondervergünstigungen, wenn die Maßnahmen zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage nur einseitig bewertet und nicht im Zusammenhang mit den Tarifsenkungen gesehen werden. Nur gemeinsam wird ein Schuh draus, nur gemeinsam! (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Dann haben wir während der Ausschußberatungen eine Reihe von Regelungen präzisiert, auch verbessert. Ich nenne nur einige wichtige. Die erste ist die Änderung der Besteuerung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge. Ich erinnere dabei daran, daß es nicht nur die Union und die Freien Demokraten waren und sind, die eine Besteuerung dieser Zulagen für gerecht und notwendig erachten, sondern es hat auch Papiere und noch bis vor kurzem Äußerungen der Sozialdemokraten gegeben, (Zuruf von der SPD: Welcher?) die genau in die Richtung gingen, daß nämlich die Besteuerung dieser Zuschläge als gerecht und als notwendig erachtet wird. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und der Vatikan auch!) Gerda Hasselfeldt Es ist auch der Grundansatz richtig, daß für die erschwerte Arbeit zusätzliches Entgelt gezahlt wird. Aber die Frage ist berechtigt, ob dieses zusätzliche Entgelt, das gezahlt wird, auch noch steuerfrei sein muß, ob das im Steuerrecht etwas zu suchen hat oder ob es nicht besser im Tarifrecht aufgehoben ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Deshalb war auch unser Ansatz richtig, der besagt: grundsätzlich Besteuerung dieser Zuschläge und natürlich Konsequenzen daraus für die Tarifpartner. Daß dies nicht so schnell geschehen kann, ist einsichtig. Deshalb haben wir uns auch dafür entschieden, dies nicht sofort, in einem Schritt, sondern in mehreren Schritten zu realisieren. Das heißt, die Besteuerung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge wird erst ab dem Jahr 2003 voll wirksam und in dieser Zeit in Stufen realisiert werden. Ich denke, daß diese Entscheidung den Erfordernissen sowohl der betroffenen Arbeitnehmer als auch der betroffenen Arbeitgeber gerecht wird. Es hat auch viele Diskussionen über die Besteuerung der Erträge aus Kapitallebensversicherungen gegeben. Grundsätzlich war der Ansatz richtig, diese Anlageformen mit anderen Sparanlageformen gleichzustellen. In der Diskussion hat sich dann herausgestellt, daß Schwierigkeiten bei der Behandlung bereits bestehender Verträge bestehen. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, die Kapitallebensversicherungen - wie andere Versicherungen auch - in die Versicherungssteuer mit einzubeziehen. Das hat den Vorteil, daß nur zukünftige Prämien erfaßt werden. Wir haben dann noch eine Reihe von Änderungen bei anderen Sozialleistungen - beispielsweise bei Lohnersatzleistungen, beim Mutterschaftsgeld, bei Entlassungsabfindungen, bei der Landwirtschaft - vorgesehen, damit die sozialen Härten abgefedert werden. Dabei haben wir aber immer an dem Grundsatz festgehalten, zu niedrigeren Steuersätzen, einem Abbau von Sondervergünstigungen und einer deutlichen Nettoentlastung zu kommen; dies wird nach wie vor erreicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) In den letzten Tagen sind nun einige Maßnahmen zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert worden, insbesondere die Einschränkungen beim Verlustvor- und -rücktrag. Deshalb will ich einige Sätze dazu sagen. Zunächst einmal etwas zur Klarstellung: Nicht davon betroffen ist die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten unterschiedlicher Einkunftsarten im jeweiligen Veranlagungszeitraum. Das ist etwas völlig anderes. Das ist übrigens etwas, was die Sozialdemokraten in ihrem Papier gefordert haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Nach unserem Vorschlag bleibt es dabei, daß entstandene Verluste in andere Jahre vorgetragen und auf ein Jahr zurückgetragen werden können. Beim Vortrag wird nicht abgekappt, sondern zeitlich gestreckt. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) Ich will auch darauf hinweisen, daß es eine so großzügige Regelung wie die jetzige nicht schon immer gegeben hat, sondern daß beispielsweise der Verlustvortrag noch bis 1990 auf fünf Jahre begrenzt war. Wir schaffen keine Begrenzung, sondern nur eine zeitliche Verschiebung. Die Kritik ist also wirklich unberechtigt. (Joachim Poß [SPD]: Wo Sie recht haben, da haben Sie recht!) - Da habe ich auch recht; das ist völlig richtig. (Joachim Poß [SPD]: Ja, da stimmen wir ja auch zu!) Sie haben ja auch mitgestimmt. Das Problem ist nur das einiger weniger und nicht der gesamten Wirtschaft. (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Wir wissen, daß zur Realisierung dieses Gesetzes die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, wird Edmund Stoiber zustimmen?) Deshalb haben wir uns in einer eigenen Anhörung mit den SPD-Vorschlägen auseinandergesetzt. Das Ergebnis dieser Anhörung war für die SPD ernüchternd; es war fast vernichtend. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig! - Detlev von Larcher [SPD]: Das möchten Sie gerne!) Die Mehrheit der Sachverständigen hat uns eindeutig bestätigt - lesen Sie es nach -: (Joachim Poß [SPD]: Lesen Sie doch mal vor!) Erstens. Das Konzept ist eine reine Umverteilungspolitik zu Lasten derjenigen, die Arbeitsplätze schaffen sollen, nämlich zu Lasten der Unternehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Zweitens. Dieses Konzept schafft keinen zusätzlichen Arbeitsplatz. Drittens wurde bestätigt, daß es der falsche Weg ist, einseitig auf eine Stärkung der Massenkaufkraft zu setzen, wie es das SPD-Konzept vorsieht. Viertens wurde bestätigt, daß es genauso falsch ist, Lohnnebenkosten nur in Verbindung mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Mineralölsteuer zu senken, wie Sie es vorsehen. Das Ergebnis war also eindeutig. (Detlev von Larcher [SPD]: Nein! Das möchten Sie gern!) Unser gemeinsamer Auftrag ist ein anderer. Er besteht nicht in einer Umverteilungs- und Verteilungspolitik, sondern unser gemeinsamer Auftrag ist es, die Steuerstruktur und die Wettbewerbsbedingungen für unsere Wirtschaft zu verbessern und alle Steuerpflichtigen zu entlasten. Dies erreichen wir mit Gerda Hasselfeldt unserem Vorschlag und nicht mit dem Vorschlag der Sozialdemokraten. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wissen Sie, auch wir würden gern das Kindergeld erhöhen, (Dr. Peter Struck [SPD]: Das glaube ich nicht!) wenn genügend Haushaltsmittel vorhanden wären; das ist überhaupt keine Frage. Wir haben das übrigens auch getan. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig, wir haben das beschlossen!) Was die Diskussion in diesem Hause über eine Stärkung der Familien und eine Verbesserung des Familienleistungsausgleichs angeht, so ist klar, wer dabei als Sieger herauskommt, wer in der Vergangenheit das meiste für die Familien getan hat. (Joachim Poß [SPD]: Ja, wer denn? Wer hat denn die 200 Mark durchgesetzt? Das ist doch eine Unverfrorenheit!) Das waren nicht Sie, sondern das waren wir. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Aber wissen Sie, wichtiger als 30 DM monatlich mehr Kindergeld ist uns, daß die Eltern dieser Kinder eine Arbeit haben. Darum geht es. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Auch uns liegt daran, die Lohnnebenkosten zu senken - das haben wir immer gesagt; es ist ein großes, wichtiges Ziel -, (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber im Moment erhöhen Sie sie!) aber nicht durch eine bloße Umfinanzierung von der Abgaben- auf die Steuerseite, (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie werden doch jedes Jahr erhöht!) sondern immer in Verbindung mit einer deutlichen und nachhaltigen Strukturreform der Sozialversicherung. Ohne das geht es nicht, weil Sie die Dynamik der Sozialversicherung nicht in den Griff bekommen. Es nützt doch nichts, nur kurzfristig von der einen auf die andere Seite zu schieben und im nächsten Jahr dann auf Grund der strukturellen Situation, auf Grund der Dynamik im System wieder zusätzliche Abgaben zu haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir müssen beides senken: die Abgaben und die Steuern. Die Gesamtbelastung und die Steuerquote sind zu hoch. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!) Deshalb muß an beides herangegangen und darf nicht nur umgeschichtet werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Jetzt stellt sich die spannende Frage: Was steht dann im Gesetzblatt? Die Erwartungen der Bevölkerung und auch der Wirtschaft sind groß. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Nein, die Bürger erwarten von Ihnen nichts mehr!) Meine Damen und Herren, die Zeit drängt. Wir haben in kurzer Zeit ein Konzept auf den Tisch gelegt und es zügig und intensiv beraten. Die Grundlagen für die Beratungen im Bundesrat liegen deutlich vor. Weil die Zeit drängt, ist es notwendig, daß auch der Bundesrat möglichst rasch seine Entscheidung trifft und daß hier keine taktischen Spielchen veranstaltet werden. (Dr. Peter Struck [SPD]: Machen wir ja auch nicht!) Die Leute haben ein Recht darauf, daß die Probleme gelöst werden. Sie haben auch ein Recht darauf, daß sie klar, schnell und richtig gelöst werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Lassen Sie mich dazu noch ein Zweites sagen: Der Bundesrat ist ein Verfassungsorgan. Er ist kein Parteiorgan. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Der Bundestag aber auch nicht!) Er sollte deshalb nicht für parteitaktische oder ideologische Spielchen mißbraucht werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Detlev von Larcher [SPD]: Was machen Sie denn heute mit dem Bundestag?) Deshalb appelliere ich an Sie, die Opposition und die Mehrheit im Bundesrat: Geben Sie Ihre Blockadehaltung auf. Arbeiten Sie konstruktiv an dieser Steuerreform mit. Die Bevölkerung, die Menschen in diesem Land, die Arbeitslosen, diejenigen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, alle Menschen in diesem Land werden es Ihnen danken. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht der Abgeordnete Detlev von Larcher. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Detlev von Larcher (SPD): Ich freue mich, daß Sie mich so freundlich begrüßen. Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ein Eindruck durchzieht alle Beratungen im Finanzausschuß und auch die heutigen: Noch nie ist eine Bundesregierung so verantwortungslos mit den Staatsfinanzen umgegangen wie diese. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Vor noch nicht einmal sechs Wochen hat die Steuerschätzung Mindereinnahmen von fast 20 Milliarden DM in diesem Jahr und von jeweils über 30 Milliar- Detlev von Larcher den DM für die Jahre 1998 bis 2000 ergeben. Dennoch wollen Sie heute mit Ihrer Mehrheit ein Gesetz beschließen, das Jahr für Jahr ab 1999 weitere 45 Mil-harden DM an Steuerausfällen verursachen würde. Da faßt sich doch jeder vernünftige Mensch an den Kopf. (Beifall bei der SPD) So etwas ist keine Steuerreform, so etwas ist die bewußte Täuschung der Bevölkerung. (Beifall bei der SPD) Seriöse Finanzpolitik ist schon lange nicht mehr Ihr Ding. Sie verfahren nach dem Prinzip: Nach uns die Sintflut. Denn die Suppe, die Sie heute kochen, werden Sie nicht mehr auslöffeln müssen. (Dr. Peter Struck [SPD]: So ist das! Leider!) Wäre da nicht der Bundesrat, würden Sie heute bestimmt nicht so beschließen, wie Sie es vorhaben. Ich mag nämlich nicht glauben, was ich da und dort bereits gehört habe, daß Sie so skrupellos sind, bewußt den Staatsbankrott herbeiführen zu wollen. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Sie verlassen sich darauf, daß die SPD-geführten Länder verantwortungsbewußt handeln und Ihren Entwurf zurückweisen. (Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU/ CSU und der F.D.P. - Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das wäre wirklich zuviel, Herr von Larcher!) Für den Fall, daß Sie dann - heute kam das schon wieder - Ihren alten Blockadevorwurf aus der Mottenkiste holen, sage ich folgendes: Der Vorwurf geht völlig ins Leere. Die SPD-Fraktion hat im Finanzausschuß jede Möglichkeit zu intensiven und schnellen Beratungen genutzt. Unsere Forderung war immer: Laßt uns eine sozial gerechte und finanzpolitisch vertretbare Einkommensteuerreform schon zum 1. Januar 1998 in Kraft setzen. (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Ihr habt doch eure Vorschläge gar nicht eingebracht!) Die Beratungen im Ausschuß haben bewiesen, daß dies zeitlich möglich gewesen wäre. (Weitere Zurufe von der [CDU/CSU]) - Aber Sie, meine Damen und Herren Schreier von der Koalition, haben lieber unfinanzierbare Luftschlösser gebaut, in der Hoffnung, sie würden erst nach den nächsten Bundestagswahlen zusammenstürzen. Welche Illusion! (Zuruf von der SPD: Das kennen wir schon!) Schon wenige Tage, nachdem die Gesetzentwürfe im Bundestag eingebracht waren, hat der Finanzausschuß die Beratungen aufgenommen. Viel Zeit hatten wir reserviert, viel Zeit für konstruktive Beratungen. Aber ein vernünftiges Beratungsverfahren kam nach dem ersten Durchgang durch die Gesetzentwürfe nicht zustande, weil die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen im Finanzausschuß nicht wußten, was sie wollen sollten oder wollen durften. So gingen mehrere Sondersitzungen ins Land, ohne daß es eine beratungsfähige Grundlage gegeben hätte. Zur Gegenfinanzierung haben wir bis heute keine klare Aussage. (Zuruf von der SPD: Genau!) Ihre letzten Änderungen wurden erst am Vorabend der abschließenden Beratung bekannt und im Hauruckverfahren in die Gesetzentwürfe eingebaut. Unter einem seriösen Gesetzgebungsverfahren stelle ich mir etwas anderes vor. (Beifall bei der SPD) Während der Beratungszeit im Ausschuß wußten die Koalitionsmitglieder lange nicht ein noch aus. Verwirrung sowie Streit über den Haushalt und über die Steuerreform herrschten in der Koalition insgesamt. Auf Fragen von uns im Ausschuß gab es keine Antwort. Als der letzte Beratungstag immer näher kam, dämmerte Ihnen, daß Sie nicht zurechtkommen würden. Letzte Hoffnung: Bundesrat und Vermittlungsausschuß. Ich kann mir richtig vorstellen, wie einige von Ihnen bei Ihrem Fraktionsvorsitzenden ratlos zusammensaßen. Von überall her Druck, von Bayern bis zur CDA. Wie die eigene Mehrheit im Bundestag herstellen? Ihnen war klar: Irgend etwas, was man Steuerreform nennen könnte, müßte ganz am Ende herauskommen. Irgend etwas müßte sogar von Ihnen, der Koalition, darin enthalten sein. So kamen die Punkte zustande, mit denen Sie den ursprünglichen Entwurf in den letzten Beratungen des Finanzausschusses veränderten. Dann waren da noch die großen Haushaltslöcher. Wie die verkleinern? Also ran an den Verlustvor- und -rücktrag! Ran an die Rückstellungen der Kernkraftwerke! „Das bringt richtig Geld, und das brauchen wir doch so dringend", sagte einer. „Das bleibt vielleicht bestehen, denn das wird schon andernorts diskutiert, und damit wird unsere Haushaltsnot kleiner", sagte ein anderer. (Dr. Heiner Geißler [CDU/CSU]: Nicht able- sen, reden!) So oder so ähnlich muß es bei Ihnen zugegangen sein, Herr Schäuble, auf keinen Fall systematisch und überlegt. Das erklärt auch die Hinhaltetaktik im Finanzausschuß. 14 Sitzungstage für die Beratung insgesamt, und erst an den beiden letzten Sitzungstagen rücken Sie mit wenigen wichtigen Vorschlägen heraus. Ein unmögliches Verfahren! (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Blockade der SPD? Nein. Sie sind es, die sich selbst blockieren. (Zuruf von der SPD: Jawohl!) Die Lücke zwischen den finanzpolitischen Notwendigkeiten und dem Wahn der F.D.P., mit dem Image der Steuersenkungspartei überleben zu können, ist Detlev von Larcher zu groß. Das Ergebnis ist ein Gesetzentwurf, von dem Sie selbst hoffen, daß er nicht Gesetz wird. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das stimmt nicht!) Ein ungeheurer Mißbrauch des Parlaments! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS) Dieser Wahn verführte unseren Finanzausschußvorsitzenden, Herrn Thiele, in einer der Anhörungen zu einer durch und durch unseriösen Erklärung. Sagte er doch tatsächlich dem Sinne nach: Wir beschließen hier im Finanzausschuß Steuersenkungen. Für die Finanzierung soll später der Haushaltsausschuß sorgen. (Zuruf von der SPD: Von wegen!) Herr Thiele, wenn Sie die Aufgaben des Ausschusses, dessen Vorsitzender Sie sind, wirklich so verstehen, sind Sie auf dem falschen Posten. (Beifall bei der SPD) Nun soll es nicht der Haushaltsausschuß machen, sondern der Vermittlungsausschuß. Die Behauptung von mir, Sie wollten diese Gesetze selbst nicht, haben Sie im Finanzausschuß stets empört zurückgewiesen. Aber was lesen wir da in der FAZ vom 24. Juni, also vor drei Tagen? (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Ja, was lesen wir denn da?) Da beginnt Herr Schäuble schon mit dem Rückzug. Für den Fall der Ablehnung der Gesetzentwürfe im Bundesrat - und darauf können Sie sich verlassen, Herr Schäuble - heißt es in der FAZ - ich zitiere: „Schäuble deutete an, daß die Karten dann ganz neu gemischt würden." (Zuruf von der F.D.P: Der Schlimme!) Für den Fall, daß die SPD darauf bestehe, daß eine Steuerreform schon 1998 kommen müsse, kündigt er an, dann müsse soviel wie möglich aus dem Paket für 1999 vorgezogen werden. Also völlig klar: So, wie sie heute sind, wollen Sie die Gesetze gar nicht. Ihre Koalition ist handlungsunfähig. Sie bringen keinen vernünftigen Entwurf selbst zustande, weil Sie sich auf nichts einigen können. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Stimmt doch gar nicht!) Mit der heutigen zweiten und dritten Lesung wollen Sie von Ihrer eigenen Handlungsunfähigkeit ablenken, indem Sie ein Gesetz durchsetzen, was immer auch darin stehe. Sie können das machen, weil Sie sich frei nach Gisela aus Schwabing sagen: Aber der Bundesrat läßt mich nicht verkommen. (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Ach, du meine Güte!) Der Bundesrat soll richten, wozu Sie unfähig sind. Wenn Sie gleich reden, Herr Schäuble, dann lassen Sie doch bitte Ihre üblichen Sprüche, lassen Sie Ihre übliche überzogene Polemik. (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Sagen Sie schlicht die Wahrheit. (Beifall bei der SPD) Sagen Sie zwei Sätze: Die Koalition ist am Ende. Helft uns bitte! (Dr. Heiner Geißler [CDU/CSU]: Nicht vom Text abweichen!) Wie auch die FAZ - das paßt Ihnen nicht, aber ich sage hier, wie es ist - vom letzten Freitag schreibt, lautet Ihre Rechnung: Der Bundesrat wird schon das Schlimmste abwenden und für die unpopuläre Gegenfinanzierung sorgen. Die Koalition ist ja zu feige, die selbst fest eingeplante Erhöhung der Mehrwertsteuer in ihren Gesetzentwurf zu schreiben. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, verstecken das in einer Fußnote. Das ist einmalig in der Steuergesetzgebung. Herr Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, Herr Finanzminister, das ist wirklich beispiellos dreist und feige zugleich. (Beifall bei der SPD) Sie, Herr Schäuble, sprechen laut dem erwähnten Bericht in der FAZ von der Anhebung indirekter Steuern. In der Fußnote wird nur von Umschichtung von direkten zu indirekten Steuern gesprochen. Wann, Herr Schäuble, entschließen Sie sich, dem deutschen Volk die Wahrheit zu sagen? Ich rufe hinzu: Trau dich nur, trau dich nur, wir wissen's alle schon. Du kommst uns nicht davon! (Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU/ CSU und der F.D.P.) Unser Goldfinger Theo war da schon offener, wahrscheinlich, weil wir ihn ziemlich in die Enge" getrieben haben. In der öffentlichen Finanzausschußsitzung konfrontierten wir ihn mit den Haushaltslöchern, die durch die beabsichtigte Steuerreform viel größer werden. Er verwahrte sich gegen die hohen Zahlen und bat uns fast inständig - ich zitiere: „Da müssen Sie dann schon so fair seien und sagen: Jawohl, die haben auch vorgeschlagen, 1 Punkt Mehrwertsteuer." (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: So Waigel! - Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Ja, und?) - Er bestätigt das von der Regierungsbank. - Frau Hasselfeldt hat das am vergangenen Dienstag, als es um die Formulierung im Ausschußbericht ging, nicht wahrhaben wollen. (Joachim Poß [SPD]: So ist es! Tarnen und Täuschen!) Detlev von Larcher Ihr sind die beiden Einschübe auf den Seiten 16 und 42 zu verdanken, wonach nie von Mehrwertsteuererhöhung die Rede gewesen sein soll. (Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist ja unerhört, Frau Hasselfeldt!) Der Bundeskanzler hat das jetzt bestätigt. Das alles sagte Ihr Goldjunge Waigel am 6. April 1997 im Finanzausschuß, in öffentlicher Sitzung. Nun soll es auf einmal nicht mehr wahr sein, Frau Hasselfeldt? (Dr. Peter Struck [SPD]: Was nun?) Die Bürgerinnen und Bürger in einer Demokratie können Offenheit und Transparenz von einer Regierung erwarten. Von dieser Bundesregierung erwarten sie es leider völlig vergebens. Verstecken, vertuschen, vermuscheln, verwuscheln ist Ihre Devise. (Lachen bei der CDU/CSU - Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Wuscheln!) Wie groß muß Ihre Not sein! Und doch, es hilft Ihnen nichts. (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - Ihr Gelächter dient genauso der Mimikry wie alles, was Sie hier heute machen. Für jeden ist offenbar: Diese Regierung ist einigungs- und darum handlungsunfähig. (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Zuruf von der F.D.P.: Der Mann sollte öfter reden! - Glocke der Präsidentin) - Frau Präsidentin, lassen Sie sie ruhig, sie wollen das nicht hören. Das kann ich gut verstehen. (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Die fürchten sich nämlich!) - Das tun sie auch, Herr Waigel. Im übrigen macht man von der Regierungsbank keine Zwischenrufe. (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Sie können ja herunterkommen. Dann können Sie zwischenrufen. Die Koalitionsparteien blockieren sich gegenseitig. Diese Regierung muß weg. (Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU/ CSU) - Ich habe es schon einmal gesagt: Am Lachen erkennt man den Narren, sagt das Sprichwort. (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Gebt ihm mehr Redezeit!) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ihr Lachen in Ehren. Trotzdem denke ich, daß wir jetzt die Möglichkeit geben sollten, das Thema ernsthaft zu diskutieren. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Stellen Sie sich mal vor, das würden wir veranstalten, wenn der Kanzler spricht! - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn nachher der Waigel spricht, können Sie nur noch heulen!) Bitte schön. Detlev von Larcher (SPD): Ich kann es ja verstehen; Sie sehen das bei Ihrem Kanzler: Immer, wenn es unangenehm wird, setzt er dieses Grinsen auf, das das ganze Volk kennt. Das machen Sie ihm jetzt nach. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Wenn Sie ehrlich wären, meine Damen und Herren von der Koalition, würden Sie Ihre wahre Absicht, nämlich die Mehrwertsteuer zu erhöhen, in den Gesetzestext schreiben. Freilich würde dann jeder erkennen, daß das Image der F.D.P. als Steuersenkungspartei völlig falsch ist. Selbst Herr Thiele hat ausweislich des Fernseh/Hörfunkspiegel Inland am 11. Juni gesagt - ich zitiere -: „so daß die F.D.P. nie erklärt hat, wir wären gegen Steuererhöhungen". (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Richtig!) Wahrscheinlich wollte er die gegenteiligen Aussagen von Herrn Brüderle und Graf Lambsdorff konterkarieren. Verschleierung und Vertuschung oder einfach Konfusion in der Koalitionskrise? Wahrscheinlich von jedem etwas. Nun hoffen Sie, daß der Vermittlungsausschuß diese Erhöhung für Sie erledigt, weil die Länder ebensowenig wie der Bund und die Kommunen Steuerausfälle in dieser Höhe verkraften. So hoffen Sie, die Menschen täuschen zu können. Sie sollen glauben, die SPD-Länder hätten im Bundesrat die von der Koalition gewollte Steuerentlastung durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer verhindert. Der Bundeskanzler hält die Menschen tatsächlich für so dumm, auf diese dritte Steuerlüge hereinzufallen. Aber Sie werden bekennen müssen, daß Sie tatsächlich eine Steuererhöhungskoalition sind. Seit der Steuerlüge im Wahlkampf 1990 haben Sie zweimal eine Ergänzungsabgabe eingeführt, zweimal die Mineralölsteuer erhöht. Die Umsatzsteuer allein auf diese Steuererhöhungen macht weitere 3 Milliarden DM aus. Sie haben außerdem die Tabaksteuer, die Umsatzsteuer, die Grunderwerbsteuer und dreimal die Versicherungssteuer erhöht. All diese Steuererhöhungen, zusammen ungefähr 80 Milliarden DM im Jahr, treffen vor allem die Arbeitnehmer und die Familien. Gegeben haben Sie dieses Geld an die Unternehmen und Vermögenden, deren Besteuerung 1995 auf einen historischen Tiefstand gefallen ist. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau!) Ich erinnere hier nur an die Folgen der Aushöhlung der Gewerbesteuer, an die systemwidrige Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte und vor allem an die Abschaffung der Vermögensteuer. Sie sind schon jetzt für die massivste Umverteilung in der Geschichte der Bundesrepublik verantwortlich. Und diese Umverteilung wollen Sie fortsetzen. (Beifall bei der SPD) Das Perfide daran ist, daß Sie durch diese Umverteilung die Steuer- und Abgabenbelastung erhöht haben. Jetzt aber stellen Sie sich wieder hierhin und sagen, die Steuerbelastung sei zu hoch und müsse gesenkt werden. Detlev von Larcher Die Steuerbelastung der Unternehmen ist in Deutschland nicht höher als in anderen wichtigen Industriestaaten; das haben zahlreiche Studien in letzter Zeit belegt. Zu diesem Ergebnis kamen sowohl das DIW als auch eine im letzten Sommer veröffentlichte Ifo-Studie. Vergleichsweise hoch sind allein die Steuersätze. Dafür gibt es bei uns großzügige Gewinnermittlungsvorschriften. Wir Sozialdemokraten wollen niedrigere Steuersätze für einbehaltene Unternehmensgewinne bei breiterer Bemessungsgrundlage. (Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Gut!) Sie von der Koalition haben hier jede Einigungsmöglichkeit von vornherein verbaut, (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Nein!) weil Sie gleichzeitig auf einer massiven Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer bestanden haben. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das ist ja auch richtig!) Damit hätte Deutschland plötzlich den niedrigsten Spitzensteuersatz in der EU. Ein Einkommensmillionär würde dann nach demselben Spitzensteuersatz besteuert wie ein gut verdienender Facharbeiter. Der Bundeskanzler hätte in jedem Jahr über 30000 DM mehr zur freien Verfügung; das entspricht ungefähr dem Gehalt einer Verkäuferin. Und die Krankenschwester müßte draufzahlen. (Beifall bei der SPD und der PDS - Peter Rauen [CDU/CSU]: Das ist ja grausam!) Sie werden nicht im Ernst erwarten, daß wir dem zustimmen. Nicht mit uns! In den Anhörungen wurde doch die Bedeutung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer nicht sehr hoch eingeschätzt. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Ganz im Gegenteil!) Natürlich gab es auch Interessenvertreter, die sich für seine Senkung einsetzten. Aber ich erinnere an die Stellungnahme des RWI: Im internationalen Vergleich werde Handlungsbedarf bei der Körperschaftsteuer befürwortet, beim Spitzensteuersatz der Einkommensteuer sei dieser nicht erkennbar. Oder Herr Professor Oberhauser - Zitat -: Ist man für eine Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, wie das Bundesverfassungsgericht es fordert, und bezieht man die indirekten Steuern mit ein, so muß man zwangsläufig zu der Schlußfolgerung kommen, daß der - im Regierungsentwurf - vorgesehene Tarif verfassungswidrig ist. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Nehmen Sie doch Herrn Jackstein!) Das sind nur zwei Beispiele von vielen. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Herr Jackstein!) - Ja, Interessenvertreter. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Nein!) Auf der anderen Seite weigern Sie sich beharrlich, endlich einer verfassungsfesten Regelung zur Freistellung des Existenzminimums zuzustimmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Carl- Ludwig Thiele [F.D.P.]: Haben Sie doch mit beschlossen!) Der Grundfreibetrag von 13 000 DM, der in Ihrem Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, ist der im Jahressteuergesetz 1996 auf unseren Druck hin mühsam für 1999 ausgehandelte Kompromiß. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Haben Sie doch mit beschlossen! Beschließen Sie verfassungswidrige Gesetze?) Bei seiner Verabschiedung war allen Beteiligten klar, daß er nicht mehr ausreichend sein würde. (Joachim Poß [SPD]: Sehr wahr!) Das gleiche gilt für den Familienleistungsausgleich. Per Saldo entfallen bei Ihnen gerade einmal 15 Prozent der tariflichen Bruttoentlastung auf die untere Hälfte der Einkommensteuerzahler. Andererseits aber soll gerade diese Hälfte große Teile der Gegenfinanzierungsmaßnahmen Ihres Gesetzentwurfs tragen: die Besteuerung der Schichtzuschläge, die Senkung des Arbeitnehmerpauschbetrags, die Entfernungspauschale usw. Insgesamt belastet Ihr Gesetzentwurf nochmals verschärft die Arbeitnehmer. Den Marsch in den Lohnsteuerstaat setzen Sie unbeirrt fort. Dies ist wirtschaftspolitisch schädlich, und ungerecht ist dies auch. (Beifall bei der SPD) Gerade die ungerechte Verteilung der Steuerbelastung ist für die schwache wirtschaftliche Entwicklung und den dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit mit verantwortlich. Nur eine Steuerreform, die durch eine deutliche Entlastung der Arbeitnehmer und Familien die Binnennachfrage stärkt, kann dazu beitragen, den Teufelskreis aus steigender Arbeitslosigkeit, geringer Konsumnachfrage, schlechter Kapazitätsauslastung, folglich schwachen Investitionen und wiederum steigender Arbeitslosigkeit zu durchbrechen. Diesen Teufelskreis leugnen Sie. Verschließen Sie nicht länger die Augen vor der Realität, meine Damen und Herren von der Koalition. Die Arbeitslosigkeit vermindern - dazu kann eine Steuerreform ein wenig beitragen. Sie kann es nicht alleine leisten. (Gisela Frick [F.D.P.]: Haben wir auch nie behauptet!) Unser Entwurf kann dies nicht, aber Ihrer schon gar nicht. Bei Umsetzung Ihrer Steuerreform ergäbe sich im Hinblick auf die Arbeitsplätze sogar ein Negativsaldo. Ich erinnere an die DIW-Studie, die besagt, Detlev von Larcher daß im Saldo 110 000 Arbeitsplätze verlorengehen, wenn man Ihre Steuerreform durchführt. (Zuruf des Abg. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]) - Herr Thiele, daß Sie mich hier stören wollen, kann ich gut verstehen; denn Sie wollen die Zahlen nicht hören. Als sich nicht mehr verbergen ließ, daß die Rekordverschuldung, die Rekordabgabenbelastung und insbesondere die Rekordarbeitslosigkeit Ergebnis der verfehlten neoliberalen, ausschließlich auf die Angebotsseite gerichteten Politik dieser Bundesregierung sind, fiel Ihnen die Steuerreform ein. Sie ist angesichts des durch Sie verwüsteten Steuerrechts überfällig. Aber Sie stilisierten sie zu dem Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hoch. Wir haben Sie gleich davor gewarnt. Aber obwohl die Anhörungen so eindeutig waren, bleiben Sie bis heute bei Ihrer Mär. Eine Jahrhundertreform sollte sie außerdem werden. Was ist bloß aus Ihrem Triumph über die Petersberger Beschlüsse geworden! Sie beschließen heute Makulatur. Wenn Sie wirklich wollen, daß aus dem Vorhaben der Steuerreform noch etwas wird, müssen Sie viele Schritte auf uns zugehen, die Sie bisher verweigert haben. Mit uns gibt es nur eine solide finanzierte Steuerreform, die den ökonomischen Notwendigkeiten und dem Kriterium der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit Rechnung trägt, (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wie im Saarland!) eine Steuerreform, die die Bezieher mittlerer und unterer Einkommen und die Familien entlastet. Das kann man von Ihren Vorlagen nun wirklich nicht sagen. Deshalb ein klares Nein der SPD. So ein Machwerk kann unsere Zustimmung nicht finden. (Beifall bei der SPD) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat die Abgeordnete Christine Scheel. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Frau Hasselfeldt hat recht, wenn sie sagt, daß die Erwartungen in der Bevölkerung sehr groß sind und daß die Leute ein Recht darauf haben, daß die Probleme, die im Zusammenhang mit der Steuer bestehen, klar und schnell gelöst werden. Das ist richtig, das unterstützen wir auch. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]) Allerdings kann von Klarheit heute keine Rede mehr sein, (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Doch!) und das ist ein Problem, das die Koalition betrifft; denn Sie haben das, was Sie ursprünglich vorhatten, mittlerweile stark verwässert, Sie haben es zerredet, und sehr viele Bestandteile sind selbst in der Koalition heute noch umstritten. (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr!) Das ist das Problem, das Sie haben, und nicht eines, das die Opposition hat. Es muß jedoch mit Deutlichkeit auch heute noch einmal gesagt werden, warum wir eine große Steuerreform brauchen. Es sind nicht nur die desolaten Finanzverhältnisse und die Haushaltskrater, die durch das immer dramatischer werdende Wegbrechen der Steuereinnahmen - Herr Waigel weiß, wovon ich spreche - täglich schlimmer werden. Es ist nicht nur die katastrophale Situation auf dem Arbeitsmarkt, die auf der einen Seite noch bestehende Arbeitsplätze übermäßig mit Steuern und Abgaben belastet und auf der anderen Seite das Lohnsteueraufkommen sinken läßt. Wir wissen alle: Arbeitslose zahlen nun einmal keine Steuern. Es ist auch nicht nur der kränkelnde Standort Deutschland, dessen Unternehmer uns täglich den Exodus in Niedriglohnländer und Steueroasen androhen, obwohl diese Regierung in den letzten zehn Jahren gerade den Unternehmen zahlreiche Steuergeschenke in Milliardenhöhe, von der Körperschaftsteuer bis zur Vermögensteuer, gemacht hat. (Zuruf von der CDU/CSU: Die investieren alle bei uns!) Nein, allein darum geht es nicht. Es geht vielmehr darum, daß wir in der heutigen Zeit endlich wieder eine Gerechtigkeit in diesem Steuersystem brauchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS) Die Einkommensteuer soll nach der Leistungsfähigkeit erhoben werden. Sie soll jeder Bürgerin und jedem Bürger zeigen, daß die Lastenverteilung gerecht ist. Wer mehr hat, kann und soll mehr zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben herangezogen werden. Dies ist ein Grundsatz, den wir in diesem Hause alle teilen können, denke ich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wer weniger hat, der muß vor übermäßiger Besteuerung in der heutigen Zeit und auch in Zukunft geschützt werden. Aber dieser Zielsetzung wird die Einkommensteuer schon lange nicht mehr gerecht. Auch nach Ihrem Vorschlag, der nach mühevollen Verhandlungen in den letzten Wochen entstanden ist, haben wir nach wie vor einen unüberschaubaren Dschungel an Steuervergünstigungen, wir haben nach wie vor zu viele Ausnahmeregelungen. Wir haben das Prinzip der gerechten Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit mit Ihrem Reformmodell leider nicht erreicht. Notwendig ist - das muß man ganz deutlich sagen -, ein Absenken der nominalen Grenzsteuer- Christine Scheel sätze; denn sie behindern die Investitionsfähigkeit der Wirtschaft. Sie fördern die Schattenwirtschaft - das wissen wir auch -, und sie fördern letztendlich auch die Kapitalflucht. Wir wissen ebenso, daß Unternehmen ihre Arbeitsplätze ins Ausland verlagern; es blüht die Unkultur der Steuervermeidung und auch der Steuerkriminalität. Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite ist, daß sich auch ganz normale Bürger und Bürgerinnen mittlerweile überfordert fühlen und daß die Grundstimmung in der Bevölkerung immer negativer wird. Das müssen wir verdammt ernst nehmen. Steuerhinterziehung ist leider mittlerweile zum Volkssport geworden. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, ist das nicht verständlich - bei Boehringer?) Es genügt nicht, lediglich die Steuersätze abzusenken, denn dies allein ist keine Reform. Vielmehr brauchen wir einen radikalen Abbau von Steuervergünstigungen sowie Maßnahmen zur Vereinfachung, denn das Steuersystem ist zu chaotisch, es ist undurchschaubar, es ist ungerecht. Es ist profitabel nur für diejenigen, die sich nach wie vor mit Hilfe erfahrener Steuerberater das Dickicht der Vergünstigungen zunutze machen können. Das ist das, was die Bevölkerung umtreibt, wozu die Leute sagen: „Es ist ungerecht. Ich mache da nicht mehr mit. Die Großen entziehen sich. Warum soll dann ich kleine Steuerzahlerin oder kleiner Steuerzahler beim Finanzamt brav all das angeben, was ich normalerweise zu versteuern hätte?" Man drückt sich. Man weiß, es wird oben so gemacht. Also macht man es unten auch. Das ist das Problem, das wir in der heutigen Gesellschaft haben, mit dem wir hier sehr, sehr ernst umgehen sollten. Sie dagegen verkünden: Die Steuersätze müssen runter, Wirtschaft und Kapital müssen entlastet werden. Familienpolitisch haben Sie - glauben Sie -1995 genug getan, das Existenzminimum usw. freigestellt. Wir meinen: nicht ausreichend. Wir wollen die Freistellung des Existenzminimums in Höhe von 15 000 DM; Sie wollen das in Höhe von 13 000 DM. Wir finden, daß Ihr Vorschlag nicht ausreicht. Aber summa summarum - das ist das, was wir in diesem Zusammenhang am massivsten kritisieren - reißen Sie ein neues Haushaltsloch von 45 Milliarden DM, ohne zu sagen, wer das zu bezahlen hat. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) Das ist das Problem, über das wir hier debattieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Aber mit welcher Infamie bleiben Sie bei Ihrer Behauptung, daß es für die Bevölkerung eine Nettoentlastung von 30 Milliarden DM geben soll! Letzte Woche im Finanzausschuß haben wir eine klitzekleine Fußnote auf der letzten Seite im Finanztableau des Gesetzentwurfs gesehen. Sie zeigt doch, wer diese Rechnung bezahlen soll. Da steht wörtlich: „Verringerung des Defizits durch Umschichtung von direkten zu indirekten Steuern" . Das heißt: Mehrwertsteuererhöhung wird kommen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Es ist eine Unverschämtheit von Ihnen, den Leuten nicht klar zu sagen: Wir entlasten euch bei der Einkommensteuer; dafür bekommt ihr eine Mehrwertsteuererhöhung. Wir alle wissen doch, daß genau diese Mehrbelastungen vor allem für Familien und Alleinstehende mit niedrigen und auch mit durchschnittlichen Einkommen bedeuten, daß sie bei der sogenannten Nettoentlastung leer ausgehen und daß im Zweifelsfall gerade die Bezieher kleiner Einkommen sogar draufzahlen. Das ist die Konsequenz Ihrer Reformpolitik. Insgesamt ist das Vorhaben der Bundesregierung auch kein Wirtschaftsbelebungsprogramm. Es ist kein Arbeitsplatzbeschaffungsprogramm. Es ist vielmehr ein Menetekel an der Wand für den Wirtschaftsstandort Deutschland genauso wie für den Sozialstaat. Sagen Sie doch mal, Herr Waigel, welche Möglichkeiten Ihnen letztendlich zur Deckung der gigantischen Haushaltslöcher bleiben. Mehrwertsteuererhöhung ist im Moment out jeder Diskussion. Was bleibt Ihnen denn noch? (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Man kann auch sparen!) Eine Möglichkeit ist eine noch höhere Neuverschuldung. Dadurch werden die zukünftigen Generationen über die Zinsfalle aber weiter belastet. Das lehnen wir ab. Zweitens bleiben Sparmaßnahmen, und zwar Sparmaßnahmen in einem gigantischen Ausmaß. Wir reden hier von 45 Milliarden DM, die gegenfinanziert werden müssen. Das sind Sparmaßnahmen, die Einschnitte in die Forschungsförderung bedeuten würden, die Einschnitte in die Investitionshilfen bedeuten würden und die auch Einschnitte in das soziale Netz bedeuten würden, wo wir schon genug hatten. Auch das lehnen wir ab. Das ist der falsche Weg. Drittens. Sie müssen Steuererhöhungen vornehmen. Das müssen Sie den Leuten klipp und klar sagen. Das tut die F.D.P. nicht. Die F.D.P. senkt die Steuern nur und sagt nicht, wie die Löcher gedeckt werden sollen. Es ist unverantwortlich von der Koalition, eine solche Politik zu machen - um das einmal klar zu sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Kümmern Sie sich mal um Ihre Koalition!) Ich finde, das, was die F.D.P. hier liefert, ist ein unverantwortlicher Drahtseilakt: auf der einen Seite ein Wahlgeschenk mit Absenkungen des Solidaritätszuschlags machen zu wollen; auf der anderen Seite den Leuten in Ostdeutschland tagtäglich weismachen zu wollen, daß der notwendige wirtschaftliche Aufbau in den neuen Bundesländern mit Sicherheit noch Christine Scheel mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird und daß die finanzielle Unterstützung selbstverständlich aus den öffentlichen Haushalten zu erfolgen hat. (Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Die Ostförderung wird doch mitbeschlossen!) Sie machen hier eine Politik, bei der Sie auf der einen Seite die Steuern senken wollen und auf der anderen Seite Investitionen versprechen, ohne zu sagen, wo dieses Geld herkommen soll. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist ein wahltaktisches Manöver, das die Leute draußen im Land mittlerweile hoffentlich durch die Bank weg durchschauen. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wenn ihr Steuern erhöht, seid ihr tot! Der Bundesrepublik ginge es gut, der F.D.P. schlecht!) Letztendlich zeichnet sich ab, wer in diesem Land die Rechnungen bezahlen soll. Es werden in diesem Entwurf weder das Kindergeld noch das Existenzminimum erhöht. Das heißt, auch der Familienlastenausgleich bleibt, wie er war. An die Adresse der F.D.P. sage ich: Ein Absenken der Steuersätze allein wird nicht genügen, um die Mehrbelastung durch eine erhöhte Mehrwertsteuer, durch eine erhöhte Mineralölsteuer - denn auch dies ist in der Diskussion - und durch höhere Sozialversicherungsabgaben aufzufangen. Das wird nicht reichen. Sie müssen endlich Farbe bekennen. Sie müssen einen Kassensturz machen und den Leuten draußen im Lande sagen, wo es lang geht, was am Jahresende oder bei den Lohnsteuerzahlerinnen und Lohnsteuerzahlern am Monatsende im Geldbeutel bleibt. Aber davor drücken Sie sich. Sie wenden sich nur an die Wirtschaft. Sie hat ja in den letzten Tagen den Aufstand geprobt. Ich finde den Ansatz richtig, der gewählt worden ist, um die tatsächlichen Gewinne der Unternehmen endlich einmal im Steuerrecht sichtbar zu machen und sie so zu besteuern, daß dies als fair bezeichnet werden kann, vor allem auch den kleinen und mittleren Unternehmen gegenüber, die heute schon nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit besteuert werden, wogegen sich die großen Unternehmen aus der Verantwortung ziehen können. Sie sind aber leider auf der Hälfte des Weges stehengeblieben und haben die Vorschläge, die Sie vor einem Jahr zu Papier gebracht haben, leider zurückgenommen. (Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Wo ist denn das zurückgenommen worden?) Bei allem Verständnis für die Probleme der deutschen Wirtschaft - auch wir Bündnisgrüne wollen ja, wie ich es vorhin betont habe, die Steuersätze senken - kann und will ich nicht mehr nachvollziehen, daß Sie den unter der Steuer- und Abgabenlast schier zusammenbrechenden Bürgern und Bürgerinnen in diesem Land gegenüber rechtfertigen, wenn die Bilanzen der großen Unternehmen, die seit Jahren Rekordgewinne einfahren, niemals die realen Gewinne widerspiegeln, wenn die Steuerbelastung für solche Unternehmen immer weiter gesenkt wird, obwohl - das ist das Riesenproblem - in diesem Bereich keine neuen Arbeitsplätze geschaffen wurden. Ich muß es als bodenlose Unverschämtheit ansehen, wie sich die Elektrizitätsunternehmen dazu geäußert haben. Sie haben in der Vergangenheit mit Hilfe von wirklich milliardenschweren steuerfreigestellten Rückstellungen, die zu Lasten aller Steuerzahler und Steuerzahlerinnen gingen, ihre Umsätze immer weiter gesteigert, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten von der Abfallentsorgung bis zur Telekommunikation ausgedehnt und ihre Gewinnspannen kräftig erhöht. Dieselben Unternehmen drohen jetzt den Bürgern und Bürgerinnen mit Strompreiserhöhungen. (Joachim Poß [SPD]: Sehr wahr!) Sie haben jahrelang davon profitiert, daß andere Steuerzahler und Steuerzahlerinnen für ihre Steuergeschenke aufkommen, und jetzt wollen Sie die Strompreise erhöhen. Das ist wirtschaftspolitisch und auch sonst unmoralisch, und es ist auch unverschämt, die Politik unter einen solchen Druck zu setzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der PDS - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haut die Strommonopole!) Ich appelliere an das ganze Haus, daß wir uns dem gemeinsam widersetzen. Wir haben als einzige Oppositionspartei einen eigenen umfassenden Gegenentwurf zu den Vorschlägen der Bundesregierung im Deutschen Bundestag eingebracht. Wir wollen eine Steuerreform, die diesen Namen verdient; wir wollen eine Steuerreform, die aufkommensneutral ist und ohne Nettoentlastungslüge auskommt; wir wollen eine Steuerreform, die Familien mit Kindern entlastet; wir wollen eine Steuerreform, die die Belastung für die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen senkt, und wir wollen eine Steuerreform, die auch die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft im Steuerwettbewerb der Nationen stärkt. Das bedeutet für uns natürlich, daß die Einkommensteuerreform aufkommensneutral sein muß. Gerade deswegen haben wir vom Bündnis 90/Die Grünen den Mut gehabt, alle Steuervergünstigungen auf den Prüfstand zu stellen und in unserem Entwurf die meisten Steuervergünstigungen, die es jetzt noch gibt, wegzustreichen, Ausnahmeregelungen, die sich im heutigen Steuerrecht finden, aufzuheben und eine Gleichbehandlung der Einkunftsarten vorzunehmen. Wir wollen, daß endlich wieder steuerliche Gerechtigkeit durchgesetzt wird und daß die Privilegien von wenigen zugunsten einer Entlastung für viele gestrichen werden. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Ihr Problem ist - wenn wir uns anschauen, was nach all den quälenden Beratungen unter dem Christine Scheel Strich herausgekommen ist -, daß es kein Vertrauen in die Politik und die Handlungsfähigkeit der Regierung, ja letztendlich auch - das ist das große Problem - der Parteien in dieser Frage mehr gibt. Wenn Schulterzucken, Herr Waigel - Kohl zuckt ja nicht mehr -, Ihre einzige Antwort auf die brennenden Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger ist, (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der zuckt nur noch!) wenn Kommunen und Länder verzweifelt ihr letztes Tafelsilber verkaufen, um ihre laufenden Ausgaben einigermaßen zu decken, und wenn die Regierung trotz dieser schwierigen Situation keine Antwort auf die Frage „Wer soll das bezahlen?" hat, weil sie keine Antwort mehr haben kann, dann sollte die Bundesregierung insgesamt eingestehen, daß sie nicht mehr in der Lage ist, dieses Land aus der Krise herauszuführen. Ich fordere Sie auf: Geben Sie, und zwar die gesamte Regierung, endlich zu, daß Sie am Ende Ihres Lateins sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort in der Debatte hat jetzt der Abgeordnete Carl-Ludwig Thiele. Carl-Ludwig Thiele (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die Grünen eine aufkommensneutrale Steuerreform wollen, dann stärken sie damit nicht die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Eine aufkommensneutrale Steuerreform kann keine Reform sein, die die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes stärkt und zusätzliche Arbeitsplätze schafft. Deshalb ist das Konzept der Grünen nicht überzeugend. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Mit den Steuerreformgesetzen 1998 und 1999 setzen wir ein klares Zeichen. Steuerliche Ausnahmetatbestände werden gestrichen, Steuersätze werden gesenkt und die Bürger und Unternehmen entlastet. Mit dem Steuerreformgesetz 1998 werden die Unternehmensteuersätze deutlich gesenkt. Alle lohn- und einkommensteuerzahlenden Bürger und auch die Wirtschaft werden durch den Abbau des Solidaritätszuschlags um 2 Prozentpunkte ab 1. Januar 1998 entlastet. Mit der Steuerreform 1999 erfolgt eine deutliche Senkung des allgemeinen Steuertarifs. Der Eingangssteuersatz von derzeit 25,9 Prozent wird auf 15 Prozent gesenkt, und der Spitzensteuersatz von derzeit 53 Prozent wird auf 39 Prozent gesenkt. Dafür werden Steuerausnahmetatbestände drastisch reduziert, damit nicht derjenige den stärksten Vorteil hat, der den besten Steuerberater hat. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Bemessungsgrundlage - das ist der Teil des Einkommens, der die Basis für die Steuer bildet - wird durch das Streichen von Ausnahmetatbeständen erheblich verbreitert, so daß mehr Einkünfte zukünftig steuerpflichtig werden. Das hat zur Folge, daß die Steuersätze gesenkt werden können. Wenn sich leistungsfähige Bürger durch gesetzliche Schlupflöcher ihrem Beitrag zum Steueraufkommen entziehen können, klettern die Steuersätze für alle auf eine leistungsfeindliche Höhe. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen für eine Steuerreform auch die soziale Akzeptanz. Deshalb haben wir in den Beratungen im Finanzausschuß Änderungen im Steuerreformgesetz beschlossen. Die Streichung der Steuerfreiheit der Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge wurde beibehalten, aber zeitlich gestreckt; die Besteuerung der Erträge aus Lebensversicherungen wird durch eine maßvolle Versicherungsteuer ersetzt, und selbstgenutztes Wohneigentum bleibt auch zukünftig von der Besteuerung von Spekulationsgewinnen ausgeschlossen. Wir wollen mehr Steuergerechtigkeit in Deutschland. Deshalb möchte ich Sie fragen: Kann es richtig sein, daß Energieversorgungsunternehmen steuerfreie Rücklagen in Höhe von 54 Milliarden DM haben, mit denen sie Wettbewerbsstrukturen zu ihren Gunsten verändern? (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Seit wann haben sie denn diese steuerfreien Rücklagen?) Kann es denn richtig sein, daß große Firmen in Deutschland in den nächsten Jahren überhaupt keine Steuern zahlen? Kann es richtig sein, daß es einen schwunghaften Handel mit dem Kauf von Verlustvorträgen mit dem Ziel gibt, keine Steuern zu zahlen? Dies ist zwar alles legal, aber ist es auch gerecht? (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist doch Ihre Mißwirtschaft!) Deshalb haben wir uns entschlossen, Energieversorgungsunternehmen zu verpflichten, einen Teil ihrer steuerfreien Rücklagen steuerpflichtig aufzulösen. Deshalb haben wir uns unter Beibehaltung einer Mittelstandskomponente entschlossen, die Nutzung von Verlustvorträgen einzuschränken. Deshalb haben wir die Bundesregierung aufgefordert, unverzüglich gesetzliche Maßnahmen zur Überprüfung des Kaufes von Verlustvorträgen vorzubereiten. Wer diese Ziele will, hat keine andere Alternative, als diese Steuerreform mitzutragen. Wer das nicht will, muß die Steuerreform natürlich ablehnen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Sie können doch seitens der Opposition nicht ernsthaft die Verantwortung dafür übernehmen, daß diese Zustände in Deutschland bleiben sollen, wie sie sind. Wenn Sie das Scheitern wollen, übernehmen Sie für die Beibehaltung dieser Zustände die Verant- Carl-Ludwig Thiele wortung. Dann erweisen Sie sich als die strukturkonservativen Parteien in Deutschland. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Opposition ist verantwortlich! Ihr von der F.D.P. seid beim Schuldenmachen immer dabei!) Wir wollen mit dieser großen Steuerreform dem Grundsatz „niedrigere Steuersätze und weniger Ausnahmen" zum Durchbruch verhelfen. Damit wird unser Steuersystem leistungsfreundlicher, gerechter und überschaubarer. Damit schaffen wir eine wichtige Voraussetzung, um zu mehr Investitionen und zu mehr Arbeitsplätzen in Deutschland zu kommen. Wir planen im Zuge der Steuerreform eine Umschichtung von direkten zu indirekten Steuern. Wir wollen eine Entlastung für die Bürger. Ohne eine Nettoentlastung ist eine Steuerreform keine vernünftige Steuerreform. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir können nicht auf der einen Seite die Überbelastung beklagen und auf der anderen Seite immer nur an der Steuerschraube drehen. Das ist nicht in Ordnung. Hohe Staatsausgaben und hohe Steuern und Abgaben sind stets zwei Seiten derselben Medaille. Deshalb wollen wir die Staatsausgaben senken. Alles, was der Staat ausgibt, muß er seinen Bürgern wegnehmen. Auch wenn die Steuerschätzung in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, als hätten wir in Deutschland weniger Steuereinnahmen, so möchte ich diesem Eindruck widersprechen. Wir haben in Deutschland mehr Einnahmen. Sie steigen um 13 Milliarden DM. Hierbei erleben wir übrigens erstmalig seit Bestehen der Bundesrepublik, daß die Länder mehr Steuereinnahmen haben als der Bund. Diese Zahlen zeigen aber auch deutlich: Wir haben in Deutschland nicht zuwenig Staatseinnahmen, wir haben zu viele Staatsausgaben. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb sind wir seitens der F.D.P. und der Koalition der Auffassung, daß die Sanierung der öffentlichen Haushalte nicht über die Einnahme-, sondern über die Ausgabeseite erfolgen muß. Es muß gespart und nicht immer nach Steuererhöhungen gerufen werden. (Beifall bei der F.D.P.) Jeder private Haushalt - viele Bürger schauen uns heute zu - richtet seine Ausgaben an den Einnahmen aus. Wenn er weniger hat, dann gibt er weniger aus. Nur die öffentliche Hand macht es genau andersherum. Sie richtet ihre Einnahmen an den Ausgaben aus. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie sind doch die öffentliche Hand!) Deshalb ist es zwingend erforderlich, daß die öffentliche Hand spart. Aus diesem Grunde muß dabei ein bißchen Druck ausgeübt werden, weil es freiwillig sowieso nicht erfolgt. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Parkinsonschen Gesetze, die sich mit dem Wachstum der Verwaltung beschäftigen, sind nach meiner festen Auffassung Naturgesetze. (Detlev von Larcher [SPD]: Schauen Sie die Regierung an! Aufgebläht! Schickt die Hälfte nach Hause!) Die öffentliche Verwaltung ist auf allen Ebenen auf Zellteilung und Vermehrung ausgelegt. Es ist doch schon erstaunlich: Wenn man in einzelnen Ministerien etwas verändern will, trifft man immer auf irgendwelche Besitzstandswahrer, die jede Mark an Ausgaben als Erbhof verteidigen wollen. Aber nicht die Verwaltungen haben darüber zu bestimmen, sondern die Bürger sollen stärker über das bestimmen, was sie selbst erarbeitet haben. Deshalb muß die öffentliche Hand sparen und müssen die Bürger von dieser unsäglich hohen Steuer- und Abgabenlast endlich entlastet werden. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Vor Beginn der Steuerreform wurde von allen ein mutiger Schritt gefordert, gleichzeitig aber vor dem Widerstand von Interessengruppen gewarnt. Der Grundgedanke der Steuerreform dieser Koalition ist weiter richtig. Das haben auch die Stellungnahmen der Sachverständigen bewiesen. Aber die Umsetzung einer solchen Reform ist in unserem Lande nicht einfach, weil die Interessenverbände und Lobbyisten Kritik am Streichen von lieb und teuer gewordenen Ausnahmetatbeständen üben. Da der alte Nachrichtengrundsatz „only bad news are good news" - nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten -, gilt, prägt die Kritik an der Steuerreform ihr Erscheinungsbild. Aber wir halten diese Entscheidung für richtig. Wir werden uns dafür einsetzen. Wir werden diese Entscheidung hier auch umsetzen. Nach den Vorarbeiten der Kommission unter Professor Bareis und den Vorschlägen unseres Kollegen Uldall hat die F.D.P. im Juni letzten Jahres und die Union im Oktober letzten Jahres beschlossen, daß eine Steuerreform kommen soll. Wer hätte denn vor einem Jahr gedacht, daß wir heute eine solche Steuerreform im Deutschen Bundestag beschließen? (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wohl wahr! Das hätte keiner gedacht! - Detlev von Larcher [SPD]: Makulatur! Sie wollen sie gar nicht!) Die SPD ist doch seinerzeit zu Herrn Bareis gepilgert. Wer erinnert sich nicht daran, daß gerade Bürgermeister Voscherau erklärt hat, daß in Hamburg Einkommensmillionäre keine Steuern bezahlen würden? Um es ganz deutlich zu sagen: Wir von der Ko- Carl-Ludwig Thiele alition wollen, daß auch der Einkommensmillionär in Deutschland, auch in Hamburg, Steuern zahlt. (Zurufe von der SPD: Oho!) Auch deshalb haben wir doch diese Steuerreform vorgelegt. Mir ist doch eine gezahlte Steuer bei niedrigeren Steuersätzen lieber als eine nicht gezahlte Steuer bei sehr hohen Steuersätzen. Letzterer kann doch nicht richtig sein. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hatten im Finanzausschuß des Deutschen Bundestages mehrere umfangreiche Anhörungen zur Steuerreform. Es bestand unter den Sachverständigen Übereinstimmung darin, daß wir eine Steuerreform brauchen, und zwar so schnell wie möglich. Es ist ja auch ein gutes Zeichen, daß die Grünen als erste Oppositionspartei ein Papier dazu vorgelegt haben. Es ist auch ein gutes Zeichen, daß die SPD inzwischen erkannt hat, daß wir doch eine Steuerreform brauchen und dazu auch selbst ein Papier vorgelegt hat. Aber dann lassen Sie uns doch jetzt alle ein gutes Zeichen setzen und nicht nur davon reden, daß eine Steuerreform beschlossen wird, sondern diese Steuerreform endlich beschließen! Wenn wir alle überparteilich der Auffassung sind, wir bräuchten Änderungen, dann will ich doch nicht wissen, warum etwas nicht geht, sondern ich will wissen, daß es geht und wie es geht. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Wir alle hier im Deutschen Bundestag tragen doch Verantwortung, und es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, uns dafür einzusetzen, daß es zu einer Reform kommt. Eine Steuerreform muß kommen. Ich sage Ihnen: Sie wird auch kommen. Wenn wir dieser Auffassung sind, dann können wir doch darauf nicht bis zum Jahre 2000 oder 2001, also bis nach der nächsten Bundestagswahl, warten. Wir müssen vielmehr jetzt handeln. Deshalb halte ich es staatspolitisch für unverantwortlich, wenn seitens einzelner Mitglieder der Oppositionsparteien eine Sonthofen-Strategie der verbrannten Erde verfolgt wird. (Widerspruch bei der SPD) Frau Müller, folgendes sage ich direkt zu Ihnen von den Grünen: Wenn Sie ein Papier vorlegen, über das man gut diskutieren kann, und gleichzeitig erklären, einer solchen Reform dürfe die SPD im Vermittlungsausschuß nicht zustimmen - das haben Sie erklärt -, dann zeigt das doch ganz deutlich, daß Sie eine Steuerreform ernsthaft gar nicht wollen, (Joachim Poß [SPD]: Nicht Ihre!) sondern daß Sie ein bißchen Lyrik in der Öffentlichkeit verbreiten und ansonsten Fundamentalopposition betreiben. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind es unserer Bevölkerung, den Arbeitssuchenden in unserem Land und der jungen Generation, (Joachim Poß [SPD]: Nicht so verlogen! Von Arbeitslosen müssen gerade sie reden!) die Ausbildungsplätze und eine Chance für die Zukunft benötigt, schuldig, daß sich in Deutschland etwas verändert. Die Rekordarbeitslosigkeit im Januar dieses Jahres gibt der Politik eine klare Handlungsanweisung: Notwendige Reformprojekte müssen entschlossen angepackt werden. Wir stehen vor der Alternative, entweder mit Mut, Augenmaß und Verantwortung den Standort Deutschland umzugestalten, die Vorzüge zu stärken und die Schwächen zu beseitigen oder die Ursachen hoher Arbeitslosigkeit zu verleugnen, den Status quo möglichst lange zu halten und Veränderungen hinauszuschieben. I Ich sage Ihnen: Nur die erste Alternative sichert den Weg Deutschlands in das 21. Jahrhundert. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Thiele, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten von Larcher? Carl-Ludwig Thiele (F.D.P.): Gerne. Detlev von Larcher (SPD): Herr Thiele, können Sie bestätigen, daß wir im Finanzausschuß vom Vertreter des DIW gehört haben, daß die Abschreibungsverschlechterungen im Baubereich ungefähr 250 000 Menschen mehr arbeitslos machen werden, daß der Bundesverband Deutscher Wohnungsunternehmen sogar von 400 000 Arbeitslosen mehr spricht und daß das DIW insgesamt zu dem Ergebnis kommt, daß am Ende, würde Ihre Steuerreform umgesetzt werden, ein Minus von netto 130 000 Arbeitslosen steht? (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das wäre ja nicht schlecht! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU) - Arbeitsplätze! Meine Damen und Herren, Sie können jeden Versprecher ausnutzen. Sie wissen genau, was ich meine. Darauf möchte ich eine Antwort haben. Es gibt nach Aussagen des DIW nach Umsetzung Ihrer Steuerreform 130 000 Arbeitsplätze weniger, als es sie jetzt gibt. Carl-Ludwig Thiele (F.D.P.): Herr von Larcher, ich war während der Anhörung erstaunt darüber, wie einzelne Sachverständige hinsichtlich der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt mit Zahlen operieren und genau vorrechnen, daß die eine oder andere Maßnahme zu 110 000 oder 120 000 Arbeitsplätzen weniger führt. Ich habe Zweifel - das muß ich Ihnen ehrlich sagen -, ob man das so genau quantifizieren kann. Hinsichtlich der Abschreibungssätze ist auch Ihnen wohl nicht entgangen, daß wir Kritik aufgenommen und Carl-Ludwig Thiele eine Änderung vorgenommen haben. Aber es waren sich alle darüber klar, daß unsere Nachbarländer neue Steuerstrukturen eingeführt und unsere Wettbewerbsländer Veränderungen in ihren Ländern vollzogen haben. (Gisela Frick [F.D.P.]: Alle mit Erfolg!) Diese Änderungen - niedrigere Steuersätze, weniger Ausnahmen und weniger Staatsausgaben - haben dazu geführt, daß dort langfristig mehr Arbeitsplätze entstanden sind. In Deutschland entstehen momentan nicht die Arbeitsplätze der Welt; die Arbeitsplätze der Welt entstehen in ganz anderen Ländern. Dann können wir doch nicht sagen: In Deutschland muß alles bleiben, wie es ist. (Detlev von Larcher [SPD]: Das sagt ja auch keiner!) Unser Auftrag ist es doch gerade, hier dazu beizutragen, daß es in Deutschland zu Veränderungen kommt, damit wir in Deutschland mehr Arbeitsplätze schaffen. Das ist unsere Aufgabe. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Wir können doch nicht kritisieren, daß die anderen ihre Wettbewerbsposition verbessert haben. Wir müssen alles daran setzen, unsere Wettbewerbsposition in Deutschland zu verbessern, damit die Arbeitsplätze hier und nicht in anderen Ländern geschaffen werden. (Detlev von Larcher [SPD]: Der Glaube gegen die Wissenschaft!) Deshalb müssen Reformen jetzt zügig angegangen und abgeschlossen werden. Ich appelliere an die SPD, keine Sonthofen-Strategie zu verfolgen. Sie geht nicht auf, und sie schadet unserem Lande. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir diese Reform im Sinne einer freien und sozialen Marktwirtschaft entschlossen anpacken, dann können auch unsere Stärken wieder besser zum Tragen kommen: Wir haben eine gute Infrastruktur in Deutschland. Sie muß verbessert werden. Wir haben eine gut ausgebildete Bevölkerung, die weiter gut ausgebildet werden muß. Wir haben einen breiten Mittelstand und vor allem unser Handwerk, in dem die meisten Ausbildungsplätze bereitgestellt werden und in dem einzelne Bürger Verantwortung für ihren Betrieb und ihre Mitarbeiter übernehmen. Wir müssen zusammenstehen, und jeder muß seine Aufgabe in Verantwortung wahrnehmen. Ich kann mich Bundespräsident Herzog nur anschließen, der in seiner Rede am 26. April 1997 unsere Verantwortung, auch auf die Steuerreform bezogen, zutreffend wie folgt beschrieb: Dabei leisten wir uns auch den Luxus, als hätten wir zur Erneuerung beliebig viel Zeit: Ob Steuern, Renten, Gesundheit, Bildung, selbst der Euro - zu hören sind vor allem die Stimmen der Interessengruppen mid Bedenkenträger. Wer die großen Reformen verschiebt oder verhindern will, muß aber wissen, daß unser Volk insgesamt einen hohen Preis dafür zahlen wird. Ich warne alle, die es angeht, eine dieser Reformen aus wahltaktischen Gründen zu verzögern oder gar scheitern zu lassen. Den Preis zahlen vor allem die Arbeitslosen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen hier ganz deutlich: Wir sind hier alle in einer Verantwortung. Wir müssen alle hier zu Reformen in Deutschland kommen. (Detlev von Larcher [SPD]: Handeln Sie danach!) Wenn wir zu diesen Reformen nicht kommen, dann wird dies nicht einer Partei zum Vorteil und einer anderen zum Nachteil gereichen. Im Gegenteil: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Durchsetzbarkeit von Veränderungen in unserem Lande wird sinken. Das wird keinen parteipolitischen Vorteil für die Opposition, sondern eine Wahlenthaltung der Bürger zur Folge haben. Das wird einen Rückzug der Bürger aus unserer Demokratie zur Folge haben. Das können wir uns nicht leisten. Wer sagt: „Wir brauchen Reformen", der soll konstruktiv an diesen Reformen mitarbeiten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und Herren, bevor wir in der Debatte fortfahren, möchte ich dem Präsidenten der Nationalversammlung der Republik Ruanda, Herrn Joseph Sebarenzi Kabuye, und seiner Delegation, die auf der Tribüne Platz genommen haben, ein herzliches Willkommen sagen. (Beifall) Herr Präsident, wir verfolgen mit großer Anteilnahme die Entwicklung Ihres Landes seit 1994. Wir wissen um die mehr als eine Million Opfer der Vorgänge in Ruanda und wünschen Ihnen nicht nur Erfolg, sondern möchten Sie auf dem Weg zur Demokratisierung und der ganz schwierigen Versöhnungs- und Wiederaufbauarbeit unterstützen. Herzlich willkommen in unserem Land! (Beifall) Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Metzger. Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Thiele, Sie verlangen zu Recht eine solide und seriöse Finanzstrategie angesichts einer großen Einkommensteuerreform. In der Bevölkerung wurde eine Erwartung geweckt im Hinblick auf die große Einkommensteuerreform, die wir als Bündnisgrüne mit einem eigenen Konzept von den Grundsätzen her durchaus mittragen: niedrigere Nominaltarife, breite Bemessungsgrundlage, ergiebige Steuerbasis, mehr Gerechtigkeit, mehr Transparenz. Soweit stimmt die Botschaft; diese machen wir uns zu eigen. Aber wo bleibt die Glaubwürdigkeit gerade der F.D.P.-Fraktion und dieser Regierung, da doch zum gleichen Zeitpunkt Ihr Finanzminister in Chefgesprächen mühsam versucht, eine Kollekte durch die Ressorts zu machen, um die Milliarden einzusam- Oswald Metzger mein, die nötig sind, um den Anstieg der Neuverschuldung über die im Art. 115 des Grundgesetzes festgelegte Grenze hinaus auszugleichen? Glauben Sie nicht, daß eine Regierung eine Sonthofen-Strategie verfolgt, wenn sie sehenden Auges zuläßt, daß die Staatsfinanzen mit der Steuerreform ab 1999 in einem Ausmaß einbrechen, wie es nicht verantwortbar ist? Glauben Sie nicht, daß in der Bevölkerung das Bewußtsein wächst, daß dieser Staat lange Zeit über seine Verhältnisse gelebt hat, was die Fremdfinanzierung, also das Anhäufen von Schulden, betrifft, und daß man Staatsfinanzen nicht dadurch saniert, daß man sich nur die Ausgaben kritisch ansieht, sondern dabei auch die Einnahmebasis stabilisieren muß? Es ist eine schlichte Lüge, wenn Sie in dieser Debatte behaupten, daß die Steuerquote in den letzten Jahren gestiegen ist. Ihre Probleme resultieren ja gerade daraus, daß noch bei der Steuerschätzung im Jahr 1995 für dieses Jahr um über 100 Milliarden DM höhere Steuereinnahmen auf allen staatlichen Ebenen prognostiziert waren, als jetzt vorhanden sind. Die gesamtwirtschaftliche Steuerquote ist von 23,5 auf 22,1 Prozent abgesunken. Trotzdem ist die Abgabenquote nicht gesunken. Ihre Koalition hat zwar immer angekündigt, die Lohnnebenkosten senken zu wollen. In Wirklichkeit aber sind die Beiträge zur Rentenversicherung, zur Pflegeversicherung und zur Krankenversicherung gestiegen. Durch den Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge wurde die Absenkung der Steuerquote mehr als kompensiert, und unter dem Strich kam eine größere Belastung heraus. In dieser Situation erwartet unsere Gesellschaft von der Politik und von diesem Parlament Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Auch wenn 1998 Wahlen sind, kann sich doch eine Koalition nicht hinstellen und allen Ernstes behaupten, daß ihr Steuerreformkonzept, das vom Ansatz her, nämlich von der Nominaltarifabsenkung und von der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage her, durchaus diskussionswürdig und solide ist, das Allheilmittel ist, wo doch gigantische Steuerlöcher gerissen werden. Selbst die Menschen, die die Lufthoheit über den Stammtischen haben, und vielleicht auch Edmund Stoiber müßten wissen, daß genau dieselben Leute sagen: Wenn der Staat eine Entlastung verspricht, holt er sich mit der einen Hand, was er mit der anderen gibt. Das ist unehrlich, und darüber sollten Sie in der heutigen Debatte nachdenken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Abgeordneter Thiele. Carl-Ludwig Thiele (F.D.P.): Herr Kollege Metzger, ich habe erklärt, daß die Steuereinnahmen in diesem Jahr nicht sinken, sondern steigen. Wir haben nach der Steuerschätzung 13 Milliarden DM mehr Steuereinnahmen. Das habe ich gesagt; das können Sie nachlesen; das ist so; das ist das Ergebnis der Steuerschätzung. Die Steigerung ist allerdings geringer ausgefallen als erwartet. Deshalb wurde der Eindruck erweckt, als ob die Steuereinnahmen in Deutschland sinken würden. Aber das ist nicht zutreffend. In den nächsten fünf Jahren steigen nach der Steuerschätzung die Staatseinnahmen um 175 Milliarden DM. Das ist die Größenordnung. Das Problem ist nicht, daß wir zu geringe Staatseinnahmen haben, sondern das Problem ist, daß wir zu hohe Staatsausgaben haben. Deshalb ist es auch richtig, daß bei der Aufstellung des Haushaltes 1998 durch die Koalition derzeit versucht wird, eine sparsame Haushaltsführung zu betreiben. Wenn Sie das ebenso unterstützen wie den Grundgedanken der Steuerreform, dann wäre das bestimmt hilfreich. Nur eines überrascht mich: Sie haben ein Steuerpapier vorgelegt. Die Grundgedanken scheinen ähnlich wie unsere zu sein. Auf der anderen Seite hat Frau Müller, die nachher noch die Möglichkeit hat, zu sagen, ob sie eine Steuerreform will oder nicht, in der Öffentlichkeit erklärt: Wir brauchen zwar eine Steuerreform; aber ich will keine; die SPD darf auf keinen Fall mit der Koalition im Vermittlungsausschuß zu einem Ergebnis kommen. - Dazu sage ich Ihnen, Herr Metzger - Frau Müller ist ja nun nicht irgend jemand; sie ist Ihre Fraktionssprecherin -: Wer diese Aussagen seitens der Fraktionsführung unwidersprochen in die Öffentlichkeit dringen läßt, der muß sich doch fragen lassen: Will er tatsächlich eine Steuerreform? Dazu kann ich nur feststellen: Die Grünen scheinen eine Steuerreform nicht zu wollen, weil sie nicht wollen, daß es unserem Land besser- geht, und weil sie nicht wollen, daß strukturelle Veränderungen in unserem Land endlich herbeigeführt werden. Das nenne ich doppelzüngig. Dann kann ich nur sagen: Machen Sie konstruktiv mit! Wirken Sie in Ihrer Fraktion auch auf die Sprecherin ein, daß hier konstruktiv mitgearbeitet wird. Wenn wir im Grundsatz schon so nahe beieinander sind - die Steuerreformdiskussion zeigt doch, daß wir über Parteigrenzen hinweg viele Gemeinsamkeiten haben: Ausnahmen streichen, Steuersätze senken und eine Nettoentlastung -, werden wir uns einigen können. Wir können uns einigen. Ich fordere alle auf, daran mitzuarbeiten, daß wir uns einigen und daß wir nicht durch eine Nichteinigung die Probleme in unserem Lande nicht lösen. Wir müssen sie lösen, wir können sie lösen, und wir sind aufgefordert, sie zu lösen. Das geht nur, wenn jemand ein Konzept vorlegt. Deshalb hat die Koalition dieses Steuerreformpaket beschlossen und wird es heute verabschieden, so daß wir auch konkret über ein Papier reden können und uns nicht allgemein in Sprechblasen verzetteln. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste Rednerin spricht Frau Abgeordnete Dr. Barbara Höll. Dr. Barbara Höll (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern war in der Presse für den heutigen Tag zu lesen: „Vorhang auf zum vorerst Dr. Barbara Höll letzten Akt im Bonner Steuertheater! " Genau das läuft hier. Viele Worte wurden gewechselt. Ein Steuerkonzept liegt vor, das sich vor allem durch eines auszeichnet: In einem beängstigenden Tempo wird Ihre Politik der Umverteilung von unten nach oben fortgesetzt. Hierzu nur eine Zahl: Die oberen 10 Prozent der Steuerzahler werden nach Ihrem Steuerkonzept mit 50 Prozent des Entlastungsaufkommens entlastet. Es ist schlicht unverschämt, uns hier erzählen zu wollen, es komme allen zugute. (Beifall bei der PDS sowie der Abg. Ilse Schumann [SPD]) Sie verfolgen eine Politik der Umverteilung auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung und auf Kosten des Staatswesens Bundesrepublik Deutschland. Dies ist nicht einfach durch eine zusätzliche Sparpolitik zu beheben, sondern es ist notwendig, Ihrer neoliberalen Politik endlich ein Stoppschild entgegenzusetzen. Daß das notwendig ist und eigentlich auch dem entspricht, wozu wir in diesem Hohen Hause verpflichtet sind, möchte ich mit einem kurzen Blick in die Geschäftsordnung für unsere Arbeit hier im Bundestag belegen. In § 96 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages steht zum Thema Finanzvorlagen, daß Finanzvorlagen alle Vorlagen sind, „die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung oder ihres finanziellen Umfangs geeignet sind, auf die öffentlichen Finanzen des Bundes und der Länder erheblich einzuwirken". In Abs. 4 steht, daß der Bundestag und vor allem der Haushaltsausschuß eigentlich verpflichtet sind, zu überprüfen, welche finanziellen Auswirkungen sich auf den laufenden Haushalt und auf künftige Haushalte ergeben. Wenn Sie hier ein Gesetz mit einer Fehlfinanzierung von 45 Milliarden DM vorlegen, eine Gegenfinanzierung in einer Fußnote verstecken und nicht sagen, um wieviel Sie die Mehrwertsteuer erhöhen werden, ob um einen Prozentpunkt oder um zwei, und ob es dazu noch eine Mineralölsteuererhöhung geben wird, haben Sie eindeutig die Geschäftsgrundlage unserer Arbeit hier verlassen. (Beifall bei der PDS sowie der Abg. Erika Lotz [SPD]) Wir können nicht ernsthaft über ein Steuerkonzept beraten, welches nicht gegenfinanziert ist. Da der Vorsitzende des Finanzausschusses, obwohl er noch zu jung ist, um schon unter Gedächtnisschwund zu leiden, scheinbar doch darunter leidet und unser Steuerkonzept nicht mit aufgezählt hat (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Ich habe bei der Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhoben!) - ich muß das leider so konstatieren, Herr Thiele -, möchte ich meine Redezeit nutzen, um in groben Punkten aufzuzeigen, daß eine Alternative zu Ihrer Umverteilungspolitik von unten nach oben möglich ist. Die PDS hat ein Steuerkonzept vorgelegt. Wir schlagen in unserem Konzept auch eine Umverteilung vor, (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Stimmt!) aber in die entgegengesetzte Richtung, und das entspricht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches bereits 1992 festgeschrieben hat, daß das Existenzminimum jedes Menschen, das erst einmal steuerfrei zu stellen ist, so daß der Staat darauf nicht zugreifen kann, bei 13 910 DM liegt. Wenn man diese Zahl unter Berücksichtigung der gestiegenen Kosten für Wohnen und Heizung fortschreibt, ist man bei einem realistischen Betrag von 17 000 DM. Dieses steuerfrei zu stellende Existenzminimum ist für uns der Ausgangspunkt. (Beifall bei der PDS) Wir schlagen einen Tarifverlauf vor, der bei 19 Prozent Eingangssteuersatz beginnt und bei der Beibehaltung des Spitzensteuersatzes von 53 Prozent endet. Das heißt doch aber in der durchschnittlichen Belastung auch nach unserem Modell, daß alle entlastet werden, jedoch unterschiedlich. Die Bezieher und Bezieherinnen kleiner und mittlerer Einkommen werden tatsächlich entlastet. Und während die Bezieher hoher Einkommen - also bei 140 000 DM - nach Ihrem Konzept um 9 000 DM entlastet werden, werden sie bei der PDS noch um 3 000 DM entlastet. Das ist selbst bei einer Beibehaltung des Spitzensteuersatzes möglich. (Beifall bei der PDS) Wir plädieren dafür, diese Beratung des Steuergesetzes zu nutzen, endlich eine Individualbesteuerung einzuführen. Es kann nicht angehen, daß das Finanzamt letztendlich eine Einflußmöglichkeit darauf hat, in welcher Art und Weise die Menschen zusammenleben. (Beifall bei der PDS) Die einzige gerechte Form dessen kann nur eine konseqente Individualbesteuerung sein. Wenn Sie weiterhin sagen, das Ehegattensplitting sei eine Familienförderung, dann ist das wirklich eine Verhöhnung der realen Verhältnisse. (Beifall bei der PDS) Das hat auch die Anhörung im Finanzausschuß gezeigt. Sie fördern damit insbesondere Einverdienerehen, natürlich Ihrem Bild entsprechend: Die Frau gehört in die Küche, an den Herd und zu den Kindern, aber nicht ins Berufsleben. Am meisten werden - auch zu meinem Erstaunen - die Ehepaare gefördert, die nicht zusammenleben. Das nenne ich eine konsequente Eheförderung, wirklich! Wir schlagen deshalb die Abschaffung des Ehegattensplittings bei gleichzeitiger Einführung eines konsequenten individuellen Anrechts im Sozialrecht vor. Das heißt, jeder hat - nicht mehr in Abhängigkeit vom Ehegatten - das Recht eines eigenständigen Anspruchs auf Sozialhilfe und auf Arbeitslosenhilfe. Damit haben wir eine Besserstellung auch der Ehepaare bis zu einem Einkommen von etwa 80 000 DM, die Dr. Barbara Höll heute vom Ehegattensplitting profitieren. Ich muß sagen, wenn man bei einem Einkommen von 140 000 DM durch den Verlust des Ehegattensplittings vielleicht ein paar Mark mehr Steuern zahlt, halte ich das für berechtigt. (Beifall bei der PDS) Wir sind für eine konsequente Familienförderung, das heißt für ein Kindergeld, das tatsächlich allen Kindern und Jugendlichen zugute kommt. Das muß dann aber deutlich über 300 DM liegen, zumindest bei den Gruppen, die es wirklich brauchen; denn bei einer Gegenrechnung von Kindergeld als staatlicher Leistung und Sozialhilfe als staatlicher Leistung bekämen die Eltern bei einer Kindergeldhöhe, die unter dem durchschnittlichen Sozialhilfesatz für Kinder liegt, durch eine Erhöhung nicht eine Mark mehr. Es ist also ein existenzsicherndes Kindergeld notwendig. Wenn man das umrechnet, beträgt die Summe der Existenzsicherung für Kinder im Jahr knapp 8 000 DM. Wir sind deshalb für ein Kindergeld von 660 DM pro Kind, das dann einkommensabhängig ab einem Einkommen pro Elternteil von 17 000 DM abgeschmolzen wird. Das können Sie aber genauer bei uns nachlesen. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Höll, kommen Sie zum Schluß! Dr. Barbara Höll (PDS): Ich komme zum Schluß und möchte darauf hinweisen, daß unser Konzept sehr wohl auch dem Anspruch genügt, aufkommensneutral zu sein. Wir haben eine ganz konsequente Rechnung vorgelegt, um nachzuweisen, daß es möglich ist, Gegenfinanzierungen zu machen. Wir sind aber auch für die Wiedereinführung der Vermögensteuer, die wir für notwendig und richtig halten. Das können Sie dann aber auch in dem vorgelegten Konzept mit einer offiziellen Drucksachennummer des Finanzausschusses nachlesen. Ich bedanke mich. (Beifall bei der PDS) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theo Waigel. Dr. Theodor Waigel, Bundesminister der Finanzen: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute geht es um eine grundsätzliche Weichenstellung in der Finanzpolitik. Für diese Weichenstellung brauchen wir eine Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition, zwischen Bundestag und Bundesrat. Wir hatten gestern eine Sitzung des Finanzplanungsrats, eines ansonsten sehr objektiv zusammenwirkenden Gremiums aus Bundesregierung, Ländern und Kommunen. Zum ersten Mal ist folgendes passiert: Bevor man zum entscheidenden Tagesordnungspunkt kam, ließ der Finanzsenator von Hamburg, Mitglied der SPD, eine Presseerklärung herausgeben, in der das Scheitern der gemeinsamen Gespräche festgestellt wurde, obwohl man noch gar nicht zum entsprechenden Tagesordnungspunkt gekommen war. (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Unglaublich! - Hört! hört! - Joachim Poß [SPD]: Er hat gemacht, was Sie sonst immer gemacht haben!) - Ich glaube nicht, daß das der richtige Stil im Umgang miteinander ist, um zu Lösungen zu kommen, den sonst auch der Erste Bürgermeister von Hamburg immer wieder anmahnt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Gestern ist im Finanzplanungsrat wieder, und zwar von allen Seiten, von den A-Ländern und den B-Ländern, gesagt worden, daß wir noch mehr konsolidieren müßten, daß wir noch mehr auf der Ausgabenseite tun müßten. Nur, dann muß man das miteinander tun, wie ich es seit Jahren mit dem Vorschlag zu erreichen versuche, ein nationales Konsolidierungsprogramm aller Beteiligten auf den Weg zu bringen. Dann kann man nicht sagen: Schlag du mal vor, ich bin öffentlich dagegen; wenn es dann durchkommt, nehme ich es befriedigt zur Kenntnis. - So kann man nicht miteinander umgehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es geht jetzt um die Frage, ob wir in der Lage sind, den Standort Deutschland in einer gemeinsamen Kraftaktion für das 21. Jahrhundert zu rüsten, oder ob wir im internationalen Wettbewerb zurückfallen. Das bedeutet: Schaffen wir die Wende auf dem Arbeitsmarkt, oder begleitet uns die Massenarbeitslosigkeit für lange Zeit? Die Globalisierung der Märkte erfaßt mehr und mehr alle Bereiche der Wirtschaft. Der Strukturwandel beschleunigt sich. Davon sind nicht nur die Global Player betroffen. Jeder Mittelständler, jeder Zulieferer, ja jeder Betrieb in Deutschland, auch wenn er keinen Anteil am Export hat, leidet darunter, wenn wir international nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Das ist die entscheidende Herausforderung, die wir bewältigen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es ist richtig, wenn im Papier beider Kirchen gesagt wird - dies ist auch auf dem Evangelischen Kirchentag am letzten Wochenende geschehen -: Im Mittelpunkt unserer Politik stehen die Menschen; die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht umgekehrt. Darum ist das Hauptziel jeder Politik, Menschen wieder Arbeit zu geben. Die Arbeitslosigkeit ist die größte Geißel und die größte Ungerechtigkeit. Darum machen wir diese Steuerreform, diese Strukturreformen und diese Konsolidierung. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Gregor Gysi [PDS]) Wir bekennen uns zu einer sozialen Marktwirtschaft, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und auf der Basis christlicher Werte eine Rahmenordnung für die Wirtschaft formuliert. Wir wollen soziale Gerechtigkeit in Deutschland ebenso wie ein gerechtes und faires Weltwirtschaftssystem, von dem Bundesminister Dr. Theodor Waigel alle Nationen gleichermaßen profitieren. Es ist falsch, meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie Leistungsfähigkeit gegen Gerechtigkeit ausspielen. Nur wenn Leistungsfähigkeit gewährleistet bzw. wiederhergestellt wird, kann auch Gerechtigkeit im Land, gerade was die Arbeitslosen betrifft, geschaffen werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es geht nicht um Wachstum um jeden Preis. Gerechtigkeit ist aber niemals auf Kosten von Wachstum und Beschäftigung zu erreichen, und Arbeitslosigkeit ist die größte soziale Ungerechtigkeit. Wenn die Standortbedingungen bei uns keine dauerhafte und in Relation zum Ausland angemessene Rendite erlauben, wandert das Kapital ins Ausland, dorthin, wo es seine höchste Rendite erwirtschaftet. Das ist ein Grundgesetz der Marktwirtschaft. Dieses Prinzip hat der Weltwirtschaft insgesamt das große Wachstum beschert, an dem wir mit unserem Exportanteil ganz gehörig partizipierten. Daß deutsches Kapital aus Gründen der Markterschließung ins Ausland fließt, ist gut und kann von niemandem kritisiert werden. Schlecht ist aber die Tatsache, daß die ausländischen Kapitalströme derzeit einen großen Bogen um Deutschland machen. Kapital ist mobil. Mit einem Telefonanruf wandert es in Sekunden um die Welt. Für Arbeitnehmer kann das nicht gelten. Sie können sich ihren Standort nicht aussuchen. Ist der Saldo der Direktinvestitionen auf Dauer negativ, dann verliert der Standort Arbeitsplätze. Das hat verheerende Auswirkungen auf die Zukunft; denn mit dem Faktor Kapital verlieren wir zusätzlich auch Know-how und Zukunftswissen. Es entsteht ein gefährlicher Kreislauf, eine Negativspirale, und fehlendes Know-how verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit weiter. Was ist zu tun? Kapital und Arbeit, die beiden wichtigsten volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren, müssen auf Dauer in Deutschland gehalten werden. Darum begegnen wir dieser Herausforderung der Globalisierung auf der einen Seite mit dem Projekt Europa und auf der anderen Seite mit unserer ganz klaren Antwort: Der Standort Deutschland muß verbessert werden, um über Investitionen wieder mehr Arbeitsplätze zu schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Das ist eine Strategie, die unsere Partner im G-7-Kreis und in der Europäischen Union seit Jahren konsequent verfolgen, unabhängig von ihrer politischen Couleur. Ich erinnere an Schweden, Finnland, Osterreich und die Niederlande. Alle diese Länder haben einen klaren Kurs zur Standortstärkung verfolgt und ernten auch erste Erfolge. Nun haben wir - darauf hat der Vorsitzende des Währungsausschusses im Ecofin, Sir Nigel Wicks, hingewiesen - die größte Herausforderung zu bewältigen gehabt, die überhaupt eine Volkswirtschaft in der Welt in den letzten sechs, sieben Jahren zu bewältigen hatte. Der scheidende irische Finanzminister, Ruairi Quinn, ein Sozialdemokrat - dem ich für seine großartige Arbeit bis hin zur letzten Sitzung als Vorsitzender des Ecofin danke -, hat in einem Diskussionsbeitrag gesagt: Keine andere Volkswirtschaft hätte das so bewältigt, wie es die Deutschen bewältigt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Diese ungeheueren Herausforderungen umfassen tausend Milliarden DM. 450 Milliarden DM Schulden haben wir übernommen, und jedes Jahr fließt etwa ein Viertel des Bundeshaushaltes an notwendigen und richtigen Aufwendungen in die neuen Bundesländer. Das sind natürlich Finanzkennziffern, die niemand wegdiskutieren kann. Gott sei Dank erbringen wir diese Leistungen. Sie sind der Preis für die deutsche Einheit, die wir wollten und über die wir uns freuen. Aber ohne diese Leistungen sähen unsere Finanzkennziffern und natürlich die Wettbewerbsfähigkeit anders aus. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wenn wir heute erleben, daß trotz eines ordentlichen realen Wirtschaftswachstums von 2,5 Prozent weder der Arbeitsmarkt angemessen reagiert noch die Steuereinnahmen entsprechend fließen, muß uns das zu denken geben. Die Konjunktur verschärft zwar die Probleme im Abschwung, die Ursachen von Arbeitslosigkeit und fallenden Steuereinnahmen sind aber vorwiegend struktureller Natur. Hier müssen wir finanzpolitisch ansetzen. Die internationalen Organisationen IWF, OECD, G 7 und Europäische Union, aber auch der Sachverständigenrat und die Forschungsinstitute bestätigen diese Diagnose. Sie haben Empfehlungen formuliert, die wir für Deutschland voll und ganz akzeptieren und umsetzen. Meine Damen und Herren, wenn ich zum Beispiel das Beschäftigungsprogramm der Regierung der Labour Party in England verfolge, dann ist dies nichts anderes als das 50-Punkte-Programm, das wir im letzten Jahr beschlossen haben und das wir jetzt Punkt für Punkt umsetzen, um mehr für beschäftigungswirksame Maßnahmen in Deutschland zu tun. Das ist nichts anderes. Ich begrüße es sehr, daß wir hier auf einer gemeinsamen Linie europäisch arbeiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wo liegen die Schlüsselelemente einer zukunftsorientierten Finanzpolitik? Den Staatsanteil senken. Um von dem zu hohen Staatsanteil nach der Wiedervereinigung von über 50 Prozent wegzukommen, ihn erstmals unter 50 Prozent zu bringen und im nächsten Jahr unter 49, gibt es nur eine einzige Möglichkeit: Wir müssen Ausgaben reduzieren und begrenzen. Eine andere Möglichkeit dazu gibt es nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Nur das schafft Spielraum für die Senkung von Defiziten und der Steuer- und Abgabenlast. Dafür sind unabdingbar Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, im Sozial- und im Steuersystem notwendig. Das deckt sich auch mit dem, was in Denver be- Bundesminister Dr. Theodor Waigel schlossen wurde und worüber der Bundeskanzler morgen berichten wird. Wir haben in Deutschland kein Nachfrage- sondern ein Kostenproblem. Was nützt zusätzliche Nachfrage, wenn damit billigere und bessere ausländische Produkte gekauft werden? Nichts. Die deutsche Sozialdemokratie verweigert sich beharrlich, diese veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen wahrzunehmen. (Peter Dreßen [SPD]: Das sind Ihre Fehler!) Sie setzen unverändert auf kaufkraftorientierte Politik. (Detlev von Larcher [SPD]: Ja, Sie nicht!?) Nur, Sie werden lernen müssen: Ohne eine nachhaltige und dauerhafte Stärkung der Rentabilität von Investitionen in Deutschland gibt es keine ausreichende Anzahl neuer Arbeitsplätze. (Detlev von Larcher [SPD]: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!) - Wissen Sie, Herr von Larcher, es ist wahr: Ich habe vorhin von der Regierungsbank einen Zwischenruf gemacht, und das steht mir nicht zu. Sie haben sich da über die Reaktion meiner Kollegen von der CDU/ CSU gewundert. (Detlev von Larcher [SPD]: Nein!) Ich habe einfach gesagt: Die haben Angst vor Ihnen, Herr von Larcher. Darauf folgte die Reaktion. Ich wollte Ihnen damit eigentlich nur helfen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr witzig! Lächerlich! - Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das war wohl nichts!) Es lohnt sich immer wieder, nachzulesen, was der englische Premierminister Tony Blair in Malmö gesagt hat: „Wir müssen modernisieren, oder wir werden sterben." Und weiter: „Wir Sozialdemokraten werden unsere derzeitige Stärke wieder verlieren, wenn wir zu den alten Rezepten der Linken zurückkehren. " Herr von Larcher, Sie gehören - was Ihr gutes Recht ist - zu den Linken innerhalb der SPD. Darum mußten Sie heute auch so reden. (Joachim Poß [SPD]: Sie sind ja auch CSU- Linker!) Nur, Sie sollten doch ein bißchen von dem lernen, was Tony Blair gesagt hat, und von dem, was er umsetzen möchte. Sie können doch nicht auf die Dauer die rückständigsten Sozialdemokraten in ganz Europa sein. Das steht Ihnen eigentlich nicht zu. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Detlev von Larcher [SPD]: Ich finde es richtig lieb, wie Sie sich um die Sozialdemokratie sorgen! - Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sie brauchen Belehrungen, Herr Scharping!) Die Steuerreform 1998/99 ist ein wichtiger Baustein, den Standort Deutschland im Zeichen der Globalisierung erfolgreich im internationalen Wettbewerb zu halten. Wir stehen mit unseren Reformplänen für einen fairen internationalen Steuerwettbewerb. Immer mehr Staaten auch in Europa kämpfen mit steuerlichen Sonderregeln um Investitionen. Die Vergünstigungen bestehen meist in extrem niedrigen Steuersätzen oder in der Besteuerung nur eines Bruchteils des Gewinns. Solche Regeln gibt es in einigen Ländern, beispielsweise für sogenannte Koordinierungszentren, Holdinggesellschaften, Kapitalanlage- oder Konzernfinanzierungsgesellschaften. Ich bin sehr froh, daß einige der Länder auf einer der letzten Sitzungen des Ecofin offengelegt und auch dargestellt haben, wie sehr sie von diesem Negativwettlauf mit anderen Ländern betroffen sind. Um so wichtiger ist es, endlich zu einem gemeinsamen Verhaltenskodex zu kommen, um damit diese negativen Auswüchse eines falschen Steuerwettbewerbs einzugrenzen, nicht nur für Deutschland, sondern für alle Staaten in Europa und darüber hinaus in der OECD. Hier kämpfen wir. Auch die Europäische Kommission muß hier überlegen: Es ist nicht mehr vertretbar, Sonderregelungen als binnenmarktkonform zu akzeptieren, die einen eindeutigen Anreiz zur Steuerflucht bieten. Was bewirkt die Steuerreform? Erstens eine Wachstumsbeschleunigung durch einen Investitionsschub. Der abgesenkte Höchststeuersatz und die Steuervereinfachung motivieren zur Leistungsausweitung. Die steuerliche Entlastung verbessert die Ertragserwartung dauerhaft. Die Möglichkeit zur Selbstfinanzierung von Investitionen wird verbessert. Zweitens. Investitionen schaffen neue Arbeitsplätze. Die Steuerentlastung schafft Spielraum für moderate Tarifabschlüsse. Der abgesenkte Eingangssteuersatz erhöht den Anreiz zur Arbeitsaufnahme. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!) Drittens. Neue Arbeitsplätze stärken die Nachfrage. Die Nettoentlastung regt zusätzlich den Konsum an. Die Kapazitätsauslastung der Unternehmen steigt. Weitere Investitionen und Neueinstellungen folgen. Viertens. Die Steuerreform wirkt direkt im internationalen Standortwettbewerb. Die neuen niedrigen Steuersätze und das einfachere Steuersystem sind international konkurrenzfähig. Das negative Image des Standorts Deutschland als Hochsteuerland wird hinfällig, und die psychologische Hürde hoher Grenzsteuersätze und eines undurchschaubaren Steuerdikkichts entfällt. Ich bin zutiefst davon überzeugt - das ist nicht nur Erfahrung in Deutschland, sondern das zeigen auch die Erfahrungen in Österreich, in den skandinavischen Ländern, im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten -, daß eine solche Strukturänderung des Steuersystems und eine Senkung der Sätze nicht zu weniger Steuereinnahmen, sondern zu einer Stabilisierung der Steuereinnahmen und langfristig sogar zu einer Verbesserung der Steuerstruktur führt. Bundesminister Dr. Theodor Waigel Das ist unsere Überzeugung, die begründet wird mit der Erfahrung anderer Länder; denn die Aushöhlung der Steuerbasis, die wir gemeinsam beklagen, wird gestoppt und die Entwicklung der Steuereinnahmen wieder enger mit dem Wachstum verkoppelt. Und Wachstumseffekte bringen zusätzliche Steuereinnahmen. Mit dem Stopfen von Schlupflöchern und einem insgesamt einfacheren und gerechteren Steuersystem nimmt gleichzeitig der Anreiz zu legalen oder halblegalen Steuervermeidungsstrategien ab. Es bleibt der ungeklärte Zwiespalt bei Ihnen, auf der einen Seite zu beklagen, daß die Millionäre keine Steuern zahlen, und auf der anderen Seite nicht dabei mitzuwirken, daß die Steuerschlupflöcher gestopft werden und die Millionäre wieder Steuern zahlen. Das bleibt ein ungeklärter Widerspruch bei Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, wenn wir jetzt nichts tun, wird die Erosion der Einnahmebasis unvermindert weitergehen, zum Schaden des Bundes, der Länder und der Kommunen. Darum brauchen wir beides, eine Steuerstrukturreform und eine Steuerentlastung. Nun muß man in der Tat abwägen, was wir uns vor dem Hintergrund der schwierigen Lage der öffentlichen Kassen 1998, 1999 und in den Jahren danach leisten können. Natürlich müssen an erster Stelle weitere Konsolidierungsmaßnahmen stehen, um Steuersenkungsspielräume zu schaffen. Dazu unternehmen wir jede Anstrengung. Aber um das investitionsfreundliche Gesamtpaket auf den Weg zu bringen und gleichzeitig den Haushalt nicht zu gefährden, war es notwendig, die Gegenfinanzierung 1998 zu erweitern. Das ist auch zumutbar, wie meine Kollegin Frau Hasselfeldt und der Kollege Thiele dargestellt haben. Es gab einige schrille Töne. Die muß man zur Kenntnis nehmen, aber nicht immer befolgen. Zum Beispiel hat der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, Michael Fuchs, gesagt, mit dem Blick auf das Gesamtpaket könne die Wirtschaft mit diesen Entscheidungen gut leben. Insgesamt bleibt eine deutliche Nettoentlastung unser Ziel. Als wir uns an die Steuerreform machten, haben wir gewußt, welche Verbände, welche Interessenvertreter über uns hereinbrechen würden. Nur, wer jahrelang von diesem Pult aus mich oder uns auffordert, die Vorschläge von Herrn Bareis aufzugreifen, und dann, wenn wir es tun - sehr zur Befriedigung von Professor Bareis selbst -, sagt, all das, was Herr Bareis und wir jetzt vorschlagen, könne man nicht machen, weil das eine Politik gegen die Bevölkerung sei, der handelt widersprüchlich, der ist nicht glaubwürdig. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein Dank gilt denen, die in den letzten Wochen und Monaten mitgewirkt haben, daß die Gesetzentwürfe im Bundestag so schnell eingehend behandelt und unter Dach und Fach gebracht worden sind. Ihnen, Herr Thiele, mein Dank, auch den Obleuten, Frau Hasselfeldt, Herrn Merz, Herrn Poß, Herrn von Larcher. Wenn Sie nicht fair mitgewirkt hätten, wäre es nicht in dieser Form und in dem Zeitraum zustande gekommen. Auch Ihnen, Frau Professor Frick und Frau Scheel, dafür Dank, daß Sie unter gewaltigem Zeitdruck ein umfangreiches Programm bewältigt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die Grundkonzeption der Petersberger Beschlüsse bleibt unverändert. Der niedrige Eingangssteuersatz bei der Einkommensteuer soll 15 Prozent betragen. Bei den gewerblichen Einkünften bleibt es bei dem Höchststeuersatz von 35 Prozent, und der Ausschüttungssatz bei der Körperschaftsteuer wird auf 25 Prozent gesenkt. Nur, eines will ich auch in aller Deutlichkeit sagen: Wer bei der Körperschaftsteuer bereit ist, auf 35 Prozent zu gehen, und dann beim Mittelstand und beim Handwerk nicht bereit ist, den gleichen Steuersatz anzuwenden, der handelt unmoralisch. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wie kommt eigentlich der Einzelhandelskaufmann, wie kommt der Handwerker, der mit seinem ganzen Vermögen persönlich haftet, dazu, mehr Steuern zu zahlen als die Aktiengesellschaft? Darum ist hier für eine Spreizung kein Platz. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Übrigens hat Professor Pohmer aus Tübingen zu Ihrem Vorschlag, wieder eine Optionslösung einzuführen, lapidar gesagt: Das hatten wir 1951 schon einmal. Alle denken an diese Regelung mit Grauen zurück. - Sie sollten diesen Vorschlag ganz schnell aus dem Verkehr ziehen und sich dem anschließen, mit niedrigeren Steuersätzen für Körperschaften und gewerbliche Einkünfte die entscheidende Voraussetzung für mehr Investitionen in allen Bereichen der Wirtschaft zu schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Im Bereich der Gegenfinanzierung hat der Finanzausschuß eine ganze Reihe von Änderungen beschlossen; darauf will ich nicht näher. eingehen. Ich halte sie alle für vertretbar: was die Zuschläge anbelangt, auch im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, was im Wohnungsbau geschehen soll. Die entsprechende Gegenfinanzierung dafür haben wir gefunden und durchgesetzt. Noch ein Wort zu den weiteren beschlossenen Maßnahmen, der Einschränkung der Möglichkeit von Rückstellungen der Energieversorgungsunternehmen im Bereich der Kernkraftwerke und der Einschränkung des Verlustabzugs. Ich halte das für vertretbar. Der Zeitraum für den Verlustrücktrag wird von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt. Der Verlustvortrag wird bis insgesamt 2 Millionen DM möglich bleiben, darüber hinaus nur bis zur Hälfte des Gesamtbetrages der Einkünfte im jeweiligen Veranlagungszeitraum. Damit bleibt ein Verlustvortrag möglich. Bei Überschreitung der 2-Millionen-DM-Grenze wird er jedoch zeitlich gestreckt. Ich glaube, das ist zumut- Bundesminister Dr. Theodor Waigel bar, wenn man weiß, welche Größenordnung der Verlustvortrag insgesamt erreicht hat und welches strukturelle Problem dies für die Steuereinnahmen von Bund und Ländern und damit auch von Kommunen bedeutet. Die Einschränkung der Möglichkeit von Rückstellungen bezieht sich auf Sonderprobleme bei den Energieversorgungsunternehmen, deren Lösung ohnehin auf der Tagesordnung stand. Beim Abbau von steuerlichen Sonderregelungen haben wir ein gutes Stück Weg zurückgelegt. Seit 1990 haben wir Steuervergünstigungen von 48 Milliarden DM abgebaut. Mit den jetzt vorliegenden Gesetzentwürfen kommen noch einmal 53 Milliarden DM dazu. Damit haben wir in neun Jahren Sonderregelungen mit über 100 Milliarden DM abgebaut und zu einer echten Verbreiterung der Bemessungsgrundlage beigetragen. Dies ist, wie ich meine, eine gewaltige Leistung, eine gewaltige Summe, die in dem Gesamtzusammenhang nicht untergehen sollte. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Das Alternativkonzept der SPD kann nicht überzeugen. Es hat bei den Sachverständigen eine verheerende Aufnahme gefunden. (Widerspruch bei der SPD) - Doch, doch. (Vorsitz : Vizepräsidentin Michaela Geiger) Die amerikanische Handelskammer in Deutschland führt zum SPD-Konzept aus: Bei isolierter Betrachtung der steuerlichen Vorschläge stehen den Bruttoentlastungen von insgesamt 43 Milliarden DM gleichzeitig Steuererhöhungen von 78 Milliarden DM gegenüber, so daß die Steuerbelastung netto sogar um 35 Milliarden DM verschärft würde, wenn man die von der SPD abgelehnte Senkung des Solidaritätszuschlages mit berücksichtigt. Claus-Dieter Jackstein von der amerikanischen Kammer ergänzt: Der Spitzensteuersatz von 53 Prozent wird zur Abstimmung der Unternehmen mit den Füßen führen. Auch die Professoren Eekhoff und Homburg bestätigten in der Anhörung, daß die Verwirklichung der SPD-Vorschläge zu einer beträchtlichen Verschärfung der Besteuerung vor allem der Unternehmen führen würde. Wann wollen Sie Ihren Irrglauben korrigieren, den Ihnen Professor Bareis attestiert, wenn Sie nur den Einkünften von Kapitalgesellschaften Innovations-kraft zubilligen? Das einhellige Urteil aller Experten über das SPD-Konzept spricht Bände. (Joachim Poß [SPD]: Das stimmt ja nicht, keine Lügen! - Weitere Zurufe von der SPD) - Gut, Sie haben sich auf das DIW berufen. (Detlev von Larcher [SPD]: Und auf das RWI!) Das ist aber wirklich das einzige Institut, bei dem Sie sich hier und da Unterstützung, Trost und Zuspruch suchen können. Eine Partei, die eigentlich einmal dem gesellschaftlichen Fortschritt verpflichtet war, ist zur rückständigsten Steuerkraft in Deutschland geworden und hat sich von den Grünen überholen lassen müssen. Das spricht wirklich Bände. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Lachen bei der SPD - Joachim Poß [SPD]: Sie erscheinen doch dem Steuerbürger schon im Alptraum!) Meine Damen und Herren, Deutschland muß den Investoren aus dem In- und Ausland jetzt zeigen, daß es willens und in der Lage ist, die Herausforderungen der Globalisierung anzunehmen und den Standort auf das 21. Jahrhundert einzustellen. Lassen Sie uns gemeinsam Reformbereitschaft und Reformfähigkeit beweisen. Lassen Sie uns die Weichen für die Zukunft richtig stellen! (Detlev von Larcher [SPD]: Ja, richtig!) Stimmen Sie den Gesetzentwürfen zum Steuerreformgesetz 1998 und 1999 zu! (Detlev von Larcher [SPD]: Das wollen Sie ja gar nicht!) Sie tragen damit dazu bei, daß eine wichtige Weichenstellung für die Menschen in Deutschland, vor allem die, die Arbeit suchen, vorgenommen wird. Dazu lade ich Sie ein. Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ingrid Matthäus-Maier, SPD-Fraktion. Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten wollen eine Steuer- und Abgabenreform. Eine solche Steuer- und Abgabenreform müßte vier Dinge leisten: Erstens. Sie muß Investitionen und Arbeitsplätze fördern. Zweitens. Sie muß mehr Steuergerechtigkeit schaffen. Drittens. Sie muß zur Steuervereinfachung führen. Viertens. Sie muß solide finanziert sein. Das von der Bundesregierung vorgelegte Steuerreformpaket leistet dieses nicht. Deshalb dürfen Sie auf unsere Zustimmung nicht rechnen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD) Zum ersten Punkt, Investitionen und Arbeitsplätze. Daß Ihre Steuerreform kaum zu mehr Arbeitsplätzen führt, hat die Anhörung der Sachverständi- Ingrid Matthäus-Maier gen überdeutlich ergeben. Das ist auch klar; denn Sie setzen die falschen Akzente. Es sind nämlich nicht in erster Linie die Steuern, die das eigentliche Problem für Investitionen und Arbeitsplätze in Deutschland darstellen. Der Anteil aller Steuern am Bruttosozialprodukt, die sogenannte Steuerquote, ist nämlich 1996 auf 22,6 Prozent zurückgegangen - und sie geht weiter zurück. Innerhalb des gesamten Steueraufkommens von etwa 800 Milliarden DM im Jahr ist der Anteil der Unternehmensteuer auf deutlich unter 10 Prozent abgesunken. Nein, das eigentliche Problem für die Arbeitsplätze in Deutschland liegt bei der enormen Belastung der Löhne und Gehälter mit den Lohnnebenkosten. (Beifall bei der SPD) 1996 betrugen allein die Sozialversicherungsbeiträge mehr als 550 Milliarden DM, die Abgabenquote betrug damit 41,4 Prozent. Auf jeder verdienten Mark liegen Sozialversicherungsbeiträge, halb gezahlt vom Arbeitgeber, halb gezahlt vom Arbeitnehmer. Warum sind diese Lohnnebenkosten so hoch? - Weil diese Bundesregierung versicherungsfremde Leistungen wie zum Beispiel den Aufbau Ost, der ja eigentlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, den alle über Steuern bezahlen müßten, in die Sozialversicherung hineingeschoben und damit die Arbeit in Deutschland derart verteuert hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Diese hohe Belastung der Arbeit ist ein Beschäftigungshindernis. Solange Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, sich weiter starrsinnig gegen unseren Vorschlag wenden, die Lohnnebenkosten kräftig abzusenken, solange werden Ihre Vorschläge beschäftigungsunwirksam bleiben. Das zweite ist: Sie sagen, diese Steuerreform soll durch niedrigere Steuersätze zu mehr Investitionen verhelfen. - Wir sind bereit, die betrieblichen Steuersätze bei Verbreiterung der Bemessungsgrundlage abzusenken, weil dies international üblich ist. Aber so zu tun, als sei das der Stein der Weisen für mehr Investitionen, das ist doch eine pure Illusion; denn die Problematik von Investitionen durch Ausländer in Deutschland ist doch viel komplizierter, als Sie dies hier darstellen wollen. (Beifall bei der. SPD) Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Da kauft vor kurzem die schweizerische Pharmafirma La Roche für sage und schreibe 18 Milliarden DM das deutsche Pharmaunternehmen Boehringer in Mannheim. - Was zeigt das? Zum ersten kann der Standort Deutschland so furchtbar schlecht nicht sein; sonst würde sich dieses Unternehmen nicht mit 18 Milliarden DM in eine deutsche Firma einkaufen. Es zeigt zum zweiten leider: Wenn man nun denkt, am Ende des Jahres wird Deutschland in der Statistik der Investitionen aus dem Ausland 18 Milliarden DM mehr ausweisen, so trifft das nicht zu - Pustekuchen, weil der Verkäufer von Boehringer Mannheim auf den Bermudas sitzt. Im nächsten Jahr werden dann die Bermudas ein toller Standort sein, weil sie 18 Milliarden DM mehr Investitionen ausweisen können. Meine Damen und Herren, das ist doch lächerlich. Ich sage Ihnen: Wir werden zu mehr Investitionen nur dann kommen, wenn wir endlich den internationalen Steuerdumpingwettlauf bekämpfen, womit Sie leider viel zu spät begonnen haben. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Zweitens erwarten wir von einer Steuerreform mehr Steuergerechtigkeit. Daß Ihre Steuerpolitik zu mehr Steuergerechtigkeit führe, das behaupten nicht einmal Sie selbst. Die soziale Schlagseite des Paketes ist offensichtlich. (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist wohl wahr!) Nachdem Sie bereits zum Anfang dieses Jahres die private Vermögensteuer ohne Notwendigkeit abgeschafft haben, werden in diesem Paket schon wieder hohe und höchste Einkommen ganz besonders privilegiert. Nur einige Zahlen: Verheiratete mit einem zu versteuernden Einkommen von 50 000 DM im Jahr erhalten bei Ihnen eine Steuersenkung von 2 246 DM. Verheiratete mit einem zu versteuernden Einkommen von 240 000 DM im Jahr erhalten durch das Paket der Koalition eine Steuersenkung von 12 360 DM, und Verheiratete mit einem Einkommen von einer halben Million DM werden um sage und schreibe 48 736 DM entlastet. (Zuruf von der CDU/CSU: Schon wieder diese Neiddiskussion!) Bezahlen sollen das nach Ihrem Konzept unter anderem die Krankenschwester und der Schichtarbeiter durch höhere Besteuerung ihrer Zuschläge. Sie glauben doch nicht, daß wir diesen Unsinn mitmachen! (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordenten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Erläutern Sie doch Ihr eigenes Konzept!) Diese enorme Verzerrung - wenig Entlastung für mittlere Einkommen, dramatische Entlastung für Menschen, die es eigentlich gar nicht nötig haben - liegt daran, daß Sie auch den privaten Spitzensteuersatz senken. Nun hat Frau Hasselfeldt gesagt, das sei international üblich. - Ich hoffe zu Ihren Gunsten, Frau Hasselfeldt, daß Sie sich versprochen haben; denn die Niederlande, die Sie hier genannt haben, haben einen privaten Spitzensteuersatz von 60 Prozent. Auf 60 Prozent wollen wir Sozialdemokraten nicht gehen, aber die von Ihnen geplante Senkung auf 39 Prozent ist nun wirklich eine Schnapsidee. Auch andere Länder, zum Beispiel Schweden mit 56 Prozent, Österreich mit 50 Prozent, Belgien mit 55 Prozent, zeigen: Im internationalen Vergleich gibt es dafür keine Notwendigkeit. Ingrid Matthäus-Maier Das Problem ist, daß diese Senkung des Spitzensteuersatzes wahnsinnig teuer ist, und dafür haben wir nicht das Geld. Sie ist auch nicht nötig, meine Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Welche Einkommen meinen wir eigentlich, wenn wir über den Spitzensteuersatz sprechen? Ich will das hier einmal erläutern, weil man ja nach Ihren Reden den Eindruck haben könnte, es handele sich um besonders bemitleidenswerte Personen. Der Spitzensteuersatz von 53 Prozent in Deutschland setzt bei Verheirateten ein, wenn sie im Jahr zusammen mehr als 240 000 DM zu versteuerndes Einkommen haben - nicht brutto; brutto kann das sehr viel mehr sein. Viele Menschen denken, daß, wenn man ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 240 000 DM hat, die ganze Summe mit 53 Prozent belegt würde. - Kein Stück; auch für diese Spitzenverdiener gelten der Grundfreibetrag, der Eingangssteuersatz von 25,9 Prozent usw. 53 Prozent zahlt man ausschließlich auf jede Mark, die über den 240 000 DM liegt. Die durchschnittliche Belastung eines solchen Spitzenverdieners beträgt 33 Prozent. Das ist auch schon nicht schlecht. Aber daß unsere Hauptsorge angesichts von über 4 Millionen Arbeitslosen in Deutschland den Menschen mit mehr als 240 000 DM im Jahr gelten müsse, ist wirklich eine spinnerte Idee dieser Regierung. Das werden wir nicht mitmachen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Übrigens, eine einzige Erklärung für die dauernd wiederholte Forderung, den Spitzensteuersatz für Private zu senken - ich betone: den für Gewerbliche wollen wir senken -, hat mir Herr Solms geliefert. Mit ihm saß ich bei einer Podiumsdiskussion. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das ist immer gut!) - Ja, da kann man eine Menge lernen. Hören Sie gut zu! Da sagte Herr Solms folgendes: Wenn man zum Beispiel als deutsches Kreditinstitut in Frankfurt einen jungen, dynamischen Finanzdienstleister, einen Börsenmakler von London nach Frankfurt holen wolle, dann ginge das nicht, weil der in London einen niedrigeren Steuersatz habe. - Herr Sohns, da kommen mir die Tränen. Ich schlage Ihnen eine Arbeitsteilung vor: Die F.D.P. kümmert sich um die jungen, dynamischen Finanzdienstleister in London, und meine Partei kümmert sich um die Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie deren Familien, die dringend eine Steuersenkung brauchen. (Beifall bei der SPD und der PDS - Joachim Poß [SPD]: Die F.D.P. nach London!) Drittens: die Steuervereinfachung. Die Steuervereinfachung bleibt bei Ihren Vorschlägen wirklich auf der Strecke. Das haben nicht nur die Steuerbeamten in der Anhörung eindrucksvoll belegt. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Wir haben heute einen Arbeitnehmerpauschbetrag von 2 000 DM. Bis zu dieser Höhe muß ein Arbeitnehmer seine Werbungskosten nicht nachweisen. Sie schlagen in dem vorgelegten Gesetz vor, dieser Pauschbetrag solle auf 1 300 DM sinken. Das würde dazu führen, daß der Arbeitnehmer, der mehr Werbungskosten als 1 300 DM hat, anfangen muß, Belege zu sammeln, und daß die Steuerbeamten beginnen müssen, diese Belege zu prüfen und zu sortieren. Mehr Sammeltätigkeit beim Arbeitnehmer, mehr Prüfungstätigkeit beim Finanzbeamten - daß das gerade keine Vereinfachung ist, sieht doch jedes Kind, meine Damen und Herren. Deswegen hilft das nicht. Viertens: solide Finanzierung. Solide finanziert ist Ihre sogenannte Steuerreform nun wirklich nicht. Um das zu überdecken, haben Sie hier heute morgen alle langen Reden halten müssen. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Kürzer reden Sie auch nicht!) In dem, was Sie auf den Tisch des Hauses legen, steht: Steuerausfall 1999: 45 Milliarden DM; Steuerausfall 2000: 41 Milliarden DM; Steuerausfall 2001: 45 Milliarden DM. Eine kleine Fußnote dabei: Dieser hohe Steuerausfall soll durch die Erhöhung indirekter Steuern etwas verringert werden. Dann sagen Sie hier doch endlich deutlich, welche Steuern Sie erhöhen wollen, um wieviel und bei wem. Das sind Sie diesem Hause schuldig. Es ist doch völlig unerklärlich, daß Sie das nicht tun. Daß Sie mit der Wahrheit nicht rausrücken, paßt in Ihre Täuschungsmanöver seit der deutschen Einheit, als Sie die Menschen mit Steuerlügen getäuscht haben. (Beifall bei der SPD) Selbst wenn Sie eine Gegenfinanzierung noch vorlegen sollten, bleiben Riesensteuerlöcher, weit über 30 Milliarden DM. Mein Eindruck ist, es geht hier nach dem Motto: Wir haben sowieso kein Geld, wir haben sowieso Riesenschulden, dann kommt es auf 20 bis 30 Milliarden DM auch nicht an. Schauen Sie sich doch einmal an, was in diesen Tagen stattfindet! Ihr 96er Haushalt ist verfassungswidrig; am Ende des Jahres gab es fast 20 Milliarden DM mehr Schulden, als von Ihnen vorhergesagt wurde. Zum 97er Haushalt: Wir lesen ja jeden Tag, welches Theater Sie veranstalten; dauernd gibt es Koalitionskränzchen, die immer ohne Ergebnis auseinandergehen. Als wir Sie aufgefordert haben: „Machen Sie einen Nachtragshaushalt!", da haben Sie gesagt: Nein, nein, nein; das wollen nur die bösen Sozis. Jetzt haben Sie selber angekündigt, daß Sie einen machen wollen, weil Sie, Herr Waigel, in der zweiten Hälfte dieses Jahres Ihren Haushalt nicht mehr finanzieren können. (Zuruf von der SPD: Jawohl!) Mein Kollege Diller hat nachgewiesen, (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Wo ist denn der eigentlich?) daß Sie bereits bis zur Mitte dieses Jahres die Neuverschuldung, die Sie für das ganze Jahr vorgesehen haben, voll in Anspruch genommen haben. Nun gibt es da sicherlich noch statistische Verzerrungen. Aber so etwas ist doch ganz unerträglich. Ich frage Sie: Ingrid Matthäus-Maier Wie wollen Sie denn über die Runden kommen? Wie sieht das mit Ihren Haushaltslöchern aus? Es ist doch ganz unerträglich, daß Sie immer wieder noch tiefere Haushaltslöcher eingestehen müssen. Daß dann der Bundesrat und die SPD sagen, daß sie das nicht wollen, das ist im Sinne der Bürger! Denn wenn man Ihren finanzpolitischen Amoklauf zu Lasten der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden nicht stoppen würde, dann würde man staatspolitisch unverantwortlich handeln. Deswegen können Sie sicher sein, daß Sie keine Mehrheit kriegen. (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Detlev von Larcher [SPD]: Damit rechnen die doch geradezu!) Wir werden nicht zulassen, daß Sie Haushalt um Haushalt Jahr für Jahr an die Wand fahren und daß Sie jetzt mit einer sogenannten Steuerreform, die viele Milliardenlöcher reißt, nach dem Motto vorgehen: Nach mir die Sintflut! Denken Sie ja nicht, daß Sie das Recht haben, wenn Sie 1998 abdanken, uns verbrannte Erde hinterlassen zu können! (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wir danken nicht ab! - Zuruf von der CDU/ CSU: Wir bleiben!) Ich hatte vorgestern das Vergnügen, mit Herrn Michelbach an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen. (Zurufe von der SPD: Oh! - Zurufe von der CDU/CSU: Guter Mann!) - Herr Michelbach, hören Sie sich die zweite Hälfte des Satzes an; dann müssen Sie sich nämlich schämen. Dort hat er nämlich gesagt: Alle Maßnahmen dieser Steuerreform sind durch die mittelfristige Finanzplanung gedeckt. (Lachen bei der SPD) Da habe ich aber herzlich lachen müssen. (Michael Glos [CDU/CSU]: Sie können doch gar nicht herzlich lachen!) Ich will den Bürgern einmal erklären, was die mittelfristige Finanzplanung ist. Die mittelfristige Finanzplanung liefert Finanzdaten für fünf Jahre. Ich wiederhole: Jahre! Wenn die Haushaltszahlen von Herrn Waigel nur einmal fünf Wochen lang stimmen würden, dann würde das ganze Haus ja schon jubeln. (Lebhafter Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Eduard Oswald [CDU/ CSU]: Lachen Sie doch einmal herzlich!) - Ja. Herr Waigel, wenn es nicht so traurig wäre, müßte man ja fast lachen; (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/ CSU) denn in Bonn kursiert ja ein Witz. Was ist ein Theo? - Ein Theo ist der Abstand zwischen zwei Haushaltslöchern. (Heiterkeit bei der SPD) Noch viel besser hat das ja Herr Rühe gesagt. Herr Rühe hat gesagt, die Verfallsdaten von Waigels Haushaltszahlen seien kürzer als das Verfallsdatum auf einem Joghurtbecher. - Recht hat er, meine Damen und Herren. (Michael Glos [CDU/CSU]: Das hat der Rühe nicht gesagt!) Solch eine Hektik und solch ein Durcheinander hat es noch nie gegeben. Jeden Tag etwas Neues. (Michael Glos (CDU/CSU): Das hat der Rühe mit Sicherheit nicht gesagt!) Es schreibt ja sogar der nicht gerade SPD-freundliche Herr Barbier in der FAZ: Die zunehmend hektische Greiferei an die Schrauben des Steuersystems trägt mittlerweile die Züge des Überfallartigen. Dazu sage ich: Genau! Man wird morgens wach und kann in der Zeitung lesen: Telekom-Privatisierung soll 25 Milliarden bringen. Beim Gang an die Börse haben Sie etwas anderes versprochen. Die TelekomKleinaktionäre wissen das sehr gut. Übrigens ist es auch ein origineller Beitrag, das Parken von Telekom-Aktien bei einer Staatsbank als Privatisierung zu bezeichnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Nach der Sache mit dem Tafelsilber gab es die Aktion Goldfinger. Nachdem nun die Bundesbank diesen Überfall erfolgreich abgewehrt hat, versuchten Sie, an die Rücklagen der Pflegeversicherung heranzukommen. Das hat die Menschen so geärgert, daß selbst Sie gemerkt haben, daß Sie das nicht tun dürfen. Ich sage Ihnen: Jeden Tag eine neue Hiobsbotschaft. Man hat ja geradezu Angst, morgens in die Zeitungen zu sehen, weil man damit rechnen muß, daß dort schon wieder eine Schnapsidee, ein Winkelzug von Ihnen steht, um den Bürgern und der Wirtschaft in die Tasche zu greifen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Jetzt kam buchstäblich über Nacht die steuerliche Verschlechterung für die Wirtschaft in einer Größenordnung von Milliarden DM. Die Unternehmensverbände sind empört, und damit verlieren Sie die letzten Mohikaner, die noch Ihrer unseligen Steuerreform den Rücken gestärkt haben. Ich will nicht verhehlen, daß mich die Krokodilstränen der Herren Stihl und Henkel nicht überzeugen. Daß aber die Wirtschaft, der sie dauernd Verbesserungen des angeblich so schlechten Investitionsstandorts vorgegaukelt haben, nämlich Steuersatzsenkung, Ihre nächtliche Überfallaktion wie einen Ingrid Matthäus-Maier Schlag ins Gesicht, wie einen schweren Vertrauensbruch empfindet, ist doch offensichtlich; denn Verläßlichkeit und Berechenbarkeit der Politik bleiben jeden Tag ein bißchen mehr auf der Strecke. Der Standort Deutschland ist sehr viel besser, als Sie es jeden Tag sagen. Es gibt gewisse Schwächen: Bürokratie, zu hohe Lohnnebenkosten, die Dauer von Genehmigungsverfahren und Ausbildungszeiten, zu geringe Aufwendungen für Investitionen, Forschung und Technologie. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Aber ein Land, das Jahr für Jahr für 100 Milliarden DM mehr exportiert als importiert, kann kein generell schlechter Wirtschaftsstandort sein. Deswegen fordern wir Sie auf: Hören Sie mit dem Schlechtreden des Wirtschaftsstandortes Deutschland auf. Das Standortrisiko Nummer eins für Deutschland sind nicht die Steuern, das ist die mangelnde Berechenbarkeit dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Das Steuerkonzept der SPD ist sehr viel bescheidener, aber dafür solide finanziert, sozial gerecht, und es fördert Investionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Dazu gehört erstens, daß wir schnell handeln und nicht erst 1999 mit Ihrem Schwerpunkt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir schlagen vor, bereits zum 1. Oktober dieses Jahres - wenn Sie endlich bereit sind, können wir das im Vermittlungsausschuß schaffen - die Lohnnebenkosten zu senken, damit der Faktor Arbeit endlich entlastet wird und ein Beschäftigungshindernis wegfällt. (Beifall bei der SPD) Sie reden immer den gleichen Unsinn über Angebots- und Nachfragepolitik. Zur Erklärung für die Zuhörerinnen und Zuhörer: Angebotspolitik nennt man eine Politik, die diejenigen entlastet, die Produkte und Dienstleistungen anbieten, also die Unternehmen und Arbeitgeber. Nachfragepolitik nennt man eine Politik, die die Masseneinkommen stärkt, damit die Menschen diese Produkte und Dienstleistungen auch kaufen können. Es ist doch geradezu albern, wenn Sie diese beiden Politiken dauernd gegeneinander ausspielen. Es war doch jahrzehntelang in Deutschland üblich, daß man beides getan hat. Unser Konzept sieht im Unterschied zu Ihrem eine Kombination vor. (Zuruf von der CDU/CSU) - Wenn ich die Sozialabgaben senke, senke ich auch die Kosten für die Arbeitgeber. Das ist Angebotspolitik im besten Sinne. (Beifall bei der SPD) Aber es gibt einen wichtigen Unterschied zu Ihnen. Sie betreiben in der Tat seit Jahren eine einseitige Angebotspolitik. Sie erzählen uns: Wenn wir der Wirtschaft dauernd die Steuern und die Kosten senken und die Kündigungsmöglichkeiten erleichtern usw., dann schaffen wir mehr Arbeitsplätze. Das machen Sie seit Jahren, und die Folge ist: Die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Das zeigt, jede ideologisch einseitige Politik ist ein Fehler. Deswegen gehört zu einem guten Steuer-und Abgabenpaket auf der einen Seite die Senkung der Kosten für Arbeitgeber und Unternehmer, aber auf der anderen Seite die Stärkung der Massenkaufkraft. Uns sagen doch die Einzelhändler, das Ifo-Institut und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, daß das Problem der mangelnden Kaufkraft in Deutschland damit zusammenhängt, daß die Masse der Menschen zu wenig Geld in der Tasche hat, um einzukaufen. Deswegen ist der zweite Schwerpunkt unserer Steuersenkung eine Verbesserung des Grundfreibetrages und eine Erhöhung des Kindergeldes, damit die Durchschnittsfamilie im nächsten Jahr ungefähr 2 000 DM mehr in der Tasche hat. (Beifall bei der SPD) Ich sagte Ihnen: Wir sind auch bereit, den Körperschaftsteuersatz zu senken, wenn dafür Schlupflöcher und Ausnahmemöglichkeiten beseitigt werden. Dies sehen wir selbstverständlich auch für den Handwerker vor. Hier im Deutschen Bundestag kann ich Sie korrigieren, aber wie ich Sie kenne, laufen Sie im Lande herum und erzählen weiter Falsches. Auch der Handwerker, der Einzelhändler und ebenso der Einzelunternehmer soll nach den Vorstellungen der SPD dem gleichen niedrigen Steuersatz unterliegen, weil wir eine Optionsmöglichkeit für diese ausdrücklich vorsehen. (Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU/ CSU) Damit komme ich zur Gewerbekapitalsteuer. Wir haben uns zusammengesetzt - übrigens seit Wochen -, um zu sehen, ob wir nicht gemeinsam die Gewerbekapitalsteuer abschaffen können; denn sie ist. eine unglückliche Steuer, weil sie ertragsunabhängig ist. Aber wir haben immer gesagt, daß dies nur unter drei Voraussetzungen geschehen darf: Erstens. Die Gemeinden erhalten als Kompensation einen Anteil von 2,3 Prozent an der Umsatzsteuer. Dieses steht noch nicht fest. Zweitens. Eine solide Gegenfinanzierung ist von Ihnen bisher nicht vorgelegt worden. Der Gesetzentwurf des Hamburger Bürgermeisters Voscherau sieht eine intelligente und volle Gegenfinanzierung vor. Drittens. Wir wollen in der Verfassung eine Absicherung der Gewerbeertragsteuer. Das wollen auch die Städte und Gemeinden. Nur Sie wollen es bisher nicht. Bisher besteht die Koalition darauf, daß die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer der Einstieg in die totale Abschaffung der Gewerbesteuer ist. Das wollen wir nicht; denn wenn das kommt, dann können Sie es den Gemeinden nicht übelnehmen, daß sie alle nur noch Kurorte werden wollen und keine Gewerbebetriebe mehr ansiedeln. (Beifall bei der SPD) Ingrid Matthäus-Maier Nach Ihren Reden heute morgen will ich nicht verhehlen, daß ich sehr skeptisch bin, was eine Einigung angeht. Aber es gibt Einigungsmöglichkeiten. Wir könnten uns auf einige wenige Schwerpunkte einigen, wenn sie solide finanziert sind. Das ist die Absenkung der Lohnnebenkosten zum 1. Oktober 1997. Das ist die Stärkung der Massenkaufkraft durch Senkung der Steuern für Durchschnittsverdiener und Familien mit Kindern. Das ist die Senkung des Eingangssteuersatzes und Verbesserung des Grundfreibetrages. Das ist die Senkung der betrieblichen Steuersätze und das Stopfen von Schlupflöchern und Ausnahmen. Nehmen Sie die Chance wahr, daß auch wir eine Steuerreform wollen. Aber eine solche, wie Sie sie vorlegen, die Bund, Länder und Gemeinden auf Dauer in noch höhere Schulden treibt, wird es mit uns nicht geben. (Anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat jetzt der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Dr. Wolfgang Schäuble. Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines ist in der Debatte immerhin festzuhalten: Alle sprechen sich für die Notwendigkeit einer Steuerreform aus. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr gut!) Dann müßte es eigentlich möglich sein, daß wir sie zustande bringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Jetzt müssen wir uns vielleicht noch einmal darüber verständigen, wozu eine Steuerreform dient, was sie leisten soll und kann. Sie allein wird nicht alle Probleme auf dem Arbeitsmarkt lösen. Frau Matthäus-Maier, das ist völlig klar. Aber sie kann und muß einen Beitrag dazu leisten, daß wir eine bessere Chance haben, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu lösen. Deswegen ist das, was der Bundesfinanzminister in seiner eindrucksvollen Rede gesagt hat, uneingeschränkt richtig und zu unterstreichen. Wir müssen im Wettbewerb um den Standort von Investitionen und um Arbeitsplätze durch eine Reform unseres Steuersystems leistungsfähiger werden, sonst haben wir keine Chancen, zu verhindern, daß immer mehr Arbeitsplätze abwandern. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es hilft nichts: Wir müssen uns im Bereich der Unternehmenbesteuerung ein Stück weit an dem orientieren, was andere europäische Länder auf den Weg gebracht oder schon unternommen haben. Das ist das eine, was unabdingbar notwendig ist. Weiterhin ist festzustellen: Wir haben eine Entwicklung im Bereich unserer Steuern, die dadurch gekennzeichnet ist, daß es bei hohen Steuersätzen und einem ordentlichen gesamtwirtschaftlichen Wachstum zu einer Abkoppelung der Steuereinnahmen kommt. Denn die tatsächlichen Steuersätze werden immer weniger gezahlt. Das ist ein strukturelles Problem unseres Steuersystems. Wir haben zu hohe Sätze mit zu vielen Ausnahmen und damit mit zu vielen Umgehungsmöglichkeiten. Beides zusammen - die zu hohen Sätze und die vielen Ausnahmen - und der internationale Wettbewerb führen dazu, daß eine immer größere Zahl von wirtschaftlichen Entscheidungen nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung wirtschaftlicher Leistung getroffen werden, sondern unter dem Gesichtspunkt der Steuervermeidung. Dies führt zu Fehlallokationen. Dies muß durch eine Steuerreform beendet werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) An folgendem hat sich im übrigen nichts geändert. Das gehört zu den großen zum Teil offensichtlich, wie wir hier erlebt haben, absichtsvoll geschürten Mißverständnissen. Das Grundkonzept unserer Steuerreform ist seit der Konzeption, die wir auf dem Petersberg gemeinsam erarbeitet und vorgestellt haben, bis zu der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses, die uns dankenswerterweise heute vorliegt, nicht verändert worden, sondern besteht nach wie vor. Natürlich wird während einer parlamentarischen Beratung - ein anderes Vorgehen wäre schlimm - die eine oder andere Einzelheit ein Stück weit verändert. Man geht auf Argumente, Bedenken und Gesichtspunkte ein. Das Volumen der Änderungen hat eine Größenordnung von etwa 3 Prozent des gesamten Umschichtungsvolumens der Steuerreform. Es bleibt bei allen vorgesehenen Steuersätzen: Der Eingangssteuersatz wird von 25,9 auf 15 Prozent gesenkt, der Spitzensteuersatz von 53 auf 39 Prozent, der Gewerbesteuersatz für ausgeschüttete Erträge von 30 auf 25 Prozent sowie für nicht ausgeschüttete Erträge von 45 auf 35 Prozent und der Einkommensteuersatz für Einkünfte aus Gewerbebetrieben von 47 auf 35 Prozent. Dies alles muß angesichts der Haushaltssituation von Bund, Ländern und Gemeinden durch drei Elemente gegenfinanziert werden, nämlich einmal durch eine Nettoentlastung. Eine Steuerreform, die nicht zu einer Nettoentlastung führt - es wird da immer der Begriff „Aufkommensneutralität" genannt -, ist in Wahrheit keine Steuerreform, die die Kräfte für Wachstum und mehr Arbeitsplätze verstärkt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Sie muß zweitens die Steuerausfälle durch die Senkung der Steuersätze ein Stück weit kompensieren bzw. die Ausfallwirkungen auf die Einnahmesituation der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden erträglich halten, indem wir das Problem der zu vielen Ausnahmen durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage angehen. Drittens werden wir um ein Element der Umschichtung zwischen direkten und indirekten Dr. Wolfgang Schäuble Steuern nicht herumkommen. Das haben wir immer gesagt, und das sagen wir auch jetzt. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Richtig!) Meine Damen und Herren, an dieser Stelle will ich in aller Ruhe, Klarheit und Offenheit noch einmal sagen: Ich finde es bemerkenswert - ich freue mich, Herr Wabro, daß Sie als Vertreter des Landes BadenWürttemberg anwesend sind -, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) daß die Vertreter der Bundesratsmehrheit an dieser Debatte nicht teilnehmen, obwohl sie am Anfang, als wir unser Steuerreformkonzept eingebracht haben, gesagt haben - man muß daran erinnern; ich habe keine Zitate mitgebracht, schade um die Zeit; wir kennen sie alle -: Es wäre das beste, man würde nicht erst auf den Vermittlungsausschuß warten, sondern vorab durch Gespräche klären, was möglich ist. Frau Matthäus-Maier hat hier noch einmal den Mut gehabt - es gehört schon ein bißchen Mut dazu, dies angesichts des Vorgangs noch einmal zu sagen -, Sie seien zu schneller Einigung bereit. Dann hat es geheißen: Dann muß aber schon der Bundeskanzler persönlich mit dem Herrn SPD-Vorsitzenden reden. Dann hat man noch darüber gestritten, in welcher Landesvertretung man das Ganze macht. Dann ist man delegationsartig eingezogen. Ich habe noch die Bilder, die zeigen, wie Sie marschiert sind. Sie haben unterschiedliche Gehhaltungen, aber so miteinander war es ganz eindrucksvoll. „Die Stunde der Komödianten" hat man zwischendurch einmal gedacht. (Zuruf von der SPD) - Der Einzug der Gladiatoren, die Bilder haben wir doch. Jetzt lassen Sie doch einmal! Dann sind wir zusammengekommen. Man hat gesagt: Dann laßt uns doch einmal ernsthaft darüber reden. Dann hat man von beiden Seiten gesagt: Herr Voscherau, Herr Schleußer und Herr Scharping mit drei von uns. Dann hat man, als man gemerkt hat, es könnte zur Sache geredet werden es bestand die Gefahr, daß in der Sache ernsthaft argumentiert würde -, die Auseinandersetzung um die Kohleförderung zum Anlaß genommen, die Gespräche auszusetzen, nicht ausdrücklich abgesagt, sondern nur verschoben. Aber man ist nie mehr darauf zurückgekommen. Dann haben Sie irgendwann der Öffentlichkeit etwas vorgestellt. Sie haben gesagt, auch Sie hätten eine Steuerreformkonzeption. Als wir daraufhin gesagt haben: „Dann laßt uns darüber reden, je schneller desto besser", haben Sie gesagt: Nein. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: „Bringen wir gar nicht ein"!) - Bringen wir nicht ein. Im Vermittlungsausschuß - frühestens. Jetzt muß ich Ihnen sagen: Die Mitglieder des Bundesrates können hier reden, die Mitglieder des Bundestages können nicht im Bundesrat reden. Es wäre schon nicht schlecht (Gisela Frick [F.D.P.]: Wenn wir auch dürf- ten!) - nein, das will ich gar nicht -, wir würden die Chance nutzen, vor der Öffentlichkeit, auf dem Forum der Nation die Argumente auszutauschen, statt ein taktisches Spielchen nach dem anderen zu machen, um sich dann ins Hinterzimmer zu flüchten. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Joachim Poß [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen! - Dr. Uwe Küster [SPD]: Unglaublich! - Detlev von Larcher [SPD]: Vater der Taktik!) - Weil Sie, Herr von Larcher, gerade zwischenrufen: Als Sie schon vor halb zehn hier geredet haben, hat für mich das Wort „Morgengrauen" eine ganz neue Bedeutung gewonnen. (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Detlev von Larcher [SPD]: Das kann ich mir vorstellen! - Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Manche Dinge gehen menschlich zu weit, Herr Kollege! Ekelhaft! - Detlev von Lar- cher [SPD]: Das ist sein Niveau!) Ich sage das in aller Klarheit und Offenheit: Angesichts der Situation, daß bis auf die heutige Stunde nicht ein einziges vernünftiges, sachbezogenes, verantwortliches Gespräch mit den Vertretern der Bundesratsmehrheit möglich gewesen ist, angesichts dieser Tatsache - - (Rudolf Scharping [SPD]: Verehrter Herr, jetzt übertreiben Sie mal nicht!) - Herr Kollege Scharping, einmal, als wir drei und drei zusammen waren, haben wir anderthalb Stunden zur Sache geredet. Das hat Ihrem Parteivorsitzenden so wenig gefallen, daß er die erste Ausflucht genommen hat, um die Sache zu stoppen. So ist die Wahrheit. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Angesichts dieser Tatsache haben wir gesagt: Es macht überhaupt keinen Sinn. Sie halten uns das Stöckchen hin, damit wir darüber springen, und dann sagen Sie: Wir machen das aber nicht. Deswegen haben wir gesagt: Wir können in eine ernsthafte Erörterung zur Sache erst eintreten, wenn Sie bereit sind, zur Sache zu argumentieren. Aus diesem Grund haben wir in der Gesetzgebung Fragen offengelassen, von denen wir meinen, sie werden erst dann entschieden, wenn feststeht, daß es im Vermittlungsausschuß oder im Bundesrat eine ernsthafte Chance dei Zustimmung gibt. (Joachim Poß [SPD]: Das ist die Ausrede! - Rudolf Scharping [SPD]: So viel Feigheit hat eine Mehrheit im Bundestag noch nie gehabt!) Dr. Wolfgang Schäuble - Darum geht es überhaupt nicht. Es geht überhaupt nicht um Feigheit. (Rudolf Scharping [SPD]: Sie wollen einfach die Wahrheit nicht sagen!) - Herr Scharping, wollen Sie Ihre Zwischenrufe gleich am Stück absolvieren? Dann lassen Sie mich wieder ein paar Sätze sagen. Dann bekommen wir es hintereinander. Frau Matthäus-Maier ist soeben ganz schnell wieder auf das Thema Sozialversicherungsbeiträge gekommen: Sozialversicherungsbeiträge seien eigentlich ein viel wichtigerer Stoff. Auch das ist ein wichtiges Thema. Ich sage ja nicht: Die Steuerreform löst das Arbeitsmarktproblem. Aber wenn wir uns gemeinsam dem Problem der Sozialversicherungsbeiträge oder der zu hohen Sozialkosten ernsthaft widmen wollen, müssen wir erst die Ursachen sehen. Das Ganze hat insbesondere mit der demographischen Entwicklung zu tun: steigende Lebenserwartung, steigender Anteil älterer Menschen. Wenn man dieses Problem in Angriff nehmen will, kann man es nicht nur durch Umschichtungen in Angriff nehmen, sondern man muß den explosionsartigen Ausgabenanstieg bremsen. Es geht nicht um Kürzungen, sondern es geht um eine Verringerung des Ausgabenanstiegs oder, wie bei der Gesundheitsreform, um Elemente der Sparsamkeit, um den Ausgabenanstieg zu bremsen. Wer das nur durch Umschichtungen erreichen will, wird die Dynamik des Ausgabenanstiegs nicht bremsen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir können uns schnell über eine Rentenreform einigen, wenn klar ist, es wird nicht nur umfinanziert, sondern auch gespart. Wir haben gesagt: Wir wollen durch eine Erhöhung des Bundeszuschusses, der durch Verbrauchsteuern finanziert werden muß, (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Richtig!) den Beitragssatz senken. Aber wir wollen es nicht an Stelle von Einsparungen, sondern zusätzlich, ergänzend. Wir haben in den Gesetzentwurf nicht hineingeschrieben, welche Verbrauchsteuer dazu erhöht werden muß, und zwar aus einem einzigen Grund: Wenn Sie die Blockadestrategie im Bundesrat fortsetzen, die Sie bis jetzt in der Steuerpolitik machen, müssen wir am Schluß eine Verbrauchsteuer erhöhen, deren Erhöhung nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, damit Sie das Ganze nicht blockieren können. Wenn Sie zu einer Kooperation bereit sind, können wir auch einen anderen Weg gehen. Deswegen können wir die Fragen erst beantworten, wenn wir wissen, wie Sie sich am Ende im Bundesrat einlassen. Das ist die ganze Wahrheit; daran führt kein Weg vorbei. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Je schneller Sie diese verantwortungslose Blockadepolitik endlich aufgeben, um so besser. (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist ja unglaublich!) Es ist schon bemerkenswert, daß Sie selber die Gewerbekapitalsteuer heute morgen in die Debatte eingeführt haben. Übrigens, Frau Matthäus-Maier, man kann doch nicht in einem Satz die Position vertreten, die Gemeinden müßten 2,3 Prozent Anteil am Umsatzsteueraufkommen als Kompensation erhalten, und sich gleichzeitig für den von Herrn Voscherau angekündigten Gesetzentwurf aussprechen, in dem gar keine Senkung der Gewerbeertragsteuer vorgesehen ist, sondern nur die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, so daß unter Kundigen völlig unstreitig ist, daß bei diesem Gesetzentwurf 2,1 Umsatzsteuerpunkte schon eine Überkompensation darstellen. Also, „ent" oder „weder". Täuschen Sie die Öffentlichkeit doch nicht so! (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Rudolf Scharping [SPD]: Sie haben Zusagen gemacht, wir kämen zu einem Ergebnis! Wie ist das jetzt?) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordneter Dr. Schäuble, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Matthäus-Maier? Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Bitte schön. Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Herr Kollege Schäuble, da ich im Unterschied zu Ihnen, weil Sie nicht Mitglied der Arbeitsgruppe sind, gestern bei der Sitzung der Arbeitsgruppe „Gewerbekapitalsteuerreform" dabei war - bei dieser Sitzung ging es stundenlang um diese Fragen -, kann ich nur sagen, daß es zwar einige Länder gab - dazu gehörte Bayern, vertreten durch Herrn Huber -, die sagten, 2,1 Prozent reichten, während andere Länder, zum Beispiel Niedersachsen, vertreten durch Herrn Finanzminister Waike, sagten, selbst mit 2,3 Prozent sei eine Kompensation für die Gemeinden in Niedersachsen nicht gewährleistet. Es ist offensichtlich unterschiedlich. Deswegen sollten Sie nicht so tun, als sei das Thema schon erledigt, ganz abgesehen davon, daß die Städte und Gemeinden verständlicherweise 2,3 Prozent fordern. (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Ja, wofür?) Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Frau Matthäus-Maier, wenn ich es richtig verstanden habe, hat der Deutsche Städtetag 2,3 Prozent zur Kompensation der Folgen des Gesetzentwurfs, den wir im Bundestag beschlossen haben, für notwendig gehalten. Ist das richtig? - (Zustimmung bei der CDU/CSU) Der Deutsche Städtetag wird ja wohl nicht hinter dem zurückbleiben, was aus der Sicht der Städte das Minimum ist. Wenn Sie nun - das ist der Vorschlag von Herrn Voscherau - aus dem Gesetzentwurf den Teil „Senkung der Gewerbeertragsteuer", also die Mittelstandskomponente, herausnehmen, dann müssen Dr. Wolfgang Schäuble nach den Regeln der Logik und auch nach der Auffassung des Städtetages 2,3 Prozent ausreichend sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Deswegen finde ich, wir sollten hier die Argumente austauschen und nicht nur in vertraulichen Zirkeln, bei denen dann keiner kontrollieren kann, welche Spielchen da getrieben werden. Ich sage jedenfalls: Es ist höchste Zeit, daß die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Was ist mit dem 28?) - Ja, Moment, darauf habe ich auf die Zwischenfrage Ihres Fraktionsvorsitzenden in der letzten Debatte schon eine Antwort gegeben. Wir sind bereit, eine Grundgesetzänderung mitzutragen, die sicherstellt, daß die Gewerbeertragsteuer auch nach Wegfall der Gewerbekapitalsteuer weiterhin erhoben werden kann. Das ist unstreitig. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Natürlich, sebstverständlich!) Das ist das' Anliegen. Das ist übrigbrigens auch das, was der Deutsche Städtetag für notwendig hält; er hat nämlich gerade in Hamburg getagt. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Richtig!) Sie sollten sich nicht kommunalfreundlicher machen als die Vertretung der Kommunen selber. Ich finde, das reicht dann schon aus. (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: So ist es!) Wir haben auch das Problem für die ostdeutschen Gemeinden für das Jahr 1997 in einer Weise gelöst, von der die ostdeutschen Gemeinden und Landesregierungen selber sagen, so sei es in Ordnung. Es gibt also keinen vernünftigen Grund mehr, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer weiterhin zu verzögern. Lassen Sie sie uns jetzt endlich abschaffen, je schneller desto besser! (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Dr. Schäuble, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Repnik? Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Bitte schön. Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Herr Kollege Schäuble, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß in den gestrigen Beratungen, die von Frau Matthäus-Maier eben in die Diskussion eingeführt wurden und an denen ich auch teilgenommen habe, auf meine Frage hin vom hamburgischen Beamten auf Aufforderung des Herrn Kollegen Voscherau auch zugestanden wurde und eindeutig klar war, daß die Berechnungen von 2,3 Prozent, genauso wie es Herr Kollege Schäuble jetzt gesagt hat, von der Basis unseres Gesetzentwurfes ausainaen? Geaenstand dieses Gesetzentwurfes ist nicht nur die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, sondern auch die mittelstandsfreundliche Ausgestaltung und Absenkung der Gewerbeertragsteuer in einer Größenordnung von rund 650 Millionen DM. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß mit dem Hamburger Vorschlag, der diesen zweiten Teil nicht enthält, schon deshalb eine Überkompensation deutlich ist, weil wir pro 0,1 Prozentpunkt ungefähr 200 Millionen DM haben und die Rechnungen eindeutig ergeben haben, daß man mit 1,9 Prozent eigentlich dem Anliegen der Kommunen für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer gerecht würde (Dr. Uwe Küster [SPD]: Jetzt die Frage! - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Merkwürdige Frage!) und daß wir mit 2,1 Prozent eine Überkompensation haben, wir aber dennoch bereit waren, mit 2,1 Prozent und Überkompensation für die Kommunen abzuschließen? (Dr. Uwe Küster [SPD]: Ist das mit der Rechtschreibreform vereinbar, was Sie jetzt fragen? - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wiederholen Sie das jetzt mal!) Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Ich habe der Frage m eines Freundes Hans-Peter Repnik - der meinen Mangel gegenüber Frau Matthäus-Maier, kompensiert hat, daß ich nicht Mitglied dieser Arbeitsgruppe bin, die vertrauliche Beratungen geführt hat - entnommen, daß der Kollege Voscherau in die- sen Beratungen das vertreten hat, was ich gerade auch gesagt habe. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Lachen der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD]) Das spricht für den Kollegen Voscherau und insoweit noch nicht einmal gegen mich. Herzlichen Dank, Herr Kollege Repnik! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Dr. Schäuble, es gibt den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage, und zwar vom Abgeordneten Poß. Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Na gut. Danach geben Sie mir bitte die Chance, noch ein paar Sätze zur Steuerreform insgesamt zu sagen. Joachim Poß (SPD): Herr Kollege Schäuble, ich möchte Ihnen noch eine ganz einfache Frage stellen, die man auch wirklich ganz einfach beantworten kann: Sind Sie bereit, den Städten und Gemeinden auf wirtschaftsbezogener Basis eine verfassungsmäßige Absicherung der Gewerbeertragsteuer durch Änderung des Art. 28 zuzusichern, ja oder nein? Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Kollege Poß, ich weiß schon, was Sie hier für ein Spiel machen wollen. (Zurufe von der SPD: Ja oder nein?) Ich würde gerne dabei bleiben: Das Argument war immer, auch auf dem Deutschen Städtetag in Hamburg, (Erika Lotz [SPD]: Ablenkung!) daß man das Risiko, daß die Gewerbeertragsteuer nicht mehr erhoben werden könnte, wenn es keine Gewerbekapitalsteuer mehr gibt, weil sie dann möglicherweise im Sinne des Grundgesetzes keine Substanzsteuer mehr wäre, durch eine verfassungsrechtliche Ergänzung ausschließt. Aber ich bin nicht bereit, jetzt die Zusage zu machen, daß wir durch verfassungsrechtliche Erklärungen die Steuerpolitik des nächsten Jahrhunderts festlegen. Das wollen wir nicht machen. (Joachim Poß [SPD]: Das steht im Entwurf von Voscherau!) - Ich habe ja Ihre Frage beantwortet, und jetzt würde ich gerne noch ein paar Sätze zum Thema Steuerreform sagen. (Joachim Poß [SPD]: Wir kommen darauf zurück! - Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wenn Art. 28 nicht geändert wird, kriegen Sie keine Abschaffung!) - Ich halte mich an das, was von allen immer gesagt worden ist. Mein Eindruck ist, daß Sie inzwischen von Woche zu Woche immer neue Forderungen und Positionen nachlegen. Das ist genau das taktische Spiel, von dem ich gesagt habe, wir machen es nicht mehr mit. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Detlev von Larcher [SPD]: Nein, das ist nicht wahr!) Sie machen jede Woche ein neues Manöver, und Sie wollen die Öffentlichkeit ablenken. Dann sagen Sie hinterher, es sei ein Durcheinander. (Detlev von Larcher [SPD]: Das machen Sie selber!) Genau dieses Spiel machen wir nicht mehr mit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Man muß übrigens beide Gesetzentwürfe, die wir heute beraten und verabschieden, den zum 1. Januar 1998 und den zum 1. Januar 1999, im Zusammenhang sehen. Das ist zum Teil auch durch kritische Stimmen in der Wirtschaft in den letzten Tagen nicht richtig gesehen worden. Die Steuerreform gewinnt ihren systematischen Ansatz, ihre Begründung, ihre Richtigkeit und ihre Wirkung für Wirtschaft und Arbeitsmarkt nur im Zusammenwirken beider Stufen. Wir haben übrigens immer gesagt: Wir sind bereit, uns mit der Mehrheit des Bundesrates ganz schnell zu einigen, (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sofort!) daß man alles in einer Stufe oder die Stufen anders macht oder daß man es zum 1. Januar 1998 vorzieht. Über all dies sind wir verhandlungsbereit und einigungsfähig, wir bräuchten nur Verhandlungspartner und nicht solche, die ständig neue Spielchen machen, die ein Stöckchen hinhalten, und wenn man danach greift, ziehen sie es weg und sagen: auf der anderen Seite. Das hat keinen Sinn. Beide Gesetze zusammen bringen eine deutliche Steuerentlastung, und zwar in allen Einkommensbereichen. Frau Matthäus-Maier, hören Sie doch auf, bei einem progressiven Steuersystem Zahlen und Beispiele hier vorzutragen, wieviel Entlastung bei einem Einkommen von 2 000 DM und von 10 000 DM und von 100 000 DM herauskommt. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist Ihnen unangenehm!) - Nein, das ist mir überhaupt nicht unangenehm. Es ist mir nur insofern unangenehm, als es in mir die Versuchung regt, auf Sie unfreundlich zu reagieren, denn es ist unter Ihrem Niveau. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bei einem System progressiver Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit kann man doch die Entlastungswirkung nicht in absoluten Zahlen angeben. Sie müßten doch dann zunächst einmal bei denjenigen anfangen, die im Bereich des Grundfreibetrages sind und überhaupt keine Steuern zahlen, denen wir auch keine Steuern senken können. Wer keine bezahlt, dem kann man sie nicht senken. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Die habe ich nicht als Beispiel genannt!) Wenn Sie ein leistungsfreundlicheres Steuersystem wollen, wenn Sie ein Steuersystem wollen, bei dem wir mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze haben, müssen Sie im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben. Dann kommen Sie nicht darum herum, prozentual in allen Bereichen abzusenken, und können nicht mit Einheitsbeträgen von 1 000 DM pro Person operieren. Die stärkste prozentuale Absenkung haben wir bei den unteren Einkommen vorgesehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wer progressiv besteuert, kann nicht proportional entlasten. Das macht keinen Sinn. Das ist einfach nicht logisch. Deswegen haben wir eine solche Steuerentlastung vorgesehen. Dann will ich noch zu dem Thema der Verlustvorträge etwas sagen. Natürlich ist das eine Frage, die schwierige Diskussionen auslöst. Aber der Eindruck, der zum Teil entstanden ist oder vielleicht auch verursacht, herbeigeführt werden sollte, daß man in Zukunft Verluste in späteren Veranlagungsjahren nicht mehr geltend machen kann, ist falsch. Worum es geht, ist lediglich, daß jenseits einer Grenze von 2 Millionen DM, - die auch in der Zukunft voll verrechnet werden können - die weitere Geltendmachung nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz, nämlich 50 Prozent des steuerpflichtigen Einkom- Dr. Wolfgang Schäuble mens, erfolgen kann. Was dann im nächsten Jahr nicht geltend gemacht werden kann, kann im Folgejahr geltend gemacht werden. Das heißt, wir wollen eine größere Kontinuität. Die ist auch notwendig, denn dabei sind wir doch bei der Verbindung von Steuerpolitik und. Haushaltspolitik, die das Problem der Finanzpolitik ist. Wir haben strukturelle Verkrustungen, die der Bundesfinanzminister hier eindrucksvoll geschildert, dargelegt und erläutert hat, die wir jetzt beheben müssen. Wir können sie nicht in der Art beheben, wie Sie vorschlagen; das ist doch albern. Wir haben dadurch das Problem: Wenn wir diese Strukturreformen machen, wird es einige Jahre Zeit brauchen, bis sich die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt und bei den Steuereinnahmen voll auswirkt. Das ist die Wahrheit, und darüber soll man die Menschen auch nicht täuschen. Diese Zwischenphase, die schwierig ist, auch in den Haushalten, dürfen wir nicht dadurch noch verschärfen, daß wir in dieser Zwischenphase Verlustvorträge, die sich in zurückliegenden Jahren in einer Größenordnung von mehreren 100 Milliarden DM angesammelt haben, kurzfristig in voller Höhe geltend machen. Vielmehr müssen wir zu einer gewissen Glättung und Verstetigung kommen, damit die Finanzpolitik eine größere Chance der Kontinuität, der Stetigkeit hat. Einen anderen Weg gibt es nicht. (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Wieso ist Ihnen das erst letzte Woche eingefallen?) - Das ist uns überhaupt nicht letzte Woche eingefallen, das ist doch nicht wahr, Herr Kollege Gysi, sondern der Punkt ist: Sie werfen mit einer Häme - von der ich finde, Sie sollten langsam im stillen Kämmerlein einmal überprüfen, ob sie angemessen ist - dem Bundesfinanzminister Dinge vor, schieben ihm die Verantwortung für Entwicklungen objektiver Art in die Schuhe, die einem einzelnen überhaupt nicht vorzuwerfen sind. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich sage nur: Stoiber, Stoiber, Stoiber! Ich bitte Sie!) - Nein, nein. Jetzt will ich Ihnen einmal ein paar Rahmendaten der Haushaltspolitik vortragen. Der Herr Bundesfinanzminister hat schon darauf hingewiesen. Es ist übrigens, wenn ich das insoweit kritisieren darf, Herr Bundesfinanzminister, nicht der Preis der Einheit, sondern es sind die Folgen von Teilung und Sozialismus in 40 Jahren, die wir so teuer bezahlen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wenn ich es richtig weiß, haben wir heute den niedrigsten Anteil des Bundeshaushaltes am Bruttoinlandsprodukt, am Volkseinkommen, seit Jahrzehnten, trotz dieser besonderen Belastung nach 40 Jahren Teilung und Sozialismus. Seit 1994 - wenn man einmal den Sonderposten Defizitabdeckung der Bundesanstalt für Arbeit außen vor läßt, da haben wir die Verwerfungen des Arbeitsmarktes - sinken die Ausgaben im Bundeshaushalt in absoluten Zahlen nominal Jahr für Jahr. Was das Personal des Bundes - Beamte, Angestellte, Arbeiter, Richter und Soldaten - betrifft, so werden wir bis zum Ende dieses Jahrzehnts insgesamt weniger Mitarbeiter in der Verwaltung haben, als wir 1989 in der alten Bundesrepublik hatten, also obwohl inzwischen fünfeinhalb Länder hinzugekommen sind. Das heißt, es ist überhaupt nicht wahr, daß wir keine Haushaltspolitik nach den Grundsätzen der Sparsamkeit betrieben haben. Sie haben uns ja meistens vorgeworfen, wir würden zu viel sparen. Dann werfen Sie uns doch hinterher nicht vor, daß es Haushaltslöcher gibt, und zwar insbesondere dann nicht, wenn Sie, wie Sie es getan haben, weitere Strukturreformen in dem Bereich, in dem die Ausgaben am stärksten ansteigen, nämlich bei den Systemen der sozialen Sicherung, mit Ihrer Blockadeposition im Bundesrat verhindern. Das ist doch unredlich und führt uns nicht voran. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Da dies so ist, kommen wir in den Haushaltsjahren 1997 und 1998 auch nicht darum herum, mit Maßnahmen, die nicht dauerhaft sind - Privatisierungserlöse hat man nicht dauerhaft, sondern nur dann, wenn man privatisiert - Lücken so zu glätten, daß wir in der Finanzpolitik eine gewisse Kontinuität wahren. Frau Matthäus-Maier, Sie haben gesagt, die Übertragung der Telekom-Aktien auf die KfW sei nicht solide und nicht seriös. Mir hat gerade jemand eine Agenturmeldung zugesteckt, wonach der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Post und Telekommunikation - das ist der Kollege Arne Börnsen, SPD - die Übertragung der Telekom-Aktien vom Bund auf die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau für vertretbar hält. Können Sie sich in Ihrer Fraktion nicht darüber abstimmen, was Sie nun eigentlich wollen? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. - Zuruf von der SPD) - Entschuldigung, der Kollege ist dafür zuständig. Sie polemisieren hier dagegen, (Detlev von Larcher [SPD]: Wer ständig austeilt, das sind Sie!) und der fachlich zuständige, kenntnisreiche und verantwortliche Ausschußvorsitzende sagt, daß das richtig und vertretbar sei. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Detlev von Larcher [SPD]: Und deswegen gab es drei Wochen lang ein Koalitionstheater!) Es hat doch keinen Sinn, an den Schwierigkeiten vorbeizureden. Daß wir auf Grund der strukturellen Probleme eine Reihe von Schwierigkeiten haben, leugnet doch niemand. Das hat Gerda Hasselfeldt hier objektiv dargestellt, und das haben der Kollege Thiele und der Bundesfinanzminister dargelegt. Wir haben es in vielen Debatten immer wieder gesagt. Tun wir doch nicht so, als gäbe es keine Probleme. Tun wir doch nicht so, als wäre es nicht dringend notwendig, einen Teil der strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt in unserem Lande durch eine Sen- Dr. Wolfgang Schäuble kung aller Steuersätze bei Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zu bekämpfen. Dann tun Sie noch etwas; dann sagen Sie etwas, was nicht wahr ist. Sie sagen jetzt nämlich, Sie hätten in Ihren Steuerreformvorschlägen eine Senkung der Steuersätze auf 35 Prozent für alle Gewerbebetriebe vorgesehen. Verzeihen Sie, Sie haben eine Senkung der Körperschaftsteuersätze auf 35 Prozent vorgeschlagen (Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Für ein- behaltene Gewinne! - Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Frau Matthäus-Maier war dage- gen!) - ja, für den Thesaurierungssatz; den Ausschüttungssatz wollen sie nicht senken -, und die Einkommensteuersätze wollen Sie unverändert lassen. 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind nicht körperschaftsteuerpflichtig. Sie können doch nicht sagen, auch der Handwerksbetrieb kann sich in eine Aktiengesellschaft umwandeln, damit er Körperschaftsteuer bezahlen muß. Das macht keinen Sinn; das ist unredlich. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Der kriegt die Option!) - Dann legen Sie einen Gesetzentwurf für das Optionsmodell vor! Sie werden erleben, wie er in der fachkundigen Öffentlichkeit zerrissen wird. Sie machen es aber nicht. Das ist nicht in Ordnung. Wer die mittelständische Struktur unserer Wirtschaft erhalten will, muß nicht nur die Körperschaftsteuer-, sondern auch die Einkommensteuersätze senken. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Nur so leisten wir mit der Steuerreform einen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Ich möchte mich bei den Mitgliedern des Finanzausschusses - bei Ihnen als Vorsitzendem, Herr Kollege Thiele, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen - dafür bedanken, daß sie dieses umfangreiche Gesetzeswerk in einem zeitlich außergewöhnlich gedrängten Verfahren beraten haben; die zeitliche Bedrängnis war gewiß eine Zumutung. Aber ich glaube, es war notwendig und richtig. Und jetzt bitte ich erstens, daß wir diesem Gesetzentwurf zustimmen, zweitens, daß wir ihn nicht öffentlich verleumderisch und irreführend darstellen, sondern daß wir die Chancen, die sich aus dieser Reform für den Arbeitsmarkt ergeben, würdigen, und drittens, daß wir in vernünftige Verhandlungen mit der Bundesratsmehrheit eintreten - aber nun wirklich nicht mehr mit diesem taktischen Spiel, sondern ein Stück weit verantwortlich. Dann können wir uns über Fragen des Zeitpunkts, der jeweiligen Etappen des Verfahrens und über vieles andere mehr einigen. Wir haben ja auch bisher schon versucht, im Rahmen der Beratung unseres Gesetzentwurfs vielen Bedenken Rechnung zu tragen. Aber eines ist klar: Es muß eine Steuerentlastung und eine deutliche Senkung der Steuersätze aller Einkommensarten geben. Es hat doch keinen Sinn, daß wir neue Schlupflöcher schaffen. Wenn wir die Einkommensteuer nur für Einkünfte aus Gewerbebetrieb und für andere nicht senken, dann leisten wir nur wieder neuen Einkommensverschiebungen Vorschub. Das löst keine Probleme, sondern schafft nur neue. Wir müssen alle Steuersätze senken und - soweit irgend möglich - Schlupflöcher beseitigen. Eine solche Reform verbessert die Chancen für mehr Wachstum und für mehr Arbeitsplätze. Deswegen ist es Zeit, daß sie zustande kommt. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich erteile das Wort zu einer Kurzintervention dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Rudolf Scharping. Rudolf Scharping (SPD): Herr Kollege Schäuble, Sie haben von den Gesprächsrunden gesprochen, die stattgefunden haben. In dem Zusammenhang möchte ich zwei Bemerkungen machen. Erstens. Es ist ganz offenkundig, daß die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer durch die Unfähigkeit der Koalition blockiert wird, zwischen zwei widerstreitenden Zielen zu entscheiden: zwischen dem in Ihrer Koalitionsvereinbarung reklamierten Ziel, daß die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer der erste Schritt zur Abschaffung der gesamten Gewerbesteuer sein solle, und Ihrer Erkenntnis, daß ein solcher Weg finanziell absolut nicht gangbar ist. Meine zweite Bemerkung bezieht sich ebenfalls auf die Gesprächsrunden. Es ist ein in der deutschen Parlamentsgeschichte einmaliger Vorgang, daß Sie in Ihren Koalitionsvereinbarungen eine Entlastung der Steuerzahler von 30 Milliarden DM reklamieren, heute aber ein Gesetz mit einer Entlastung von 45 Milliarden DM verabschieden wollen. Jeder weiß, daß dies nicht finanzierbar ist. Es ist ein in der Parlamentsgeschichte einmaliger Vorgang, daß Sie in einen Gesetzentwurf hineinschreiben, dieses Defizit solle - wie auch immer - durch eine Umschichtung von direkten zu indirekten Steuern finanziert werden, ohne in dem Gesetzentwurf zu sagen, wie das geschehen soll. Deswegen sage ich: Das ist eine Steuerreform mit Betrugsabsicht. (Lachen und Widerspruch bei der CDU/ CSU und der F.D.P.) Sie werden die Beihilfe der SPD zu dieser Betrugsabsicht nicht bekommen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Dr. Schäuble, Sie haben das Recht auf eine Antwort. Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Wir müssen den Fernsehzuschauern vielleicht einmal sagen: Es liegt nicht an den jeweiligen Rednern, wenn sie so- Dr. Wolfgang Schäuble lange auf eine Antwort warten müssen. Es dauert einfach 10 Sekunden, bis das Mikrophon am Platz funktioniert. (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: High-Tech! - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben eine lange Leitung!) - Herr Kollege Fischer, das ist jetzt unfair. Es dauert bei Ihnen genauso lange wie beim Kollegen Scharping und bei mir. Das ist so. Es schauen ja ein paar Menschen zu. Herr Kollege Scharping, wenn ich die Debatte um die Gewerbekapitalsteuer auf mich wirken lasse, auch das, was Sie jetzt wieder gesagt haben, dann wird mein Verdacht noch stärker, daß Sie uns bei der Steuerreform immer nur von einem taktischen Manöver zum anderen jagen wollen, (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!) ohne jemals wirklich die Bereitschaft zu einer Einigung in der Sache zu haben. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Wenn es anders ist, ist es gut. Ich sage noch einmal: Bei der Gewerbekapitalsteuer ist die Sache doch ganz klar. - Im übrigen sollten Sie uns nicht das Recht absprechen, selber zu sagen, was wir langfristig für richtig halten und was nicht. - Die Abschaffung der Gewerbeertragsteuer im Rahmen der Gesetzgebung ist überhaupt nicht intendiert. Wir haben eine Mittelstandskomponente mit einer Anhebung der Meßzahlen. Das ist - mittelstandsfreundlich - bei der Gewerbeertragsteuer vorgesehen. Wenn man sich im Vermittlungsausschuß nur auf die Absenkung der Gewerbekapitalsteuer einigen kann, sind wir auch dazu bereit. Wir sind bereit, die Ausfälle für die Gemeinden in voller Höhe zu kompensieren. Wir sind bereit, uns mit der Mehrheit des Bundesrates - wenn man nicht die degressive MA dafür nehmen will - über eine andere Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zur Herstellung der Aufkommensneutralität zu einigen. Wir sind bereit, die verfassungsrechtlichen Risiken für den Fortbestand der Gewerbeertragsteuer durch eine Grundgesetzergänzung auszuschließen. Wir sind bereit, die Ausfälle für die Gemeinden in den neuen Bundesländern, die sich dadurch ergeben, daß das nicht schon 1997 in Kraft getreten ist, auszugleichen. Jetzt frage ich Sie: Warum, um Himmels willen, ist es nicht möglich, die Gewerbekapitalsteuer jetzt endlich abzuschaffen? Wenn Sie sich so verhalten wie gerade in Ihrer Kurzintervention, dann verstärkt das den Verdacht, daß Sie eine Einigung in der Sache in Wahrheit nicht wollen und daß Ihnen kein Vorwand zu billig ist, um eine Einigung in der Sache zu verhindern, weil Sie eine Strategie der verbrannten Erde betreiben. Dieses Spiel machen wir nicht mehr mit. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Detlev von Larcher [SPD]: Haha! Er ver- scherbelt - und wir betreiben eine Strategie der verbrannten Erde!) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat jetzt die Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Kerstin Müller. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um kurz an die Debatte anzuknüpfen: Herr Schäuble, dafür ist es aber wirklich notwendig, daß die Gewerbeertragsteuer im Grundgesetz abgesichert wird. Denn wir wollen nicht - weder die SPD noch die Bündnisgrünen -, daß die Gemeinden irgendwann einmal ohne ein eigenes Hebesatzrecht dastehen. Denn das würde möglicherweise dazu führen, daß sie finanziell auf Dauer ausbluten. Das wollen wir nicht. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Zur Steuerreform: Herr Solms schwärmte gestern - noch sehr selbstzufrieden - von der größten Steuerreform in der Geschichte der Bundesrepublik, und Sie, Herr Schäuble, haben heute - schon etwas bescheidener - wieder eines Ihrer üblichen Verhandlungsangebote gemacht. Beides finde ich ziemlich wirklichkeitsfremd. Durch die dramatischen Steuerausfälle haben Bund, Länder und Gemeinden 18 Milliarden DM weniger in der Kasse, als von Ihnen im letzten November vorausgesagt. Die Kosten der höheren Arbeitslosigkeit kommen noch dazu. Ihre Politik hat diese Steuerausfälle verursacht. Sie tragen die Verantwortung für die hohe Arbeitslosigkeit genauso wie für die Haushaltskrise. Sie müssen deshalb jetzt einen Nachtragshaushalt vorlegen. Das wäre die Gelegenheit - da hat Herr Waigel ganz recht -, endlich die Weichen neu zu stellen. Aber was schlagen Sie jetzt vor? Tun Sie irgend etwas gegen die Arbeitslosigkeit? Tun Sie etwas, um die Arbeit gerechter zu verteilen? Tun Sie etwas, um die Lohnnebenkosten zu senken? - Nichts von alledem gehen Sie an. Herr Kanzleramtsminister Bohl hat angekündigt, was Sie tun wollen: Sie wollen - ich zitiere - „in diesem Jahr ausnahmsweise eine höhere Nettoneuverschuldung in Kauf nehmen". Meine Damen und Herren von der CSU - Herr Glos ist ja anwesend -, da müßten Ihnen eigentlich die Ohren klingen. Was wird in diesem Fall aus Ihrem Fetisch Stabilität, aus der Maastricht-Grenze für die Neuverschuldung, aus Ihren magischen 3,00 Prozent, die Sie im CSU-Parteirat einstimmig beschworen haben? Die Neuverschuldung wird im Referenzjahr 1997 „vorübergehend" erhöht. Ist das mit Ihnen abgestimmt? Herr Stoiber hat gestern in der FAZ den entschiedenen Widerstand der CSU in der Staatsregierung angekündigt. Gilt das auch für Sie, meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion? Oder wird Herr Stoiber dann im nächsten Jahr gegen Ihren Haushaltsbeschluß und gegen den Bundeskanzler bei der Einführung des Euro vor das Bundesverfassungsgericht ziehen? Wenn Sie jetzt weiter auf den 3,00 Prozent beharren, dann bedeutet das in Ihrer Logik die Verschiebung des Euro. Damit legen Sie zugleich dem Herrn Bundeskanzler den Rücktritt nahe. Denn dieser hat, Kerstin Müller (Köln) wie er sich ausdrückt, sein politisches Schicksal mit der pünktlichen Einführung des Euro verknüpft. Dieses Theaterstück - Stoiber als Voralpen-Napoleon gegen Kohl - (Michael Glos [CDU/CSU]: Das nehmen Sie sofort zurück!) wirkt leider nur in Deutschland unfreiwillig komisch. Für die europäische Einigung insgesamt ist diese Politik, diese kleinkarierte Dezimalstellendiskussion einfach fatal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Während nun also die CSU liebevoll am Stuhl des Herrn Bundeskanzlers sägt, sägt die F.D.P. an sich selbst. Das ist gar nicht so einfach; denn was gibt es an einem gelben Wackelpudding schon groß zu sägen? Wie bringen Sie es eigentlich fertig, meine Damen und Herren von der F.D.P., einer höheren Verschuldung zuzustimmen? Sie haben doch erst auf Ihrem letzten Parteitag - das ist gerade ein Monat her - etwas ganz anderes beschlossen. Ich darf aus Ihrem Beschluß zitieren: Die Staatsverschuldung nimmt der zukünftigen Generation ihre Freiheit und ihre Chancen. Wer die Staatsverschuldung abbauen will, muß die Neuverschuldung im Grundgesetz verbieten. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Deswegen wird sie erhöht!) Keine vier Wochen nach diesem pathetischen Lied auf die nächste Generation beschließen Sie hier in Bonn eine höhere Staatsverschuldung. Und warum? Weil Sie der jetzigen Generation auf keinen Fall eine Steuererhöhung zumuten wollen. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist Dialektik!) Sie von der F.D.P. beschwören in Ihrem Parteitagsbeschluß die junge Generation, leben aber wie niemand anders in diesem Hause auf Kosten gerade dieser jungen Generation. Sie sagen: Nur keine Steuererhöhung heute. Damit verschieben Sie die Lasten auf morgen, auf die künftigen Generationen. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Westerwelle? (Detlev von Larcher [SPD] und Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt die Jugend!) Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genauso ist es mit den anderen Flicken, mit denen Sie das Haushaltsloch stopfen wollen. Da ist zum Beispiel Herrn Westerwelles Privatisierung zu nennen: Vermögen des Bundes wird verkauft und der Erlös daraus für den laufenden Bedarf verwendet. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich habe Sie schon einmal gefragt, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen, Frau Abgeordnete. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, natürlich. Das habe ich überhört, Entschuldigung. Dr. Guido Westerwelle (F.D.P.): Ich habe nur eine Frage dazu: Da Sie soeben Standfestigkeit eingeklagt haben, würde ich gerne gerade von Ihnen persönlich erläutert bzw. begründet bekommen, warum Sie Ihre bisherige Beschlußlage „Ausstieg aus der Steinkohle aus ökologischen Gründen" über Nacht abgeändert haben in „höhere Steinkohlesubventionierung", nur damit Ihr Herr Fischer für ein paar Fernsehbilder bei den Barrikaden dabeisein konnte. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ist das nicht Opportunismus pur? Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Westerwelle, das ist kein Opportunismus, und ich weiß, wovon ich rede. Wir wollen den ökologischen Umbau; von Ihnen habe ich dazu leider sehr wenig gehört. Aber wir haben immer gesagt - und da ist unsere Fraktion am weitesten mit ihren Vorschlägen hier in diesem Bundestag -: Der ökologische Umbau muß sozialverträglich gestaltet werden. Wir reden von einem ökologischen und sozialen Strukturwandel im Ruhrgebiet und in anderen vergleichbaren Regionen. Aber an Sozialverträglichkeit haben Sie überhaupt kein Interesse. Deshalb haben wir uns für einen Gleitflug aus der Steinkohle ausgesprochen. Aber was soziales Gewissen betrifft, so können Sie da in der Tat nicht mitreden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Zur Privatisierung: (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sagen Sie doch mal etwas zur Steuerreform!) Vermögen des Bundes wird verkauft und der Erlös daraus für den laufenden Bedarf verwendet. Das kann man eine Weile so machen. Aber wer so etwas macht, wer jahrelang mehr Geld ausgibt, als er einnimmt, und die Lücke mit Vermögensverzehr schließt, wird immer ärmer und ärmer, und irgendwann ist Schluß. Ist das Vermögen vernascht, dann kommt die Zeit der jungen Generation, die diesen von Ihnen ausgeplünderten Staat und seine Schulden verwalten darf. Das finde ich sehr unverantwortlich. Man kann Privatisierung aus ordnungspolitischen Gründen machen. Sie kann auch zur Schuldentilgung sinnvoll sein. Aber Privatisierung als Strategie zur Haushaltsdeckung ist kurzatmig und bedeutet Leben auf Kosten der kommenden Generationen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Warum tun Sie das, meine Damen und Herren von der Koalition? Weil Sie sich nicht trauen, heute die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit ist: Sie haben längst Steuern gesenkt, aber nicht für die vielen Arbeiter und Arbeiterinnen und Angestellten, nicht für die vielen Leistungsträger und Leistungsträgerinnen Kerstin Müller (Köln) dieser Gesellschaft, sondern für Ihre Klientel von Besserverdienenden und Vermögensbesitzern. Sie haben zum Beispiel am 1. Januar 1997 die Vermögensteuer abgeschafft. Aber das war nur der Schlußstein. Die Steuerquote, der Anteil der Steuern am Sozialprodukt, ist seit 1992 stetig gesunken: von knapp 24 Prozent auf gerade einmal 22 Prozent. Frau Matthäus-Maier hat heute schon zu Recht darauf hingewiesen. Das macht allein 50 Milliarden DM aus, das heißt, das Doppelte des aktuellen Haushaltslochs. Daß die meisten Menschen von diesen Steuersenkungen rein gar nichts gemerkt haben, sondern - im Gegenteil - unter immer höheren Steuern und Abgaben leiden, zeigt nur eines, das aber deutlich: die fundamentale und soziale Ungerechtigkeit Ihrer Politik, auch und gerade Ihrer Steuerpolitik. Meine Damen und Herren, was Sie jetzt konkret unter dem Namen „Privatisierung" vorhaben, setzt Ihrer Politik auf Kosten der jungen Generation die Krone auf. Ich meine den vorgezogenen Verkauf der Telekom-Aktien. Herr Schäuble hat das hier angesprochen. Dies ist in der Tat sehr problematisch, und zwar aus folgendem Grund: Die Dividenden und Verkaufserlöse sollten vor allen Dingen der Finanzierung der Pensionen der Beamtinnen und Beamten dienen. (Joachim Poß [SPD]: So ist es!) So steht es im Gesetz. Bei der Privatisierung der Bundespost hat der Bund nämlich Pensionslasten von zirka 101 Milliarden DM übernommen. Was wird nun aus diesem Pensionsfonds? Sie verkaufen die Telekom-Aktien schnellstmöglich an die Kreditanstalt für Wiederaufbau, und zwar mit den bei Notverkäufen üblichen Abschlägen. Den Erlös benutzen Sie einfach zur Deckung der laufenden Ausgaben. Wer finanziert dann die Pensionen der ehemaligen Postbeamten? Das ist der problematische Punkt bei der Verscherbelung der Telekom-Aktien. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Diese Last wälzen Sie bedenkenlos auf zukünftige Bundeshaushalte und damit wieder auf die nächsten Generationen ab. Ihnen, die Sie heute die vorhandene Pensionskasse verfrühstücken, kann und wird für die Zukunft niemand mehr Zurückhaltung glauben. Sie schaffen heute die Erblasten von morgen. Sie arbeiten nach dem Motto: CDU, CSU und F.D.P. machen heute die Schulden; Rot-Grün zahlt das später. Das ist das Gegenteil einer soliden Finanzpolitik. (Ina Albowitz [F.D.P.]: Ach Gott! - Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Mir kommen die Tränen!) Auch Ihre steuerpolitischen Vorschläge sind durch die Beratungen im Finanzausschuß nicht besser geworden. Sie haben in Ihren Fraktionen beschlossen, einige Korrekturen vorzunehmen, die alle eines gemeinsam haben: Sie alle kosten noch mehr Geld. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das stimmt nicht!) Das war, wie ich finde, nicht sehr überzeugend. Letzte Woche haben Sie dann in ganz bescheidenem Umfang Vorschläge gemacht, woher Sie wenigstens ein paar Milliarden DM zur Deckung nehmen könnten. Es waren durchaus überraschende Vorschläge, darf ich sagen, überraschend nicht nur für uns. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie hat das Seine dazu gesagt. Die Veränderungen bei der Unternehmensbesteuerung sind für uns diskutabel. Den Ertrag aus einer Mehrbelastung der Wirtschaft sollte man aber doch nicht der F.D.P. zuliebe für eine Senkung des Solidaritätszuschlags verpulvern. Man muß ihn vielmehr voll in die Gegenfinanzierung einer echten Steuerreform stecken. Daß die Länder und Kommunen Ihre Luftbuchungen akzeptieren und die Senkung des „Soli" aus eigener Tasche bezahlen, wie es Ihr Konzept vorsieht, glauben Sie doch wohl selber nicht. Die gigantischen steuerfreien Rückstellungen der Energiekonzerne in bescheidenem Umfang heranzuziehen ist sicher kein Fehler, sondern ein winziger Schritt in die richtige Richtung. Aber was nützt ein winziger Schritt, wenn man sich im freien Fall befindet? Ihre Steuervorschläge reißen gigantische Haushaltslöcher auf. Nach Ihren eigenen Zahlen - andere Schätzungen, etwa die der Länder, kommen zu weit höheren Ergebnissen - kosten Ihre Vorschläge weitere 1,2 Milliarden DM im Jahre 1998, 44,9 Milliarden DM im Jahre 1999, 41,2 Milliarden DM im Jahre 2000 usw. Auf die Frage, wie Sie das decken wollen, sind Sie bisher jede Antwort schuldig geblieben. Die Haushaltslöcher von heute stopfen Sie auf Kosten der nächsten Generationen. Gleichzeitig reißen Sie riesige neue Löcher auf. Was ist daran glaubwürdig? Was ist daran seriös? Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben hier gerade über den Vermittlungsausschuß diskutiert. Wie soll auch nur ein Bundesland auf der Grundlage Ihrer Steuerreform im Vermittlungsausschuß zustimmen können? Das frage ich mich wirklich. Die Länder können nicht eine einzige Steuer erheben. Sie sind völlig auf die Steuern angewiesen, die der Bundesgesetzgeber beschließt. Da sagen Sie hier in Bonn unentwegt: Tut mehr für die Hochschulen! Aber keine Hochschulgebühren! -Da hat Herr Rüttgers ja recht. - Da sagen Sie hier in Bonn: Tut mehr für die Schulen; denn es ist ein Skandal, daß Kinder die Schule verlassen, die nicht vernünftig schreiben und rechnen können. Da sagen Sie hier in Bonn: Tut mehr für die Sicherheit, die Länder haben viel zuwenig Polizeibeamte! Und dann sorgen Sie hier in Bonn der F.D.P. zuliebe dafür, daß die Länder und Kommunen für all das immer weniger Geld zur Verfügung haben. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist es!) Über die Hälfte Ihrer neu fabrizierten Steuerlöcher, 18 Milliarden, sollen die Länder und Kommunen tragen. Kerstin Müller (Köln) Ich sage Ihnen: Für diese Politik der gespaltenen Zunge dürften Sie bei keinem Ministerpräsidenten Unterstützung finden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das hat mit Blockade überhaupt nichts zu tun; denn jeder Ministerpräsident, der da mitspielt, schaufelt sich in seinem Land sein eigenes Grab. Deshalb, Herr Thiele, sind solche Vorschläge keine Basis für einen Kompromiß. Solche Vorschläge kann man nur ablehnen. Auch wir suchen nach Lösungen, aber Ihre Vorschläge sind als Arbeitsgrundlage völlig untauglich. Das ist das Problem. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Detlev von Larcher [SPD]: Das ist wahr! Große Schritte auf uns zu, sonst wird das nichts!) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Thiele? - Bitte schön, Herr Thiele. Carl-Ludwig Thiele (F.D.P.): Frau Müller, wollen Sie seitens der Grünen eigentlich eine Steuerreform oder nicht? (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich zitiere aus der „Welt" vom 12. Juni 1997: Die Fraktionssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Kerstin Müller, hat die SPD-regierten Länder unterdessen davor gewarnt, sich im Vermittlungsverfahren mit der Bundesregierung doch noch auf eine Steuerreform zu einigen. Die Opposition sei nicht dazu da, der Regierung durch faule Kompromisse aus der Patsche zu helfen, sagte Müller gestern in Bonn. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Für eine mögliche rot-grüne Koalition nach der Bundestagswahl 1998 wäre das „kein sehr gutes Signal", fügte sie hinzu. Zu befürchten sei, daß sich die Länder etwa durch das Versprechen eines höheren Anteils an den Mehrwertsteuereinnahmen ködern ließen. Sie haben über die Steuerreformkonzepte der Grünen in Ihrer Rede kein einziges Wort verloren. Deshalb die Frage: Wollen die Grünen eine Steuerreform, oder wollen sie die Steuerreform nicht? (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt die überraschende Antwort! - Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich kann Ihnen versichern: Wir wollen eine Steuerreform. (Lachen und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sie sagen doch das Gegenteil!) - Ich sage nicht das Gegenteil. Frau Scheel hat heute vormittag sehr ausführlich die Eckpunkte unserer Steuerreform dargestellt. Deshalb muß ich das nicht mehr tun. Wir wollen eine Steuerreform, die aufkommensneutral ist. Wir haben einen Entwurf vorgelegt, der wirklich durchgerechnet ist. Es ist das einzige Konzept mit einer Verteilungsanalyse (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und wirklich sozial gerecht. Dieses Konzept liegt auf dem Tisch. Wir bieten Ihnen Verhandlungen darüber an. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sie sagen doch das Gegenteil!) - Ich sage, daß wir eine echte Steuerreform brauchen angesichts des Reformstaus, in dem dieses Land steckt. Ein fauler Kompromiß, ein kleines Reförmchen wird uns keinen Schritt weiterbringen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich finde, Herr Thiele sollte noch eine Zwischenfrage stellen, weil es so schön war! Gib ihm noch eine Chance! - Gegenruf des Abg. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wenn die Antwort ähnlich stark ist, ist das zu überlegen, Herr Fischer!) Die Bundesrepublik ist wirklich in einer schwierigen Lage. Sie hat durch verzögerte Modernisierungen - das hat diese Regierungskoalition zu verantworten -, durch 15 Jahre regierende Selbstzufriedenheit eine Fülle von Problemen. Unser Hauptproblem aber ist, so glaube ich, daß die Bundesrepublik in einer tiefen Vertrauenskrise steckt. Niemand traut dieser Regierung noch etwas zu. (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Das ist ein Irrtum!) Niemand traut sich wirklich, zu investieren, weil die Rahmenbedingungen völlig unklar sind. Sicher ist heute nur eines: Auf die Versprechungen vor der Wahl folgen die Wahrheiten nach der Wahl. Die Dauerkrise der Koalition vermittelt Agonie, Ratlosigkeit und Angst - eines ganz bestimmt nicht: Aufbruchstimmung. Wir werden sehr viel unternehmen müssen, um aus diesem Tal herauszukommen. Wir brauchen - ich sagte es schon - eine echte Steuerreform. Wir haben dazu Vorschläge gemacht. Wir brauchen aber auch echte Reformen in der Rentenversicherung und in der Arbeitsmarktpolitik. Wir brauchen eine Modernisierung in der Forschungs- und in der Bildungspolitik. Vor allen Dingen brauchen wir den Einstieg in die ökologische Steuerreform (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Was heißt denn das? Steuererhöhungen?) und eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten. Nur durch eine solche Umsteuerung bekommen wir neue und zukunftssichere Arbeitsplätze. Kerstin Müller (Köln) Wirkliche Reformpolitik ist dringend erforderlich. Deshalb - ich will es zum Schluß noch einmal sagen - nutzt eines nicht: ein fauler und fader Kompromiß mit dieser heruntergewirtschafteten Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat jetzt der Vorsitzender der F.D.P.-Fraktion, Dr. Hermann Otto Solms. Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diagnose ist wohl auf allen Seiten des Hauses klar: (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der Flügelschlag der Erkenntnis!) Der Arbeits- und Investitionsprozeß in Deutschland ist unvergleichlich hoch mit Steuern und Abgaben belastet. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Vor allem mit Abgaben!) Jede zweite Mark kassiert der Staat für sich. Es bleibt zu wenig finanzieller Bewegungsspielraum für private Wirtschaft,. für Investitionen, für das Risiko, (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ein echter Oppositionsredner!) für Innovationen, für Zukunftsentwicklungen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der [CDU/CSU] - Detlev von Larcher [SPD]: Ist die Rentenversicherung der Staat?) Deshalb brauchen wir Reformen. Ihr Gefühl und Ihre Aussagen, wir kämen hier nicht weiter, werden sich als falsch erweisen. Die Koalition ist viel weiter, als Sie denken. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange regiert ihr denn schon? Wieviel Schulden hat die F.D.P. denn zu verantworten?) - Herr Fischer, wir sind hier im Deutschen Bundestag und nicht in einer Fernseh-Show. Es wäre gut, wenn Sie sich entsprechend verhielten und endlich einmal zur Kenntnis nähmen, (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) daß Sie der Würde des Hauses gerecht zu werden haben. Wie gesagt: Die Koalition ist viel weiter. Wir haben im letzten Jahr eine Reihe von wichtigen Beschlüssen gefaßt, die nun anfangen, Wirkung zu erzielen. Wir haben Einstellungshemmnisse im Kündigungsschutz beiseite geräumt, wir haben die arbeitsrechtlichen Bestimmungen für die befristeten Arbeitsverträge ausgeweitet. Gestern abend erst habe ich mit dem Betriebsratsvorsitzenden eines großen Industrieunternehmens hier in der Nähe gesprochen. Er hat bestätigt, daß das Instrument der befristeten Arbeitsverträge ein sehr hilfreiches Instrument bei der Einstellung von Langzeitarbeitslosen und auch bei der Einstellung von Berufsanfängern sei. Wir haben die Lohnfortzahlung geändert. Das hat praktisch große Wirkungen erzielt, (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ha, ha! Die Trendwende ist geschafft!) insbesondere bei denen, die nicht tarifgebunden sind. Wir haben Kostendämpfungen auch in der Rentenversicherung erreicht, wir haben das Ladenschlußgesetz erweitert. Meine Damen und Herren, die Folgen sind heute schon zu spüren. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist wahr! - Joachim Poß [SPD]: Das ist wohl wahr!) Heute können Sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eine Analyse des Weltwirtschaftsinstituts in Kiel - das ist das angesehenste deutsche Wirtschaftsinstitut - lesen, (Joachim Poß [SPD]: Wer sagt denn das? Bei der F.D.P. am angesehensten!) in der es heißt, seit Beginn des laufenden Jahres seien die Zugänge in die Arbeitslosigkeit niedriger als im Vorjahr. Dies lasse auf eine bevorstehende Wende auf dem Arbeitsmarkt schließen. Schon in der zweiten Jahreshälfte 1997 würden die Unternehmen bei wieder steigender Kapazitätsauslastung die Zahl ihrer Beschäftigten leicht erhöhen. Im kommenden Jahr werde es dann stärker zu Neueinstellungen kommen. Das ist eine positive Analyse. (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr!) Wir werden alles daransetzen, diese positive Entwicklung zu beschleunigen und nicht zu bremsen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deswegen, meine Damen und Herren, gehen wir weiter voran. Wir haben mit der höchstmöglichen Stimmenzahl in diesem Hause die Gesundheitsreform verabschiedet. Das wird die Kostensteigerungen und die Beitragserhöhungen in der Gesundheitspolitik dämpfen, vielleicht sogar die Kosten senken. Wir werden morgen die Rentenreform in erster Lesung beraten und sie noch in diesem Jahr verabschieden. Wir werden eine Rentenstnikturreform machen, die die Probleme zwischen der Rentnergeneration und der arbeitenden Generation wieder zum Ausgleich bringt, die die demographischen Entwicklungen berücksichtigt und die zu strukturellen Entlastungen der Beitragszahler führen wird. Wir werden Dr. Hermann Otto Solms keine Rentenreform machen, wie Herr Dreßler und andere aus Ihrer Fraktion sie vorgeschlagen haben, eine Reform, die im Laufe der Jahre 63 Milliarden DM zusätzliche Finanzmittel erfordert, aber an der Struktur der Rentenversicherung nichts, aber auch gar nichts ändert. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir verabschieden heute die Steuerreform. Sie ist eine große Chance. Sie wird nämlich nicht nur von den Steuerpflichtigen in Deutschland gewünscht, die dringend darauf warten - 70 Prozent der Bevölkerung in Deutschland will diese Steuerreform, will eine Steuerentlastung haben -, sondern natürlich auch von den internationalen Investoren. Wenn wir diese Reform umsetzen, dann wird der Investitionsprozeß wieder angeregt, und das ist die Voraussetzung für Arbeitsplätze. Sie beklagen immer so sehr die Haushaltssituation von Bund, Ländern und Gemeinden - und sie ist beklagenswert. Aber das Problem ist nicht so sehr diese Tatsache, sondern die Frage, warum das so ist. Was sind die eigentlichen Ursachen für die Haushaltslöcher, und wie kann man das ändern? Wie kann man das Problem an der Wurzel bekämpfen? Es ist doch ganz unzweifelhaft, daß die zentrale Ursache für die Haushaltslöcher in der hohen Arbeitslosigkeit liegt; denn wir haben dadurch weniger Steuerzahler und höhere Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit zu leisten, und so wird der Haushalt von beiden Seiten in die Zange genommen. Wenn Sie also eine dauerhafte strukturelle Sanierung der Haushalte haben wollen, dann müssen Sie alles tun, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Steuer- und Abgabenerhöhungen wären Gift für den Arbeitsmarkt. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der' CDU/CSU) Das ist die grundsätzliche Aussage, die wir treffen. Jetzt geht es darum, die Arbeitslosigkeit nicht mit den falschen Instrumenten - also durch Beibehaltung von Steuern und Abgaben - zu bekämpfen, ganz im Gegenteil: Jetzt geht es darum, jede Chance für eine Abgabenentlastung zu nutzen, damit der Arbeitsmarkt wieder Unterstützung und Dynamik bekommt, damit die Investoren Mut zum Investieren in Deutschland bekommen und dadurch Arbeitsplätze schaffen. Der Wirkungszusammenhang ist ganz einfach. Ich will das in dieser Einfachheit darstellen. Niedrigere Belastungen führen zu höheren Investitionen. Höhere Investitionen führen zu mehr Arbeitsplätzen. Mehr Arbeitsplätze führen zu mehr Steuerzahlern. Mehr Steuerzahler führen zu einem höheren Steueraufkommen. Das schließt die Haushaltslücken. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zurufe von der SPD) - Ich habe es besonders für Sie wiederholt, damit es auch für Sie verständlich ist. Das ist die alleinige ökonomisch vernünftige Politik. Die gesamte theoretische Diskussion über Angebots- oder Nachfrageverhalten ist gar nicht das Entscheidende. Entscheidend ist: Was kann ich für die Arbeitsplätze tun? Ich komme auf diese Frage gleich zurück. In der letzten Debatte hat der Kollege Scharping versucht, aus dem positiv belegten Begriff „neoliberal" einen politischen Kampfbegriff zu machen. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Der ist positiv belegt? Das wundert mich aber!) Frau Höll, die die ökonomische Geschichte Deutschlands vielleicht nicht so gut in Erinnerung hat, hat das heute aufgegriffen und nachgeplappert. Sie hat gar nicht erkannt, was das eigentich bedeutet. Ich kann ihr nur empfehlen, sich damit mal zu beschäftigen. Waren Walter Eucken oder Wilhelm Röpke schlechte Ökonomen? Was halten Sie von dem Nobelpreisträger Friedrich von Hayek? Was halten sie von Ludwig Erhard oder Alfred Müller-Armack? Das waren die geistigen Vordenker der neoliberalen Schule, die in Deutschland das Konzept und den Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft entwickelt haben. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Warum haben sie das getan? Weil sie erkannt haben, daß mit marktwirtschaftlichen Instrumenten nicht nur eine höhere Effizienz in der Wirtschaft, sondern auch bessere Ergebnisse in der Sozialpolitik ermöglicht werden. Deshalb ist die soziale Marktwirtschaft entwickelt worden. Ich kann nur sagen: Ich bin stolz, ein Schüler der neoliberalen Schule zu sein. Ich werde mich immer dazu bekennen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich kann Ihnen nur empfehlen, den Aufsatz Ihres Kollegen Uwe Jens in der „FAZ" zu lesen (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!) - für den ich ihm sehr dankbar bin -, der auf diese Zusammenhänge hingewiesen hat. Frau Höll kann ich nur sagen: Lieber neoliberal als altsozialistisch. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordneter Dr. Sohns, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Ja, bitte schön. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Bitte schön. Jörg-Otto Spiller (SPD): Herr Kollege Sohns, teilen Sie meine Auffassung, daß jeder Neoliberale, der sich in den ersten Aufbaujahren der Bundesrepublik eingebracht hat, mit großer Trauer die Entwicklung Jörg-Otto Spiller der F.D.P. betrachten muß? Denn sie hat zu einem Altliberalismus zurückgefunden, den man auch als Manchesterliberalismus bezeichnen könnte. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS - Lachen bei der F.D.P.) Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Das hätten Sie vielleicht gern. Aber die Tatsache und unsere Aussagen und unsere Programme sagen etwas völlig anderes. Wir haben die neoliberale Schule wieder zu neuem Leben erweckt; wir tun es noch. (Lachen bei der SPD und der PDS) Wir sind dabei, die schleichend eingezogene Gefälligkeitspolitik in dieser Republik wieder auf die Füße zu stellen. (Beifall bei der F.D.P. - Lachen bei der SPD und der PDS) Wir wollen eine saubere angebotsorientierte Politik, in der diejenigen Menschen, die leistungsbereit sind, Leistung bringen wollen, Risiko auf sich nehmen wollen, Chancen eröffnen wollen, unterstützt werden. (Joachim Poß [SPD]: Sohns, der größte Gefälligkeitspolitiker aller Zeiten!) Das ist die eigentliche Reform in der Geisteshaltung, die wir in der Bundesrepublik brauchen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, Frau Matthäus hat auf die Frage der Angebots- und Nachfragepolitik abgehoben. Ich kann nur sagen: Das, was Sie als Steuerreformkonzept der SPD vorgeschlagen haben, ist eine klare Zielsetzung im Bereich der Nachfragepolitik. Das sagt beispielsweise auch der bekannte Professor Pohmer in seiner Eingabe im Finanzausschuß zu Ihren Vorschlägen - ich zitiere -: Tatsächlich beruht die unbefriedigende Wirtschaftsentwicklung in Deutschland auf einer Wachstumsschwäche, die auf strukturelle Verzerrungen zurückzuführen ist; das Stagnieren der inländischen Nachfrage ist eine Folge, nicht aber die Ursache des Dilemmas. Deshalb sind die Instrumente der keynesianischen Konjunktursteuerung, auf deren Einsatz die SPD-Vorlage im wesentlichen abzielt, nicht geeignet, den Wirtschaftsablauf nachhaltig zu verbessern. Dafür gibt es auch andere Zeugen; ich wollte das hier nur anführen. Was wir brauchen, ist eine Angebotspolitik, die indirekt auch die Nachfragemöglichkeiten der Konsumenten stärkt. Aber zunächst müssen die Angebotsbedingungen so verbessert werden, daß Arbeit in Deutschland stärker lohnend wird. Wer nur auf die Nachfrage setzt, kann ja gar nicht beeinflussen, worauf sich die Nachfrage richtet. Wenn dann Fernreisen stärker nachgefragt werden, nützt das der Wirtschaft in Deutschland kein bißchen. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Meinen Sie denn, Ihr Finanzdienstleister reist nicht?) Woher die Produkte kommen, die zusätzlich nachgefragt werden, haben Sie eben auch nicht in der Hand. Sie kommen natürlich zu einem guten Teil aus dem Ausland. (Detlev von Larcher [SPD]: Er beweist gerade sein großes ökonomisches Verständnis!) Frau Matthäus-Maier, ich möchte kurz auf Ihre Rede eingehen. Immer wieder bringen Sie diese Zahlenspiele und setzen sie bewußt zur Verwirrung der Menschen ein. Das ist wirklich nicht in Ordnung. Die Beispiele stimmen auch nicht. Daß Sie mich zitiert haben, dafür danke ich Ihnen. In dem Zitat kommt nämlich die pure Wahrheit zum Ausdruck: Ein junger leistungsfähiger Arbeitnehmer im Bereich des Investment-Banking betrachtet seine Versetzung von London nach Frankfurt als eine Strafversetzung, weil er weniger verdient und höhere Steuern zahlen muß. (Joachim Poß [SPD]: Und an dem Beispiel richten Sie den gesamten Tarif aus! - Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang . Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Hören Sie doch einmal zu! Sie können hier nicht nur schreien!) Der Spitzensteuersatz in Großbritannien - ich will das hier noch einmal sagen - ist 40 Prozent, und der Spitzensteuersatz in den Vereinigten Staaten ist 39,6 Prozent, (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Nein, nein! 43 Prozent!) - 39,6 Prozent -, und zwar erst bei einem Einkommen in Höhe von 250 000 Dollar im Jahr. Das sind die Vergleichsmaßstäbe, auf die wir zu achten haben. Im übrigen gilt das, was Herr Schäuble gesagt hat. Wir haben eine Wirtschaftsstruktur, die in bezug auf die kleinen und mittleren Unternehmen im wesentlichen auf Personengesellschaften aufbaut. Für diese gilt die Einkommensteuer als Betriebssteuer. Wer diese Struktur verändern will, weiß gar nicht, welchen Schaden er damit anrichtet. (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das wollte die SPD schon immer!) Ich weiß gar nicht, ob Sie sich richtig überlegt haben, was Sie in Ihrem Vorschlag formuliert haben. Sie haben nämlich geschrieben: Auch Einzelunternehmen und Personengesellschaften haben die Möglichkeit, durch Wechsel in der Unternehmensform in den Genuß dieser Tarifentlastung zum 1. Januar 1998 zu kommen. Und dann kommen Sie mit dem Optionsmodell. (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: SPD-Ideologie!) Sie wollen den Vorteil der Personengesellschaften, der in der persönlichen Haftung, der Identität des In- Dr. Hermann Otto Solms habers mit dem Unternehmenszweck und mit den Arbeitnehmern besteht - das ist der große Vorteil der deutschen mittelständischen Wirtschaft -, (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!) vom Tisch wischen, um sich der Frage der Senkung der Tarifsätze auf ein Niveau, das im internationalen Wettbewerb bestehen kann, nicht stellen zu müssen. Das offenbart einiges. Ich hoffe, daß Sie sich das nicht genau überlegt haben, was Sie da geschrieben haben. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Dr. Sohns, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Christa Luft? Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Ja, bitte schön. (Michael Glos [CDU/CSU]: Von Kommunisten läßt er sich fragen!) Dr. Christa Luft (PDS): Herr Kollege Sohns, können Sie mir erstens zustimmen, daß zum Beispiel in Dänemark der Spitzensteuersatz einschließlich der Abgabenbelastung der Unternehmen bei über 60 Prozent liegt und dennoch die Arbeitslosigkeit in Dänemark weit unter der gegenwärtigen in der Bundesrepublik liegt? Zweitens. Können Sie mir zustimmen, daß die Belastung insbesondere auch der kleinen und mittleren Unternehmen sich nicht nur auf Grund der Steuern, sondern auch auf Grund der Abgaben ergibt und daß die Politik Ihrer Partei - ich denke insbesondere an die vorgesehene Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes, aber auch an die Öffnung von Entsorgungsmärkten - dazu beiträgt, die Abgabenbelastung in der Zukunft vermutlich noch zu steigern, weil es dann zu einer Monopolisierung kommen wird? Ich bekomme sehr viele Zuschriften von kleinen und mittleren Unternehmen aus meinem Wahlkreis, in denen sie schreiben, daß sie ihre Müllmenge in den letzten Jahren um die Hälfte gesenkt haben, daß aber die Müllgebühren, die sie zu zahlen haben, um die Hälfte gestiegen sind. Hier paßt doch irgend etwas nicht zueinander. Darüber müßten Ihre Partei und die Koalition natürlich auch nachdenken. (Beifall bei der PDS) Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Ich will nur die erste Frage beantworten, weil sie sich auf die Steuerreform bezogen hat; darüber debattieren wir heute. Frau Kollegin, Sie können Wirtschaftsstandorte nicht absolut betrachten. Ich habe gerade darauf hingewiesen, daß wir in Deutschland eine einmalige Struktur haben, die von einem sehr hohen Anteil an Personengesellschaften gekennzeichnet ist, und daß die Betriebssteuer bei den Personengesellschaften die Einkommensteuer ist. (Detlev von Larcher [SPD]: Was Sie machen, ist in Ordnung! Was andere machen, ist falsch!) Das ist in nahezu allen anderen Staaten anders. Deswegen sind wir gezwungen, nur eine geringe Spreizung zwischen der Betriebssteuer bei den Kapitalgesellschaften und der Einkommensteuer zuzulassen. Dazu kommt, daß wir der einzige Staat sind, der eine Gewerbesteuer hat. Auch das muß in die Betrachtung einbezogen werden. Ein Vergleich der Steuersätze allein reicht nicht aus. Diese Struktur ist für Deutschland ein ganz positiver Faktor gewesen. Wer das beiseite wischen will, würde großen Schaden an der Stabilität der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland anrichten. Auch wenn Frau Matthäus-Maier nicht da ist, sage ich noch ein Wort zum Optionsmodell: Alle 21 Präsidenten der Oberfinanzdirektionen haben sich bei der Verabschiedung des Standortsicherungsgesetzes 1993 gegen die Einführung eines solchen Optionsmodells ausgesprochen, und zwar auch die Oberfinanzpräsidenten, die von der SPD gestellt worden sind. Das sollte Ihnen zu denken geben. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: So ist das!) Meine Damen und Herren, ich will Ihnen abschließend noch eines in Erinnerung rufen: Sie sind im Bundesrat verantwortlich. Der Bundesrat ist ein Verfassungsorgan des Bundes. Sie sind genauso wie wir im Deutschen Bundestag für die Arbeitsplätze in Deutschland verantwortlich. Ich kann Sie nur davor warnen, aus parteitaktischem Kalkül oder wegen der anstehenden Bundestagswahl ihre Verantwortung zu vernachlässigen. Sie würden sich an den Arbeitslosen in Deutschland versündigen. (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist unglaublich!) Sie würden die Struktur auf Dauer beschädigen. Jeder Tag, den wir verlieren, ist ein Verlust für die Arbeitslosen in Deutschland. Jetzt, wenn wir das beschlossen haben, liegt die Verantwortung ganz allein bei Ihnen. Wir haben unsere Aufgabe erledigt. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Wir werden Sie aus dieser Verantwortung nicht herauslassen. (Detlev von Larcher [SPD]: Sie handeln verantwortungslos!) Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit drückt sich die soziale Volkspartei SPD vor der Verantwortung und schielt auf den Wahltermin 1998. Jetzt und hier spielt die Musik. Jetzt müssen Sie sagen, was Sie zu tun bereit sind. (Detlev von Larcher [SPD]: Sie wollen nicht sagen, was Sie wollen!) Dr. Hermann Otto Solms Sie können und dürfen die Arbeitslosen nicht im Stich lassen, und Sie dürfen sie auch nicht auf den September 1998 vertrösten. Dann würden Sie sich an den Menschen in Deutschland schuldig machen. Ich hoffe, daß Sie noch rechtzeitig zur Besinnung kommen. Vielen Dank. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Gregor Gysi, PDS. Dr. Gregor Gysi (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Solms, Sie haben lauter Namen von anerkannten Ökonomen genannt, aber vergessen darauf hinzuweisen, daß das zumindest zum großen Teil Vertreter einer sozialen Marktwirtschaft waren. Das Problem des Neoliberalismus besteht aber darin, daß er das soziale Element soweit wie möglich zurückdrängt, wenn nicht gar streicht. (Beifall bei Abgeordneten der PDS) Das ist eine Schule, die Sie inzwischen vertreten. Manchmal sind Sie selbst gegen Marktwirtschaft. Ich erinnere an die Energiewirtschaft, bei der Sie Monopolstrukturen in jeder Hinsicht fördern. Das sogenannte Steuerreformwerk leidet unter anderem daran, daß sich die Entscheidungen jede Woche ändern, daß niemand in der Lage ist, sich wirklich auf ein bestimmtes Konzept im Rahmen der Auseinandersetzung einzustellen. Herr Kollege Dr. Schäuble, Sie haben eben nicht recht, was die letzte Woche betrifft. In Ihrem ursprünglichen Entwurf war über Verlustvorträge und Verlustrückträge nichts zu lesen. Das ist einfach eine Idee der letzten Woche. Damit sage ich nicht, ob sie schlecht oder gut ist, sondern ich sage nur, daß sie wie ein Zaubertrick aus dem Hut gezogen wurde. Das führt zu allgemeiner Verunsicherung, weil niemand mehr weiß, was tatsächlich auf ihn zukommt und was nicht. (Beifall bei der PDS) Sie befinden sich meines Erachtens mit dieser Steuerreform in drei selbstgestellten Fallen, aus denen Sie nicht mehr herauskommen. Sie haben es einerseits damit zu tun, daß es diese Bundesregierung war, und insbesondere der nicht mehr anwesende Theo Waigel, der auf 3,00 Prozent als sogenanntes Stabilitätskriterium beim Euro bestanden hat, so daß Sie in der Frage der Neuverschuldung im Grunde genommen keinen Spielraum mehr haben. Inzwischen haben wir erfahren, daß 3,00 Prozent doch nicht 3,00 Prozent sind, sondern es können auch 3,3 Prozent oder irgend etwas anderes werden. Darum aber geht es mir gar nicht. Ich sage nur: Sie haben sich selbst enge Grenzen gesetzt, mit denen Sie umgehen müssen. Sie haben zweitens einen Haushalt für 1997 vorgelegt, bei dem jetzt schon 20 Milliarden DM fehlen, und Sie sind nicht in der Lage, dieses Problem zu lösen. In einer Zeit, in der Sie noch nicht einmal den Haushalt von 1997 regeln können, können Sie doch nicht ernsthaft ein Zukunftsmodell für die Steuern vorlegen, wenn sie sich dabei gegenseitig in der Koalition - und zwar vollständig - blockieren. (Beifall bei der PDS) Jetzt hat die F.D.P. die CDU/CSU gezwungen, zu versuchen, dies allein durch die Privatisierung zu regeln, weil vernünftige Steuererhöhungen, auch bei der Mineralölsteuer etc., für die F.D.P. nicht in Frage kommen. Dazu zwei Dinge: Es ist kaufmännisch geradezu - lassen Sie mich es so sagen - sträflich leichtsinnig, unter einem solchen Druck Privatisierungen vorzunehmen. Wenn nämlich der mögliche Käufer weiß, daß sie verkaufen müssen, bedeutet dies, daß sie immer zu Schleuderpreisen verkaufen werden, weil sie gar keine Ruhe und Zeit haben, einen vernünftigen Kaufpreis auszuhandeln. Zum zweiten sage ich Ihnen: Dieses Bundesvermögen ist nicht Eigentum der Bundesregierung, sondern der gesamten Bevölkerung. Sie können das nicht einfach wegen der Fehler Ihrer Politik verschleudern. Das ist dann nämlich weg und in Zukunft nicht mehr nutzbar. (Beifall bei der PDS) Die dritte Falle ist der Haushalt 1998, den Sie ebenfalls nicht in den Griff bekommen und wo Sie in einem Dauerstreit sind. Sie können noch nicht einmal den Nachtragshaushalt für 1997 vorlegen und wollen heute Steuerpläne für die verschiedensten Jahre durchziehen. Das alles ist unrealistisch. Aber das Hauptproblem Ihrer Steuerreform besteht natürlich darin, daß sie ungerecht ist. Sie wollen den Spitzeneinkommensteuersatz von 53 auf 39 Prozent senken, nehmen damit erhebliche Verluste in Kauf und begünstigen damit nur eine ganz kleine Gruppe in der Gesellschaft. Alle Ihre Argumente hinsichtlich der Konkurrenz mit anderen Ländern sind falsch, weil dort häufig höhere Steuern als hier in Deutschland gezahlt werden. Es geht nicht um die theoretischen Steuersätze, sondern um das, was nominal tatsächlich an Steuern gezahlt wird. Das ist sehr viel niedriger. (Beifall bei der PDS) Herr Kollege Thiele, Sie haben ein Argument benutzt, was ich abenteuerlich finde. Das kommt immer wieder von der F.D.P. Da sagen Sie im Ernst: Mir ist ein niedriger Steuersatz lieber, wenn dann real gezahlt wird, als ein höherer Steuersatz, bei dem dann Steuern hinterzogen und nicht bezahlt werden. Das heißt, Sie geben krimineller Energie nach und sagen: Ich komme den Tätern entgegen, senke den Steuersatz und bitte sie darum, doch wenigstens diesen zu bezahlen. Das soll Politik sein? Hören Sie einmal, das ist doch ein abenteuerlicher Vorgang. (Beifall bei der PDS) Ich muß auch zu Ihnen sagen, Frau Scheel, ich akzeptiere nicht, wenn Sie bei Steuerhinterziehung von einem Volkssport sprechen, weil das so klingt, als ob wirklich alle mitmachen würden. Den Lohnab- Dr. Gregor Gysi hängigen wird die Lohnsteuer einfach abgezogen. Sie haben gar keine Chancen zur Steuerhinterziehung, einmal abgesehen von den paar Leuten, die vielleicht nebenbei noch schwarzarbeiten. Die Masse der Steuerhinterziehung passiert wirklich ganz oben in der Gesellschaft, nicht bei der gesamten Bevölkerung. Diese Steuerhinterziehungen sind schon eine der großen Ungerechtigkeiten, mit denen wir es auf diesem Wege zu tun haben. Aber das nächste Übel besteht darin, daß Sie nicht nur den Steuersatz senken, sondern daß Sie auch die Bemessungsgrundlage verändern wollen und sagen: Bei einem Jahreseinkommen von 90 000 DM bzw. bei Eheleuten von 180 000 DM sei man Spitzenverdiener und hätte den Spitzensteuersatz zu bezahlen. Damit nehmen Sie gutverdienende Facharbeiter einfach in die Gruppe der Spitzenverdiener hinein, obwohl Sie wissen, daß das mit den Realitäten in dieser Gesellschaft nichts zu tun hat. Außerdem verändern Sie dadurch natürlich den Verlauf der Steuerquote. Wenn schon bei 90 000 DM der Spitzensteuersatz gezahlt wird, dann heißt das für Leute mit 80 000, 30 000 oder 60 000 DM, daß sie schon ganz nahe am Spitzensteuersatz liegen. Da kommt die Wahrheit zutage. Sie lassen nämlich diese Ihre Steuergeschenke für die Vermögenden, die sehr gut Verdienenden und Reichen von den sogenannten Normalverdienerinnen und Normalverdienern bezahlen, die es jetzt mit einem höheren Steuersatz zu tun haben. (Beifall bei der PDS) Wenn man dann noch bedenkt, daß Sie die Arbeitnehmerpauschale senken, daß Sie Zuschläge, wenn nun jetzt auch zeitlich gestaffelt, besteuern wollen, daß Sie nach wie vor dabei sind, Renten zusätzlich zu besteuern, und daß Sie Kapitallebensversicherungen, wenn auch mit Versicherungsteuern, aber doch mit zusätzlichen Steuern belasten wollen, dann zeigt es, welche Gruppen in der Gesellschaft Ihre Steuergeschenke finanzieren sollen. Dazu möchte ich noch eines bemerken: Wissen Sie, es gibt noch ein anderes Übel. Sie können sich hier nicht jahrelang hinstellen und sagen: Die gesetzlichen Rentenversicherungen sind künftig nicht mehr in der Lage, den Lebensabend der alten Leute wirklich zu bestreiten. Sie animieren diese dadurch, sich für den Lebensabend zusätzlich privat zu versichern. Dann machen das die Leute, und nachdem sie es gemacht haben, kommen Sie daher und erklären: Das trifft sich günstig, da kann ich euch dafür zusätzliche Steuern aufdrücken und euch wieder einen Teil davon wegnehmen. Das ist einfach unredlich. Das hat sogar ein betrügerisches Element. (Beifall bei der PDS) Das stärkste Stück von alledem ist aber natürlich die Finanzierungslücke. Bei diesen Steuerplänen fehlen 1999 45 Milliarden DM. Das gilt auch für die Folgejahre. Man muß sich das einmal ernsthaft überlegen. Herr Dr. Sohns, dieses Schreiben hier müssen Sie sich einmal anschauen. Da legt das Bundesfinanzministerium eine tolle Rechnung vor, die ausweist, was alles fehlt und wer weniger wann wie zu zahlen hat. Viele Seiten sind zu lesen, und wird man dann müde. Auf der Rückseite der vorletzten Seite finden sich plötzlich Anmerkungen. In der neunten, in der letzten Anmerkung heißt es ganz schüchtern: Die 45 Milliarden DM und die anderen Beträge, die in den Folgejahren fehlen, werden irgendwie durch indirekte Steuern wieder eingetrieben werden. (Zuruf des Abg. Detlev von Larcher [SPD]) Das ist ein starkes Stück. Wenn die Opposition hier ein Gesetz einbringen würde, in dem stünde, daß die Realisierung dieses Gesetzes 1 Milliarde DM kostet, und dann sagen würde: Wie wir das bezahlen, erzählen wir euch in drei oder vier Jahren, dann würde es hier einen Tumult geben, weil das so unseriös sei. (Beifall bei Abgeordneten der PDS) Aber Sie legen ein ganzes Steuerreformwerk vor, das äußerst unseriös ist, indem Sie sagen: Die Entlastungen versprechen wir euch vor der Wahl, und die Belastungen, die dann kommen werden, erklären wir euch nach der Wahl. (Beifall bei der PDS - Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Nach dem Vermittlungsverfahren!) Das ist sozusagen eine neue Form einer angekündigten Steuerlüge. Mit der können wir uns unmöglich abfinden. Dann sage ich Ihnen noch etwas: Wie erklären Sie sich eigentlich folgende steuerliche Tatsache? Sie wissen, daß die Bundesbank festgestellt hat, daß das Sparvermögen der Bundesbürger jetzt bei 5 Billionen DM liegt. Es ist im letzten Jahr um 300 Milliarden DM gestiegen, obwohl die unteren Einkommensgruppen nur Verluste hatten. Nur bei der oberen Schicht der Gesellschaft hat das Sparvermögen so zugenommen, daß die Verluste ausgeglichen wurden und noch einmal 300 Milliarden DM dazugekommen sind. In dem gleichen Jahr nimmt der Staat 26 Milliarden DM weniger Steuern ein. Das heißt, der Reichtum wächst und der Staat wird ärmer. Wenn das Steuersystem stimmen würde, hätte doch der Staat etwa 30 Milliarden DM, das heißt 10 Prozent von diesem höheren Reichtum des reichen, vermögenden und besserverdienenden Teils der Gesellschaft abbekommen müssen. Statt dessen erhält er weniger Geld. Schon darin kommt die gesamte Ungerechtigkeit des bestehenden und des geplanten Steuersystems zum Ausdruck. Mehr muß man darüber eigentlich nicht wissen. (Beifall bei der PDS) Ich könnte jetzt noch viel zu den Unternehmensteuern sagen. Ich könnte viel dazu sagen, daß Sie zum Beispiel die private Entnahme geringer besteuern als Investitionen. Wenn Sie das im Ernst tun, werden Sie natürlich nie ein Investitionsklima erreichen und damit auch nicht die Schaffung von Arbeitsplätzen. Ich halte die Idee der steuerrechtlichen Begrenzung der Verlustvorträge und Verlustrückträge nicht Dr. Gregor Gysi für falsch. Wenn sich Herr Henkel und Herr Stihl - er spricht gleich revolutionär von Widerstand; das ist sonst gar nicht seine Art - furchtbar aufregen, dann kann ich dazu nur eines sagen: Sie haben die Unternehmer über Jahre so verwöhnt, daß diese einfach nicht mehr zur Kenntnis nehmen wollen, daß es auch einmal Situationen gibt, in denen sie von ihrem Reichtum etwas abgeben müssen, um soziale und ökologische Ausgleichsfunktionen des Staates zu finanzieren. Das sollte man ihnen schnellstens wieder beibringen. (Beifall bei der PDS sowie des Abg. Dr. Jürgen Rochlitz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie kennen die Zahlen. Sie wissen, daß die Unternehmen 1980 noch 21,2 Prozent ihrer Bruttoeinnahmen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen für Steuern abführen mußten. 1995 waren es nur noch 13,9 Prozent. Von den Unternehmensgewinnen mußten 1980 noch 33,6 Prozent für Steuern abgeführt werden, 1995 nur noch 16,9 Prozent. Ich frage Sie: Wieviel Steuergeschenke wollen Sie denn noch machen, um den Standort Deutschland endlich angeblich fitzumachen? Ich könnte Ihnen die Spitzensteuersätze für das gewerbliche Einkommen in anderen Ländern nennen. Die sind in den USA, in Frankreich, Spanien, Schweden und in den Niederlanden höher. In Japan und Dänemark liegen sie bei 65 Prozent. Sie wollen sie von 47 auf 40 Prozent senken. Sie machen das alles hier zum Billigpreis. Es wird sich nichts ändern: Eine kleine Gruppe in Deutschland wird zwar immer reicher werden, aber mehr Arbeitsplätze werden nicht entstehen. Ebenso wird die Armut wachsen, weil Sie in Ihrer Steuerreform keinen sozialen Ausgleich vorsehen, was entsprechende katastrophale Folgen haben wird. Meine Redezeit geht leider zu Ende. (Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Gott sei Dank!) - Was heißt hier Gott sei Dank? Dafür sollten Sie nicht Gott in Anspruch nehmen, nicht einmal für mich. Das geht, so glaube ich, zu weit. (Heiterkeit und Beifall bei der PDS) Ich wollte noch etwas zu den Beamten sagen. In Ihrer letzten Not fallen Sie populistisch über die Beamten her und meinen, von denen könne man sich das Geld holen, das Sie beim Transrapid und sonstwo verscherbeln. Es gibt Spitzenbeamte, die einiges zu unseren Sozialversicherungssystemen zuzahlen könnten. Es gibt aber auch viele kleine und mittlere Beamte, die das nicht können. Das muß man genauso betonen. Ich bin nicht bereit, auf deren Rücken mich hier populistisch zu bewegen. (Beifall bei Abgeordneten der PDS) Diese Steuerreform verschärft die soziale Ungerechtigkeit, indem sie Spitzenverdiener noch stärker begünstigt und insbesondere Menschen mit durchschnittlichem Einkommen übermäßig belastet. Sie verschärft das Problem der Arbeitslosigkeit, indem sie die Massenkaufkraft weiter einschränkt, indem sie Investitionen und Arbeitsplätze für Unternehmen weiter belastet, dagegen private Entnahmen aus Unternehmen begünstigt, Spekulationen nicht ausreichend bekämpft und Abgaben der Unternehmen für Versicherungssysteme weiter an den Lohn, statt an die Wertschöpfung koppelt. Diese Steuerreform erschwert weder Kapitalflucht durch Transfersteuer noch Steuerhinterziehung. Sie ist unsolide und hat einen täuschenden Charaker, weil die Gegenfinanzierung durch künftige Erhöhungen der indirekten Steuern bis nach den Wahlen verschwiegen werden soll. Diese Steuerreform verletzt das Gebot zur Herstellung der inneren Einheit, weil sie dem Staat die materiellen Mittel dafür entzieht. Mit dieser Steuerreform machen Sie den Staat und damit Millionen von Menschen ärmer, die in wachsendem Maße auf den sozialen Ausgleich durch den Staat und dessen aktive Beschäftigungspolitik angewiesen sind. Eine Regierung, die den Staat und damit Millionen Menschen in die Armut führt, gehört abgelöst, und zwar nicht erst 1998, sondern so schnell wie möglich. (Beifall bei der PDS sowie des Abg. Dr. Jürgen Rochlitz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Detlev von Larcher [SPD]: Das ist wahr!) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat jetzt der Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Günter Rexrodt. Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Steuerreform hat nicht nur enorme materielle Wirkung; von dieser Steuerreform gehen ganz erheblich wirtschaftspolitische Impulse aus. Von dieser Steuerreform wird in der Wirtschaft und von den Menschen ein Signal erwartet, ein Signal in der Richtung, ob es sich wieder lohnt, am Standort Deutschland Arbeitsplätze zu schaffen und zu investieren. Unsere Unternehmen haben an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Es hat dabei schmerzliche Einschnitte gegeben. Der Beschäftigtenstand ist weit geringer als vorher. Aber auch bedingt durch die Andersbewertung der D-Mark gegenüber dem Dollar sind unsere Unternehmen zum großen Teil wieder wettbewerbsfähig. Es stehen erhebliche Investitionen an. Die Frage, die sich jetzt in den Unternehmen draußen stellt, ist: Wo sollen diese Investitionen getätigt werden? Viele Unternehmen - nicht nur große Unternehmen - haben eine globale Alternative. Wir müssen und wir wollen dafür sorgen, daß ein großer Teil dieser Investitionen wieder in Deutschland stattfindet, und zwar deshalb, weil nur Investitionen in der Lage sind, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn wir mit der Steuerreform in dem Sinne, wie die Koalition sie vorbereitet und anstrebt, nicht rüberkommen, wird dieses Signal ausbleiben. Das wäre Bundesminister Dr. Günter Rexrodt schlecht für die Menschen und schlecht für die Arbeitsplätze. (Beifall bei der F.D.P.) Ich sage hier auch an die Adresse der Unternehmen: Es geht darum, den Standort Deutschland vorurteilsfrei zu prüfen, nicht in Stimmungsmache, nicht herunterredend. Die Politiker haben die Aufgabe, mit der Steuerreform sowie anderen Reformen, unsere Hausaufgaben zu machen und für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen. (Vorsitz : Vizepräsident Hans-Ulrich Klose) Aber Unternehmer zu sein bedeutet auch, in der Verantwortung, die man trägt, darüber nachzudenken, ob und wie man in Deutschland wettbewerbsfähige Arbeitsplätze schaffen kann. Beide sind gefordert: die Unternehmer und die Politiker. Bei der Steuerreform kommt draußen häufig an: Dies ist eine Reform, bei der es um Steuererhöhungen geht. Das ist vielleicht ein Stück Erfolg der Opposition, die die Diskussion in und mit dieser Reform immer auf einen Bereich geleitet hat, der ein Stück Gegenfinanzierung ausmacht zu einer Bruttoentlastung, die weit über 80 Milliarden DM liegt. Ein Stück müssen wir gegenfinanzieren. Dabei geht es um die Besteuerung von Zusatzleistungen und um das Wertaufholgebot; es geht um hohe Renten und um die Veränderung der Abschreibungsbedingungen. In letzter Zeit geht es auch um die Frage der steuerlichen Behandlung des Verlustausgleichs. Auch das ist ein Stück der Steuerreform. Aber die Kernbotschaft der Steuerreform ist, daß es zu einer drastischen Reduzierung der Steuersätze kommt - so wie es das in Deutschland nach dem Krieg noch nie gegeben hat - und daß es am Ende eine Nettoentlastung in der Größenordnung von etwa 30 Milliarden DM geben wird. Das ist die Kernbotschaft der Steuerreform; und die dürfen wir uns nicht zerreden lassen. Sie muß im Interesse der Investitionen und der Arbeitsplätze bei den Menschen ankommen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lassen Sie mich im Zusammenhang mit der Steuerreform noch etwas zu folgender Frage sagen: Gibt es denn nur für die Arbeitgeber und Unternehmen eine Entlastung? Diese Entlastung ist wichtig genug, aber es geht auch um die Entlastung vieler Menschen, die in abhängiger Beschäftigung sind. Dabei geht es eben nicht nur um den Börsenmakler. Um den geht es zwar auch, weil er mittlerweile nicht mehr nach Frankfurt kommt, sondern lieber in London arbeitet. Darüber hinaus geht es aber um Wissenschaftler, um die Leute, die in großen Unternehmen die Chips herstellen und entwickeln, um diejenigen, die die Software entwickeln, um die Anlagenbauer, um die Chemie- und Pharmaingenieure und um die Fachleute, in der Bio- und Gentechnologie. Die alle brauchen wir in Deutschland. Sie sind Spezialisten, sie sind hochqualifiziert. Aber sie arbeiten inzwischen lieber anderswo - zum Beispiel in Amerika oder in England -, aber nicht mehr in Deutschland, weil ihnen die Hälfte oder sogar mehr als die Hälfte ihres Einkommens wegbesteuert wird. Auch auf diese Menschen, die Leistungsträger sind und die wir in diesem Land wollen, kommt es an. Auch deshalb brauchen wir die Steuerreform. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Jetzt will ich noch ein paar Worte auf eine zweite Reform verwenden, über die wir heute ebenfalls sprechen. Sie ist im übrigen die zweite Seite ein und derselben Medaille, weil es in beiden Fällen um Investitionen und um die Verbesserung des Investitionsstandortes Deutschland geht. Ich meine das Förderkonzept für die neuen Bundesländer. Ich bin froh, daß dieses Förderkonzept für die Zeit nach 1998 quasi unter Dach und Fach ist. Die Änderungen, die der Finanzausschuß beim Erhaltungsaufwand und bei der Degression, die wir weggenommen haben, gestern beschlossen hat, machen Sinn und stellen das Gesamtkonzept nicht in Frage. Eines darf ich einmal in alle Richtungen des Hauses sagen: Ich bin froh, daß es dabei eine Einigung über die traditionellen Parteigrenzen hinweg gegeben hat. Das ist ein gutes Signal für den Osten Deutschlands. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Eineinhalb Jahre vor Auslaufen des jetzigen Konzepts haben wir Klarheit über die Anschlußförderung. Das unterstreicht, daß wir die Hilfen für die neuen Länder auch im siebten Jahr der deutschen Einheit nicht nur als einen Passivposten im Haushalt ansehen, sondern als einen Aktivposten im Sinne von Investitionen in die Zukunft des Standorts Deutschland. Mit dem neuen Konzept wird die Förderung auf hohem Niveau fortgeführt. Ihr Kern ist, daß im verarbeitenden Gewerbe und bei den produktionsnahen Dienstleistungen - bei denen kommt es primär darauf an - eine Verdoppelung stattfindet, und zwar von 10 Prozent auf 20 Prozent bzw. von 5 Prozent auf 10 Prozent. Das ist ein wichtiger Erfolg. Ich bin froh, daß auch das über die Parteigrenzen hinweg so angenommen und gesehen wird. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das hohe Niveau, das wir bei der steuerlichen Förderung haben, muß aber auch - das möchte ich mahnend sagen - für die Programme, die in den Haushalten niederzulegen sind, gelten. Als Bundeswirtschaftsminister sage ich ausdrücklich: Ich halte die Gemeinschaftsaufgabe Ost und die Forschungs- und Entwicklungsförderung in der bisherigen Größenordnung für unverzichtbar. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, das neue Konzept schafft Planungssicherheit für Investoren. Der ostdeutschen Wirtschaft, die sich jetzt wieder günstiger entwickelt, geben wir zusätzlichen Schwung. Die Produktion steigt kräftig, nämlich um 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Auftragseingänge sind um Bundesminister Dr. Günter Rexrodt 12 Prozent höher. Das Geschäftsklima hat sich im Osten deutlich verbessert. Das ist ein gutes Ergebnis. Ich will auch noch sagen, daß das steuerliche Förderkonzept im Kontext steht mit der Gesamtpolitik der Bundesregierung für den Aufbau Ost. Neben der steuerlichen Förderung haben wir eine umfangreiche Existenzgründungs- und Eigenkapitalförderung angelegt. 500 000 Menschen haben quasi aus dem Nichts heraus heute eine selbständige Existenz in den neuen Bundesländern. Hinzu kommt die Förderung der Infrastruktur, in die viele, viele Milliarden DM geflossen sind. Ich kann auf Grund meiner relativ kurzen Redezeit darauf nicht im einzelnen eingehen. Ich glaube aber, daß es wichtig ist, daß wir mit diesen Investitionen einen Beitrag dazu leisten, daß das drückendste Problem gerade im Osten Deutschlands, nämlich die Arbeitslosigkeit, die deprimierend hoch ist, abgebaut werden kann. Wir dürfen nicht nur in Kategorien von Maschinen, Investitionen und Infrastruktur denken; wir müssen vielmehr auch in menschliche Ideen und Erfindergeist investieren. Deshalb muß die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation über die bewährten Programme in derselben Höhe fortgeführt werden wie bisher. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Ich komme zum Schluß. Ich will nicht vergessen machen, daß es noch viele Probleme in Ostdeutschland gibt, weil die Märkte in Osteuropa weggebrochen sind, weil es auf Grund der schwierigen Situation in großen Ländern Osteuropas lange dauert, sie wieder zu erobern, und weil es schwerfällt, auf den westlichen Märkten Fuß zu fassen. Wir helfen dabei durch Absatzfördermaßnahmen, über verstärkte Bezüge großer Handelshäuser und der Industrie und über eine Einkaufsmesse. Ich kann Ihnen hier nur die Stichworte nennen. Ich möchte damit vermitteln, daß Steuerreform auf der einen Seite und Ostförderung auf der anderen Seite eines wollen: die Verbesserung der Standortbedingungen in unserem Land, im Osten und im Westen. Modernisierung und Strukturanpassung in den neuen Ländern gehen voran. In Wahrheit ist Ostdeutschland heute im Strukturwandel führend. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Moderne Konzepte und Produktion, Arbeitszeit und Tarife sind hier leichter zu verwirklichen als in der übrigen Bundesrepublik. In weiten Teilen - da nehme ich den Mund nicht zu voll; ich habe mir das wohl überlegt - ist Ostdeutschland Motor des Wandels geworden, wenn es darum geht, die Strukturen aufzubrechen und bessere Investitionsbedingungen für die Menschen dort und für die Menschen im Westen zu schaffen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Ich sehe darin das eigentliche Signal für den Standort Deutschland. Das neue Förderkonzept ab 1999 gibt diesem Wandel zusätzlichen Schub. Das ist im Interesse aller Menschen, im Osten und im Westen. Schönen Dank. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Wolfgang Ilte, SPD. Wolfgang Ilte (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wissen Sie, Herr Rexrodt, es geht doch hier nicht darum, eine Jubelarie anzustimmen. Manchmal hat man, wenn Sie von Ostdeutschland reden, ein bißchen das Gefühl, wir sprechen von zwei völlig verschiedenen Ländern. Wir machen hier seit Jahren lediglich reine Schadensbegrenzung. Sie haben am Anfang Ihres Beitrags angekündigt, daß die Impulse durch die Steuerreform auch nach Ostdeutschland gehen werden. Ich erinnere Sie aber daran, daß gerade die Gegenfinanzierung der geplanten Steuerreform, über die wir heute reden, natürlich auch in Ostdeutschland wesentlich zu Buche schlagen wird. Genauso - das ist heute in den meisten Beiträgen vernachlässigt worden - wollen wir nicht vergessen, daß die Gegenfinanzierung der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, die so schlecht ist für Ostdeutschland, die Ostbetriebe trifft, (Dr. Uwe Küster [SPD]: Ja, das wird immer wieder vergessen!) genauso wie die Gegenfinanzierung der Abschaffung der Vermögensteuer und, wie schon gesagt, die Gegenfinanzierung des heute zu beratenden Steuerreformkonzepts 1998/1999. Zum Thema „Förderung Ostdeutschlands auf hohem Niveau" Herr Rexrodt, das hohe Niveau nimmt seit Jahren ständig ab. Seit 1994/95 wird die steuerliche Investitionsförderung permanent zurückgefahren. Die einen reden davon, das sei eine notwendige Degression, um der „sich breit machenden Subventionsmentalität " im Osten wirkungsvoll entgegenwirken zu können. Das war ein Originalzitat; ich sage jetzt nicht, von wem. Die anderen reden davon, daß es aus haushalterischen Gründen gegenwärtig nun einmal einfach nicht mehr möglich sei, mehr zu fördern. Das ist ja auch klar. In Nachwendezeiten beispielsweise, als der Nachfrageboom von 17 Millionen Neukunden und Neuverbrauchern zu einer deutlichen Steigerung des Bruttoinlandsprodukts im Westen geführt hat, war man sicherlich auch auf Grund der größeren Steuereinnahmen besser in der Lage, dies zu fördern. Beide Argumente, meine Damen und Herren, vergessen allerdings, daß es auch bis heute in vielen Gegenden Westdeutschlands trotz 40jähriger Subvention nicht gelungen ist, gleiche Lebensbedingungen in allen Teilen Westdeutschlands herzustellen. Das ist wahrscheinlich auch gar nicht das Ziel unserer Verfassung. Wir jedenfalls und viele Ostdeutsche beispielsweise wollen das auch gar nicht. Was wir einfordern und worauf wir, glaube ich, ein Recht haben, das sind nicht gleiche, sondern vergleichbare Chancen, Bedingungen und Möglichkeiten. (Beifall bei der SPD) Angesichts einer solchen Tatsache heutzutage noch von „sich breit machender Subventionsmentalität" zu sprechen und dabei genau zu wissen, daß jeder einzelne und jede einzelne der Abgeordneten Wolfgang Ilte dieses Hohen Hauses zu Hause in ihren Wahlkreisen auch positive Beispiele hat, daß man in vielen Fällen diese Subventionen einfach braucht und sie auch persönlich zu spüren bekommt, das zeugt doch von einer Grundeinstellung, um deren gemeinsame Zurückweisung in diesem Hause ich Sie alle bitte. Es geht einfach nicht darum, die Zonenrandförderung oder ein nicht besetztes Gewerbegebiet in Braunschweig gegen die Maßnahmen auszuspielen, die wir in Sachsen oder in Brandenburg ergreifen wollen und die an dieser Stelle auch notwendig sind. Es geht darum, eine historisch-politisch wichtige Aufgabe zu erfüllen, nämlich den Aufbau Ostdeutschlands. Wir haben im Vorfeld zu dem von Herrn Rexrodt schon angesprochenen Gesetzentwurf zur steuerlichen Ostförderung einen - so meine ich - tragfähigen Kompromiß geschlossen. Ich will keineswegs verhehlen, meine Damen und Herren, meine Fraktion und ich - das gilt sicherlich auch für viele in den Reihen der Koalition - wünschen uns auf diesem Gebiet wesentlich mehr Maßnahmen für Ostdeutschland. Dennoch glaube ich, daß wir diesen Kompromiß begrüßen sollten, weshalb ich auch zu diesem Teil des Gesetzentwurfes um Ihre Unterstützung bitten möchte. (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Lassen Sie mich dennoch ein bißchen ins Detail gehen, und aus der Natur der Sache heraus will ich vielleicht mit dem Negativen beginnen, damit ich abschließend mit dem Positiven enden kann. Einerseits freue ich mich zwar, daß die Förderung des produktiven Gewerbes - Herr Rexrodt hat schon darauf hingewiesen - auf beiden Seiten dieses Hauses eindeutige Priorität besitzt. Wir halten es aber für einen Fehler, daß wesentliche Stützen unserer Wirtschaft im Osten, nämlich das Handwerk, der Handel oder auch die Bauwirtschaft gerade in der jetzigen Phase durch ein politisches Signal von uns in die Lage versetzt werden, in drei Jahren mit der Streichung der Fördermaßnahmen von zehn auf null rechnen zu müssen. Ich glaube, an dieser Stelle verunsichern wir diese Wirtschaft. Es ist nicht das geplante ständig hohe Niveau, wofür wir eigentlich das Signal geben wollten. Für mich ist überhaupt nicht nachvollziehbar, daß gerade in den Punkten, wo ja aus meiner Sicht auch die größten Mißbrauchsmöglichkeiten bestehen, beispielsweise bei den produktionsnahen Dienstleistungen oder bei den Leasingfirmen, von seiten der Koalition hier von Anfang an auf Nulldegression, also auf eine stetige Förderung gesetzt wurde, so daß hier überhaupt kein Verhandlungsspielraum an dieser Stelle war, während bei anderen Seiten, wie ich das vorhin schon ansprach, von vornherein eine Degression vorgesehen wurde. Ich glaube, wenn man insbesondere darauf setzt, daß der Mißbrauchsmöglichkeit der bisherigen Subvention entgegengewirkt werden sollte, dann wäre es richtiger, gerade in diesen Fällen, nämlich bei produktionsnahen Dienstleistungen und auch beim Leasing, anzusetzen. Denn wir wollen uns nichts vormachen: Wir werden im Endeffekt dazu kommen, daß Werbegesellschaften von Banken, die nach Ostdeutschland ausgegründet werden, gefördert werden, und möglicherweise werden auch riesige Westleasingfirmen von dieser Förderung profitieren. Ein Weiteres, was mir in diesem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf nicht ausreichend gelöst zu sein scheint: die Streichung der Sonder-AA von heute auf morgen. Wenn man schon der Meinung ist, daß es hier zu Fehlallokationen gekommen ist, dann frage ich mich: Warum setzt man das System nicht zielgenau ein, so wie wir es ursprünglich vorgesehen hatten, nämlich genau an den Stellen, wo es Sinn macht - bei der Sanierung von Innenstädten, bei der Schließung von Lücken oder auch bei den Plattenbausiedlungen? Die jetzt gewählte Lösung führt im wesentlichen dazu, daß diese nötigen Aufbaumaßnahmen fast ohne privates Kapital aus dem Westen allein aus der Kraft des Ostens heraus getätigt werden müssen. Die wahren Gründe für den abrupten Umstieg sind nach meiner Auffassung nicht in den sogenannten Fehlallokationen zu suchen, sondern sicherlich im wesentlichen bei den massiven Einbrüchen in der Einkommensteuer in den Westbundesländern und auch im Bundeshaushalt. Dennoch sei mir der Hinweis gestattet: Solch eine Sonder-MA bedeutet keinen Verlust. Wenn man als Finanzminister wirklich langfristig rechnet, wird man dem auch zustimmen müssen. Ich will an dieser Stelle auf die Ausführungen von Professor Sigloch in der Anhörung zur Ostförderung hinweisen, der eindeutig nachgewiesen hat, daß für einen Investor durch Inanspruchnahme der Sonder-MA weder vor Steuern noch nach Steuern irgendeine Renditesteigerung eintritt. Die Renditesteigerung erzielt ein Investor einzig und allein aus der steuerlichen Behandlung des Veräußerungsgewinns. Wenn man es genau nimmt, ist diese Sonder-MA für den Staat eigentlich die beste und billigste Art und Weise der Förderung, wenn er nicht gerade - das muß man allerdings zugeben - wie gegenwärtig wir, in einer Schuldenfalle steckt. Kurz gesagt: An diesem Kompromiß sind die beibehaltene Degression im Handwerk, im Handel und beim Mietwohnungsneubau sowie die Nichtakzeptanz der von uns geforderten Sonder-MA für die Sanierung der Innenstädte, Lückenschlüsse und Plattenbauten negativ. Aber ich wollte auch etwas Positives sagen. Für durchaus positiv halte ich es zum Beispiel, daß „die Politik" Handlungsfähigkeit bewiesen hat. Auch wenn es vielfach Bürger oder Medien in diesem Land nicht mehr wahrhaben wollen, so glaube ich doch, daß „die Politik" in der Lage ist, wenn es um Sachfragen geht, anstehende Probleme zu lösen. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Richtig!) Das soll keine Verpflichtung sein, künftig alles im Konsens zu regeln; denn auch nach meiner Auffassung gehört es zur Normalität, daß die Regierung re- Wolfgang Ilte giert und die Opposition die Regierung kritisiert und die Fehler aufzeigt. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Aber konstruktiv!) Dennoch finde ich es richtig: Wenn man in Sachfragen dicht beieinander liegt, dann sollte man sich verständigen. Das möchte ich ausdrücklich begrüßen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]) Lassen Sie mich das Positive dieses Kompromisses herausstellen. Der Kompromiß verhindert, daß in drei wesentlichen Punkten die im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehenen Degressionen zum Nachteil Ostdeutschlands gesetzlich festgeschrieben werden. Das ist zum einen die Investitionsförderung bei eigengenutzten Betriebsneubauten, beim verarbeitenden Gewerbe und den produktionsnahen Dienstleistungen. Das ist zum anderen die ursprünglich vorgesehene Degression bei der Sanierung und Modernisierung von Mietwohngebäuden. Das ist zum dritten die Degression beim selbstgenutzten Wohneigentum. Daß wir bei den beiden letzten Punkten die ursprünglich vorgesehenen wesentlich besseren Regelungen des Bundesratsentwurfs nicht durchsetzen konnten, liegt im wesentlichen daran, daß die Einbeziehung der Sanierung der Plattenbauten im Bundesregierungsentwurf wahrscheinlich schlicht vergessen wurde und daß im Rahmen der Verhandlungen zu dem nun vorliegenden Kompromiß leider nur noch eine Umverteilung des Finanzvolumens innerhalb des Systems möglich war, was am Ende beinahe kostenneutral erfolgte - mit einer leichten Verbesserung; auch das muß man noch einmal herausstellen. Aber es kam zur Festschreibung des Selbstbehalts von 5000 DM sowie der Akzeptierung der Höchstbemessungsgrundlage von 40 000 DM insbesondere beim selbstgenutzten Wohneigentum. Auch wenn wir in diesem Gesetzentwurf jetzt eine Überprüfungsklausel haben, die uns daran bindet, im Jahr 2001 noch einmal die Zielgenauigkeit bzw. die Sinnhaftigkeit der heutigen Förderung zu überprüfen, bin ich doch davon überzeugt, daß wir mit dem vorgelegten Kompromiß den Investoren die Sicherheit geben, die sie brauchen werden. Vielleicht haben wir - aber das glaubt wahrscheinlich keiner hier im Saal mehr - im Jahre 2001 tatsächlich die blühenden Landschaften in Ostdeutschland, vielleicht aber auch erst im Jahre 2004 - wer weiß. Bei realistischer Betrachtung heutzutage jedenfalls muß man davon ausgehen, daß uns derlei Geschwätz nicht weiterhilft. Die Erfahrung zeigt, daß wir langfristige Konzeptionen brauchen. Die Erfahrung sagt mir, daß wir mit diesem Gesetzentwurf über einen Zeitraum von sechs Jahren, über den wir heute reden, doch ein gutes Stück weitergekommen sind, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) auch wenn er nach meiner Überzeugung, wie schon gesagt, unzureichend ist. Abschließend sei es mir gestattet, noch über ein paar Zahlen zu reden. Mit dem hier vorliegenden Kompromiß ist es beiden Seiten dieses Hauses gelungen zu erreichen, daß die steuerliche Investitionsförderung Ostdeutschlands in den nächsten drei Jahren schätzungsweise 60 Millionen DM pro anno höher ausfallen wird, als von der Regierung ursprünglich vorgesehen. In den letzten drei Jahren - das ist die Folge der von mir vorhin erwähnten Rücknahme der Degression in den dargelegten Fällen - ergibt sich eine Verbesserung um 545 Millionen DM pro anno, was im Endeffekt im gesamten Förderzeitraum über die sechs Jahre von 1999 bis 2004 schätzungsweise 1,815 Milliarden DM ausmacht. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Ilte, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr. Sie sind anderthalb Minuten über der Zeit. Wolfgang Ilte (SPD): Dann werde ich den Rest ganz kurz in einem Satz zusammenfassen. Herr Rexrodt, Sie hatten vorhin schon die GA-Förderung angesprochen. Sie haben natürlich alle - - Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Ilte, das geht nicht. Es tut mir wahnsinnig leid. Es gibt Regeln, die eingehalten werden müssen, auch von Ihnen. Wolfgang Ilte (SPD): Sie hatten mir den letzten Satz gestattet. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Nein, den habe ich Ihnen nicht gestattet. Ich habe gesagt, Sie haben schon 1,5 Minuten dazugenommen. Das geht nicht. Es gibt Regeln, auf deren Einhaltung ich achten muß. Deshalb muß ich Sie bitten, Platz zu nehmen. Wolfgang Ilte (SPD): Lassen Sie uns bei der GA-Förderung genau so gemeinsam arbeiten und dieses Niveau, das Sie heute versprochen haben, behalten. Besten Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat jetzt Kollege Gerhard Schulz, CDU/CSU. Gerhard Schulz (Leipzig) (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gewissermaßen im Schatten der äußerst kontroversen Diskussion über die große Steuerreform ist ein anderes Gesetz entstanden, über das zu sprechen wir jetzt ein paar Minuten Zeit haben. Es ist das Gesetz über die Fortführung der Förderung für Ostdeutschland. Wir haben dieses Gesetz - das wurde schon gesagt - gestern im Finanzausschuß bei Enthaltung der Bündnisgrünen, die punktuell andere Vorstellungen hatten, einstimmig beschlossen. Damit kann davon ausgegangen werden, daß dieses Gesetz auch im Bundesrat durchgeht, nicht im Vermittlungsaus- Gerhard Schulz (Leipzig) schuß landet und dort nicht mit anderen Gesetzen verhackstückt wird. Wir haben das zustande gebracht - Kollege Ilte hat das bereits angesprochen -, indem wir uns einfach zusammengesetzt und miteinander geredet haben. Wir haben im Vorfeld einen Kompromiß gefunden, um dieses Gesetz so zu strukturieren, daß es funktionieren kann. Diese Verhandlungen waren erfolgreich. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist eine gute Nachricht - nicht nur für Ostdeutschland. Es kann sogar eine gute Nachricht für Deutschland sein; denn es ist in der deutschen Politik immer noch möglich, sich auf der Basis von Sachargumenten zu einigen und gemeinsam einen Weg zu finden. Nehmen wir es als ein gutes Omen für die Verhandlungen über die Steuerreform 1999. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Für den Kompromiß und dafür, daß er möglich wurde, möchte ich mich ausdrücklich beim Finanzminister bedanken. Er beinhaltet eine maßvolle Ausweitung des Fördervolumens in drei Punkten. Kollege Ilte hat sie angesprochen. Ich möchte es wiederholen: Wir haben unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß wir bis zum Jahr 2001 überprüfen, ob die hohen Fördersätze wirklich sinnvoll und notwendig sind, beschlossen, die vorgesehene Degression in den drei Punkten wegfallen zu lassen. (Detlev von Larcher [SPD]: Wieso muß man sich beim Finanzminister bedanken? Ihr Kanzler hat doch schon vor fünf Jahren blühende Landschaften versprochen!) - Weil es mehr kostet. Wir haben die Degression im Bereich der Förderung von eigengenutzen Betriebsgebäuden, des verarbeitenden Gewerbes und der produktionsnahen Dienstleistungen wegfallen lassen. Wir haben die Degression für den Bereich der Sanierung und Modernisierung von selbstgenutzten und vermieteten Wohnungen ebenfalls wegfallen lassen. Ich finde, eine Überprüfung der Förderhöhen macht Sinn; denn angesichts der Leerstände in vielen neuerrichteten Bürogebäuden in den großen Städten Ostdeutschlands - in Leipzig sollen etwa 850 000 Quadratmeter Bürofläche Leerstehen; das ist eine erschreckende Zahl - müssen wir auch in Zukunft nüchtern über die Effektivität unserer Förderung nachdenken. Wir müssen die Möglichkeit und den Mut haben, Veränderungen vorzunehmen, wenn sie notwendig sind. Auch strukturell haben wir in dem Gesetz eine, wie ich meine, entscheidende Veränderung vorgenommen, nämlich die Hineinnahme der Erhaltungsaufwendungen bei Sanierung und Modernisierung von vermietetem und selbstgenutztem Wohnraum. Wer sich einmal die Mühe macht, sich den Zustand der Mietshäuser anzuschauen, die in großer Zahl um die Jahrhundertwende entstanden sind und an denen seitdem im Prinzip nichts gemacht worden ist, obwohl sie zwei Weltkriege und den Sozialismus überstanden haben, zwei Katastrophen, die schon an die Fundamente und an die Existenz gehen, der wird verstehen, warum mir dieser Teil des Kompromisses relativ leichtgefallen ist. Denn auch wir hatten das so in unserem Konzept zur weiteren Förderung Ostdeutschlands, wie wir es im April in Berlin in unserem Leitantrag beschlossen haben - das kann jeder nachlesen -, stehen. Für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, denen die Problematik der Erhaltungsaufwendungen nicht bewußt ist - auch ich habe lernen müssen, daß es da unterschiedliche Begriffe und Bedeutungen gibt -, möchte ich folgendes erklären: Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes hat Modernisierungsmaßnahmen in den letzten Jahren immer mehr zugunsten der Erhaltungsaufwendungen ausgelegt. De facto heißt das: Die Erneuerung von Gebäudeteilen, die Reparatur von Fußböden, Fenstern, Türen und Dächern, die Reparatur und Verbesserung von Heizungsanlagen, auch die Umstellung der Heizungsart von Kohle auf andere Energieträger, ja, mitunter alle Maßnahmen, die zum Schutz des Gebäudes vor Kälte, Nässe und Wärme dienen, werden nach der gängigen Rechtsprechung als Erhaltungsauf wand eingestuft und wären ohne die ausdrückliche Hineinnahme von Erhaltungsaufwendungen in die Förderung nicht förderfähig gewesen. Damit würden wir in diesem Falle an den Bedürfnissen in Ostdeutschland schlichtweg vorbei fördern. Durch die Hineinnahme sichern wir, daß der ostdeutsche Wohnungsbestand möglichst rasch modernisiert und saniert wird. Zudem - davon bin ich überzeugt - fördert diese Maßnahme die Auftragsvergabe an das ortsansässige Baugewerbe in Ostdeutschland. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Wie groß der Bedarf ist, wird auch durch den Bauschadensbericht der Bundesregierung deutlich. Dort wird festgestellt, daß Ostdeutschland über 20 Prozent des gesamtdeutschen Wohnungsbestandes verfügt. Aber auf diese 20 Prozent konzentrieren sich 70 Prozent der gesamtdeutschen Bauschäden. Das ist eine erschreckende Zahl. Dieser Kompromiß schmerzt sicherlich die SPD. Sie hatte - Herr Ilte sagte das - doch wesentlich weitergehende Vorstellungen, zum Beispiel die Fortführung der Sonder-AfA, die wir strukturell für überholt und nicht mehr notwendig erachtet haben und auch noch immer für falsch halten. Aber er schmerzt auch uns; das muß man deutlich sagen. Denn wir werden das für diese Förderung notwendige zusätzliche Geld in den Jahren 2000 und danach aufbringen müssen. An der Formulierung, daß w i r das Geld aufbringen müssen, erkennen Sie, daß ich die jetzige Koalition auch dann noch in der Verantwortung sehe. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Widerspruch bei der SPD) Ich bestätige an dieser Stelle gerne, daß die Verhandlungen mit meinem Kollegen Ilte sachlich und fair abgelaufen sind. Das muß man einfach so sagen. Gemeinsam lag uns am Herzen, daß wir uns mög- Gerhard Schulz (Leipzig) fichst schnell einigen und ein positives Ergebnis für mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland erzielen wollen. Das bestätigt aber auch: Wenn sich pragmatisch Denkende an einen Verhandlungstisch setzen, und zwar solche, die die Probleme vor Ort kennen und denen bewußt ist, daß die Menschen nicht nur Diskussionen über ihre Probleme hören wollen, sondern Taten sehen wollen, dann kommt man rasch zu einem Ergebnis im Sinne der Sache. Ein gewichtiges Mitglied unseres Hauses pflegt gelegentlich zu sagen: Was hinten rauskommt, ist entscheidend. Das ist richtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]) Es geht nicht um Parteiengezänk, es geht um Deutschland. Warum sollte es nicht möglich sein, sich vernünftig zu einigen, wenn es um Deutschland geht? Als es um Ostdeutschland ging, war das möglich. Wir signalisieren heute den Bürgerinnen und Bürgern in Ostdeutschland, daß der Aufbau der neuen Bundesländer für uns und - wie ich annehme - für die überwiegende Mehrheit des Hauses nach wie vor Priorität hat. Wir signalisieren, daß wir trotz der großen finanziellen Belastungen, denen sich Bund, Länder und Gemeinden ausgesetzt sehen, die Förderung von Investitionen in Betriebe und in den Wohnungsbestand auf - ich wiederhole das - hohem Niveau fortsetzen. Wir zeigen hier eine geschlossene Solidarität für Ostdeutschland. Ich denke, das gibt der ostdeutschen Bevölkerung Kraft für die Belastungen des weiteren Aufbaus. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Schulz, gestatten Sie dem Kollegen Ilte eine Zwischenfrage? Gerhard Schulz (Leipzig) (CDU/CSU): Ach nein, das machen wir lieber nicht. Ich habe nur noch eine Seite, ein kleines Blättlein, dann bin ich fertig. Deshalb bitte ich meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, bei der Diskussion um die große Steuerreform zu bedenken, daß wir gemeinsam, Bundestag und Bundesrat, Verantwortung für ganz Deutschland tragen. (Detlev von Larcher [SPD]: Dann zeigt sie heute!) Die Menschen in unserem Land erwarten von uns, daß wir die Steuer- und Abgabenlast reduzieren. Sie erwarten von uns, daß wir Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung schaffen, und sie erwarten von uns, daß wir das Gezänk beenden und den Weg zur Problemlösung gemeinsam gehen. Die Einkommensteuerreform ist auch für Ostdeutschland ein wichtiges Thema. Deshalb gestatten Sie mir ganz frech einen kleinen Tip: Wenn es in den Verhandlungsrunden im Vermittlungsausschuß zur Sache geht, nehmen Sie ein oder zwei Ostdeutsche mit dazu, das könnte das Verfahren möglicherweise verkürzen. Schönen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die Kollegin Barbara Hendricks (SPD). Dr. Barbara Hendricks (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen noch einmal zur Steuerreform zurückkommen, nachdem wir jetzt über die Zukunft der Ostförderung gesprochen haben. Bundesregierung und Koalition veranstalten heute ein weiteres politisches Desaster, diesmal das Desaster ihrer Steuerpolitik. (Beifall bei der SPD) Der Anspruch war, Steuern gerechter und einfacher zu machen, die Investitionstätigkeit der Unternehmen zu stärken und damit die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Sie verfehlen Ihren eigenen Anspruch auf ganzer Linie. (Beifall bei der SPD) Die Kritik an Ihrer Steuerpolitik ist vernichtend, zu Recht vernichtend. Dieses Land, mit einem Rekord an Arbeitslosigkeit, mit einem Rekord in der Staatsverschuldung und mit einem Rekord an Firmenpleiten, dieses Land leidet unter Ihrer Politik. (Beifall bei der SPD) Sie verdrängen offenbar die Realität, die das Ergebnis Ihrer vernichtenden Politik ist. Nur so ist zu erklären, daß Sie vor dem Hintergrund der allseits bekannten Tatsachen gleichwohl zunächst Nettosteuersenkungen von 30 Milliarden DM versprochen haben. In dieser Woche spricht der Fraktionsvorsitzende Schäuble in der FAZ von einer - ich zitiere -„Entlastung in zweistelliger Milliardenhöhe". Das können auch 10 Milliarden DM sein. Von 30 Milliarden DM ist im Moment nicht mehr die Rede. Gleichwohl bleibt die Lücke bei 45 Milliarden DM. So sind eben die Zahlenspielereien dieser Koalition. Aber wenn jetzt Herr Schäuble nicht mehr von 30 Milliarden DM redet, sondern von einer Entlastung in zweistelliger Milliardenhöhe spricht, ist das nun der erste Schritt zu besserer Erkenntnis? Nein, das ist das massive Eingeständnis, das überhaupt nicht mehr zu übersehende Eingeständnis, daß Sie auch diesen selbst erhobenen Anspruch nicht erfüllen können. (Beifall bei der SPD) Bundesregierung und Koalition haben die Bürgerinnen und Bürger getäuscht. Sie haben unerfüllbare Erwartungen geweckt. Daß diese Erwartungen unerfüllbar sind, ist ebenfalls das Ergebnis ihrer verfehlten Politik. Wir Sozialdemokraten haben von Anfang an keine unerfüllbaren Erwartungen geweckt. Wir haben unsere steuerpolitische Konzeption auf das jetzt Mach- Dr. Barbara Hendricks bare, auf das jetzt Finanzierbare, auf das jetzt Notwendige beschränkt. (Beifall bei der SPD - Ingrid MatthäusMaier [SPD]: Das ist der Unterschied!) Wir verfolgen die Ziele Stärkung der Investitionstätigkeit durch Senkung der Lohnnebenkosten, Belebung der Binnenkonjunktur durch Nettoentlastung von Arbeitnehmern und Familien und Förderung der Investitionstätigkeit durch eine Reform der Unternehmensbesteuerung. Unsere Konzeption ist wirtschaftspolitisch vernünftig, sozial ausgewogen und finanzpolitisch solide. (Beifall bei der SPD) Unsere Konzeption verbindet Nachfrage- und Angebotsorientierung. Wir wollen Konjunktur und Arbeitsmarkt so schnell wie möglich einen Wachstumsschub geben. Wir sind weiterhin zu einer Einigung mit Ihnen bereit, aber das geht ganz offenbar nur auf der Basis unserer Vorschläge; denn Ihre sind unsolide. Wir sind weiterhin bereit, zusammen mit Ihnen die Sozialabgaben schon zum 1. Oktober dieses Jahres um zwei Beitragspunkte zu senken. Das bedeutet eine Entlastung für Arbeitnehmer und Betriebe um rund 30 Milliarden DM im Jahr. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung führt das zu rund 200 000 neuen Arbeitsplätzen. Warum blockieren Sie das? Warum machen wir das nicht gemeinsam? Herr Schäuble hat heute morgen dazu gesagt, bevor man zu Umfinanzierungen zwischen Steuern und Sozialabgaben käme, müßten zunächst Strukturreformen in den Systemen der Sozialversicherung erfolgen. Prinzipiell wäre dagegen nichts einzuwenden. Sie hätten ja alle Möglichkeiten, Strukturreformen in den Systemen der Sozialversicherung vorzunehmen. Aber was tun Sie? Sie machen doch nichts anderes, als Verschiebebahnhöfe zu planen: Was Sie nicht mehr für die berufliche Aus- und Fortbildung ausgeben, das muß für die Arbeitslosenhilfe verwendet werden. Und was nicht mehr für die Arbeitslosenhilfe ausgegeben wird, das muß für die Sozialhilfe verwendet werden. - Das sind doch keine Strukturreformen. Das nützt diesem Staat in keiner Weise. (Beifall bei der SPD - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr richtig!) Ganz massiv möchte ich die Formulierung zurückweisen, die Herr Schäuble heute morgen gewählt hat, daß die Demographie dafür verantwortlich sei, daß es in unseren Sozialversicherungssystemen nicht mehr so recht klappt. Ich halte das für eine geradezu menschenverachtende Äußerung. Das klingt, als seien die alten Menschen durch die bloße Tatsache, daß sie auf der Welt sind, schuld an der Misere, die Sie zu verantworten haben. (Beifall bei der SPD - Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das ist ja ungeheuerlich!) Als Beispiel hat der Kollege Schäuble die Gesundheitsreform genannt. Auch da haben Sie doch keine Strukturreform vorgenommen. Nein, Sie pumpen mehr Geld in das System. Es werden doch nicht die Kosten gesenkt. Die Kranken werden vielmehr für zusätzliche Leistungen herangezogen. Damit ist doch keine Strukturreform verbunden. Das Gesundheitssystem wird um keine Mark billiger. Die Versicherten müssen vielmehr zusätzlich Geld bezahlen. Wenn zum Beispiel meine 80jährige Mutter bei einem einzigen Apothekenbesuch, noch bevor die verschärften Zuzahlungsregelungen am 1. Juli in Kraft treten, 35 DM für die ganz normalen Tabletten, die sie in ihrem Alter täglich nehmen muß, zu bezahlen hat, dann kann sie diese 35 DM natürlich nicht mehr anders ausgeben. Das heißt: Sie schwächen damit wieder die Binnenkonjunktur. Das Geld steht nicht mehr zur Verfügung. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Barbara Höll [PDS]) Es ist doch ganz offensichtlich: Die zu geringe Binnennachfrage ist die entscheidende Schwachstelle der deutschen Konjunktur. (Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Falsch!) Die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen stärken die Binnenkonjunktur. Neben der schon genannten Senkung der Beiträge zur Sozialversicherung wollen wir den steuerlichen Grundfreibetrag verbessern, den Eingangssteuersatz senken und das Kindergeld erhöhen. Wir versprechen nicht das Blaue vom Himmel. Wir orientieren uns an dem, was jetzt machbar und solide zu finanzieren ist. Und trotzdem: Unsere Vorschläge bringen für eine Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern im Ergebnis eine Entlastung von rund 2500 DM im Jahr, also rund 200 DM im Monat. Es müßte doch selbst wirtschaftlichen Laien, auch denen auf der Regierungsbank, klar sein: Die Familien brauchen das Geld. (Beifall bei der SPD - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Es gibt viel zu viele wirtschaftliche Laien auf der Regierungsbank!) Seit Jahren haben die Arbeitnehmer und die Familien bei sinkenden Reallöhnen notgedrungen auf Anschaffungen verzichten müssen. Warum bricht denn die Möbelkonjunktur zusammen? Warum werden denn keine Heimtextilien mehr verkauft? Warum haben wir seit fünf Jahren sinkende Einzelhandelsumsätze? Das Geld, das wir den Familien und den Arbeitnehmern geben, stützt unmittelbar die Binnennachfrage und damit Konjunktur und Beschäftigung. Wenn wir, solide gegenfinanziert, noch einen Spielraum zur Senkung des Spitzensteuersatzes haben, dann werden wir auch das tun. Wir sind doch nicht, wie Sie immer wieder fälschlich behaupten, festgelegt. Es liegt aber auf der Hand, daß die Senkung des Spitzensteuersatzes für die Stärkung der Binnenkonjunktur nur eine sehr untergeordnete Bedeutung hat. Wir können es also nur tun, wenn wir es bezahlen können, und zwar nicht auf Pump und nicht durch Erhöhung der Mehrwertsteuer. (Beifall bei der SPD) Dr. Barbara Hendricks Unsere Strategie verknüpft Angebots- und Nachfragepolitik miteinander. Neben der Stärkung der Binnennachfrage geht es uns um eine Verbesserung der Investitionsbedingungen. Dazu dienen die Senkung der Lohnnebenkosten, die Senkung der Steuerbelastung von reinvestierten Gewinnen und die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer. Durch die Senkung der Lohnnebenkosten werden die Unternehmen um 15 Milliarden DM pro Jahr entlastet. Das kommt vor allem den personalintensiven kleinen und mittleren Unternehmen zugute. Lassen Sie uns damit gemeinsam schon am 1. Oktober beginnen! Zum 1. Januar des nächsten Jahres wollen wir den Körperschaftsteuersatz für reinvestierte Gewinne von 45 auf 35 Prozent senken. Uns kommt es darauf an, daß die Gewinne, die für Investitionen in neue Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, steuerlich entlastet werden. Unser weitergehendes Ziel ist eine rechtsformunabhängige Unternehmensbesteuerung. Sie messen doch immer alles an internationalen Standards. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau!) Warum sollen wir das deutsche Unternehmensteuerrecht nicht internationalen Standards angleichen? (Beifall bei der SPD) Was die Gewerbekapitalsteuer anbelangt, so kann ich Sie nur dazu aufrufen, endlich Ihre Blockade aufzugeben. (Beifall bei der SPD - Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das ist doch zum Schießen!) Wir haben seit zwei Jahren unsere Bedingungen dafür genannt. Wenn Sie diesen vernünftigen Bedingungen folgen, dann können wir das sofort machen. Wir haben nicht nachgelegt; Herr Schäuble hat behauptet, wir würden immer unsere Bedingungen ändern. Diese Bedingungen sind seit zwei Jahren in diesem Hause zu Protokoll gegeben. (Beifall bei der SPD und der PDS - CarlLudwig Thiele [F.D.P.]: Sie haben mich doch kritisiert, ich unterstellte, daß Sie das wollen!) Ich kann Sie nur dazu aufrufen, endlich Ihre Blokkade aufzugeben. Wir schaffen die Gewerbekapitalsteuer zum 1. Januar 1998 ab, wenn die Gemeinden einen Anteil von 2,3 Punkten an der Umsatzsteuer erhalten und wenn Sie endlich Ihre Blockade gegen die dauerhafte Absicherung der Gewerbeertragsteuer im Grundgesetz aufgeben. (Zustimmung bei der SPD) Natürlich kann die von Ihnen vorgesehene Gegenfinanzierung von uns so nicht akzeptiert werden. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Warum nicht?) Die Verschlechterung der degressiven Abschreibung führt zu einer unangemessenen Belastung der investierenden Wirtschaft. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Im Gegenteil!) Das müssen wir selbstverständlich ablehnen. Wir bieten im Gegenzug an, die Steuervergünstigungen nach § 34 Einkommensteuergesetz zu streichen. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das ist ja nicht im gewerblichen Bereich!) Damit wäre eine Gegenfinanzierung sauber zu machen. Folgen Sie uns also endlich auf dem Weg der Vernunft, und schaffen wir die Gewerbekapitalsteuer zum 1. Januar 1998 ab! (Beifall bei der SPD) Hier wie insgesamt gilt: Bei der Gegenfinanzierung müssen die Prinzipien der wirtschaftlichen Vernunft und der sozialen Ausgewogenheit beachtet werden. Drastische Verschlechterungen der Abschreibungsbedingungen müssen wir ablehnen. Eine Mehrwertsteuererhöhung zur Senkung des Spitzensteuersatzes kann für uns nicht in Frage kommen. Zusätzliche Belastungen für Arbeitnehmer, die in Wechselschichten arbeiten, lehnen wir eindeutig ab. Eine Entfernungspauschale von lediglich 40 Pfennig pro Kilometer, und das auch erst ab dem sechzehnten Kilometer, müssen wir natürlich ablehnen. Wir brauchen eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale von 50 Pfennig pro Kilometer ab dem ersten Kilometer. (Beifall bei der SPD) Eine zusätzliche Besteuerung von Renten und die Besteuerung von Erträgen aus bestehenden Lebensversicherungsverträgen werden Sie mit uns nicht machen können. Alle diese Koalitionsvorschläge sind ein weiterer Beweis für die soziale Schieflage Ihrer Politik. (Beifall bei der SPD - Birgit Homburger [F.D.P.]: Das ist ja Unsinn!) Der Schwerpunkt der Gegenfinanzierungsmaßnahmen muß in der Beseitigung ungerechtfertigter steuerlicher Vergünstigungen und Sonderregelungen liegen. Wir haben dazu konkrete Vorschläge gemacht. Bundesfinanzminister Waigel hat heute morgen gesagt, wir würden uns nicht darauf verständigen wollen, die unberechtigten Steuervorteile für Millionäre sozusagen mit Ihnen gemeinsam abschaffen zu wollen. (Detlev von Larcher [SPD]: Der redet oft Unsinn!) Das muß ich wirklich eindeutig zurückweisen: Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Selbstverständlich wollen wir für alle Einkommensbezieher eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, auch für die Bezieher hoher Einkommen, (Detlev von Larcher [SPD]: Wiederherstellen!) und natürlich liegen unsere Vorschläge dazu vor. (Beifall bei der SPD) Das war also eine bewußt falsche Unterstellung, die der Bundesfinanzminister heute vor aller Öffentlichkeit gemacht hat. Dr. Barbara Hendricks Die deutschen Unternehmen haben gerade im internationalen Vergleich beispiellose Gestaltungsmöglichkeiten bei der Gewinnermittlung. Wenn wir uns am Bilanzsteuerrecht der USA orientieren würden, kämen wir endlich zu einer objektiveren Gewinnermittlung. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau!) Warum sollen wir uns nicht an dem sonst so immer hoch gelobten Beispiel orientieren? (Beifall bei der SPD) Wir brauchen dringend ein Aktionsprogramm gegen Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung. Wir haben dazu schon längst einen Antrag eingebracht. Unsere Vorschläge liegen vor. Wir brauchen auch wieder eine sozial gerechte und verfassungskonforme Besteuerung großer Privatvermögen. Ihr Verhalten im Gesetzgebungsverfahren des vergangenen Jahres ist geradezu skandalös gewesen, meine Damen und Herren von der Koalition. (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Das nehmen Sie aber sofort zurück!) Die von uns vorgeschlagene Abgabenreform bietet zugleich die Chance für einen Einstieg in die ökologische Steuerreform. Mit maßvoller und berechenbarer Belastung des Energieverbrauchs können wir auf der anderen Seite die Sozialversicherungsbeiträge und damit die Kosten der Arbeit senken. Dies ist nur ein erster Schritt, um die Lohnnebenkosten so rasch als möglich zu senken. Ziel bleibt es prinzipiell, dafür zu sorgen, daß diese Reform den Rationalisierungsdruck vom Faktor Arbeit auf den Faktor Umwelt umwälzt (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau!) und damit marktwirtschaftliche Anreize für die Entwicklung zukunftsfähiger Produkte und Techniken schafft. Dies schafft Arbeitsplätze und ist auch gut für unsere Volkswirtschaft. (Beifall bei der SPD) Die ökologische Steuerreform ist geradezu eine Chance zum Strukturwandel in der Krise, und die müssen wir ergreifen. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Sie müssen auf die Uhr achten. Dr. Barbara Hendricks (SPD): Danke. - Meine Damen und Herren, wir haben niemals den Anspruch erhoben, daß das von uns jetzt vorgelegte steuerpolitische Konzept eine endgültige umfassende Reform sei. Wir haben uns auf das konzentriert, was jetzt machbar und notwendig ist. Wir können uns an unseren Ansprüchen messen lassen, wir können unsere Versprechen halten, wir haben ein solide finanziertes Konzept. Alles das trifft auf die Bundesregierung und die Koalition ganz und gar nicht zu. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Heinz-Georg Seiffert, CDU/CSU. Heinz-Georg Seifert (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Hendricks, was Sie eben geboten haben, (Beifall bei der SPD) war ein deutliches Beispiel für Ihre absolute Konzeptionslosigkeit, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und es war ein ganzes Stück Unverfrorenheit dabei. Es ist doch unredlich, wenn Sie uns heute vorwerfen, wir sollten endlich die Gewerbekapitalsteuer abschaffen; (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Genau!) das ist doch unglaublich! - Das von uns beschlossene Gesetz liegt seit zwei Jahren auf dem Tisch, und Sie blockieren es und fordern nun von uns, daß wir dieses Reformwerk, das dringend notwendig ist, endlich durchsetzen. (Joachim Poß [SPD]: Warum denn? Weil Sie gewisse Bedingungen nicht erfüllen!) Weiter will ich auf Ihre Äußerungen nicht eingehen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das lohnt sich auch nicht!) Sie haben heute einen schweren Stand, weil Sie einfach die schlechteren Argumente haben. (Lachen bei der SPD - Beifall bei der CDU/ CSU und der F.D.P.) Es ist ganz eindeutig von allen Fachleuten dargelegt worden - dem können Sie einfach nicht ausweichen -, daß die Konzeption der Steuerreformkommission unter Theo Waigel einfach der bessere, der wohl einzig zielführende Weg zu mehr wirtschaftlicher Dynamik, zu mehr Investitionen und letztendlich zu mehr Arbeitsplätzen am Standort Deutschland ist. (Detlev von Larcher [SPD]: Sagen Sie doch mal was zur Finanzierung!) Es war für mich überhaupt keine Überraschung, daß in der Diskussion in der Vergangenheit viel eher die Gegenfinanzierungsmaßnahmen angesprochen worden sind als die Tatsache, daß wir eine drastische Senkung der Steuersätze für alle gewerblichen Bereiche und für alle Einkommen vorgelegt haben. Es wird - das sage ich auch im Hinblick auf ein mögliches Vermittlungsverfahren - mit Sicherheit keine Steuerreform geben, wo die SPD all die einschränkenden Maßnahmen gegenüber Unternehmen und den Leistungsträgern dieser Gesellschaft mitträgt, wo aber gleichzeitig darauf geachtet wird, daß die Steuersätze hoch bleiben. Meine Damen und Herren, es war und bleibt Geschäftsgrundlage dieser Steuerreform, daß wir niedrige Steuersätze haben werden. Heinz-Georg Seiffert Die Steuerreform wird auch dann scheitern, wenn es nur eine reine Umverteilung und keine Entlastung für alle Bürger geben sollte. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der F.D.P.) Der steuerzahlende Barger und Unternehmer wird diese Reform nur dann akzeptieren, wenn unter dem Strich etwas für ihn übrigbleibt, nämlich eine spürbare Nettoentlastung. Ich denke, wir haben in den vergangenen Wochen durch unsere Arbeit im Finanzausschuß einiges dazu beigetragen, daß die Akzeptanz dieser Steuerreform in der Öffentlichkeit noch breiter geworden ist. Wir haben - ohne die Grundkonzeption zu tangieren - erhebliche Verbesserungen beschlossen, die eigentlich allen Mitgliedern dieses Hauses eine Zustimmung ermöglichen sollten. Wir haben nicht all den Interessenvertretern und Betroffenen nachgegeben, die zwar grundsätzlich - wie Sie von der Opposition ja auch - für eine Reform sind, aber immer dann, wenn Veränderungen im eigenen Bereich angesprochen werden, natürlich abblocken. Ich meine, wir haben mit Augenmaß und Blick für das Ganze gehandelt, und deshalb stehen wir auch zu unseren Korrekturen. Wir haben die Einführung der umstrittenen Steuerpflicht für Sonntags-, Feiertags- und Schichtzulagen bis zum Jahr 2003 gestaffelt. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr gut!) Diese Zuschläge sollen weiterhin ein Leistungsanreiz bleiben, auch weil sie Besitzstand geworden sind. Sie sollen aber nicht auf ewige Zeiten bei einzelnen Berufsgruppen steuerfrei bleiben, während andere, die ebenfalls zu unangenehmen Zeiten arbeiten müssen, das Entgelt dafür immer schon voll versteuern mußten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der F.D.P.) Bei der Besteuerung der Lebensversicherungen haben wir die Grenze zwischen der zusätzlichen Altersversorgung und den Kapitalanlegern klarer gezogen. Lebensversicherungen, die 18 Jahre und länger laufen oder erst nach dem 60. Geburtstag ausgezahlt werden, bleiben auch weiterhin von der Steuer befreit. (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Sehr gut!) Wenn wir dagegen bei den übrigen Lebensversicherungen eine 3 prozentige Versicherungssteuer auf den Risikoanteil einführen, so macht dies Sinn, denn all die laufenden Verträge genießen damit Vertrauensschutz und werden nicht mehr tangiert. Wichtig war uns auch die Anregung der Kollegen aus der AG Bau, die meinten, daß bei Wegfall der degressiven Abschreibung und einer Verkürzung der linearen Abschreibung ein weiterer Einbruch im Mietwohnungsbau zu befürchten sei. Wir haben dem Rechnung getragen, indem wir den Abschreibungssatz - genau wie bei gewerblichen Bauten - auf 3 Prozent festgelegt haben. Damit vermeiden wir eine aufwendige und bürokratische Abgrenzung zwischen Wohn- und Gewerbebauten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Auch im Bereich der Landwirtschaft haben wir die Belastungen gemildert. Die Freibeträge, die ursprünglich ganz wegfallen sollten, haben wir angemessen von 2000 DM auf 1300 DM reduziert. Auch für den Steuerabzugsbetrag nach § 34 e haben wir eine Übergangsregelung gefunden. Damit wollen wir vor allem sicherstellen, daß die Kleinbauern und Nebenerwerbslandwirte, die von den niedrigeren Steuersätzen nicht wesentlich profitieren können, nicht unvertretbar belastet werden. Wir haben bei den Versorgungsbezügen und bei den Soldaten im Auslandseinsatz wesentliche Vergünstigungen getroffen. Schließlich bleiben auch die Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Mutterschaftsgeld unbesteuert. Wer auf Nettobasis berechnete Leistungen erhält, soll diese auch künftig nicht versteuern müssen. Meine Damen und Herren, ich denke, der Finanzausschuß hat handwerklich gute Arbeit geleistet. Ich hoffe nur, daß der Vermittlungsausschuß mit seiner SPD-Mehrheit diese Ergebnisse nicht wieder kaputtmacht. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich bitte Sie ganz dringend, Ihre Blockadehaltung, mit der Sie in letzter Zeit all unsere Reformvorhaben behindern, aufzugeben. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Mit dieser Verweigerungspolitik werden Sie Ihrer Mitverantwortung, die Sie mit der Bundesratsmehrheit seit 1991 haben und parteitaktisch nutzen, nicht gerecht. Sie stehen jetzt mit in der Pflicht. Die Mehrheitsverhältnisse zwingen Sie dazu. Wenn Sie sich bei diesen wichtigen Zukunftsfragen auf Grund parteitaktischer Strategien nun verweigern, dann erschüttern Sie auch das Vertrauen der Menschen in unsere parlamentarische Demokratie. (Detlev von Larcher [SPD]: Haben Sie eigentlich zugehört, was wir gesagt haben?) Auch darum geht es bei dieser Steuerreform und bei diesem Reformwerk. Deshalb fordere ich Sie auf: Stimmen Sie uns zu. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Detlev von Larcher [SPD]: Nichts zur Gegenfinanzierung! Nichts zu unseren Vorschlägen!) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Joachim Poß, SPD. Joachim Poß (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schäuble hat von der Stunde der Komödianten gesprochen. In der Tat: Wir erleben heute die Stunde der Komödianten und Gaukler der Koalition, (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU/CSU) die dem deutschen Volk vorgaukeln, daß ihr steuerpolitisches Wunschkonzert irgendwann mal Wirklichkeit wird. Wenn man wirklich wissen will, was passiert, muß man im „Stern" die Protokolle über die Fraktionssitzung der CDU/CSU lesen. Dann wird sehr plastisch, was hier mit Gaukelei veranstaltet wird. (Beifall bei der SPD) Herr Schäuble ist der Regisseur dieser Stunde der Komödianten. Herr Schäuble ist auch der Regisseur des Mißbrauchs des Deutschen Bundestages, den wir hier heute erleben, (Beifall bei der SPD) wenn die Mehrheit des Hauses unfinanzierbare Wunschvorstellungen verabschieden wird. Der Koalition ist doch klar, daß dieser Gesetzentwurf reine Makulatur ist. Viele von Ihnen - voran Herr Schäuble -sind trotz gespielter Nachdenklichkeit und Selbstkritik aber nicht bereit, dies auch zuzugeben. Sie bleiben bei Ihrem durchsichtigen Rollenspiel: CDU/CSU und F.D.P. beschließen im Bundestag Steuersenkungen ohne solide Finanzierung, und die SPD wird im Bundesrat mit Steuererhöhungen schon für die Schließung der riesigen Steuerlücke von 45 Milliarden DM im Jahre 1999 sorgen. Es ist erstaunlich, in welchem Maße Sie die Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion für taktische Spielchen mißbrauchen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS) Längst ist offensichtlich, daß das heute zu beschließende Steuerreformgesetz mit solchen Steuerausfällen selbst von Ihnen nicht gewollt ist, weil auch Sie wissen, daß dies von Bund, Ländern und Kommunen nicht zu verkraften ist. Wollen Sie 45 Milliarden DM zusätzliche Schulden machen? Oder wollen Sie für 45 Milliarden DM Steuererhöhung? Das kann doch wohl alles nicht wahr sein. Wenn ich bedenke, wie oft sich der Bundesfinanzminister in den letzten Jahren verrechnet hat, dann glaube ich nicht daran, daß diese Lücke nur 45 Milliarden DM betragen wird. Sie wird wahrscheinlich noch wesentlich größer sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS) Zu Recht hat Herr Schäuble längst zugegeben, daß die Karten im Vermittlungsausschuß ganz neu gemischt werden. Dem Bundesrat wird doch gar nichts anderes übrigbleiben, als Ihren Gesetzentwurf angesichts dieser riesigen Steuerausfälle abzulehnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dies gebietet schon die gesamtstaatliche Verantwortung, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) die hier der Bundesrat - auch im Gegensatz zu Ihnen im Bundestag - wahrnehmen wird. Mehr Gemeinsamkeit, Herr Bundesfinanzminister, setzt mehr Ehrlichkeit voraus. Übrigens, zur Ehrlichkeit gehört: Da, wo in den letzten Jahren in der Steuerpolitik etwas für die Bürger positiv gelaufen ist, war es die SPD, die dafür mit gesorgt und für Druck gesorgt hat: bei der Erhöhung des Grundfreibetrages zur Sicherung des Existenzminimums, bei der Erhöhung des Kindergeldes, bei der steuerlichen Wohneigentumsförderung und heute auch noch bei der Ostförderung. Immer war die SPD die Kraft, die für die Bürger etwas durchgesetzt hat. (Beifall bei der SPD) Wenn Sie, Herr Waigel, von mehr Miteinander und von mehr Glaubwürdigkeit sprechen - ich will das gern aufgreifen -, dann müssen Sie das aber auch selbst ernst nehmen. Aber Sie nehmen es selbst nicht ernst. Wenn Sie es nämlich täten, dann würden Sie sich anders verhalten. Herr Waigel, was soll man denn davon halten, daß wir im Finanzausschuß eine Vorlage bekommen haben, wonach die Länder dem Bund 3,5 Milliarden DM übertragen mögen, und zwar nur für begrenzte Zeit? Dies scheint mir ein unernster Vorschlag des Bundes zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, daß dieser Vorschlag von Ihnen kommt. Wie soll denn der Bundesfinanzminister dieses Versprechen einlösen, zu dessen Erfüllung Umsatzsteuerverhandlungen mit den Ländern notwendig sind, Verhandlungen, die nach föderativer Praxis ein langwieriges Verfahren auf der Ebene der Regierungschefs sind? Dieser Vorschlag ist so praxisfremd, daß ich mir nicht vorstellen kann, Herr Waigel, daß er von Ihnen kommt. Der Vorschlag sieht vielmehr so aus, als ob er von Herrn Westerwelle oder von Herrn Thiele kommt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Jedenfalls ist er für jeden als reine Luftnummer erkennbar. Wenn ein Bundesfinanzminister einen solchen Auftrag entgegennimmt, dann ist das nicht ein Beweis seiner Stärke gegenüber den Ländern, sondern seiner Schwäche in der Koalition, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) weil er sich nicht mehr gegenüber der F.D.P. behaupten kann. Einlösen kann er dieses Versprechen nämlich nie. Nein, Herr Waigel, Sie werden getrieben, nicht nur von der F.D.P., auch noch von dem Ede Wolf der deutschen Politik namens Edmund Stoiber. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deswegen fordere ich Sie auf: Seien Sie doch einmal mannhaft! Versuchen Sie nicht, zu vertuschen, Joachim Poß wie heute morgen die Kollegin Hasselfeldt! Sagen Sie doch, was Sie gestern im Finanzplanungsrat auch gesagt haben: Jawohl, ich will ein Prozent Mehrwertsteuererhöhung für die Steuerreform, und ich will ein Prozent Mehrwertsteuererhöhung für die Rente! Erklären Sie das doch einmal klipp und klar, und lassen Sie diese Täuschereien, wie sie heute morgen hier abgelaufen sind. (Beifall bei der SPD) Der Blockadevorwurf ist das einzige, auf das Sie in der Koalition sich überhaupt noch einigen können. (Zuruf von der SPD: So ist das!) Sie wissen aber: Genau das Gegenteil ist der Fall; Sie haben sich selbst blockiert, weil Sie von falschen Voraussetzungen ausgegangen sind, völlig überzogene Erwartungen geweckt haben, die jetzt nicht erfüllt werden können. Nach der Täuschung der Bürger und der Wirtschaft kommt jetzt die Enttäuschung. Da sieht Ihre Arbeitsteilung so aus, den Vorwurf der Blockade gegenüber der SPD zu erheben. Als ob die SPD dazu da wäre, Konzepte von Regierungskommissionen, an denen sie überhaupt nicht mitgearbeitet hat, zu übernehmen! Was ist das für ein Parlaments-, was ist das für ein Politikverständnis! (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Inzwischen haben Sie wie auch die deutsche Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen können, daß wir Sozialdemokraten andere Prioritäten bei der Steuerreform gesetzt haben. Wir sind überzeugt, daß eine sogenannte Steuerreformpolitik, die den Staat in eine tiefe Krise treibt, keine Reformpolitik ist und zu Lasten der Arbeitnehmer, Familien und Unternehmen geht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir wollen eine Steuerreform, die unser Steuerrecht wieder einfacher und gerechter macht, die für mehr Wachstum und Beschäftigung sorgt und die zudem den aktuellen finanzpolitischen Erfordernissen Rechnung trägt. Mit anderen Worten: Wir brauchen eine Steuerreform, aber eine andere als die, die Sie heute mit Ihrer Mehrheit hier durchsetzen. Wir brauchen eine solide Steuerreform, die sich in die Finanzpolitik einpaßt, die mit Augenmaß konzipiert ist und keine überzogenen Erwartungen weckt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sind in Panik geraten, weil auch der letzte Schuß, den Sie im Colt haben, nachdem alle übrigen Maßnahmen nicht gezogen haben, zum Rohrkrepierer geworden ist, da inzwischen nach dem Urteil aller Sachverständigen klar ist, daß von Ihren Steuervorstellungen kurzfristig keine Beschäftigungswirkungen ausgehen. Das ist die Quintessenz. (Beifall bei der SPD) Nun sagen wir Sozialdemokraten: Ein Steuerreformkonzept muß von der gegebenen Praxis, von Fakten ausgehen. Zu den Fakten zählt - Sie kennen die Untersuchung -, daß Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenhaushalte etwa zwei Drittel ihres Bruttoeinkommens versteuern, Selbständige etwa die Hälfte und Landwirte nur jede vierte Mark. Was heißt das für eine Steuerreform? Das heißt: Diejenigen, die jetzt mit Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen am stärksten belastet sind, die Durchschnittsverdiener, und diejenigen, die etwas über dem Durchschnitt liegen, müssen jetzt entlastet werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Da muß der Schwerpunkt der Entlastung liegen. Aber das machen Sie nicht, weil Sie den Schwerpunkt bei den Spitzenverdienern und teilweise im unteren Bereich setzen. Im unteren Bereich setzen Sie ihn als Alibimaßnahme, weil Sie bei der Grundlage Ihres Tarifs schummeln. Sie wissen, daß der Grundfreibetrag 1999 mit 13 000 DM nicht das Existenzminimum steuerfrei stellt. Sie wissen das und machen es trotzdem. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das heißt, die soziale Schieflage in der Besteuerungspraxis ist auch für die Schwerpunkte der Reform der Einkommensbesteuerung von Bedeutung. Zunächst müssen die Nutznießer des von Ihnen verwüsteten Steuerrechts ihren leistungsgerechten Beitrag leisten, erst dann können wir über die steuerlichen Sonderregelungen für Arbeitnehmer und andere reden. So wird ein Schuh daraus. (Beifall bei der SPD) Bevor wir über die Besteuerung von Zuschlägen reden, müssen wirklich alle anderen Schlupflöcher geschlossen werden, die von Ihrer Klientel, speziell von der Klientel der F.D.P., in den letzten Jahren massenhaft genutzt wurden. Herr Voscherau hat doch recht, er hat inzwischen seine These belegen können. Lesen Sie einmal seine Rede nach, die er im Bundesrat gehalten hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wer das als Neidgerede abtut, der will verhindern, daß unser Verfassungsgrundsatz, wonach nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden soll, wirklich in die Praxis umgesetzt wird. Wir wollen ihn in die Praxis umsetzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dabei geht es nicht darum, Reiche zu schröpfen, sondern es geht darum, daß jeder Bürger entsprechend seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seinen Beitrag zur Finanzierung der notwendigen staatlichen Aufgaben erbringt. Nach einer Steuerreform, wie wir sie uns vorstellen, kann es nicht mehr sein, daß nur noch Arbeitnehmer, Verbraucher und weite Teile des Mittelstands die Hauptfinanziers dieses Staates sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es ist nicht nur aufschlußreich, sondern darüber hinaus ein steuerpolitischer Skandal, daß wir heute Joachim Poß eine Unternehmensbesteuerung haben, bei der die Körperschaftsteuer nicht höher ist als vor zehn Jahren und mit lediglich 4 Prozent zum Gesamtsteueraufkommen beiträgt. Sie haben die Frage gestellt: Warum ist das Steueraufkommen so niedrig? Ich will Ihnen die Antwort darauf geben: Zu einem guten Teil liegt das daran, daß speziell Sie - F.D.P. und CDU/CSU - unser Steuerrecht in den letzten 15 Jahren so verwüstet haben, daß viele Lücken geschaffen wurden, die das Aufkommen verhindern. So ist das. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Eine Steuerpolitik kann sich nicht ausschließlich auf betriebswirtschaftliche Gewinnkategorien beziehen, sondern dient auch dem Zweck, Steuergerechtigkeit herzustellen und den sozialen Frieden in unserem Land zu gewährleisten; denn Steuerpolitik ist auch ein Stück Gesellschaftspolitik. Im übrigen: Eine sozial gerechte Steuerreform ist auch die wachstumsfreundlichste. Ich habe mich gefreut, in den letzten Tagen eine Untersuchung der Bundesregierung zum Standort Deutschland lesen zu können. Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit sind in einer Analyse zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland drei Dinge festgestellt worden: Erstens. Die Lohnstückkosten in Deutschland stiegen in den letzten 15 Jahren deutlich langsamer als im Durchschnitt der Staaten der EU und in den USA. Nur Japan schnitt besser ab. Aus dieser günstigen Entwicklung habe Deutschland Wettbewerbsvorteile gezogen. Zweitens. Die steuerliche Belastung der Unternehmensgewinne sei im Vergleich zu wichtigen Weltmarktkonkurrenten nicht besonders hoch. Setze man die deutsche Steuerbelastung in Beziehung zu dem mit den Steuereinnahmen finanzierten guten staatlichen Leistungsangebot - Infrastruktur und Bildung -, so sei die deutsche Unternehmensbesteuerung international eher als günstig anzusehen. Drittens. Die berufliche Qualifikation der deutschen Arbeitnehmer sei unbestritten einer der wichtigsten deutschen Standortvorteile. Ich gratuliere der Bundesregierung zu dieser hervorragenden Analyse des Standortes Deutschland. (Beifall bei der SPD) Diese Untersuchung des Bundesministeriums für Arbeit will der Panikmache von interessierter Seite Fakten und Argumente entgegenhalten und zur Versachlichung der Diskussion beitragen. Dazu möchte ich auch Sie, Herr Waigel, auffordern: zur Versachlichung der Diskussion. Wenn es darum geht, ungerechtfertigte Angriffe von Herrn Henkel und Herrn Stihl als solche zu qualifizieren, sind wir durchaus auf Ihrer Seite, weil es nicht angeht, daß in der Tat nur Interessenvertreter das öffentliche Klima bestimmen. Wenn Sie von Ihrem falschen Propagandagerede der letzten Jahre ein wenig Abstand nehmen, von den überzogenen Erwartungen, die Sie selbst in den eigenen Reihen und in der Öffentlichkeit hochgezüchtet haben - deshalb die große Enttäuschung -, dann haben wir eine gute Voraussetzung, nicht zu einer „Strategie der verbrannten Erde" zu kommen, wie sich Herr Schäuble auszudrücken beliebte, sondern zum gemeinsamen Handeln. Wir wollen so schnell wie möglich für Wirtschaft und für Bürger Klarheit über die steuerlichen und sonstigen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland schaffen. Deshalb sagen wir: Lohnnebenkosten zum 1. Oktober dieses Jahres herunter, Steuerreform zum 1. Januar 1998. Unsere Bereitschaft ist gegeben. Aber Sie müssen sich in der Tat viel deutlicher bewegen, als Sie das heute hier getan haben. (Anhaltender Beifall bei der SPD) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Peter Rauen, CDU/CSU. Peter Rauen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Poß, hier von Gaukelei und Komödiantentum vor dem Hintergrund dessen zu sprechen, was bei der Anhörung passiert ist, als nämlich die Experten das Konzept der SPD zerrissen und dem Konzept der Union eindeutig bescheinigt haben, daß die Steuerreformen ihre positive Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt haben werden, ist eine Unverschämtheit. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Detlev von Larcher [SPD]: Mogelpackung 1998!) Die Steuerreformgesetze 1998 und 1999 muß man als Einheit ansehen, diskutieren und beurteilen. Wer dies tut, kommt zu dem Schluß - das hat die Anhörung der Experten eindeutig belegt -: Dies ist eine wirklich große Reform der Steuerstruktur, eine große Steuerreform, die diesen Namen verdient. Ein Eingangssteuersatz von 15 Prozent und ein Spitzensteuersatz von 39 Prozent sind Tarifeckpunkte im Einkommensteuerrecht, von denen man vor Jahren noch nicht einmal zu träumen, geschweige denn über sie zu diskutieren gewagt hätte. Ein Körperschaftsteuersatz von 35 Prozent und eine Höchstbesteuerung auf gewerbliche Einkünfte von ebenfalls 35 Prozent sind endlich eine Größenordnung, mit der Deutschland im internationalen Wettbewerb um Arbeitsplätze und Investitionen wieder mithalten kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Auf Grund dieser Tarifänderungen und der Reduzierung des Soli-Zuschlags zahlt zunächst einmal der Steuerzahler, egal ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, jährlich rund 86,5 Milliarden DM weniger Steuern. Davon werden durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und Veränderungen der Gewinnermittlungsvorschriften vom Fiskus wieder zirka 53 Milliarden DM zurückgenommen, so daß unter dem Strich eine Entlastung von rund 33,5 Milliarden DM verbleibt. Peter Rauen Es wäre für Konjunktur und Arbeitsplätze von großem Vorteil, wenn diese Nettoentlastung durch Konsolidierung über die Ausgaben des Staates finanziert werden könnte, wonach es zur Zeit aber, nicht zuletzt wegen der hohen Arbeitslosigkeit, leider nicht aussieht. Aber auch wenn ein Teil dieser Nettoentlastung durch Erhöhung einer Verbrauchsteuer dem Steuerzahler wieder genommen wird, wird diese Steuerstrukturreform ihre positive Wirkung für den Arbeitsmarkt nicht verfehlen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Detlev von Larcher [SPD]: Warum schlagen Sie dann nichts Konkretes vor?) Mir wurde im Laufe der Beratung und bei der intensiven Beschäftigung mit der Materie immer klarer, daß es in unserem jetzigen Steuerrecht Steuergestaltungsmöglichkeiten, Rückstellungsmöglichkeiten und Steuerschlupflöcher gibt, von denen Hunderttausende mittelständische Unternehmer und die Inhaber kleiner und mittlerer Betriebe überhaupt keine Vorstellung haben. Gegenüber diesen Hunderttausenden von kleinen und mittleren Betrieben, von Handwerkern, ist es ein Stück Steuergerechtigkeit, daß unter den Stichworten „Verbreiterung der Bemessungsgrundlage" und „Gegenfinanzierung" einige Steuerschlupflöcher dichtgemacht und einige Steuerprivilegien abgeschafft werden, die in der Vergangenheit sehr einseitig den großen Konzernen, Energieversorgungsunternehmen und Versicherungsgesellschaften zugute gekommen sind. Diese Steuerreform wird in der deutschen Wirtschaft weit überproportional den mittelständischen Betrieben und Arbeitnehmern entgegenkommen. Niedrigere Steuersätze und überschaubare Gewinnermittlungsvorschriften werden mittelfristig die Eigenkapitalbasis und damit die Voraussetzung für Innovationen und Investitionen im Mittelstand fördern und stärken. Ich halte dies für äußerst bedeutungsvoll, weil sowohl in den 80er Jahren als auch in der Rezession von 1992/93 der Beweis erbracht wurde, daß neue und zusätzliche Arbeitsplätze weit überwiegend in mittleren und kleinen Betrieben entstanden sind. Dies wird auch in der Zukunft so sein. Ich hoffe, daß die SPD in Verantwortung für die Arbeitsplätze in Deutschland es im Vermittlungsverfahren ermöglicht, daß diese Steuerreformgesetze, die der Bundestag heute mit Mehrheit beschließen wird, den Vermittlungsausschuß so verlassen, daß die durchgreifende Strukturreform des Steuerrechtes Gesetz wird und die Entlastungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre positive Wirkung für den Arbeitsmarkt entfalten können. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, alles andere - das will ich sehr deutlich sagen - wäre verantwortungslos und einer großen Volkspartei unwürdig. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich bitte um Aufmerksamkeit für den Kollegen Hans Michelbach, der jetzt das Wort hat. Hans Michelbach (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Am Schluß der heutigen Debatte gilt es, Fazit zu ziehen. Die SPD hat heute schwach begonnen und ist als steuerpolitischer Papiertiger gelandet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Von der Opposition haben wir heute das gleiche Ritual gehört: kein eigenes Gesetz; dafür Mutlosigkeit, Blockade, Besitzstandswahrung, Reformunfähigkeit, Bedenkenträgerschaft, Angstmacherei, Neid, Verhetzung und Finanzpopanz. Ich meine, Sie haben hier wieder bewiesen, daß Sie taktische Spielchen machen und sonst nichts. (Detlev von Larcher [SPD]: Sie machen es so!) Es bleibt festzuhalten: Damit können wir die Zukunft für unser Land nicht gewinnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) Es bleibt festzuhalten: Damit können wir die Arbeitslosigkeit in unserem Land nicht besiegen. Ich bitte Sie, diese Frage ernst zu nehmen. (Detlev von Larcher [SPD]: Die Frage nehmen wir ernst, aber nicht Sie!) Es bleibt festzuhalten: Mit unserer Steuerreform 1998/99 lösen wir den Reformstau in Deutschland. Mit unserer Steuerreform wird ein Ruck für mehr Wachstum und Beschäftigung durch Deutschland gehen. (Detlev von Larcher [SPD]: Die Experten sehen das ganz anders!) Mit unserer Steuerreform wird eine Basis für einen neuen Aufschwung in Deutschland geschaffen. Die Steuerreform wird eine wichtige, notwendige Signalwirkung hervorrufen. Es bleibt festzuhalten: Durch die Steuerreform wird der Anteil des Staates am Wirtschaftsgeschehen vermindert. Dadurch entstehen neue Wirtschaftsdynamik, neue Leistungsbereitschaft und private Initiative. (Detlev von Larcher [SPD]: Sie haben in der Anhörung geschlafen!) Das ist das, was wir jetzt brauchen, um die Arbeitslosigkeit zu besiegen und die Zukunft für uns alle zu gewinnen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, wir können uns im Zeitalter der zunehmenden Globalisierung doch nicht wie auf einer Insel der Glückseligen verhalten. An- Hans Michelbach dere Länder - auch die von Sozialdemokraten regierten - haben schon lange reagiert und ihr Steuersystem reformiert. (Detlev von Larcher [SPD]: Immer die alte Leier!) Nur Sie von der SPD haben das scheinbar noch immer nicht begriffen. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!) Unser Standortproblem ist die SPD-Mehrheit im Bundesrat. Das ist die Situation, in der wir uns befinden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Detlev von Larcher [SPD]: Unser Standortproblem ist die Bundesregierung!) Auch in Deutschland ist es jetzt höchste Zeit, eine Steuerreform durchzusetzen. Die Steuer- und Abgabenquote muß sinken. Der Abbau der Arbeitslosigkeit erfordert mutige Reformen, die den Teufelskreis von hohen Abgaben und Arbeitslosigkeit durchbrechen. Es bleibt festzuhalten: Die Steuerreform ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausgewogen. Alles andere, was Sie hier verkünden, ist falsch. Die Reform ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausgewogen und bewirkt im Zusammenhang eine deutliche Entlastung. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Detlev von Larcher [SPD]: Wem wollen Sie das vormachen? Das glaubt Ihnen zu Hause niemand!) Unsere Steuersätze werden künftig gegenüber allen anderen Ländern Wettbewerbsfähigkeit herbeiführen. Unsere ansonsten guten Daten können dann wieder voll zum Tragen kommen. Meine Damen und Herren, unser Grundkonzept ist dabei erhalten geblieben: niedrige Steuersätze, eine verbreiterte Bemessungsgrundlage in Verbindung mit einer deutlichen Nettoentlastung. Ohne eine wirkliche Entlastung - im Gegensatz zu Ihren Vorschlägen, die keine Entlastung beinhalten - gibt es keine neuen Arbeitsplätze. Gegenüber unserer Entlastung sind die SPD-Vorschläge ein glattes Nullsummenspiel. Das müssen unsere Bürger wissen: Es ist eine neue Umverteilung, eine neue Umfinanzierung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die gesamte Wirtschaft und insbesondere der Mittelstand ist auf steuerliche Entlastung angewiesen, wenn neue Arbeitsplätze entstehen sollen. Die Steuerreform ist mittelstands- und damit auch arbeitsplatzfreundlich. Damit werden am schnellsten mehr Wachstum und Beschäftigung erzielt. Die mittelstandsfreundliche Ausrichtung bei der Gegenfinanzierung ist ausgesprochen zielführend. Denn von 1990 bis 1995 sind in mittelständischen Unternehmen eine Million Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen worden. Gleichzeitig wurden in Großunternehmen 750 000 Stellen abgebaut. Außerdem liegt eine Studie der Uni Münster vor, die die Steuer- quote von Großunternehmen um rund fünf Punkte I unter der von kleinen und mittleren Unternehmen sieht. Deshalb brauchen wir die niedrigen Steuersätze des Reformvorschlags. Wir brauchen auch die Strukturverbesserungen bei Rückstellungen und der Neuregelung bei Verlustvor- und -rücktrag, um Wettbewerbsverzerrungen in der Wirtschaft zu reduzieren und unseriöse Steuerschlupflöcher zu schließen. Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, (Beifall des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) daß sich Ihr Herr Schröder jetzt wieder bei den großen Energiekonzernen geradezu anbiedert und sich gewissermaßen zum Büttel der Energiebosse macht. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Unglaublich!) Es wird im Staatstheater Hannover das Stück „Die Linke von der SPD und ihr Edelgenosse Schröder" gegeben. Wir wollen mehr Steuergerechtigkeit, auch mehr Steuergerechtigkeit in der Wirtschaft. Wir wollen keine Mittelstandsvernichtung zu Lasten von Arbeitsplätzen und keine einseitige Wirtschaftskonzentration durch Steuertricks. Für mehr Wachstum und Beschäftigung brauchen wir die Stärkung der Eigenkapitalquote. Die beschlossene Absenkung der Steuersätze ist für uns die wesentliche Grundlage für Wettbewerbsfähigkeit. Die Verminderung der steuerlichen Belastung der Arbeitsplätze ist für uns die Grundlage für die Zukunft. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diese Reform auf den Weg bringen. Lassen Sie uns dies gemeinsam tun. Lassen Sie uns im Vermittlungsausschuß einen Weg finden, um den Reformstau in Deutschland zu beseitigen. Wir brauchen dies für unsere Zukunft. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich schließe die Aussprache. Das Wort zu einer Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung hat die Kollegin Ilse Janz. Ilse Janz (SPD): Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich will zur Abstimmung erklären: Der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses kann ich insgesamt nicht zustimmen; aber es gibt einen Punkt, den ich wie auch meine Fraktion für richtig halte. Das ist der Punkt 1 dd), in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, bis zum 15. Juli 1997 über die steuerlichen Regelungen hinaus ein Konzept zur Behandlung der deutschen Seeschifffahrt und der Seeleute auf Schiffen, die unter deutscher Flagge fahren, vorzulegen. Hier ist der Faktor Arbeit zu berücksichtigen. Daß dies endlich pas- Ilse Janz siert, will ich ausdrücklich begrüßen. Wir haben dazu bereits am 5. Mai ein Papier vorgelegt. Ich bin auf die Konzeption der Bundesregierung sehr gespannt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Seefahrt tut not!) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen. Es gibt eine ganze Reihe von Abstimmungsvorgängen, darunter mehrere namentliche Abstimmungen; wenn ich das richtig gesehen habe, fünf. Zunächst stimmen wir über den von den Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. sowie über den gleichlautend von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1999 - das sind die Drucksachen 13/7480, 13/7917 und 13/8022 Ziffer 1 a - ab. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen möchten, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - (Zurufe von der SPD: Mehrheit!) Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Dritte Beratung und Schlußabstimmung: Die Fraktionen von CDU/ CSU, SPD und F.D.P. verlangen namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Die Abstimmung ist geschlossen. Ich bitte die Schriftführer, mit dem Auszählen zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben. Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort. Dazu ist es allerdings unbedingt erforderlich, daß Sie Platz nehmen; denn sonst ist es für das Präsidium völlig unmöglich, die Mehrheitsverhältnisse festzustellen. - Der Finanzausschuß empfiehlt unter Nr. 1 Buchstabe b seiner Beschlußempfehlung auf der Drucksache 13/8022 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS und einige Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen sowie bei einigen Enthaltungen von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Zur Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Ersetzung der Kilometerpauschale durch eine Entfernungspauschale; das ist die Drucksache 13/8022, Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 734 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen der Gruppe der PDS mit den übrigen Stimmen des Hauses angenommen. Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu einer gerechten und einfachen Einkommenbesteuerung; das ist die Drucksache 13/8022, Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/3701 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einkommensteuerreform auf Drucksache 13/8022 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7895 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung von SPD und PDS angenommen. Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. sowie über den von der Bundesregierung eingebrachten Bleichlautenden Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1998. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/8048 vor, über den wir zuerst abstimmen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt namentliche Abstimmung. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Herr Präsident, geht es da um den Solidaritätszuschlag?) - Ja, darum geht es. Haben die Schriftführerinnen und Schriftführer ihre Plätze an den Urnen eingenommen? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. - Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und weise ausdrücklich darauf hin, daß jetzt keine Stimmkarten mehr zugelassen werden. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich gebe jetzt das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung bekannt: Schlußabstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1999; das sind die Drucksachen 13/7480, 13/7917, 13/ 8022 und 13/8023. Abgegebene Stimmen: 627. Mit Ja haben gestimmt: 326. Mit Nein haben gestimmt: 301. Enthaltungen: keine. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 627; davon: ja: 326 nein: 301 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten Dr. Wolf Bauer Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Rudolf Braun (Auerbach) Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner (Schönebeck) Dankward Buwitt Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen (Nordstrand) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann Anke Eymer Ilse Falk Jochen Feilcke Dirk Fischer (Hamburg) Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma Glücklich Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund Horst Günther (Duisburg) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke (Großhennersdorf) Gerda Hasselfeldt Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Helmut Heiderich Manfred Heise Detlef Helling Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung (Limburg) Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Peter Keller Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus Wolfgang Krause (Dessau) Andreas Krautscheid Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Karl Lamers Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther Erich Maaß (Wilhelmshaven Dr. Dietrich Mahlo Erwin Marschewski Günter Marten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl Dr. Michael Meister Friedrich Merz Rudolf Meyer (Winsen) Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Elmar Müller (Kirchheim) Engelbert Nelle Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto (Erfurt) Dr. Gerhard Päselt Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau Helmut Rauber Peter Rauen Otto Regenspurger Christa Reichard (Dresden) Klaus Dieter Reichardt (Mannheim) Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder Dr. Erich Riedl (München) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch (Wiesbaden) Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth (Gießen) Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer (Stuttgart) Ortrun Schätzle Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz (Baesweiler) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte (Schwäbisch Gmünd) Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze (Sangershausen) Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe Dr. Christian Schwarz-Schilling Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Marion Seib Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters Johannes Selle Jürgen Sikora Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser Dr. Susanne Tiemann Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Duren) Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke Kersten Wetzel Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Bernd Wilz Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger Elke Walling Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller F.D.P. Ina Albowitz Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun (Augsburg) Günther Bredehorn Jörg van Essen Dr. Olaf Feldmann Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Detlef Kleinert (Hannover) Roland Kohn Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Dr. Guido Westerwelle Nein SPD Brigitte Adler Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Klaus Barthel Ingrid Becker-Inglau Hans Berger Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier Tilo Braune Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich • Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Elke Ferner Lothar Fischer (Homburg) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs (Köln) Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Günter Graf (Friesoythe) Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein Klaus Hasenfratz Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter Erwin Horn Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung (Düsseldorf) Sabine Kaspereit Susanne Kastner Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Dorle Marx Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Herbert Meißner Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg Siegmar Mosdorf Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Rudolf Purps Hermann Rappe (Hildesheim) Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Günter Rixe Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz Rudolf Scharping Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer (Nürnberg) Ulla Schmidt (Aachen) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt (Berg) Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter Richard Schuhmann (Delitzsch) Reinhard Schultz (Everswinkel) Volkmar Schultz (Köln) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster Horst Sielaff Johannes Singer Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Mane Steen Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss Dr. Bodo Teichmann Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin Günter Verheugen Ute Vogt (Pforzheim) Karsten D. Voigt (Frankfurt) Hans Georg Wagner Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Jochen Welt Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek (Duisburg) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Berthold Wittich Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf (München) Heidi Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley Vizepräsident Hans-Ulrich Klose BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Gila Altmann (Aurich) Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Dr. Manuel Kiper Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Egbert Nitsch (Rendsburg) Simone Probst Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt (Hitzhofen) Wolfgang Schmitt (Langenfeld) Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz (Berlin) Christian Sterzing Manfred Such Dr. Antje Vollmer Helmut Wilhelm (Amberg) Margareta Wolf (Frankfurt) PDS Wolfgang Bierstedt Petra Bläss Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Dr. Ludwig Elm Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs Andrea Gysi Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne Rolf Kutzmutz Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf Gerhard Zwerenz Fraktionslos Kurt Neumann (Berlin) Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete(r) Andres, Gerd, SPD Antretter, Robert, SPD Behrendt, Wolfgang, SPD Bindig, Rudolf, SPD Bühler (Bruchsal), Klaus, CDU/CSU Fischer (Unna), Leni, CDU/CSU Junghanns, Ulrich, CDU/CSU Kriedner, Arnulf, CDU/CSU Dr. Probst, Albert, CDU/CSU Schloten, Dieter, SPD Schluckebier, Günter, SPD. von Schmude, Michael, CDU/CSU Siebert, Bernd, CDU/CSU Terborg, Margitta, SPD Dr. Wittmann, Fritz, CDU/CSU Zierer, Benno, CDU/CSU Jetzt, verehrte Kolleginnen und Kollegen, müssen wir die Sitzung bis zum Vorliegen des Ergebnisses der zweiten namentlichen Abstimmung unterbrechen. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 14.37 bis 14.42 Uhr) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1998 -Drucksache 13/8048 - bekannt. Abgegebene Stimmen: 631. Mit Ja haben gestimmt: 303. Mit Nein haben gestimmt: 327. Enthaltungen: 1. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 630; davon: ja: 303 nein: 326 enthalten: 1 Ja SPD Brigitte Adler Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Klaus Barthel Ingrid Becker-Inglau Hans Berger Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Ame Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier Tilo Braune Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Emstberger Annette Faße Elke Ferner Lothar Fischer (Homburg) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs (Köln) Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Günter Graf (Friesoythe) Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein Klaus Hasenfratz Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter Erwin Horn Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen rise Janz Volker Jung (Düsseldorf) Sabine Kaspereit Susanne Kastner Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-Mengel Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Dorle Marx Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Markus Meckel Ulrike Mehl Herbert Meißner Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg Siegmar Mosdorf Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Winfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Rudolf Purps Hermann Rappe (Hildesheim) Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Günter Rixe Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz Rudolf Scharping Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer (Nürnberg) Ulla Schmidt (Aachen) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt (Berg) Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter Richard Schuhmann (Delitzsch) Reinhard Schultz (Everswinkel) Volkmar Schultz (Köln) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster Horst Sielaff Johannes Singer Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss Dr. Bodo Teichmann Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin Günter Verheugen Ute Vogt (Pforzheim) Karsten D. Voigt (Frankfurt) Hans Georg Wagner Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Jochen Welt Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek (Duisburg) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Berthold Wittich Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf (München) Heidi Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Gila Altmann (Aurich) Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Dr. Manuel Kiper Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Egbert Nitsch (Rendsburg) Cem Özdemir Simone Probst Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt (Hitzhofen) Wolfgang Schmitt (Langenfeld) Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz (Berlin) Christian Sterzing Manfred Such Dr. Antje Vollmer Helmut Wilhelm (Amberg) Margareta Wolf (Frankfurt) PDS Wolfgang Bierstedt Petra Bläss Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Dr. Ludwig Elm Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs Andrea Gysi Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne Rolf Kutzmutz Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf Gerhard Zwerenz Fraktionslos Kurt Neumann (Berlin) Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten Dr. Wolf Bauer Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Rudolf Braun (Auerbach) Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner (Schönebeck) Dankward Buwitt Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen (Nordstrand) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjörgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann Anke Eymer Ilse Falk Jochen Feilcke Dirk Fischer (Hamburg) Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma Glücklich Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund Horst Günther (Duisburg) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke (Großhennersdorf) Gerda Hasselfeldt Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Helmut Heiderich Manfred Heise Detlef Helling Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung (Limburg) Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Peter Keller Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus Wolfgang Krause (Dessau) Andreas Krautscheid Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Karl Lamers Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dietrich Mahlo Erwin Marschewski Günter Marten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl Dr. Michael Meister Friedrich Merz Rudolf Meyer (Winsen) Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Elmar Müller (Kirchheim) Engelbert Nelle Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto (Erfurt) Dr. Gerhard Päselt Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau Helmut Rauber Peter Rauen Otto Regenspurger Christa Reichard (Dresden) Klaus Dieter Reichardt (Mannheim) Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder Dr. Erich Riedl (München) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch (Wiesbaden) Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth (Gießen) Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer (Stuttgart) Ortrun Schätzle Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz (Baesweiler) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte (Schwäbisch Gmünd) Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze (Sangershausen) Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe Dr. Christian Schwarz-Schilling Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Marion Seib Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters Johannes Selle Jürgen Sikora Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser Dr. Susanne Tiemann Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Duren) Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke Kersten Wetzel Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner Bernd Wilz Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller F.D.P. Ina Albowitz Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun (Augsburg) Günther Bredehorn Jörg van Essen Dr. Olaf Feldmann Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Detlef Kleinert (Hannover) Roland Kohn Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Dr. Guido Westerwelle Enthalten SPD Dr. Uwe Jens Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete(r) Andres, Gerd, SPD Antretter, Robert, SPD Behrendt, Wolfgang, SPD Bindig, Rudolf, SPD Bühler (Bruchsal), Klaus, CDU/CSU Fischer (Unna), Leni, CDU/CSU Junghanns, Ulrich, CDU/CSU Kriedner, Arnulf, CDU/CSU Dr. Probst, Albert, CDU/CSU Schloten, Dieter, SPD Schluckebier, Günter, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Siebert, Bernd, CDU/CSU Terborg, Margitta, SPD Dr. Wittmann, Fritz, CDU/CSU Zierer, Benno, CDU/CSU Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Dritte Beratung und Schlußabstimmung. Die Fraktionen von CDU/ CSU, SPD und F.D.P. verlangen namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer wiederum, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann eröffne ich die Abstimmung. - Haben alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme abgegeben, oder ist jemand im Raum, der seine Stimmkarte noch nicht in die Urne geworfen hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später mitgeteilt.*) Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort. Das geht aber wiederum erst, wenn Sie Platz genommen haben. Ich kann sonst die Mehrheitsverhältnisse nicht feststellen. Der Finanzausschuß empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/8020 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/8057. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/8070. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der PDS abgelehnt. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/8058. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der Gruppe der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt. Wir kommen zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung in den neuen Ländern. Das sind die Drucksachen 13/7792 und 13/8059 Nummer 1. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Be- *) Seite 16588 A ratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. Dritte Beratung und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen; Mehrheitsverhältnisse wie zuvor. Der Finanzausschuß empfiehlt unter Nummer 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/8059 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ 8061. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt. Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Aufbau Ost. Das ist die Drucksache 13/ 7831. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5722 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung von SPD und PDS angenommen. Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion der SPD zum wirtschaftlichen Aufbau Ostdeutschlands. Das ist die Drucksache 13/7832. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4702 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Abwendung einer Zuspitzung der sozialen und wirtschaftlichen Krise in Ostdeutschland, Drucksache 13/ 7833. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5732 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? -.Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu neuen Impulsen für den Aufbau Ost, Drucksache 13/7836. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4946 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose probe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. Zusatzpunkt 1: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zum Aufbau Ost, Drucksache 13/7834. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4979 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Ich gebe zwischendurch das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der dritten namentlichen Abstimmung, Steuerreformgesetz 1998, Drucksachen 13/7242, 13/7775, 13/8020 und 13/8021, bekannt. Abgegebene Stimmen: 630. Mit Ja haben gestimmt: 326. Mit Nein haben gestimmt: 304. Enthaltungen: keine. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 631; davon: ja: 326 nein: 305 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten Dr. Wolf Bauer Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Rudolf Braun (Auerbach) Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner (Schönebeck) Dankward Buwitt Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen (Nordstrand) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann Anke Eymer Ilse Falk Jochen Feilcke Dirk Fischer (Hamburg) Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma Glücklich Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund Horst Günther (Duisburg) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke (Großhennersdorf) Gerda Hasselfeldt Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Helmut Heiderich Manfred Heise Detlef Helling Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung (Limburg) Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Peter Keller Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus Wolfgang Krause (Dessau) Andreas Krautscheid Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Karl Lamers Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dietrich Mahlo Erwin Marschewski Günter Marten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl Dr. Michael Meister Friedrich Merz Rudolf Meyer (Winsen) Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Elmar Müller (Kirchheim) Engelbert Nelle Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto (Erfurt) Dr. Gerhard Päselt Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau Helmut Rauber Peter Rauen Otto Regenspurger Christa Reichard (Dresden) Klaus Dieter Reichardt (Mannheim) Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder Dr. Erich Riedl (München) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch (Wiesbaden) Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth (Gießen) Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer (Stuttgart) Ortrun Schätzle Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz (Baesweiler) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte (Schwäbisch Gmünd) Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze (Sangershausen) Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Marion Seib Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters Johannes Selle Jürgen Sikora Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser Dr. Susanne Tiemann Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Duren) Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke Kersten Wetzel Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner Bernd Wilz Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller F.D.P. Ina Albowitz Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun (Augsburg) Günther Bredehom Jörg van Essen Dr. Olaf Feldmann Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Detlef Kleinert (Hannover) Roland Kohn Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Hermann Otto Sohns Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Dr. Guido Westerwelle Nein SPD Brigitte Adler Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Klaus Barthel Ingrid Becker-Inglau Hans Berger Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier Tilo Braune Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Elke Ferner Lothar Fischer (Homburg) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs (Köln) Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Günter Graf (Friesoythe) Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Achim Großmann Karl Hermann Haack (Extertal) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein Klaus Hasenfratz Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter Erwin Horn Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung (Düsseldorf) Sabine Kaspereit Susanne Kastner Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-Mengel Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Dorle Marx Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Herbert Meißner Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg Siegmar Mosdorf Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Wilfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Rudolf Purps Hermann Rappe (Hildesheim) Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Günter Rixe Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz Rudolf Scharping Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer (Nürnberg) Ulla Schmidt (Aachen) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt (Berg) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter Richard Schuhmann (Delitzsch) Reinhard Schultz (Everswinkel) Volkmar Schultz (Köln) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster Horst Sielaff Johannes Singer Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss Dr. Bodo Teichmann Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin Günter Verheugen Ute Vogt (Pforzheim) Karsten D. Voigt (Frankfurt) Hans Georg Wagner Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Jochen Welt Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek (Duisburg) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Berthold Wittich Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf (München) Heidi Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Gila Altmann (Aurich) Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Dr. Manuel Kiper Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Egbert Nitsch (Rendsburg) Cern Özdemir Simone Probst Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt (Hitzhofen) Wolfgang Schmitt (Langenfeld) Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz (Berlin) Christian Sterzing Manfred Such Dr. Antje Vollmer Helmut Wilhelm (Amberg) Margareta Wolf (Frankfurt) PDS Wolfgang Bierstedt Petra Bläss Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Dr. Ludwig Elm Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs Andrea Gysi Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne Rolf Kutzmutz Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf Gerhard Zwerenz Fraktionslos Kurt Neumann (Berlin) Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete(r) Andres, Gerd, SPD Antretter, Robert, SPD Behrendt, Wolfgang, SPD Bindig, Rudolf, SPD Bühler (Bruchsal), Klaus, CDU/CSU Fischer (Unna), Leni, CDU/CSU Junghanns, Ulrich, CDU/CSU Kriedner, Arnulf, CDU/CSU Dr. Probst, Albert, CDU/CSU Schloten, Dieter, SPD Schluckebier, Günter, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Siebert, Bernd, CDU/CSU Terborg, Margitta, SPD Dr. Wittmann, Fritz, CDU/CSU Zierer, Benno, CDU/CSU Ich fahre in der Abstimmung fort. Zusatzpunkt 2: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung zum Aufbau Ost, Drucksachen 13/5657 und 13/ 7835. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Fraktion und der PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Zusatzpunkt 3: Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/8047 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe jetzt Zusatzpunkt 4 auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (D) (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung straf-, ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften - Drucksachen 13/4948, 13/5986, 13/6668, 13/ 7956 - Berichterstattung: Abgeordneter Erwin Marschewski Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Bitte sehr. Erwin Marschewski (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat am 14. November 1996 in dritter Lesung das Gesetz zur Änderung straf-, ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften in der Fassung der Beschlußempfehlung des Innenausschusses angenommen. Das Plenum des Bundesrates hat das Gesetz, das zustimmungsbedürftig ist, nicht akzeptiert. Der Vermittlungsausschuß hat dem Gesetz in der Ihnen vorliegenden Fassung zugestimmt. Er hat außerdem beschlossen, daß die Berichterstatter zum Ausländerrecht in Bundestag und Bundesrat eine Erklärung abgeben. Ich darf diese Erklärung vortragen: Der Vermittlungsausschuß schlägt vor, § 19 des Ausländergesetzes zu ändern. Diese Vorschrift regelt das Entstehen eines eigenständigen Aufenthalts- Erwin Marschewski rechts von Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Bisher wurde ein eigenständiges Aufenthaltsrecht unter anderem nur dann gewährt, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft mindestens drei Jahre in der Bundesrepublik Deutschland bestanden hatte und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich war, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Nunmehr soll auf eine Frist dann verzichtet werden, wenn eine außergewöhnliche Härte vorliegt. § 19 Abs. 1 Satz 2 definiert diese außergewöhnliche Härte. Sie liegt dann vor, wenn dem Ehegatten wegen der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft nach Art und Schwere so erhebliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der bestehenden Rückkehrverpflichtung drohen, daß die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als nicht vertretbar erscheinen würde; hierbei ist die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Zur Vermeidung von Mißbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 versagt werden, wenn der Ehegatte auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe angewiesen ist. Dabei handelt es sich um eine Kann-Bestimmung, die für die Fälle der Ehebestandsdauer von einem bzw. weniger als einem Jahr gedacht ist. Der Vermittlungsausschuß verständigte sich darauf, daß hinter der Person des ausländischen Ehepartners eine außergewöhnliche Härte auch dann gegeben sein kann, wenn er wegen physischer oder psychischer Mißhandlung durch den anderen Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben hat, zum Beispiel wegen schwerer Körperverletzung, strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit, Zwangsprostitution, Zwangsabtreibung. Die weiteren Fälle: wenn der andere Ehegatte sein eheliches Kind sexuell mißbraucht oder mißhandelt hat und bei Verpflichtung zur Rückkehr das Kindeswohl gefährdet wäre; wenn die Betreuung eines behinderten Kindes, das auf Beibehaltung des spezifischen sozialen Umfeldes existentiell angewiesen ist, ansonsten nicht sichergestellt werden kann; wenn davon auszugehen ist, daß ihm im Heimatland jeglicher Kontakt zu dem eigenen Kind willkürlich und zwangsweise auf Dauer untersagt wird und dadurch das Kindeswohl gefährdet wäre oder wenn - letzter Fall - eine Schwangerschaft besteht und davon auszugehen ist, daß im Ausland eine Zwangsabtreibung droht. - Soweit diese Erklärung. Meine Damen und Herren, wir haben damit gemeinsam ein Gesetz beschlossen, das für in Deutschland lebende Ausländer weitere Verbesserungen mit sich bringt: für junge Ausländer, für behinderte Ausländer, für ältere Ausländer und - ich habe ja gerade § 19 des Ausländergesetzes noch einmal klargelegt - für Frauen. Inhalt des Gesetzes ist es auch, daß die Aufgaben der Ausländerbeauftragten erstmals gesetzlich fixiert werden. Ich will an dieser Stelle unserer Ausländer- beauftragten für ihre schwere Arbeit ganz herzlichen Dank sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Abg. Ingrid Holzhüter [SPD]) Dieses Gesetz regelt schließlich auch Maßnahmen gegen kriminelle Ausländer: Sie sind zwingend auszuweisen, wenn sie zu mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, wenn sie wegen schweren Landfriedensbruchs sowie wegen Landfriedensbruchs bei einer verbotenen Versammlung rechtskräftig verurteilt worden sind. Sie sind in der Regel auch dann auszuweisen, wenn sie als Täter oder Teilnehmer einfachen Landfriedensbruch begangen haben und die Versammlung verboten oder aufgelöst war. Ich bedanke mich zum Schluß insbesondere bei den Mitgliedern der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses für ihre konstruktive Mitarbeit bei der Lösung dieser schwierigen ausländerrechtlichen Fragen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort zu Erklärungen wird gewünscht, und zwar zunächst von der Kollegin Ulla Schmidt, SPD. Ulla Schmidt (Aachen) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Marschewski hat schon darauf hingewiesen, daß die Entscheidungen im Vermittlungsausschuß nicht leichtgefallen sind. Im Vorfeld der Entscheidung, insbesondere auch zu den Fragen des § 19 Ausländergesetz, haben wir uns mit vielen Frauen- und Menschenrechtsorganisationen beraten. Der Deutsche Frauenrat, den ich hier auszugsweise zitiere, hat uns vor Verabschiedung im Vermittlungsausschuß - unabhängig von seinem Festhalten an dem auch von der SPD seit Jahren geforderten eigenständigen, ehegattenunabhängigen Aufenthaltsrecht - noch einmal zwei Minimalforderungen für die Regelung des Härtefalls übermittelt, die bundesweit von allen Frauenorganisationen getragen werden. Sie haben gebeten, darauf zu achten, daß es erstens bei außergewöhnlichen Härtefällen keine Fristen mehr geben darf, da es auch Fälle gibt, bei denen die Trennung schon vor einem Ehejahr stattfindet, und daß sich zweitens die Definition der „außergewöhnlichen Härte" nicht nur auf Gründe im Herkunftsland beziehen kann. In seiner Erklärung, die der Kollege Marschewski eben vorgetragen hat, hat er genau diese Ergebnisse des Vermittlungsausschusses dargelegt, nämlich daß es bei der Frage, was eine „Härte" ist, immer um die Gesamtwürdigung der Situation der Frau geht und daß insbesondere die Fälle von physischer und psychischer Mißhandlung - wie auch andere Fälle der Härte - in die Bewertung mit einbezogen werden. Wie immer ist dies alles ein Kompromiß, denn es ist Ulla Schmidt (Aachen) die Aufgabe des Vermittlungsausschusses, einen solchen zu finden. Für uns kam es darauf an, daß Ehefrauen mit nichtdeutschem Paß weiterhin nicht schutzlos den Ehemännern ausgeliefert sind, und auf die Verdeutlichung, daß eine unzumutbare Härte nicht an zeitliche Fristen gebunden ist. Bei der Frage des offensichtlichen Mißbrauchs durch Bezug der Sozialhilfe ist noch einmal Marge-worden, daß sich dies nicht auf die Fälle bezieht, in denen eine Frau ins Frauenhaus gehen und Sozialhilfe beziehen muß, um sich und ihre Kinder hier zu ernähren, und daß es sich nicht um die Frauen handelt, die keine eigene Arbeitserlaubnis haben und deswegen zum Bezug der Sozialhilfe gezwungen sind, sondern daß es um diejenigen Fälle geht, bei denen immer noch Mißbrauch vermutet wird. Es gibt andere Punkte, in denen die integrationspolitischen Ziele besser umgesetzt wurden. Ich erinnere an die Ermöglichung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für Ausländer, die wegen Behinderung und Krankheit ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen können. Ich erinnere an die Ermöglichung der Aufenthaltsberechtigung für junge Ausländer, die sich in der Ausbildung befinden. Ich erinnere hier an das Wiederkehrrecht für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das geregelt wird. Ich erinnere insbesondere daran, daß für die sogenannten Vertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer in den östlichen Bundesländern, die derzeit einen völlig unsicheren Status haben, endlich eine Regelung gefunden wurde, nach der ihre Aufenthaltsdauer in der DDR voll auf die Zeiten angerechnet werden, damit sie endlich eine Aufenthaltsgenehmigung hier in Deutschland beantragen können. Damit wird deutlich, daß es keine unterschiedlichen Rechte für Menschen in Abhängigkeit davon, ob sie vor der deutschen Einheit östlich oder westlich der Grenze gelebt haben, gibt. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Es sind weitere Verbesserungen bei der Ermöglichung des Familiennachzugs, es sind aufenthaltsrechtliche Erleichterungen für den nichtsorgeberechtigten Elternteil von Minderjährigen, die in Deutschland leben, erreicht worden. Es sind Aufenthaltserlaubniserleichterungen für De-facto-Flüchtlinge, die lange hier leben, erreicht worden. Es gibt natürlich - wie bei einem Kompromiß üblich - auch Dinge, die wir nicht durchsetzen konnten: Lockerungen beim Wiederkehrrecht jugendlicher Ausländer, Ermöglichung des Ehegattennachzugs für Ausländer der zweiten Generation und andere Dinge. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erinnere daran: Wenn es um die Zustimmung zu einem Kompromiß geht, dann muß es meiner Meinung nach immer eine Güterabwägung zwischen dem, was man erreichen konnte, und dem, was nicht zu erreichen ist, geben. Dazu sage ich, daß mir die integrationspolitischen Verbesserungen für Tausende von Menschen mit ausländischer Nationalität und eine Verbesserung ihres Rechtsstatus in der Abwägung eben wichtiger erscheinen, so daß ich nicht das gesamte Gesetz scheitern lassen will. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.) Für alle anderen Dinge bin ich bereit zu kämpfen, damit ich irgendwann die Mehrheiten habe, um die Gesetze auch für Ehefrauen so gestalten zu können, daß der Schutz vor Menschenrechtsverletzungen nicht durch unsere Angst vor Mißbrauch eingeschränkt wird. Ich erinnere nur an einige Punkte wie § 125 StGB. Es wurde verhindert, daß schon die Teilnahme an verbotenen Demonstrationen zum schweren Landfriedensbruch zählt. Denjenigen Kollegen aus der F.D.P., die jetzt sagen, daß sie mit der Änderung in § 47 Ausländergesetz nicht einverstanden sind, muß ich entgegenhalten: Sie haben zugestimmt, daß dieser § 47 Ausländergesetz schon bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz gilt. Ich glaube, Rechtsstaatlichkeit ist auch dann weiterhin gewährt, wenn wir dem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die Kollegin Kerstin Müller, Bündnis 90/Die Grünen. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Novellierung des Ausländerrechts wird aus unserer Sicht leider die Chance vertan, eine grundlegende Reform hin zu mehr Integration zu schaffen. Statt endlich gleiche Bürgerrechte für die hier seit Jahren und Jahrzehnten lebenden Ausländerinnen und Ausländer zu schaffen, wird im Gegenteil die Rechtslage für sie auch noch verschlechtert. Deshalb wird meine Fraktion dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses nicht zustimmen. Ich verkenne nicht, daß die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß, an denen ich ein Jahr lang teilgenommen habe, auch zu einigen Verbesserungen geführt haben. Als Beispiel nenne ich § 99 Ausländergesetz, den Sie erwähnt haben, Frau Schmidt, der für frühere Werkvertragsarbeitnehmer endlich die volle Dauer ihres Aufenthaltes in der DDR anerkennt. Das war überfällig. Doch es gibt zahlreiche Punkte, bei denen Sie, meine Damen und Herren von der SPD und der Koalition, es geschafft haben, das Rad in die 60er Jahre zurückzudrehen. Mit der faktischen Aufhebung des Ausweisungsschutzes wird die Doppelbestrafung und Verbannung von straffällig gewordenen Jugendlichen die Regel. Sie werden hier geboren, sie wachsen hier auf, sie werden hier straffällig - doch im Unterschied zu ihren deutschen Altersgenossen folgt der Strafe die Abschiebung in ein unbekanntes Heimatland, das nichts mit ihren Problemen zu tun hat. Egal ob sie die Sprache dieses Landes sprechen, egal ob sie dort familiäre Bindungen haben - sie werden genauso wie die Probleme abgeschoben. Damit wird Kerstin Müller (Köln) das Ausländerrecht zum zweiten Strafrecht insbesondere für Jugendliche. Ich muß mich wundern, daß jetzt Stimmen aus der F.D.P. laut werden, die die Abschiebung von Jugendlichen kritisieren. Ich frage mich ernsthaft, wo diese Stimmen während der Verhandlungen des letzten Jahres im Vermittlungsausschuß waren. Sie werden bei der von uns beantragten namentlichen Abstimmung Gelegenheit haben, hier Farbe zu bekennen. (Vorsitz : Präsidentin Dr. Rita Süssmuth) Zweierlei Recht für Ausländer und Deutsche gibt es auch noch an einer anderen Stelle. Die Abschiebung eines Ausländers wegen einfachen Landfriedenbruchs wird erlaubt, ohne daß der Betroffene wegen der ihm vorgeworfenen Tat von einem Strafgericht verurteilt worden ist. Das heißt, künftig genügt der bloße, nicht erwiesene Vorwurf, um einen ausländischen Beschuldigten abzuschieben. Wir haben an dieser Stelle schwerwiegende rechtsstaatliche Bedenken, weil damit die Unschuldsvermutung für Ausländer in einem Teilbereich auf gehoben wird. Das heißt, an dieser Stelle wird der Grundsatz „in dubio pro reo" für Ausländer abgeschafft. Dem können wir nicht zustimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) Als letzten Punkt möchte ich die umstrittene Änderung des § 19 Ausländergesetz ansprechen. Auch die entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Mogelpakkung. Zwar entfällt die Frist bei der besonderen Härte; aber ich habe große Bedenken auf Grund der restriktiven Definition, die jetzt erstmals in das Gesetz aufgenommen wurde, ob mißhandelte und mißbrauchte Frauen von dieser Regelung wirklich profitieren werden. Denn, Frau Schmidt, noch immer wird im Gesetz bei der Beurteilung der Härte auf die „Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Rückkehrverpflichtung" abgestellt. Das heißt, die Situation der Frau hier, Kindesmißhandlung oder Mißhandlung der Frau werden vermutlich auch weiterhin unberücksichtigt bleiben. Damit ist das Ausländerrecht auch weiterhin ein Erpressungsinstrument in den Händen von prügelnden Männern. Damit werden Frauenhändler auch weiterhin mit der „Umtauschmöglichkeit" innerhalb von vier Jahren qua Gesetz werben können, weil es grundsätzlich bei der Ehebestandszeit von vier Jahren bleibt. Diese neue Regelung ist daher leider kein großer Schritt nach vorn. Wir brauchen endlich ein Ausländerrecht, das die Entwicklung der letzten 35 Jahre akzeptiert, das die Realität eines Einwanderungslandes endlich anerkennt, das Bürgerrechte auch für Migranten realisiert. Wir haben kürzlich unseren Entwurf für ein Niederlassungsrecht vorgestellt, welches im wesentlichen die Gleichstellung nach fünfjährigem Aufenthalt vorsieht und das Ausländerrecht für einen Großteil der hier lebenden Nichtdeutschen ersetzen soll. Wir brauchen aber vor allem eine Reform der Staatsbürgerschaft. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Wir haben ein Jahr lang an diesen Verschärfungen und Verschlechterungen gesessen. Es gibt in diesem Hause aber bereits eine große Mehrheit für eine Reform der Staatsbürgerschaft. Sie wird nur noch von den letzten Ideologen der CDU/CSU blockiert. Statt die Situation der hier lebenden Ausländer, vor allen Dingen der ausländischen Jugendlichen, mal wieder zu verschlechtern, müssen wir diese Menschen endlich zu Inländern machen. Das muß das nächste Reformprojekt sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zur Berichterstattung der Abgeordnete Ulrich Irmer. Ulrich Irmer (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe hier eine Erklärung im Namen der F.D.P.-Bundestagsfraktion ab. Meine Fraktion wird dem Kompromiß, der im Vermittlungsausschuß gefunden wurde, mehrheitlich zustimmen. Einige meiner Fraktionskollegen werden nicht zustimmen. Das ist ihr gutes Recht. Frau Müller, ich muß Ihnen natürlich das eine sagen: Die Grünen sind in vier Bundesländern in einer Koalitionsregierung. Sie machen sich hier im Bundestag einen schlanken Fuß, indem Sie sagen, daß Sie nicht zustimmen. Das ist sehr einfach. Sie hätten ja dafür sorgen können, daß die Bundesländer, in denen Sie an der Regierung beteiligt sind, diesem Kompromiß nicht zustimmen. (Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden sie auch tun!) Denn schließlich hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen. Ich betrachte ein solches Verhalten als ausgesprochen doppelzüngig. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU) Wir haben es uns mit diesem Kompromiß in keiner Weise leichtgemacht. Insbesondere haben wir große Bedenken, wenn es darum geht, daß ohne rechtskräftiges Strafurteil, ja ohne daß sich ein Strafrichter überhaupt mit dem Fall befaßt hat, eine Regelausweisung angeordnet werden kann. Allerdings muß ich sagen, daß der selbsternannte Praeceptor Germaniae, Herr Heribert Prantl, in seinem Artikel in der heutigen „Süddeutschen Zeitung" maßlos überzieht. Ich will Sie und auch ihn auf folgende Punkte hinweisen. Erstens. Es kann keine Rede davon sein, daß hier etwa ein Verstoß gegen das Völkerrecht vorliegt; denn wir bewegen uns im Bereich des Verwaltungsrechts, nicht im Bereich des Strafrechts. Das ist der erste elementare Fehler auch in diesem Kommentar. Zweitens. Es muß darauf hingewiesen werden, daß die Befürchtung, eine Abschiebung ohne ein vorliegendes Strafurteil sei eine besondere Härte, gar nicht unbedingt zutreffen muß. Einige Kollegen unserer Fraktion haben darauf hingewiesen, daß ein Ulrich Irmer abgeschobener Ausländer, der nicht rechtskräftig verurteilt worden ist, unter Umständen sofort wiederkommen kann, und zwar leichter wiederkommen kann - kaum daß er abgeschoben worden ist -, weil er nicht das Damoklesschwert von Festnahme und Haft zu fürchten hat und sich deshalb relativ unbesorgt in diesem Lande wieder tummeln kann. Dritte Feststellung: Es ist uns gelungen, die Tatbestände, bei denen das eintreten kann, auf verbotene oder aufgelöste Demonstrationen zu beschränken. Jemand, der weiß, daß er an einer verbotenen Demonstration teilnimmt, muß ebenfalls wissen, daß er sich in eine gefährlichere Situation begibt, als wenn er an einer ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration teilnähme. Schließlich muß ich den Vorwurf zurückweisen, es handele sich hier um Verdachtsabschiebungen. Davon kann nun überhaupt keine Rede sein. So wie im Falle der Drogentäter wird die Abschiebung nach der Verwaltungspraxis und nach der Spruchpraxis der Verwaltungsgerichte nur dann vorgenommen werden, wenn es sich um einen völlig offenkundigen Fall handelt. Wenn auch nur der geringste Zweifel hinsichtlich der Identität oder der Tatsache der Teilnahme bestehen sollte, wird der Verwaltungsrichter selbstverständlich das Verfahren aussetzen und warten, bis das Strafverfahren abgeschlossen ist. Ferner möchte ich noch darauf hinweisen, daß es uns in den Verhandlungen gelungen ist, die Fälle einer lediglich psychischen Teilnahme herauszunehmen. Es geht also jetzt nur noch um den Täter oder um jemanden, der an Gewalttaten beteiligt ist, nicht etwa um denjenigen, der psychische Beihilfe leistet. Frau Schmidt hat in einem Punkt recht. Daß wir in der früheren Fassung von § 47 des Ausländergesetzes ermöglicht haben, daß auf das Vorliegen der Voraussetzung eines rechtskräftigen Urteils im Falle von Drogentätern verzichtet wird, ist allerdings in meinen Augen ein außerordentlich bedauerlicher Präzedenzfall. Wir haben ihn eingeführt. Es ist natürlich sehr schwierig, sich dann, wenn daran anschließend entsprechende Forderungen erhoben werden, darauf zu berufen, daß dieses eine Durchbrechung des Prinzips sei, wonach ohne rechtskräftiges Urteil nicht abgeschoben werden dürfe. Diesen Sündenfall haben wir begangen; wir müssen jetzt leider die Konsequenzen tragen. Eine Abwägung ergibt, daß die Vorteile für die Integration - insbesondere der Rentner - doch so erheblich sind, daß auch diese nicht so guten Dinge mit geschluckt werden mußten. Das war im Rahmen dieses Kompromisses nicht anders möglich. Ich gebe aber Frau Müller recht, wenn sie sagt: Wir müssen jetzt den nächsten Schritt tun. Eine erfolgreiche Integration steht und fällt mit der überfälligen und notwendigen Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Das sollten wir noch in dieser Legislaturperiode unter Dach und Fach bringen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der CDU/CSU und der SPD) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als letzte Rednerin spricht die Abgeordnete Ulla Jelpke. Ulla Jelpke (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als mir das Ergebnis des Vermittlungsausschusses vorlag, dachte ich, ich traue meinen Augen nicht. Ich meine, daß sich die SPD nicht durch eine glänzende Verhandlungstaktik hervorgetan hat; denn der Regierungsentwurf ist in Teilen noch verschärft worden. Zum ersten: Die vorgesehenen Regelungen bezüglich eines eigenständigen Aufenthaltsrechts für ausländische Ehefrauen sind meines Erachtens verschlimmbessert worden. Es ist mir wirklich schleierhaft, wie sozialdemokratische Politikerinnen diesem Entwurf zustimmen können. Nach geltendem Recht gibt es für mißhandelte nichtdeutsche Ehefrauen nach dreijähriger Ehe die Möglichkeit, eine eigenständige Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Diese Frist soll - so wurde richtigerweise gesagt - zwar wegfallen, dafür sollen als „außergewöhnliche Härtefälle" nur noch erhebliche Nachteile anerkannt werden, die bei einer Abschiebung in das Herkunftsland drohen. Von ehelichen Mißhandlungen und Gewalt hierzulande - hier stimme ich meiner Kollegin Kerstin Müller zu - ist plötzlich nicht mehr die Rede. Was ich aber für einen besonderen Skandal halte, ist, daß Frauen, die beispielsweise Sozialhilfe bekommen, nicht in diese Härtefallregelung einbezogen werden können. Mir soll einmal jemand in diesem Haus erklären, wie man einer solchen Regelung zustimmen kann. Hier werden nicht nur Frauen, die sowieso sozial schwach sind, benachteiligt, sondern die jetzige Rechtslage wäre für die Frauen besser, weil es in ihr immerhin noch heißt, daß die Frau noch ein Jahr Sozialhilfe beziehen darf. Zum zweiten: Auch in einem anderen Punkt wurde der Gesetzentwurf im Laufe der Arbeit des Vermittlungsausschuses verschlechtert. Bürgerkriegsflüchtlinge sollen in Zukunft wie Schwerverbrecher behandelt werden, indem man sie ohne Ausnahme erkennungsdienstlich behandelt. Das halte ich für einen weiteren Skandal. Zum dritten: Nichtdeutsche, die sich hierzulande politisch betätigt haben, sollen selbst bei einem einfachen Landfriedensbruch ohne Pardon abgeschoben werden. Es ist nicht einmal eine Verurteilung nötig. Ich kritisiere an diesem Teil der Vorlage des Vermittlungsausschusses, daß Regelausweisungen auch ohne rechtskräftige Schuldfeststellung möglich sein sollen. Selbst anerkannte Flüchtlinge wollen Sie in Verfolgerstaaten abschieben. Sie wissen genau, daß die Abschiebung straffälliger Nichtdeutscher faktisch einer Doppelbestrafung gleichkommt. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht erst vor einem Jahr entschieden, daß Abschiebungen aus Gründen der Abschreckung unzulässig sind. Vielmehr soll es darauf ankommen, wo eine ab- Ulla Jelpke zuschiebende Person ihren Lebensmittelpunkt hat und welchen tatsächlichen Bezug sie zu dem Staat hat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Ungeachtet dessen hat auch hier die SPD die Härten, insbesondere für Jugendliche, zugelassen, was ebenfalls nicht akzeptabel ist. Mein letzter Gedanke. Aus der Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes wissen wir alle: Es geht um die politische Auseinandersetzung mit den aktiven Kurdinnen und Kurden in diesem Land. In einer Plenardebatte Ende letzten Jahres bin ich dafür gerügt worden, daß ich sagte: Wer Menschen, die in ihrem Land politisch verfolgt werden, abschiebt, geht den Pakt mit den Folterknechten ein. Meine Damen und Herren, Sie wissen genau, daß in der Türkei massiv gefoltert wird. Daß in der Türkei massiv verfolgt wird, ist nichts Neues; das haben der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Antifolterkomitee des Europarats verurteilt. Ich denke, wer dennoch selbst anerkannte türkische oder kurdische Flüchtlinge mit der Androhung einer Abschiebung in diesen Folterstaat von einer politischen Betätigung hierzulande abhalten will, der instrumentalisiert die Folter in der Türkei für innenpolitische Zwecke. Einem solchen Antrag werden wir auf keinen Fall unsere Zustimmung geben. Danke. (Beifall bei der PDS) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Bevor wir zur Abstimmung kommen, halte ich fest, daß Graf Lambsdorff und die Kollegen Braun und Stadler eine schriftliche Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung abgegeben haben.*) Eine mündliche Erklärung möchte der Abgeordnete Hirsch für die Kollegen Leutheusser-Schnarrenberger und Dr. Däubler-Gmelin abgeben. Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da nach der Geschäftsordnung eine Debatte ausgeschlossen ist, gebe ich hier eine Erklärung zur Abstimmung gleichzeitig im Namen der Kolleginnen Frau Dr. Herta Däubler-Gmelin und Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ab. Wir können dem uns soeben vorgelegten Vermittlungsergebnis nicht zustimmen. Es enthält zwar in einer Reihe von Fragen positive Elemente. Insbesondere aber in zwei Fällen führt das Vermittlungsergebnis nach unserer Meinung nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorlage zu so unerhörten Folgen für die Betroffenen, daß uns eine Annahme des Vermittlungsergebnisses aus rechtsstaatlichen und aus humanitären Gründen nicht möglich ist. Erstens. Angesichts der außerordentlichen und oft irreparablen Folgen einer Ausweisung für den Betroffenen und seine Familie kann man einen Ausländer nicht auf Grund einer bloßen Anschuldigung *) Anlage 3 ausweisen, er habe einen einfachen Landfriedensbruch begangen. Das soll nun zum Regeltatbestand werden, ohne daß der Betroffene wegen der ihm vorgeworfenen Tat verurteilt worden ist. Wir sind einverstanden, daß solche Täter ausgewiesen werden können, wenn sie die Tat wirklich begangen haben. Aber der Satz „in dubio pro reo" gilt auch für Ausländer. Der Bundestag hat gerade für diese Fälle das beschleunigte Verfahren neu geregelt und in der vergangenen Woche die sogenannte Hauptverhandlungssicherungshaft eingeführt, mit der ein Beschuldigter bis zu sechs Tagen festgehalten werden kann, um eine sofortige Hauptverhandlung zu ermöglichen. Es besteht also nicht die geringste Veranlassung, ihn der deutschen Strafjustiz zu entziehen. Wer ohne Feststellung der Tat durch ein Strafurteil die Abschiebung damit begründen will, es sei eben häufig schwer, den Beschuldigten zu überführen, der sagt in Wirklichkeit, daß er auch dann abschieben will, wenn er die Tat nicht beweisen kann, also auf Verdacht. Das ist nicht akzeptabel. Zweitens. Noch schlimmer ist die Verschlechterung der Lage einer ausländischen Ehefrau, deren Ehe in der Bundesrepublik scheitert. Heute erhält sie bei einem mindestens vierjährigen Ehebestand in der Bundesrepublik eine eigene Aufenthaltserlaubnis. Drei Jahre reichen aus, wenn die Ausweisung für die Frau eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Nach dem Vermittlungsergebnis, und zwar nach dem klaren Wortlaut, soll sie bei bis zu vierjähriger Ehe in der Bundesrepublik ausgewiesen und abgeschoben werden können, wenn sie auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe angewiesen ist. Sie soll unter diesen Umständen auch dann abgeschoben werden können, wenn das für sie eine außergewöhnliche Härte ist und wenn, wie es wörtlich heißt, nach Art und Schwere so erhebliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der bestehenden Rückkehrverpflichtung drohen, daß die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als nicht vertretbar erscheinen würde. Trotzdem: Alles das muß nach dem Vermittlungsergebnis nichts mehr bedeuten, wenn die Frau auf Sozialhilfe angewiesen wäre. Was für ein Gleichgewicht! Was muten wir den Menschen zu, die solche Gesetze ertragen und solche Gesetze anwenden sollen? Wir können und wollen dem nicht zustimmen. (Beifall der Abg. Sabine LeutheusserSchnarrenberger [F.D.P.], beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/7956. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deut- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth schen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.') Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau-und Raumordnungsgesetz 1998 - BauRog) - Drucksachen 13/6392, 13/7588, 13/7589, 13/ 7886, 13/8019 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Heribert Blens Der Berichterstatter hat seinen Beitrag zur Berichterstattung zu Protokoll gegeben.") Sind Sie damit einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein. Damit kommen wir zur Abstimmung. Vor der Abstimmung hat der Abgeordnete Klaus-Jürgen Warnick das Wort zu einer mündlichen Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung. Klaus-Jürgen Warnick (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Entscheidung, wie ich über das vorliegende Ergebnis des Vermittlungsausschusses abstimmen soll, ist mir außerordentlich schwer gefallen. Dafür gibt es einen gewichtigen Grund: Nachdem der Bundestag das Gesetz am 15. Mai 1997 beschloß, wurde das Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat sowie im Vermittlungsausschuß fortgesetzt. Die PDS ist als einzige Partei nicht im Vermittlungsausschuß vertreten, obwohl ihr verfassungsgemäß ein Platz in diesem Gremium zusteht. Dies führte dazu, daß ich und die anderen Mitglieder der PDS-Bundestagsgruppe nicht an dieser wichtigen Phase des Gesetzgebungsverfahrens teilnehmen durften und ich demzufolge erst aus der jetzt zur Abstimmung stehenden Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses den endgültigen Gesetzestext erfahre. Diese Beschlußempfehlung erhielt ich heute morgen, und ich halte es für unmöglich, in solch kurzer Frist die 22 Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Gesetzesentwurf seriös zu bewerten. Ich werde der Beschlußempfehlung nicht zustimmen, weil ich bei der mir nur eingeschränkt mögli- *) Seite 16593 B **) Anlage 4 chen Prüfung der Gesetzesänderungen feststellen mußte, daß die maßgeblichen Kritiken und Mängel am Bau- und Raumordnungsgesetz 1998, welche zur Ablehnung des Gesetzentwurfes im Bundestag am 15. Mai sowohl von der PDS, aber auch von der SPD und den Bündnisgrünen führten, nicht im Vermittlungsausschuß beseitigt werden konnten. Vielen Dank. (Beifall bei der PDS) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/8019? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Absicherung der Wohnraummodernisierung und einiger Fälle der Restitution (Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz - WoModSiG) - Drucksachen 13/2022, 13/7275, 13/7568, 13/ 7957 - Berichterstattung: Abgeordneter Hans-Joachim Hacker Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Noch einmal hat der Abgeordnete Klaus-Jürgen Warnick das Wort nach § 31 der Geschäftsordnung. Klaus-Jürgen Warnick (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz erläutern, warum ich dem heute hier vorliegenden Ergebnis des Vermittlungsausschusses zum Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz unter Bauchschmerzen meine Stimme gebe. Ich kann dem Gesetz zustimmen, da es in der jetzigen Fassung verhindert, daß einer großen Gruppe von ostdeutschen Nutzern, die im Frühjahr 1990 in redlicher Weise von den ostdeutschen Kommunen Grundstücke erworben haben, gravierende Nachteile entstehen, Nachteile, die durch formelle Mängel auf den verwendeten Briefköpfen und bei den Bevollmächtigungen der für die Kommune handelnden Personen entstanden sind, Tatsachen, auf die die Nutzer keinerlei Einfluß hatten. Ich stimme dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu, da ich es ausdrücklich begrüße, daß dieser Teil des Gesetzes jetzt in Kraft treten kann. Denn Klaus-Jürgen Warnick es sind zahlreiche derartige Fälle bei den Gerichten anhängig, und es bestand die reale Gefahr, daß ohne die jetzt hier von Gesetzes wegen vorgenommene Heilung dieser formalen Mängel diese Gruppe der Nutzer ihre vermögensrechtlichen Ansprüche durch letztinstanzliche Urteile verloren hätte. Wie immer hat der Erfolg viele Väter. Aber ich gehe sicher nicht fehl in der Annahme, daß es wieder einmal vor allem die energische Gegenwehr der Betroffenen und ihrer Verbände war, die zu dem vorliegenden Ergebnis führte. Ich stimme der vorliegenden Beschlußempfehlung unter Bedenken zu, da wiederum nur einige Detailprobleme gelöst werden und andere wesentliche Probleme, die die PDS mit ihrem Entwurf eines Nutzerschutzgesetzes lösen wollte, nach wie vor den Betroffenen auf den Nägeln brennen. Das betrifft die Ungerechtigkeit aus verschiedenen Stichtagsregelungen; das betrifft die Ungleichbehandlung von Kaufverträgen, die wegen der Überlastung der wenigen vorhandenen Notare nicht mehr notariell beurkundet werden konnten; das betrifft nicht zuletzt die viele Nutzer quälende Ungewißheit über den Ausgang des Rückübertragungsverfahrens auch in den Fällen, in denen die Rückübertragung von Gesetzes wegen eigentlich ausgeschlossen ist. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, gemeinhin sagt man, die Zeit heile alle Wunden. Meine eigene Erfahrung als betroffener Nutzer und der Kontakt mit anderen Betroffenen zeigt mir aber eher, daß die Verzweiflung und die Zweifel am Rechtsstaat bei den von Vertreibung bedrohten Nutzern sieben Jahre nach dem Beitritt eher zunehmen. Insofern ist auch der gesetzgeberische Handlungsbedarf für die Lösung der noch offenen Vermögensfragen durch die vorliegende Beschlußempfehlung für ein Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz nur teilweise gemindert. Vielen Dank. (Beifall bei der PDS) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/7957? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung einstimmig angenommen. Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes - Vermittlungsausschuß - zum Gesetz zur Änderung straf-, ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften bekannt. Abgegebene Stimmen: 625; mit Ja haben gestimmt: 424; mit Nein haben gestimmt: 102; Enthaltungen: 99. Damit ist die Beschlußempfehlung angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 625; davon: ja: 424 nein: 102 enthalten: 99 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten Dr. Wolf Bauer Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Rudolf Braun (Auerbach) Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner (Schönebeck) Dankward Buwitt Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen (Nordstrand) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann Anke Eymer Ilse Falk Jochen Feilcke Dirk Fischer (Hamburg) Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma Glücklich Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund Horst Günther (Duisburg) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke (Großhennersdorf) Gerda Hasselfeldt Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Helmut Heiderich Manfred Heise Detlef Helling Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung (Limburg) Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Peter Keller Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus Wolfgang Krause (Dessau) Andreas Krautscheid Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Karl Lamers Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dietrich Mahlo Erwin Marschewski Günter Marten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl Dr. Michael Meister Friedrich Merz Rudolf Meyer (Winsen) Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Elmar Müller (Kirchheim) Engelbert Nelle Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto (Erfurt) Dr. Gerhard Päselt Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau Helmut Rauber Peter Rauen Otto Regenspurger Christa Reichard (Dresden) Klaus Dieter Reichardt (Mannheim) Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder Dr. Erich Riedl (München) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch (Wiesbaden) Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth (Gießen) Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer (Stuttgart) Ortrun Schätzle Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz (Baesweiler) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte (Schwäbisch Gmünd) Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze (Sangershausen) Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Marion Seib Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters Johannes Selle Jürgen Sikora Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser Dr. Susanne Tiemann Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Duren) Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel Alois Graf von Waldburg-Zei Dr. Jürgen Warnke Kersten Wetzel Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner Bernd Wilz Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller SPD Brigitte Adler Ernst Bahr Hans Berger Arne Börnsen (Ritterhude) Tilo Braune Dr. Eberhard Brecht Wolf-Michael Catenhusen Karl Diller Dr. Marliese Dobberthien Rudolf Dreßler Lothar Fischer (Homburg) Iris Follak Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs (Köln) Uwe Göllner Günter Graf (Friesoythe) Dieter Grasedieck Karl Hermann Haack (Extertal) Manfred Hampel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Monika Heubaum Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Erwin Horn Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Brunhilde Irber Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung (Düsseldorf) Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Hans-Ulrich Klose Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Robert Leidinger Klaus Lennartz Erika Lotz Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Ingrid Matthäus-Maier Markus Meckel Siegmar Mosdorf Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Rolf Niese Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis Dr. Wilfried Penner Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Rudolf Purps Hermann Rappe (Hildesheim) Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig Dr. Hansjörg Schäfer Dieter Schanz Rudolf Scharping Bernd Scheelen Horst Schild Otto Schily Ulla Schmidt (Aachen) Heinz Schmitt (Berg) Dr. Emil Schnell Walter Schöler Reinhard Schultz (Everswinkel) Dietmar Schütz (Oldenburg) Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Dr. Peter Struck Jörg Tauss Dr. Bodo Teichmann Dr. Gerald Thalheim Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin Günter Verheugen Karsten D. Voigt (Frankfurt) Hans Georg Wagner Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Jochen Welt Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek (Duisburg) Dieter Wiefelspütz Verena Wohlleben Peter Zumkley F.D.P. Ina Albowitz Dr. Gisela Babel Günther Bredehorn Jörg van Essen Dr. Olaf Feldmann Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Detlef Kleinert (Hannover) Roland Kohn Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Uwe Lühr Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Hermann Otto Sohns Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Nein SPD Hermann Bachmaier Friedhelm Julius Beucher Ursula Burchardt Hans Martin Bury Peter Conradi Dr. Herta Däubler-Gmelin Freimut Duve Gernot Erler Arne Fuhrmann Hans-Joachim Hacker Reinhold Hemker Gabriele Iwersen Volker Kröning Thomas Krüger Konrad Kunick Christoph Matschie Angelika Mertens Günter Rixe Dr. Hermann Scheer Richard Schuhmann (Delitzsch) Volkmar Schultz (Köln) Horst Sielaff Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Joachim Tappe Ute Vogt (Pforzheim) Dr. Wolfgang Wodarg Dr. Christoph Zöpel BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Gila Altmann (Aurich) Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Dr. Manuel Kiper Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Egbert Nitsch (Rendsburg) Cem Özdemir Simone Probst Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt (Hitzhofen) Wolfgang Schmitt (Langenfeld) Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz (Berlin) Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such Dr. Antje Vollmer Helmut Wilhelm (Amberg) Margareta Wolf (Frankfurt) F.D.P. Dr. Burkhard Hirsch Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Dr. Irmgard Schwaetzer PDS Wolfgang Bierstedt Petra Bläss Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Dr. Ludwig Elm Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs Andrea Gysi Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf Gerhard Zwerenz Fraktionslos Kurt Neumann (Berlin) Enthalten SPD Doris Barnett Klaus Barthel Ingrid Becker-Inglau Hans-Werner Bertl Anni Brandt-Elsweier Edelgard Bulmahn Dr. Michael Bürsch Hans Büttner (Ingolstadt) Christel Deichmann Peter Dreßen Ludwig Eich Peter Enders Petra Ernstberger Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Katrin Fuchs (Verl) Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf (Rosenheim) Achim Großmann Klaus Hagemann Christel Hanewinckel Dr. Liesel Hartenstein Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Reinhold Hiller (Lübeck) Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Barbara Imhof Sabine Kaspereit Susanne Kastner Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Nicolette Kressl Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-Mengel Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Christa Lörcher Dr. Christine Lucyga Dorle Marx Ulrike Mascher Heide Mattischeck Ulrike Mehl Herbert Meißner Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg Jutta Müller (Völklingen) Dr. Edith Niehuis Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur Albrecht Papenroth Dr. Martin Pfaff Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter Marlene Rupprecht Gudrun Schaich-Walch Siegfried Scheffler Horst Schmidbauer (Nürnberg) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel Ottmar Schreiner Gisela Schröter Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dr. Angelica Schwall-Düren Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Ludwig Stiegler Wolfgang Thierse Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Gert Weisskirchen (Wiesloch) Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Heidemarie Wieczorek-Zeul Berthold Wittich Hanna Wolf (München) Heidi Wright Uta Zapf F.D.P. Hildebrecht Braun (Augsburg) Dr. Max Stadler Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete(r) Andres, Gerd, SPD Antretter, Robert, SPD Behrendt, Wolfgang, SPD Bindig, Rudolf, SPD Bühler (Bruchsal), Klaus, CDU/CSU Fischer (Unna), Leni, CDU/CSU Junghanns, Ulrich, CDU/CSU Kriedner, Arnulf, CDU/CSU Dr. Probst, Albert, CDU/CSU Schloten, Dieter, SPD Schluckebier, Günter, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Siebert, Bernd, CDU/CSU Terborg, Margitta, SPD Dr. Wittmann, Fritz, CDU/CSU Zierer, Benno, CDU/CSU Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Ich rufe nun den Zusatzpunkt 7 auf: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI - ÄndG) - Drucksache 13/7558 -(Erste Beratung 181. Sitzung) a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) - Drucksache 13/8076 - Berichterstattung: Abgeordneter Karl Hermann Haack (Extertal) b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 13/8077 - Berichterstattung: Abgeordnete Karl Diller Hans-Joachim Fuchtel Antje Hermenau Ina Albowitz Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor, über den wir im Anschluß an die Debatte namentlich abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Kollege Ramsauer. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der von Bayern und Baden-Württemberg eingebrachten Gesetzesinitiative sollen die Ausgaben für Leistungen zur Rehabilitation in der Rentenversicherung auf die Höhe der entsprechenden Ausgaben im Jahre 1994 begrenzt werden. Im Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz des letzten Jahres ist die Begrenzung des Ausgabendeckels aber auf die Höhe der um 600 Millionen DM verminderten Ausgaben in 1993 festgelegt. Die ursprüngliche Initiative von Bayern und Baden-Württemberg hat zum Inhalt, daß der Ausgabendeckel von 7,7 Milliarden DM, so wie wir ihn im Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz beschlossen haben, um zirka 1,5 Milliarden DM angehoben wird. Wir haben uns nun auf eine vermittelnde Lösung geeinigt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz dient dazu, die Zielgenauigkeit von Rehabilitationsleistungen sowie die Effektivität und Effizienz von Reha-Leistungen zu verbessern. Zu diesen Zielen steht die Koalition nach wie vor. Deshalb soll auch niemand auf die Idee kommen, daß wir mit dem jetzt gefundenen Kompromiß in irgendeiner Weise zurückrudern wollten. Wir haben uns in gemeinsamen Gesprächen mit der bayerischen und der baden-württembergischen Regierung auf eine Lösung verständigt, die einerseits der Zielrichtung von Bayern und Baden-Württemberg entspricht und damit den Kurorten eine dauerhaft gesicherte Zukunftsperspektive gibt, aber andererseits trotzdem den notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen weiterhin Rechnung trägt. Der Änderungsantrag sieht dementsprechend vor, daß die Höchstausgaben für Kuren und Reha-Leistungen 1998 um 450 Millionen DM und im Jahre 1999 um weitere 450 Millionen DM, bezogen auf 1997 also um insgesamt 900 Millionen DM erhöht werden. Dies bedeutet eine Steigerung der zur Verfügung stehenden Mittel gegenüber 1997 um rund 12 Prozent. Ab dem Jahr 2000 soll es bei dieser Erhöhung bleiben; des weiteren sollen die Beträge um die jeweilige Steigerung des Lohnniveaus angehoben werden. Ferner soll ab dem 1. Januar 1998 die gesetzliche Krankenversicherung die stationäre Heilbehandlung für Kinder in Höhe von jährlich 210 Millionen DM übernehmen, die bisher von der Rentenversicherung getragen wurde. Das bedeutet, daß im Jahr 1998 rund 3750 Betten mehr erhalten werden können. Die Erhöhung in den Folgejahren um 900 Millionen DM führt zu einer Mehrbelegung von 7500 Betten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die strukturellen Probleme der Kurorte sind allerdings für mich nur ein Aspekt bei der heutigen Abstimmung. Für besonders wichtig halte ich ein Signal nach draußen, damit Reha-Leistungen in dem medizinisch notwendigen Umfange tatsächlich gewährt werden. (Antje-Marie Steen [SPD]: Ein Notsignal!) Jeder an dieser Diskussion Beteiligte sollte sich davor hüten, dieses positive Signal jetzt wieder durch Kritik kaputtzureden. (Beifall bei der CDU/CSU) Das darf nicht passieren. Gerade diejenigen, denen wir helfen wollen, sollen sich jetzt nicht anschicken, das wieder kaputtzukritisieren, weil dadurch das Signal kaputtgeht, das den Kurorten und Heilbädern gerade in dieser schwierigen Situation helfen soll. (Halo Saibold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn das gemacht?) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Ramsauer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kastner? Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Zwischenfragen der Kollegin Kastner habe ich geradezu erwartet. Bitte sehr. (Antje-Marie Steen [SPD]: Wäre ja traurig, wenn sie nicht gefragt hätte!) Susanne Kastner (SPD): Herr Kollege Ramsauer, wie beurteilen Sie denn die Stellungnahme Ihres Parteifreundes, des sozialpolitischen Sprechers der CSU-Landtagsfraktion, der zu dem von Ihnen so gepriesenen Kompromiß zum einen gesagt hat, er Susanne Kastner fürchte, der Beschluß komme zu spät, und zum anderen gesagt hat, daß er kaum glaube, daß sich damit konkret etwas bewegen lasse? Wie beurteilen Sie diese Aussage? (Gerd Andres [SPD]: Recht hat der Mann!) Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Liebe Frau Kollegin Kastner, ich möchte Ihnen eine ausführlichere Antwort als die Antworten geben, die Sie mir auf meine Zwischenfragen bei der letzten Debatte zu diesem Thema gegeben haben. (Susanne Kastner [SPD]: Das lag an Ihren Zwischenfragen!) Ich kenne sehr genau die Vorgänge um die Anhörung, die gestern im Bayerischen Landtag auf Initiative Ihrer Partei, getragen von viel Populismus, stattgefunden hat. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß die Skepsis sich als solche erweisen wird, wenn gesagt wird, heuer werde es nichts mehr bewirken und es sei fraglich, ob es in den Folgejahren viel helfen würde - ich bin noch bei der Beantwortung Ihrer Frage -; denn Sie müssen sich eines vor Augen halten: Wir haben es bei der Entwicklung im Jahr 1997 mit einer gewaltigen Untersteuerung zu tun, die weit unter das Maß geht, was gesetzlich von uns gewollt war. Diese Untersteuerung ist nicht allein dadurch bedingt gewesen, daß die Zuzahlung erhöht worden ist und die Einbringung von Urlaub erforderlich wurde, sondern sie ist maßgeblich durch eine vollkommen überzogene Verunsicherungs- und Verhetzungskampagne herbeigeführt worden, die gerade von Ihnen, liebe Frau Kollegin Kastner, und Ihrer Partei geschürt worden ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Leute draußen im Land haben sich ja nicht mehr ausgekannt. Sie haben gemeint, es gebe keine Kur mehr. Aber was können wir und die Bayerische Staatsregierung denn mehr tun, als durch Telefonaktionen und durch Zuschüsse für Aufklärungskampagnen dafür zu sorgen, daß alle wissen, daß es die Kur nach wie vor gibt? Ihre Verunsicherungskampagne soll die Leute doch nur durcheinanderbringen, damit Sie einseitig parteipolitisches Kapital daraus schlagen können. (Abg. Susanne Kastner [SPD] nimmt wieder Platz - Michael Glos [CDU/CSU]: Stehen bleiben und schämen, nicht setzen!) Deswegen wird dieses politische Signal, wenn es nicht kaputtkritisiert wird, noch heuer die Verunsicherung beseitigen. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen und vor Ort die Dinge genau beobachten, sehen Sie auch, daß die Belegungen wieder zunehmen. Im kommenden Jahr - das ist das zweite, was zur Beantwortung Ihrer Frage gehört, Frau Kollegin Kastner - (Susanne Kastner [SPD]: Das ist keine Antwort! - Michael Glos [CDU/CSU]: Stehen Sie auf!) sind wir wieder im sogenannten vierten Jahr bei den Regelkurintervallen. Eine Maßnahme war ja, das Regelkurintervall von drei Jahren auf vier Jahre zu erhöhen. Das heurige Jahr 1997 ist durch den Schritt von drei auf vier Jahre sozusagen ausgefallen. Im nächsten Jahr greift dieses wieder voll, und wir werden allein deshalb eine starke Erholung bekommen. Ich hoffe, daß dann der Deckel einigermaßen ausreichen wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Abg. Gerd Andres .[SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage) - Frau Präsidentin, ich möchte jetzt eigentlich meine Ausführungen fortsetzen und die Zwischenfrage des Kollegen Andres etwas zurückstellen. (Susanne Kastner [SPD]: Herr Ramsauer kneift! - Gerd Andres [SPD]: Was sagen Sie zum CSU-Landtagssprecher?) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mein Eindruck bei Klinikbesuchen vor Ort war, daß in medizinisch notwendigen Fällen, auch wenn der Deckel ohne weiteres reicht, die Maßnahme nicht immer genehmigt wird. Es darf nicht dazu kommen, daß politische Entscheidungen als medizinisches Argument mißbraucht werden. Deshalb dürfen auch die neuen Regelzeiten bei Kuren in medizinisch begründeten Fällen nicht so streng ausgelegt werden, daß das Rehabilitationsziel im Grunde nicht oder nur unzulänglich erreicht wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt noch ein wichtiges Wort zur Rolle der SPD bei dieser Diskussion um die Kuren. (Gerd Andres [SPD]: Das ist aber schwach!) Etwas habe ich dazu schon gesagt. Aber zur Geschichte: Zunächst haben Sie in einem Entschließungsantrag ein Sammelsurium von Forderungen gebastelt, das nicht zustimmungsfähig ist, weil sie die notwendigen Strukturreformen untergraben und die Lohnnebenkosten weiter in die Höhe treiben würden. (Antje-Marie Steen [SPD]: Das machen Sie doch jetzt, indem Sie das in die gesetzliche Krankenversicherung abschieben!) In diesem Sammelsurium - jetzt hören Sie bitte selbst genau zu - unhaltbarer Forderungen haben Sie die Initiative Bayerns und Baden-Württembergs versteckt und schließlich wider besseres Wissen nach außen getragen, daß die Koalition durch die Ablehnung des SPD-Antrages die bayerische und baden-württembergische Initiative abgelehnt hätte. (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist unredlich!) Jawohl, meine Damen und Herren, es ist ein schäbiges Spiel, es ist keine seriöse Politik, es ist eine bewußte Irreführung der Bevölkerung. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Peter Ramsauer Die heutige Debatte, meine Damen und Herren, muß auch in der Öffentlichkeit wieder ein Stück Klarheit bringen. (Lachen bei der SPD - Gerd Andres [SPD]: Und Wahrheit!) - Klarheit und Wahrheit. (Gerd Andres [SPD]: Der wahre Ramsauer!) Jetzt, nachdem Ihnen klargeworden ist, meine Damen und Herren von der SPD, daß die Koalition auch in dieser Frage handlungsfähig ist, wollen Sie die erfolgte Verständigung zwischen Bayern und Baden-Württemberg in der Koalition untergraben, nach dem Motto: Wer bietet mehr? Wir lassen uns von Ihnen nicht in irgendeinen Wettlauf hineintreiben, nach dem Motto: Wer verteilt mehr Geld? Wer bietet mehr? Dieses Spiel lassen wir nicht machen, weil Sie immer noch mehr verlangen würden. Wir machen Ihr Spiel nicht mit, daß nur der gut sein soll, der möglichst viel soziale Leistungen verteilt. (Gerd Andres [SPD]: Sie sind ein Täter, Herr Ramsauer!) Sie denken nur ans Verteilen, wir denken auch an den Rentenversicherungsbeitrag, an die Höhe der Lohnnebenkosten. Sehen Sie sich die Entwicklung in der Rentenversicherung an! Wir müssen uns auch das anschauen und können nicht endlos obendrauflegen. Sie machen es sich als Opposition leicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Entschließungsantrag, der heute nachmittag auch vorliegt, hat zum Inhalt, daß bei einem gegebenenfalls nötig werdenden Bettenabbau ein symmetrischer Abbau in sozialversicherungsträgereigenen Häusern und sogenannten Vertragshäusern erfolgt. Sie von der SPD - dafür bin ich dankbar - haben gestern im Ausschuß diesem Entschließungsantrag zugestimmt. Sie haben damit etwas korrigiert, was Sie im letzten Jahr im Vermittlungsausschuß verbockt haben, als sie nämlich verhinderten, das Wachstumsförderungsergänzungsgesetz durchzusetzen. Ich bin froh, wenn Sie heute so klug sind und diesem Entschließungsantrag zum Wohle auch der privaten Kur- und Rehaanstaltenbetreiber zustimmen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Frau Kollegin Mascher. Ulrike Mascher (SPD): Herr Dr. Ramsauer, Sie haben behauptet: Wir, die CSU, machen seriöse Politik. Sie haben versucht, das mit so schönen Worten zu belegen wie „Zielgenauigkeit", „Effizienz", „Konsolidierung", und Sie haben auch gesagt: Wir denken an den Rentenversicherungsbeitrag. Dann frage ich mich: Was denken Sie denn beim Krankenversicherungsbeitrag? Denn das, was Sie hier vorschlagen, nämlich die Abschiebung der Kosten für die stationäre Heilbehandlung bei chronisch kranken Kindern in die Krankenversicherung, führt entweder zur Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages - das haben Sie gestern in der Debatte im Ausschuß auch zugegeben -, oder es führt dazu, daß Reha-Maßnahmen, die von der Krankenversicherung finanziert werden, wie zum Beispiel Mutter-Kind-Kuren, dann reduziert werden. Sie denken vielleicht an die Rentenversicherung, aber Sie haben vergessen, an die Krankenversicherung zu denken. Sie machen hier einen weiteren Verschiebebahnhof auf, wobei sogar die bewährte, wichtige und erfolgreiche Rehabilitation von chronisch kranken Kindern gefährdet wird. Das nenne ich keine solide Politik, das nenne ich nicht Zielgenauigkeit, und das nenne ich auch keine Konsolidierung. (Beifall bei der SPD) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Sie haben das Recht zur Entgegnung - drei Minuten. (Gerd Andres [SPD]: Der Ramsauer hat dem Stoiber mit seinem Diskussionsbeitrag unseriöse Politik vorgeworfen! Das ist unglaublich!) Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Mascher, Sie haben sich selbst gefragt; Sie sollten sich die Antwort deshalb auch selbst geben. (Beifall des Abg. Michael Glos [CDU/CSU] - Susanne Kastner [SPD]: Es war eine Kurzintervention!) Das könnten Sie ohne weiteres; denn genau diese Fragen haben Sie gestern im Ausschuß gestellt, und Sie haben dazu von der Bundesregierung und auch vom Kollegen Louven sehr ausführliche Antworten bekommen. Daß Sie diese gleichen Fragen jetzt noch einmal stellen, dient Ihnen nur dazu, in der Öffentlichkeit Schaufenster-Scheindebatten zu führen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ist das denn schlimm?) Das nehmen wir nicht hin. Aber ich möchte Sie im Gegenzug fragen: Frau Kollegin Mascher, können Sie mir sagen, was Rehabilitationskuren, Maßnahmen bei Kindern, Kinderheilbehandlungen in der Rentenversicherung zu suchen haben? (Antje-Marie Steen [SPD]: Ich erkläre es Ihnen nachher!) Sie gehören von der Natur der Sache her in die Krankenversicherung hinein. Das ist das eine. Die andere Frage ist, wann dieser Mechanismus in Kraft tritt. Ihre Befürchtung, Frau Mascher, daß hier etwas durch die gesetzgeberischen Ritzen fallen könnte, ist völlig unbegründet. Die Umlegung der 210 Millionen DM kommt natürlich erst zustande, Dr. Peter Ramsauer wenn die entsprechenden notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen erfolgt sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Gerd Andres [SPD]: Das war ein Rumgelabere!) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster in der Debatte spricht der Abgeordnete Haack. Karl Hermann Haack (Extertal) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ramsauer, das, was Sie hier bringen, ist schon ein starkes Stück. Denn am 13. September des letzten Jahres, bei der Abstimmung über das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz, waren Sie Brandstifter. (Beifall bei der SPD und der PDS) Wir haben Ihnen damals mit den Rentenversicherern, mit dem Deutschen Bäderverband vorgehalten, daß das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz exakt zu der Situation führt, die Sie heute reparieren. Ihre politische Unverschämtheit liegt darin, daß Sie von einem Brandstifter zu einem Feuerwehrmann mutieren. (Beifall bei der SPD und der PDS) Sie treten hier auf und behaupten, Sie hätten die Kurorte aus einer Situation gerettet, die irgendwelche Leute verursacht hätten. Diese „irgendwelchen Leute" sind Sie und andere. (Beifall bei der SPD und der PDS sowie des Abg. Oswald Metzger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Und Sie!) Insofern ist Ihr Redebeitrag ein Beispiel politischer Unseriosität. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Nein! Was Sie sagen, ist unseriös!) Ich hatte vor 14 Tagen die Frage gestellt: Was erzählt Bundeskanzler Kohl in Bad Wörishofen zum 100. Todestag von Sebastian Kneipp? Den Redetext habe ich mir angesehen. Er hat gesagt: Wir werden eine Lösung finden. Da Sie offensichtlich ein Tarn- und Täuschspiel betreiben, sage ich Ihnen die Zahlen: Der baden-württembergische und bayerische Antrag - mit dem hat Stoiber in Bayern herumgewedelt - sollte in den nächsten Jahren einen Aufwuchs von über 4 Milliarden DM in der Rehabilitation bedeuten, beginnend in diesem Jahr 1997. Ihr Antrag bewegt 1997 in den Kurorten null. Das heißt im Klartext: Die Beschäftigten, die in Kurzarbeit sind, werden im Sommer dieses Jahres entlassen; das sind 20 000 bis 30 000 Leute. Das bedeutet: Sie gehen in die Arbeitslosenversicherung - das vor dem Hintergrund, daß Sie behauptet haben, Sie wollten die Arbeitslosigkeit bis zum Jahre 2000 halbieren. (Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer) Das ist Ergebnis Ihrer Politik. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS) Wir haben mit unserem Antrag, den Sie abgelehnt haben, ein Sofortprogramm gefordert. Wir haben gesagt: Der Aufwuchs der Leistungen für die Rehabilitation ab diesem Jahr 1997 um 4 Milliarden DM, den der Bundesrat gefordert hat, ist unter anderem ein Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung in Heilbädern und Kurorten. Wenn Sie, Herr Glos, immer Pressemitteilungen verbreiten, das sei schon ein Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung, darf ich Ihnen sagen, daß heute in der „Süddeutschen Zeitung" in der Überschrift steht: Explosive Stimmung in bayerischen Kurorten 25 000 Arbeitsplätze stehen auf der Kippe Im Text heißt es: Verärgert zeigten sich die Bädervertreter und Kommunalpolitiker vor allem über die Bonner CSU-Landesgruppe, die am Montag per Presseverteiler versucht hatte, den Anschein zu erwekken, als seien die schlimmsten Auswirkungen des Sparkonzepts von Minister Seehofer vom Tisch. Die Kurorte seien gerettet, hatte das Bonner Büro von CSU-Landesgruppenchef Michael Glos verbreiten lassen. Nichts davon ist der Fall. Wir werden erleben, daß in der Bundesrepublik jetzt der traurige Fall eintritt, daß die Arbeitslosigkeit in strukturschwachen Gebieten zunimmt, anstatt beseitigt zu werden. (Beifall bei der SPD) Ich will Ihnen einmal deutlich vor Augen führen, wozu das Ganze führt. In strukturschwachen Gebieten sind in den 60er und 70er Jahren hochqualifizierte Arbeitsplätze geschaffen worden, und zwar gemeinsam von allen Sozialpolitikern, weil man den Dienstleistungsberuf im Gesundheitswesen wollte. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Ramsauer? Karl Hermann Haack (Extertal) (SPD): Ja, natürlich. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß diejenigen, die Sie aus der „Süddeutschen Zeitung" zitieren, zu einigen ganz wichtigen Bestandteilen des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes des letzten Jahres ausdrücklich ja gesagt haben? Darf ich weiter fragen, ob Ihnen beispielsweise bekannt ist, daß der Vorsitzende des Bayerischen Heilbäderverbandes (Zuruf von der SPD: Ist der nicht aus der CSU ausgetreten?) Dr. Peter Ramsauer in einem Vermerk über ein Gespräch mit der Bayerischen Staatsregierung geschrieben hat: Wir gemeint ist der Bayerische Heilbäderverband - haben hierzu erklärt, daß der Bayerische Heilbäderverband die Erhöhung der Zuzahlung von 12 DM auf 25 DM und die Anrechnung von zwei Urlaubstagen pro Kurwoche im stationären Bereich mittragen wird. Das wurde Anfang Februar dieses Jahres geschrieben, zu einem Zeitpunkt also, zu dem die Auslastung der Kurorte bereits an einem relativen Tiefpunkt angelangt war. Karl Hermann Haack (Extertal) (SPD): Herr Ramsauer, mit dieser Protokollnotiz ist Ihnen der Notnagel gegeben, mit dem Sie in der Öffentlichkeit operieren. Herr Gnan hat in der Anhörung des Gesundheitsausschusses zu dem Thema Rehabilitation erklärt, daß er die Politik, die gemacht worden ist, verurteilt. Er hatte der Zuzahlungsregelung und der Anrechnung von Urlaubstagen damals im Rahmen einer Paketmaßnahme zur Verbesserung der Struktur zugestimmt. Von Bayern wurde das nicht eingehalten. Daraufhin ist Herr Gnan aus Verärgerung aus der CSU ausgetreten, (Beifall bei der SPD) ist gestern auf der SPD-Bäderkonferenz in Bayern aufgetreten, hat Ihre Politik dort verurteilt und den Antrag, den Sie jetzt vorlegen, als „Schaufensterantrag" deklariert. Daher sollten Sie die Protokollnotiz wegschmeißen. (Beifall bei der SPD) Ich kündige namens der SPD an, daß wir in der zweiten Lesung einen Änderungsantrag einbringen werden, bei dem Sie Gelegenheit haben werden, über den Antrag des Landesvaters Stoiber abzustimmen. Wenn Sie diesem Antrag nicht zustimmen, steht Herr Stoiber politisch ohne Hemd und Hose in der Bäderlandschaft da. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Marina Steindor. Marina Steindor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute über eine Korrekturmaßnahme der neoliberalen Sozialpolitik dieser Regierungskoalition. Mit Ihrem sogenannten Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz haben Sie es erreicht, daß in diesem Land mehr inländische personenbezogene Dienstleistungsarbeitsplätze vernichtet bzw. in extremem Maße gefährdet als neue geschaffen worden sind. Das kann man an den Arbeitslosenzahlen ablesen; das ist ganz einfach. Wenn Sie sich jetzt hinstellen und sagen, der Antragsrückgang sei durch eine Desinformationskampagne der Opposition hervorgerufen worden, dann ist das nichts anderes als ein Manöver, mit dem Sie versuchen, von Ihren politischen Mängeln abzulenken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Ich glaube nicht, daß Ihnen das irgend jemand hier in der Republik abnehmen wird. Im Schlußsatz meiner Rede zur ersten Lesung des Bundesratsentwurfs habe ich Ihnen vorgeworfen, daß Sie hier regelrecht Hilfeleistung unterlassen. Wenn ich mir das anschaue, was Sie jetzt bieten, muß ich feststellen, daß Sie sogar noch weitergehen. Man kann jetzt schon sadistische Züge in Ihrer Politik entdecken. Denn was machen Sie hier? Die Kurbetriebe darben - und Sie hängen ihnen eine Wurst an die Decke, an die sie nicht herankommen. Im Gesundheitsausschuß ist gesagt worden: Es ist wichtig, daß die Kurkliniken ein Licht am Ende des Tunnels sehen. Das Licht kommt dann in Form von Geld im nächsten Jahr. Aber was heißt das? Sie machen hier einen neuen Verschiebebahnhof auf; denn Sie verlassen sich darauf, daß die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kurkliniken ihre Situation mit Kurzarbeitergeld überbrücken. Diese Leistungen gehen zu Lasten der Bundesanstalt für Arbeit, und dann haben Sie dort wieder finanzielle Probleme. Dazu kommt noch, daß Sie verschweigen, daß Sie diese Marktbereinigung, die jetzt stattfindet, politisch wollen. Diese Marktbereinigung geschieht nicht nach der Qualität der Kur- und Rehabilitationseinrichtungen, sondern einzig und allein danach, wieviel Rückendeckung sie haben, wie die Kapitaldecke ist oder wie sie sich sonst so durchwursteln. Mit einer gezielten, planvollen Politik hat dies nichts mehr zu tun. Sie haben einen zweiten Verschiebebahnhof aufgemacht: Sie wollen die Kinderkuren in die Krankenversicherung stecken. (Uwe Lühr [F.D.P.]: Da gehören sie auch hin!) Sie behaupten immer ganz süffisant, da gehörten sie auch hin. Ich möchte hier behaupten: Es muß irgendwann in der Vergangenheit einen guten Grund gegeben haben, die Kinderrehabilitation in die Rentenversicherung zu tun. Es gibt nämlich sehr viele Jugendliche, die an chronischen Krankheiten leiden und die mit diesen Rehabilitationsmaßnahmen über Ausbildungszeiten in die Berufswelt eingeschleust werden. Das wissen Sie sehr wohl. Außerdem haben Sie höchstselbst den Krankenkassen das finanzielle Volumen so drastisch zusammengestrichen, daß diese zusätzlichen Gelder zu Lasten anderer Leistungen in der Krankenkasse rausgespart werden müssen. Kur und Rehabilitation sind in der gesetzlichen Krankenversicherung Kann-Leistungen und keine Pflichtleistungen. Sie selbst haben den Krankenkassen in Ihrem NOG 2 offenere Vertragsbedingungen geschaffen. Sie werden sehen, daß bei der Rehabili- Marina Steindor tation von Kindern Präzedenzfälle geschaffen werden; denn die Kinderrehabilitation wird dem Wettbewerb der Krankenkassen ausgesetzt. Die Rehabilitation für Kinder und Jugendliche ist mit Ihrer Politik im Bestand gefährdet. Ich muß abschließend feststellen: Die politische Landschaft scheint sich hier mehr oder weniger in ihr Gegenteil verkehrt zu haben. Wir haben es hier mit einem Bundesratsentwurf zu tun, in dem unionsregierte Länder im Namen aller Bundesländer in dieser Republik um Hilfe gerufen haben, weil Ihre Politik ihnen und den Menschen in diesem Land so viele Probleme bereitet. Heute nacht beispielsweise bin ich als bundesgrüne Abgeordnete - ich denke, daß das auch der SPD passiert ist - von den privaten Krankenversicherungsanstalten mit Faxen versorgt worden. Deren Klientel ist - zumindest in der Spitze - ganz klar eine F.D.P.-Klientel. Sie haben uns gesagt, daß es nicht nur vier Kinder- und Jugendrehabilitationseinrichtungen gibt, sondern noch viel mehr. Das zeigt zum x-ten Male, wie kurzsichtig Sie versuchen, ein Loch zu stopfen, indem Sie ein anderes aufreißen. Sie haben eine Fülle von Problemen, die in der Folge entstehen werden. Sie versuchen krampfhaft, Ihr neoliberales Politikmodell zusammenzuhalten. Mit Konzept hat das nichts mehr zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Thomae. Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich begrüße es ausdrücklich, daß die Koalition die politische Kraft hat, hier zu korrigieren. Wir wollen in Maßen korrigieren. Diese Entscheidung ist uns sicherlich nicht leichtgefallen. Denn wir stehen vor dem Problem, daß diese Entscheidung in einem bestimmten Umfange die Lohnzusatzkosten belastet und damit letztlich Auswirkungen auf die Rentenversicherungsbeiträge und somit auch auf die gesamten Sozialversicherungsbeiträge hat. Es ist etwa ein Betrag von 0,013 Prozent im ersten Jahr, 1998, und ab 1998 und dann die folgenden Jahre von 0,038 %. Dennoch kann ich dies verantworten, meine Damen und Herren, weil ich immer wieder gesagt habe: Wir müssen in diesem Bereich einen Zeitraum einräumen, in dem man sich umstellen kann. Wir können hier nicht abrupt Veränderungen herbeiführen, sondern wir müssen eine Zeitschiene vorsehen, und auf dieser Zeitschiene müssen die Unternehmer Umstellungsmöglichkeiten haben. Das ist der entscheidende Grund, warum die Koalition korrigiert hat. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Dies, meine Damen und Herren, ist vernünftig. Natürlich haben Sie andere Vorstellungen. Aber ich kann unsere Vorstellungen für das Jahr 1997 verantworten, weil wir wissen, daß die Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen in diesem Jahr weit niedriger war als sonst. Die Rentenversicherung und die Krankenversicherung sind in der Lage, zusätzliche Anträge zu genehmigen und Rehabilitationsmaßnahmen durchzuführen. Das klappt in diesem Jahr, meine Damen und Herren. Viel wichtiger ist das Signal für die Betreiber. Es ist wichtig, daß wir ihnen für die Jahre 1998 und 1999 das Signal geben, daß die gegenwärtige Kapazität erhalten bleibt. Eines möchte ich hierbei deutlich sagen, meine Damen und Herren: Wenn Sie jetzt eine Untersuchung bei den Kliniken der BfA und der LVA auf der einen Seite und bei den privaten Betreibern auf der anderen Seite durchführen, werden Sie feststellen, daß die Auslastung im Bereich der BfA- und LVA-Kliniken bei 90 bis 92 Prozent liegt, während sie bei den privaten Betreibern lediglich bei 50 Prozent plus ... liegt. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Nein, ich rede erst zu Ende. Das wollten wir im letzten Gesetzgebungsverfahren nicht. Das ist eine völlige Ungleichbehandlung. Ich sage sehr deutlich: Wenn wir jetzt finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, muß dieses Ungleichgewicht zwischen BfA- und LVA-Kliniken und privaten Betreibern korrigiert werden. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Es ist nicht zu verantworten, was hier gemacht wird. Das ist auch einer der entscheidenden Gründe, warum wir bereit sind, in der Umstellungsphase eine zusätzliche Belastung in Kauf zu nehmen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie wirklich, in diesem wesentlichen Punkt Korrekturen herbeizuführen. Lassen Sie mich zum letzten Punkt, der soeben angesprochen worden ist, auch noch kurz etwas sagen. Die Verlagerung von 210 Millionen DM für den Bereich Kinderrehabilitation von der Rentenversicherung zur Krankenversicherung ist ein sehr sensibler Vorgang. Ich sage Ihnen: Heute wird nicht darüber entschieden, daß dieser Bereich verlagert wird. Wir haben Wert darauf gelegt, daß dies in einem eigenen Gesetz passiert, wenn nicht die Krankenkassen es durch Vertragsgestaltung ermöglichen. (Antje-Marie Steen [SPD]: Was ist das denn?) - Das ist so, lesen Sie es nach! Dies muß in einem eigenen Gesetz formuliert werden, das ist so. (Susanne Kastner [SPD]: Operation Sandmännchen, für die Wahl!) - Nein, die Verlagerung von der Rentenversicherung in die Krankenversicherung muß in einem eigenen Gesetz formuliert werden. (Gerd Andres [SPD]: Wann, Herr Dr. Thomae?) Dr. Dieter Thomae - Wenn es zum 1. Januar 1998 in Kraft treten soll, muß darüber in diesem Jahr entschieden werden. Wir werden in der Sommerpause in Ruhe darüber diskutieren, wie dies organisiert werden kann. Aber eines sage ich hier - auch im Namen der Koalition - sehr deutlich: Es ist von uns nicht beabsichtigt, diese Leistung in irgendeinem Umfange zu reduzieren, sondern wir wollen sie erhalten, weil wir wissen, daß sie notwendig ist. Dies ist eine Aussage der Koalition, und dazu stehen wir. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege, gestatten Sie jetzt Zwischenfragen? Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Ja, jetzt bin ich am Ende meiner Rede. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Dann sind Sie zunächst dran, Herr Kirschner. Klaus Kirschner (SPD): Herr Kollege Dr. Thomae, Sie sprechen jetzt so vehement dafür, daß 210 Millionen DM jährlich von der Rentenversicherung auf die Krankenversicherung verlagert werden. Vor wenigen Wochen wurden hier im Deutschen Bundestag im Zusammenhang mit dem 1. und 2. NOG die Einschnitte von Ihnen, von der Koalition, damit begründet, daß gespart werden muß. Sie wissen, daß von den Defiziten der gesetzlichen Krankenversicherung 1996 und 1995 in Höhe von 6,3 bzw. 7 Milliarden DM allein 5 Milliarden DM durch die Absenkung der Bemessungsgrundlage bedingt sind. Wenn Sie das Defizit jetzt um weitere 210 Millionen DM erhöhen, wie wollen Sie das eigentlich begründen? Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Der erste Grund ist, daß es für die Verlagerung in die gesetzliche Krankenversicherung einen sachlichen Zusammenhang gibt. Der zweite Grund ist - das sage ich sehr deutlich, damit wir uns hier verstehen -: In der gesetzlichen Krankenversicherung muß dieser Bereich zwar zusätzlich finanziert werden; das ist eindeutig. Wir haben aber einen Vorteil, meine Damen und Herren: unsere gut formulierten Neuordnungsgesetze, 1. NOG und 2. NOG. Mit dem 1. NOG und dem 2. NOG haben wir die Voraussetzungen geschaffen, über die Vertragsgestaltung Wirtschaftlichkeitsreserven aufzudecken und bei dem jetzigen Beitragssatz medizinisch notwendige Leistungen zu finanzieren. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Zwischenfrage des Kollegen Wodarg? - Bitte. , Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Herr Thomae, ist Ihnen bekannt, daß die miteinander im Wettbewerb stehenden Krankenkassen, die schon jetzt für einige Kinderrehabilitationsverfahren, Kinderkuren zuständig sind, mit Hilfe der Begutachtungspraxis ihrer Medizinischen Dienste, aber auch wegen der zurückgehenden Anzahl von Anträgen - es besteht ja die Möglichkeit, den Menschen Mut zu machen - dafür gesorgt haben, daß zum Beispiel die Zahl der Kinderkuren erheblich zurückgegangen ist? Wissen Sie, um wieviel Prozent die Zahl dieser Kuren zurückgegangen ist? Wie schätzen Sie das ein? Meine Bedenken gehen dahin, daß Sie versuchen, diese „erfolgreiche" Sparmethode zu nutzen, um auf diesem Wege auch die Kinderkuren, die jetzt im Bereich der Rentenversicherung gut aufgehoben sind, weil dort dafür gesorgt wird, daß potentiell Erwerbstätige auch wirklich erwerbstätig werden können, auf kaltem Wege zu beseitigen. Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Herr Wodarg, ich habe sehr deutlich gesagt, daß die Koalition diesen Betrag weiterhin finanzieren will, weil es sich um Krankheitsbilder handelt, bei denen eine Therapie notwendig ist. Dies ist die Aussage der Koalition. Wir werden dafür sorgen, daß dies machbar ist. Ich sage aber auch: Wir haben uns entschieden, diese Thematik in der Sommerpause in Ruhe zu besprechen, damit wir ein vernünftiges Gesetz auf den Weg bringen - wenn notwendig -, das hieb- und stichfest ist. Darauf habe ich besonderen Wert gelegt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dr. Ruth Fuchs. Dr. Ruth Fuchs (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit den nach mehrmonatiger Verzögerung von der Koalition endlich eingebrachten Anträgen sollen die im vorigen Jahr beschlossenen radikalen Kürzungen der Mittel für Rehabilitation und Kuren wieder etwas gemildert werden. Damit sieht sich die Koalition gezwungen, erstmals vor aller Öffentlichkeit einzugestehen, daß ihre sogenannten Sparmaßnahmen auf diesem Gebiet in kürzester Zeit ein regelrechtes Katastrophenszenario ausgelöst haben. Vor diesem Hintergrund ist es schon ein unüberbietbares Beispiel politischer Unverfrorenheit, wenn die Koalition in ihrem Antrag behauptet, es seien die Oppositionsparteien und eine von ihnen betriebene Desinformationskampagne gegen die dritte Stufe der Gesundheitsreform und gegen die sonstigen Streichungen der Regierung gewesen, die das Desaster ausgelöst hätten. Das ist so dreist, daß es fast schon wieder Format hat. (Beifall bei der PDS) Was ist nun zu den jetzigen Bemühungen zur Schadensbegrenzung zu sagen? Das Angebot der Koalition bleibt meilenweit hinter dem zurück, was der Bundesrat in seinem Gesetz gefordert hat. Es wird die jetzige Situation in keiner Weise entscheidend verbessern können. Das beginnt schon damit, daß das laufende Jahr 1997 bei den Wiederaufstokkungen völlig ausgeklammert bleibt. Für viele Einrichtungen, gerade auch für Einrichtungen in den Dr. Ruth Fuchs neuen Bundesländern, wird dadurch jede Hilfe zu spät kommen. Die für 1998 und ab 1999 vorgesehenen Mehrausgaben sind weit geringer als das, was von den Bundesländern als das absolute Minimum angesehen wird. Regierung und Koalition gehen offensichtlich davon aus, daß man für diese Jahre einfach deshalb weniger Mittel brauchen wird, weil die angestrebte Marktbereinigung dann schon stattgefunden haben wird. Angesichts dieser Tatsachen hören wir von der Regierung, daß die Einrichtungen und die Kurorte durch ihre Vorschläge wieder eine dauerhafte Zukunftsperspektive hätten. Das ist blanker Zynismus und kann in den Ohren der Betroffenen nur noch wie reiner Hohn klingen. Um negative Auswirkungen auf die Beitragssätze der Rentenversicherung möglichst zu vermeiden, sollen ab 1998 die bisher von der Rentenversicherung getragenen Kosten für Kinder-Reha-Maßnahmen und -Kuren in Höhe von etwa 210 Millionen DM von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Dieser neue Verschiebebahnhof zuungunsten der GKV ist geradezu eine Unverschämtheit. Ohnehin stehen dort flächendeckende Beitragserhöhungen an, die außerdem ab 1. Juli mit entsprechenden automatischen Zuzahlungserhöhungen verknüpft sind. Damit ist die vorgelegte Lösung à la Koalition und Regierung auf ihren Kern zurückgeführt: Es sind wieder die Versicherten, die Kranken selbst, bei denen eine neue gepfefferte Rechnung ankommen wird. Dieses trickreiche Manöver der Koalition ist durchschaubar und wird ihr nichts helfen. Die Probleme bleiben zu großen Teilen bestehen, und der Wahltermin rückt immer näher. Die vorgelegten Anträge der Koalition müssen wir entschieden zurückweisen. Dem Änderungsantrag der SPD, der sich auf die Forderungen des Bundesrates stützt, werden wir zustimmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer Kurzintervention, die sich auf die Rede des Kollegen Thomae bezieht, erteile ich jetzt dem Kollegen Metzger das Wort. Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kolleginnen und Kollegen! Ich melde mich hier in der Diskussion als jemand, der aus einer Region kommt, in der Kur- und Badeorte die Strukturprobleme, die vom euphemistisch „Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz " genannten Gesetz vom 13. September 1996 verursacht wurden, schmerzhaft spüren. Derweilen stellen Sie sich hier hin, Herr Thomae, und verkünden, die Koalition denke im Sommer über eine gesetzestechnische Regelung nach, wie ab dem 1. Januar 1998 Veränderungen im Bereich der Kinderkuren greifen können. Während dieser Sommermonate - jeder aus der Praxis weiß, daß es auch in guten Jahren im Juli und August Einbrüche gab - wird in den Kurorten eine Flächenbereinigung stattfinden. Weitere Kliniken werden zumachen, Beschäftigte werden zuhauf arbeitslos werden. In meinem Wahlkreis sind tausend ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von öffentlichen Kliniken bereits arbeitslos. Das führt zu Strukturproblemen, welche die mit öffentlichen Mitteln geförderten Kliniken erledigt haben. In Gegenden, wo die CDU die absolute Mehrheit hat, wenden sich CDU-Bürgermeister händeringend an die Wahlkreiskollegen der CDU und versuchen seit Monaten, eine Initiative dieser Fraktion zur Korrektur zustande bringen. Was Sie heute vortragen - als Angebot an die Fremdenverkehrsorte, Marktanpassungen im Rehabilitationsbereich vorzunehmen -, kommt zu spät. „Zynismus" hat es die Kollegin von der PDS gerade genannt. Ich mache mir diesen Begriff zu eigen: Sie unternehmen hier den Versuch, per Gießkannenförderung Ihre eigene Klientel zu besänftigen. Das kommt zu spät. Sie lösen in strukturschwachen Räumen einen Flächenbrand aus, den Sie nicht mehr unter Kontrolle bekommen können. Von Qualitätssicherung im Kurbereich bleibt nichts übrig. Herr Thomae, nicht die leistungsfähigen Reha-Kliniken, die medizinisch Wertvolles leisten, bleiben übrig, sondern die, die sich mit Dumpingpreisen und schlechtem Personal am Markt durchsetzen. Das ist das Gegenteil dessen, was Sie wollten. Natürlich weiß ich, daß über Jahre hinweg Schindluder im Bereich von Kur- und Reha-Maßnahmen betrieben wurde. Ich sehe auch den Zusammenhang, daß Rehabilitationsmaßnahmen nicht automatisch zu weniger Frühverrentungen geführt haben. So sind beispielsweise die Kuranträge im Bereich orthopädischer Maßnahmen in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren um mehr als 1000 Prozent gestiegen, während gleichzeitig die Zahl der Anträge auf vorzeitiges ZurRuhe-Setzen in einem extremen Ausmaß gestiegen ist. Hier aber haben Sie als Koalitionsfraktionen sich einen klassischen Schuß ins Knie geleistet. Das werden Sie bei den Wahlen im nächsten Jahr auf jeden Fall in Ihren bisher „sicheren" Wahlkreisen auf die Rechnung bekommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wollen Sie antworten? - Bitte. Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Auch ich komme aus einer Kurregion und weiß, welche Probleme dort herrschen. Ich sage aber dennoch: Diese Entscheidung, die wir jetzt getroffen haben, wurde beispielsweise in den Anhörungen des Gesundheitsausschusses von den Vertretern der Verbände vorgeschlagen. (Susanne Kastner [SPD]: Das ist Quatsch!) Wir bieten ihnen einen Stufenplan zur Stabilisierung an, so daß sie Zeit bekommen, Kundenkreise zu entdecken, die bereit sind, Kur- und Rehabilitationsmaßnahmen im privaten Bereich durchzuführen. Dr. Dieter Thomae Ich sage sehr deutlich: Unsere Maßnahme wird eine Stabilisierung herbeiführen. Sie wird aber keine hundertprozentige Belegung im Rehabilitations- und Kurbereich mehr sichern. Dies will die Koalition auch nicht. Wir wollen durch ein Marketingkonzept dafür sorgen, daß auch private Kunden diese Einrichtungen in Anspruch nehmen. Meine Damen und Herren, die Zeit ist gekommen, dies sehr deutlich zu machen. Ich füge hinzu: Der Markt dafür ist vorhanden. Dafür haben wir auch Übergangsphasen vorgesehen. (Zuruf von der SPD: Bei 6 Millionen Arbeitslosen!) Diesen Weg halte ich für richtig. Wenn wir in anderen Bereichen sparen müssen, wenn andere Branchen sich umstellen müssen, dann muß sich diese Branche ebenfalls auf veränderte Strukturen umstellen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen unseren Eduard Zwick wiederhaben!) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat nun Herr Bundesminister Norbert Blüm. (Zurufe von der SPD: Oh! - Jetzt macht der Blüm den Stoiber fertig!) Dr. Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kenne kein Land der Welt mit einem so guten, öffentlich bezahlten Kur- und Rehabilitationswesen wie Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Das gibt es auf der ganzen Welt kein zweites Mal! (Zuruf von der SPD: Das ist der alte Zustand, und wie ist der neue?) Selbst nach erfolgter Einschränkung wird Deutschland immer noch das Spitzenland sein. Ich habe heute mittag Jubiläum; es ist die alte Veranstaltung: Die Beiträge sind zu hoch, aber es darf nicht zu Einschränkungen kommen. - Meine Damen und Herren von der SPD, ich habe hier das eindrucksvolle Interview Ihres Parteivorsitzenden Lafontaine: „Auch wir sind für Einsparungen, (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Ja, wo?) zum Beispiel bei den Kuren." So steht es in der „Bild"-Zeitung vom 8. Mai 1996. (Widerspruch bei der SPD) Es ist immer das gleiche Spiel: Sie spitzen den Mund, aber pfeifen nicht. Für Allgemeinplätze erhalten Sie die Goldmedaille, beim Durchsetzen von Maßnahmen befinden Sie sich überhaupt nicht auf dem Spielfeld. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Diese Art von Schizophrenie beginnt mich nun wirklich zu langweilen. Aber jetzt zur Sache selbst; wollen wir einmal den Hintergrund aufhellen. Im Jahr 1991- nicht 1891, Herr Kollege Haack - betrugen die Ausgaben für Rehabilitation (Zuruf des Abg. Karl Hermann Haack [Extertal] [SPD]) - hören Sie zu! - 6,3 Milliarden DM. Das war vor sechs Jahren. 1996 betrugen die Ausgaben im selben Bereich 10,2 Milliarden DM. Sie erhöhten sich damit innerhalb von fünf Jahren um 3,9 Milliarden DM. Das ist also eine Steigerung der Ausgaben der Rentenversicherung für Rehabilitation um 60 Prozent. Ist jemand hier in diesem Hohen Hause, der behauptet, eine Kostensteigerung um 60 Prozent sei gesundheitlich bedingt? Behauptet hier jemand, der Gesundheitszustand der deutschen Bevölkerung habe sich in sechs Jahren um 60 Prozent verschlechtert? Gibt es jemanden hier im Saal, der dieser Ansicht ist? - Er sollte sich jetzt melden. (Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) - Nein, er soll sich wirklich melden. Rehabilitation ist wichtig und notwendig. Es bleibt auch bei dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente". Das ist eine Vorfahrtsregel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber nicht alles, meine Damen und Herren, was unter gesundheitlichem Aspekt gewünscht wird, müssen die Beitragszahler zahlen. Das medizinisch Notwendige wird auch weiter finanziert. - Die alte Kostendeckelung belief sich auf 7,7 Milliarden DM; sie steigt zusätzlich zur Entwicklung entsprechend der Grundlohnsumme in zwei Jahren um 900 Millionen DM. - Noch einmal: Nicht alles, was im Interesse der Gesundheit wünschenswert ist, muß auf Krankenschein finanziert werden. Aber alles, was gesundheitlich notwendig ist, muß weiterhin finanziert werden. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh je!) - Ja, Herr Kollege, sonst kommt jemand - Sie wahrscheinlich - auf die Idee, Müsli sei gesundheitlich wertvoll und müsse auf Krankenschein verordnet werden. (Heiterkeit - Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich gönne jedem seine Fitneßkur, seinen Gesundheitsurlaub, aber bitte nicht alles auf Kosten, auf dem Buckel der Beitragszahler: der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wenn die Rehabilitationsbetriebe kreativ sind, erschließen sie sich einen neuen Markt. (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: So ist es!) Die Zahl der Urlaubstage ist gestiegen, es gibt viel mehr Nachfrage nach Gesundheit, nach Fitneß. Das Bundesminister Dr. Norbert Blüm ist auch gut so, aber es muß nicht alles vom Staat, aus öffentlichen Kassen finanziert werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Saibold? Dr. Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Ja, bitte. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Bei dieser Regierung hilft nur noch Rente und keine Reha mehr!) - Nein. Für den Kollegen Fischer hätte ich eine Spezial-Reha. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nur noch Rente!) Sie haben zum Beispiel Ihre Abmagerungskur - das habe ich mir erzählen lassen - nicht auf Krankenschein durchgeführt. Dazu gratuliere ich Ihnen. (Heiterkeit - Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD) Für mich sind Sie deshalb der Prototyp eines vorbildlichen, gesundheitsbewußten Bürgers, der die Sozialkasse nicht belastet und der sein Sportstudio aus eigener Kraft und mit eigenem Beitrag bedient. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Halo Saibold (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister. Dr. Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Nein, jetzt nicht. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Sie haben doch aber eben eine Zwischenfrage zugelassen. Dr. Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Jetzt nicht mehr. Ich bin so gut in Fahrt. Der Herzkranke, der eine Anschlußheilbehandlung braucht, der bekommt seine Reha wie bisher. Ist hier jemand im Saal - da wollen wir mal Tacheles reden -, der nicht sieht, daß es in den Reha-Einrichtungen Wirtschaftlichkeitsreserven gibt? Lassen Sie sich doch einmal von der Situation an Wochenenden in den Reha-Einrichtungen berichten: Leerzeit. Mancher muß ein paar Tage warten, bis er den Arzt zum erstenmal sieht. Da sind noch viele Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, was nicht auf Kosten der Qualität geht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Von dem Reha-Ansatz der Rentenversicherung aus dem Jahr 1993 - das liegt keine 100 Jahre zurück - wird doch niemand sagen, da habe es keine Kuren, keine Rehabilitation gegeben. Ich gebe zu, wir nehmen den Anpassungsdruck etwas zurück. Das ist eine pragmatische Politik. Es ist aber keine Kehrtwende. Es muß gespart werden, damit die Beiträge nicht explodieren. Es muß auch für die gespart werden, die sich nicht alle drei Jahre eine Kur oder eine Rehabilitationsmaßnahme leisten können. Die gibt es nämlich auch. Deshalb war es auch notwendig, daß die Sozialkassen stärker darauf achten, daß Kur und Reha nicht zu einem einfachen Zusatzurlaub verkommen. Ich bin dafür: Wer krank ist, wer der Hilfe bedarf - das sind Millionen von Mitbürgerinnen und Mitbürgern -, bekommt eine anständige Kur. Ich füge hinzu: An den Kinderheilmaßnahmen wird keine müde Mark gespart, (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Können Sie das mal laut sagen?) zumal die entsprechenden Einrichtungen - das will ich hier vor diesem Hohen Haus sagen - Spitzeneinrichtungen sind. (Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]) Niemand in diesem Haus zieht das in Zweifel. Das sind Spitzeneinrichtungen. Sie haben einen sehr sinnvollen Zweck: den kranken Kindern zu helfen, sie wieder gesund zu machen. Frau Mascher, erklären Sie mir mal, wieso Kinderheilmaßnahmen von der Rentenversicherung bezahlt werden. Reha geht vor Rente. Bei den Kindern geht es aber nicht um die Vermeidung von Rentenzahlungen. Mit dieser Philosophie könnte die Krankenversicherung auch die berufliche Rehabilitation bezahlen. In einem gegliederten System - das ist nun mal so - muß jeder selbst darauf achten, daß er nur für seine Risiken aufkommt. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß: Das ist die alte Philosophie der SPD. Öffentlich erklären: Bei Kuren ist Sparen notwendig. Aber wenn es darum geht, Butter bei die Fische zu tun, seid ihr nicht zu sehen. Ich bleibe dabei: Reha ist eine wichtige Aufgabe. Im übrigen kann ambulante Rehabilitation in vielen Fällen gesundheitlich sinnvoller sein als eine dreiwöchige stationäre Hochleistung und dann nichts. Die wenigsten Fußballprofis kurieren ihre Verletzungen durch stationäre Rehabilitation aus. (Zurufe von der SPD) Über lange Zeit Massagen zu bekommen, Gymnastik zu bekommen ist wahrscheinlich - - (Zurufe von der SPD) - Außer Randalieren haben Sie zur Reha wirklich nichts beizutragen. Ich sage: Reha muß sein. Reha bleibt. Es gibt Wirtschaftlichkeitsreserven in den Reha-Einrichtungen. Die ambulante Reha kann in vielen Fällen sogar gesundheitlich sinnvoller sein. Sie ist in der Mehrzahl der Fälle sogar wirtschaftlich besser. Das sozial Rich- Bundesminister Dr. Norbert Blüm tige und das wirtschaftlich Vernünftige sind keine Gegensätze. Wir brauchen die Sozialversicherung. Wir brauchen die Reha. Aber wir brauchen sie nicht für alles. Wir brauchen sie nicht für Zusatzurlaub. Wir brauchen sie auch nicht, um alle Gesundheitsbedürfnisse zu stillen - so wichtig die sind. Die Reha bleibt. Es wird gespart. Wir lassen uns von diesem Kurs nicht abbringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es sind zwei Kurzinterventionen angemeldet, zunächst von dem Kollegen Haack und dann von der Kollegin Saibold. Ich lasse sie direkt nacheinander zu; dann kann der Minister auf beide gemeinsam antworten. Karl Hermann Haack (Extertal) (SPD): Herr Minister Blüm, ich möchte zu drei Punkten Ihrer Einlassung kurz Stellung nehmen. Sie haben die Frage angeschnitten, in der Bundesrepublik sei es einmalig, daß man Reha machen kann. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Das ist ein bewährtes System. Inzwischen ist die Situation eingetreten, daß sich die holländische Sozialversicherung bei den deutschen Rentenversicherern erkundigt, wie man Rehabilitation macht. Die Holländer haben die Absicht, das deutsche System zu kopieren, weil sie es für sinnvoll halten. (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Aber nicht hundertprozentig!) Zur Zeit bereist die Präsidentin des japanischen Heilbäderverbandes die Bundesrepublik Deutschland, weil sie das deutsche System in Japan einführen will. Dazu sage ich: Wenn Sie behaupten, Sie wollten einen Beitrag zur Sicherung des Standortes Deutschland leisten, dann machen Sie doch einfach folgendes: Greifen Sie diesen Grundgedanken auf und versuchen Sie, das Dienstleistungsgeschäft Rehabilitation zu exportieren! (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Sind wir doch dabei!) Das wäre eine gute Sache; damit könnten Sie den Standort Bundesrepublik Deutschland sichern. Als zweiten Punkt möchte ich die Steigerungen ansprechen. Ich, weise noch einmal darauf hin, daß die deutsche Einheit eine große Rolle gespielt hat, daß der demographische Faktor eine Rolle gespielt hat und daß die Tatsache, daß Sie einen Verschiebebahnhof von der Arbeitslosenversicherung in die Rentenversicherung aufgemacht haben, die strategische Ursache für die Steigerung der Kosten war. Ich komme jetzt zum Thema Strukturwandel. Sie sagen: Der notwendige Strukturwandel muß sein. Dieser Strukturwandel ist seit Jahren im Gange. Wenn ich das am Beispiel der ambulanten Rehabilitation, die Sie hier einfordern, darstelle, heißt das: Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation hat Modellvorhaben abgeschlossen, die gezeigt haben, daß 14 Prozent der stationären Reha-Maßnahmen wohnortnah und ambulant erbracht werden können. Das ist auf dem Weg. Nur, der erste, der versucht hat, dieses Konzept umzusetzen, ist an Ihrer Sozialpolitik und an der Gesundheitspolitik des Herrn Seehofer gescheitert: Herr Päselt in Bayern hat seine der ambulanten Rehabilitation dienenden Einrichtungen schließen müssen, weil auch dort die Zahl der Anträge entsprechend zurückgegangen ist. Das sollten Sie, wenn Sie hier so argumentieren, schon zur Kenntnis nehmen. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Nun hat das Wort die Kollegin Saibold. Halo Saibold (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, Sie haben vorhin angeführt, daß die Zahlen in den Jahren 1991 bis 1995 in sehr großem Maße gestiegen sind. Sie fragten, wer sich denn das erklären kann. Sie wissen das doch genau. Es ist doch in sämtlichen Unterlagen aus den verschiedensten Ministerien bestätigt worden, daß das damit zusammenhängt, daß die Beschlüsse, die für den Krankenhausbereich gefaßt wurden, die Einführung der Fallpauschalen und ähnliches, dazu führten, daß die Zahl der Anschlußheilbehandlungen und damit auch die der Reha-Behandlungen usw. enorm gestiegen ist. Auch hat der Anstieg im Osten mit dazu beigetragen, in diesem Bereich entsprechende Steigerungen herbeizuführen. Haben Sie denn vergessen, daß erst vor einigen Jahren Beschränkungen und Erschwerungen bei der Gewährung ambulanter Kuren beschlossen worden sind, so daß die Zahl stationärer Kuren auf Grund Ihrer Maßnahmen gestiegen ist? Hier stellen Sie sich hin und tun so, als wenn das alles zufällig gekommen wäre und es sich dabei nur um Mißbrauchserscheinungen handelte. Dafür tragen Sie doch mit Ihrer Politik die Verantwortung. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Ich finde es unverschämt, daß Sie wieder mit dem Thema „Fango und Tango" kommen. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das hat er doch gar nicht gesagt! Das haben Sie jetzt gesagt!) Das ist ja immer wieder von den Koalitionsfraktionen angeführt und zur Verunglimpfung einer Maßnahme herangezogen worden, die zur gesundheitlichen Wiederherstellung und auch zur Prävention unerläßlich ist und deshalb bei uns aus guten Gründen so sehr angesehen ist. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Wie Sie diesen Imageverlust, den Sie verursacht haben und nicht die Opposition, überhaupt wieder rückgängig machen wollen, möchte ich gerne einmal wissen. Halo Saibold Wenn Sie ehrlich sind, stimmen Sie mir sicherlich auch darin zu, daß die Maßnahmen, die wir heute beschließen und die im Jahre 1997 keinerlei Verbesserungen bringen, dazu führen, daß ganze Regionen kaputtgehen werden. Die Erhöhungen für 1998 werden nur deswegen eingeführt, weil dann ein Wahl- jahr ist und weil die Kollegen der CSU Angst haben, daß sie in Bayern nicht mehr gewählt werden. Einen anderen Grund für die Scheinlösung, die Sie heute anbieten, gibt es nämlich nicht. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zur Antwort erhält Herr Bundesminister Blüm das Wort. Dr. Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Verehrte Frau Kollegin, ich habe das Wort Fango/Tango überhaupt nicht in den Mund genommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Sie müssen in einem anderen Saal gewesen sein. Meine Grundthese wiederhole ich: Das deutsche Kur- und Rehabilitationswesen ist vorbildlich. Allerdings muß nicht alles, was gesundheitlich erwünscht ist, von den Sozialkassen bezahlt werden. Das ist meine Grundthese. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 60 Prozent Steigerung zwischen 1991 und 1996 -das sind 3,9 Milliarden DM - können Sie nicht nur mit den Faktoren, die Sie aufzählen, erklären, zumal die deutsche Einheit vor 1991, nämlich 1990, stattgefunden hat und das Basisjahr bereits ein gesamtdeutsches Jahr war. Ich fasse zusammen: Die Reha ist wichtig und vorbildlich. Herr Kollege Haack, sie ist auch für andere Länder vorbildlich und soll das auch bleiben. Sie war mit ihrem Budget im Jahr 1993 vorbildlich, auch 1997 ist sie mit einem Budget in Höhe von 7,7 Milliarden DM vorbildlich, und trotz unserer Einsparungen wird sie vorbildlich bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Antje-Marie Steen. Antje-Marie Steen (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Blüm, ich würde Ihnen ja so gerne glauben, daß die KinderReha wirklich sicher ist. Aber wenn es mit der Kinder-Reha so ist wie mit dem Slogan „Die Rente ist sicher", dann wissen wir, welches Schicksal die Kinder-Reha erwartet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Der vorliegende Antrag zeigt die Hilflosigkeit in Ihren Reihen auf. Sie versuchen krampfhaft, die Spaltung zwischen Ihnen und den unionsregierten Ländern wieder zu kitten. Vor 14 Tagen hat Frau Stamm, Ministerin aus Bayern, den Antrag mit großem Pathos eingebracht, und Sie sammeln heute ganz mühsam die Reste wieder ein, und das auch noch völlig unzulänglich. Ihr Änderungsantrag bewirkt, daß für das Jahr 1997 keine Budgetverbesserung erfolgt. Damit tritt das ein, was die Fachleute versucht haben, Ihnen in vielen Gesprächen und Anhörungen nahezubringen. Anscheinend war es erfolglos. Es folgen das Aus für viele Kliniken und Massenentlassungen für die Beschäftigten. Die Auswirkungen auf die Durchführung von Vorsorgeleistungen und Reha-Maßnahmen und die dadurch bedingte negative Wirkung auf eine präventiv und rehabilitiv ausgerichtete Gesundheitsversorgung setzt sich fort. Das ist anscheinend die politische Kraft, von der Herr Dr. Thomae gesprochen hat und die die Koalition umsetzt. Sie orientieren sich ausschließlich am Geldbeutel von Rehabilitanten. Ganz nachdrücklich lehnen wir Ihren Vorschlag ab, die Rehabilitation für Kinder von der Rentenversicherung in die gesetzliche Krankenversicherung zu verschieben. Hier wird nicht nur ein fiskalischer Trick versucht, auch die Qualität der sogenannten Kinder-Reha wird eine andere werden. Es scheint Ihnen entgangen zu sein, daß es wesentliche Unterschiede zwischen den stationären RehaMaßnahmen für Kinder aus der Rentenversicherung und den sogenannten Kinderkuren gibt. Herr Ramsauer hat ein beredtes Beispiel dafür abgeliefert. Bisher wurden in den privaten Kliniken und denen der Rentenversicherung überwiegend Kinder in Reha-Maßnahmen behandelt, die an chronischen Erkrankungen, zum Beispiel an Mukoviszidose leiden. Ein spezielles Therapieangebot, das ein ganzheitliches Konzept beinhaltet, liegt diesen Maßnahmen zugrunde. Sie dienen damit auch der Vorbereitung dieser chronisch kranken Kinder auf den Schulbeginn bzw. auf die spätere Berufsaufnahme. Sie sind der beruflichen, sozialen und medizinischen Rehabilitation gleichzusetzen. Voraussetzungen dafür sind die möglichst frühzeitig beginnende und oftmals überlebensnotwendige Schulung für den richtigen. Umgang mit der chronischen Krankheit, die nachsorgende Begleitung und vor allen Dingen die regelmäßige Wiederholung in kurzen Intervallen. Das alles wird es in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr geben. Das Einüben der richtigen Verhaltensweisen, zum Beispiel bei einem Asthmaanfall, ist sowohl unter gesundheitlichen als auch unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten unerläßlich. Für die Kinder ist es unverzichtbare Voraussetzung, um annähernd beschwerdefrei leben zu können. Wenn jetzt die gesetzliche Krankenversicherung Träger dieser Maßnahme werden soll, wird sie das Antje-Marie Steen nur unter den Qualitätsmerkmalen machen können, die sie bisher für die sogenannte Kinderkur angewandt hat. Damit wird der Erfolg und vor allem der Ansatz der ganzheitlichen Therapie gefährdet; denn in nur drei oder vier Wochen ist eine rehabilitierende Wirkung nicht zu erreichen. Sie verschlechtern ganz entscheidend die Lebensqualität und die Chancen dieser Kinder, wenn Sie Ihr Vorhaben wahrmachen. Bisher gibt es noch nicht einmal einen Gesetzentwurf dafür, und die Kinderrehabilitation wird in ein Loch fallen, so wie Sie es programmiert haben. Sie vernichten auf einen Schlag die Existenz der Kinder-Reha-Kliniken. Zum Beispiel stehen für die Kinder-Klinik in Amrum 165 Betten zur Disposition. Ähnlich ist es auf der Insel Sylt. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Es ist unverschämt, was Sie sagen!) Hier werden Kinder trainiert, die an Mukoviszidose leiden, deren Überlebenschancen wesentlich von einer umfassenden Rehabilitation abhängen. Sie machen mit Ihrem Antrag diese Möglichkeiten zunichte. Die Kinder brauchen ein hochspezialisiertes Therapieangebot, das bisher nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen war und wahrscheinlich auch nicht zu erbringen sein wird. Im übrigen wird dann auch in Zukunft der medizinische Dienst der Krankenkassen hier einwirken. Wir haben bereits aus anderen Bereichen gesehen, was es für Auswirkungen hat, wenn der medizinische Dienst nur nach fiskalischen und nicht mehr nach den Therapiegründen entscheidet. Es ist überhaupt fraglich, wie es um den Fortbestand der Kinder-Reha bestellt ist. Die gesetzliche Krankenversicherung soll diese Leistung unter der sogenannten partnerschaftlichen Vereinbarung ausführen. Das heißt, es wird alles zur Kann-Leistung und führt unter Umständen auch noch zu Beitragserhöhungen in den Kassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die Kassen befürchten bereits dieses Defizit; denn sie bekommen zu ihren 2,3 Milliarden DM noch 210 Millionen DM an Kosten dazu. Wie soll das ohne Beitragserhöhung ausgehen? Oder planen Sie wieder neue Zuzahlungsmodelle? Sie haben in der Sommerpause sicher Zeit, darüber nachzudenken. Es liegt wohl eher der Verdacht nahe, daß durch Leistungsausgrenzung bzw. restriktive Genehmigung die Kosten begrenzt werden sollen, wie sie es bereits heute praktizieren. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. Wir lehnen all Ihre Pläne ab, die eine Zerschlagung notwendiger medizinischer Vorsorge und Rehabilitation ausmachen. Wir wollen sehr wohl sparen. (Zurufe von der CDU/CSU: Wo?) Wir wollen durch die Reha, aber nicht an der Reha sparen, wie Sie es wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wir haben jetzt zum Schluß noch zwei Kurzinterventionen. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!) - Das ist ein parlamentarisches Recht. Es spricht zunächst der Kollege Ramsauer. (Zurufe von der SPD: Oh!) Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch etwas klarstellen. Das ist nach den Reden der Kollegin Steen und derjenigen des Kollegen Haack notwendig. Sie haben gesagt, Sie würden uns durch Ihren Antrag, der jetzt zur namentlichen Abstimmung steht, Gelegenheit geben, dem ursprünglichen Anliegen des Bundesrates, der Bayerischen Staatsregierung und des Landes Baden-Württemberg zuzustimmen. Ich möchte Ihnen dazu folgendes erklären. Zum einen möchte ich klarstellen, daß das, was wir jetzt im Kur- und Reha-Bereich in der Mittelbereitstellung verbessern wollen, in nahtloser Übereinstimmung mit der Bayerischen Staatsregierung und mit dem Land Baden-Württemberg erfolgt. (Lachen bei der SPD) Deshalb hat gestern im federführenden Ausschuß, dem für Arbeit und Sozialordnung, die bayerische Staatsministerin Barbara Stamm mehrmals klipp und klar gesagt, daß sie sich ausdrücklich zu dem jetzt gefundenen Kompromiß bekennt. Hier können Sie also keinen Keil hineintreiben. Zum zweiten. Ich habe in meiner Rede bereits deutlich gemacht: Wir lassen uns nicht auf ein Spiel oder auf einen Wettlauf nach dem Motto „ Wer bietet mehr?" ein. Sie wollen nur eines, nämlich mit der Übernahme des ursprünglichen Bundesratsantrages jetzt so tun, als ob derjenige bessere Politik machte, der mehr Geld verteilt. So ist es nicht. Wir lassen uns auf dieses Spiel nicht ein. Ihr Antrag ist also ein politischer Trick. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort zur letzten Kurzintervention hat jetzt der Kollege Dreßen. Peter Dreßen (SPD):Frau Präsidentin! Ich wollte mich auf die Wortmeldung des Bundesarbeitsministers melden. Herr Blüm, Sie haben sicherlich recht, wenn Sie sagen, daß wir ein gutes System im Reha-Bereich haben. Aber wäre das denn nicht ein- Peter Dreßen mal etwas, was wir in der Welt positiv verkaufen könnten und sagen: Wir sind stolz, daß wir ein solches System haben, und das wollen wir behalten? Das führt natürlich dazu, daß wir im Gesundheitssystem mit unseren Kosten trotz Ihrer verschiedenen Interventionen - natürlich bei den Kosten, wie in Industrieländern üblich - auf einer niedrigen Stufe stehen. Wenn Sie, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, an die Ausgaben der USA im Gesundheitsbereich denken, dann können Sie feststellen, daß wir sehr niedrige Kosten haben. Jetzt noch zwei Punkte. Was mich sehr stört, ist, daß die Abgeordneten der CDU nicht einmal den Mut aufbringen, in ihrem Wahlkreis in Kliniken zu gehen und zu sagen, wie es um sie steht. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Bestes Beispiel dafür ist der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, der den Menschen in Nordrach bis heute noch nicht erklärt hat, warum in Zukunft 200 Arbeitsplätze wegfallen sollen. Deswegen, Herr Bundesarbeitsminister: Ist es nicht als Arbeitsminister dieser Republik Ihre Pflicht, für Arbeitsplätze zu kämpfen und nicht für deren Vernichtung? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch, Drucksachen 13/7558 und 13/8076 Buchstabe a. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/8081 vor, über den wir zuerst abstimmen. Die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe damit die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses muß ich leider die Sitzung noch einmal kurz unterbrechen. Dann geht es im Abstimmungsverfahren weiter, und zwar mit der Nachwahl eines Mitglieds der PKK. (Unterbrechung von 16.55 bis 17.02 Uhr) Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/8081 bekannt. Abgegebene Stimmen: 629. Mit Ja haben gestimmt 307, mit Nein haben gestimmt 322. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 627; davon: ja: 305 nein: 322 Ja CDU/CSU Wolfgang Bosbach Wolfgang Krause (Dessau) SPD Brigitte Adler Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Klaus Barthel Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans Berger Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier Tilo Braune Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Elke Ferner Lothar Fischer (Homburg) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs (Köln) Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Günter Graf (Friesoythe) Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Achim Großmann Karl Hermann Haack (Extertal) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein Klaus Hasenfratz Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter Erwin Horn Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung (Düsseldorf) Sabine Kaspereit Susanne Kastner Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-Mengel Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Dr. Elke Leonhard Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Dorle Marx Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Herbert Meißner Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg Siegmar Mosdorf Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Wilfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Rudolf Purps Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Günter Rixe Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer (Nürnberg) Ulla Schmidt (Aachen) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt (Berg) Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter Richard Schuhmann (Delitzsch) Reinhard Schultz (Everswinkel) Volkmar Schultz (Köln) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster Horst Sielaff Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss Dr. Bodo Teichmann Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin Günter Verheugen Ute Vogt (Pforzheim) Karsten D. Voigt (Frankfurt) Hans Georg Wagner Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Jochen Welt Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek (Duisburg) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Berthold Wittich Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf (München) Heidi Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Gila Altmann (Aurich) Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Dr. Manuel Kiper Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Egbert Nitsch (Rendsburg) Cem Özdemir Gerd Poppe Simone Probst Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt (Hitzhofen) Wolfgang Schmitt (Langenfeld) Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz (Berlin) Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer Helmut Wilhelm (Amberg) Margareta Wolf (Frankfurt) PDS Wolfgang Bierstedt Petra Bläss Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Dr. Ludwig Elm Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs Andrea Gysi Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne Rolf Kutzmutz Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf Gerhard Zwerenz Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten Dr. Wolf Bauer Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Rudolf Braun (Auerbach) Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner (Schönebeck) Dankward Buwitt Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen (Nordstrand) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjörgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann Anke Eymer Ilse Falk Jochen Feilcke Dirk Fischer (Hamburg) Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma Glücklich Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund Horst Günther (Duisburg) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke (Großhennersdorf) Gerda Hasselfeldt Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Helmut Heiderich Manfred Heise Detlef Helling Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung (Limburg) Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Peter Keller Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus Andreas Krautscheid Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Karl Lamers Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dietrich Mahlo Erwin Marschewski Günter Marten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl Dr. Michael Meister Friedrich Merz Rudolf Meyer (Winsen) Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Elmar Müller (Kirchheim) Engelbert Nelle Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto (Erfurt) Dr. Gerhard Päselt Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau Helmut Rauber Peter Rauen Otto Regenspurger Christa Reichard (Dresden) Klaus Dieter Reichardt (Mannheim) Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder Dr. Erich Riedl (München) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch (Wiesbaden) Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth (Gießen) Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer (Stuttgart) Ortrun Schätzle Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz (Baesweiler) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte (Schwäbisch Gmünd) Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze (Sangershausen) Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Marion Seib Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser Dr. Susanne Tiemann Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Düren) Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke Kersten Wetzel Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner Bernd Wilz Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller F.D.P. Ina Albowitz Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun (Augsburg) Günther Bredehorn Jörg van Essen Dr. Olaf Feldmann Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Detlef Kleinert (Hannover) Roland Kohn Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete(r) Andres, Gerd, SPD Antretter, Robert, SPD Bindig, Rudolf, SPD Bühler (Bruchsal), Klaus, CDU/CSU Fischer (Unna), Leni, CDU/CSU Junghanns, Ulrich, CDU/CSU Kriedner, Arnulf, CDU/CSU Dr. Probst, Albert, CDU/CSU Schloten, Dieter, SPD Schluckebier, Günter, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Terborg, Margitta, SPD Dr. Wittmann, Fritz, CDU/CSU Zierer, Benno, CDU/CSU Ich bitte Sie, sich auf Ihre Plätze zu begeben, damit wir weiter abstimmen können. - Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen möchten, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen 16616 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Juni 1997 Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Dritte Beratung und Schlußabstimmung: Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen möchten, sich von den Plätzen zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/8076 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen worden. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 8 auf: Wahlvorschlag der Fraktion der SPD Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission gemäß § 4 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes - Drucksache 13/8041 - Die Fraktion der SPD schlägt auf Drucksache 13/ 8041 den Abgeordneten Volker Neumann (Bramsche) als Nachfolger für den ausgeschiedenen Kollegen Norbert Gansel vor. Bevor wir zur Wahl kommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Verfahren. Die erforderlichen Stimmkarten wurden verteilt. Sollten Sie noch keine erhalten haben, können Sie diese jetzt noch von den Parlamentssekretären bekommen. Für die Wahl benötigen Sie außerdem Ihren weißen Wahlausweis, den Sie, soweit noch nicht geschehen, jetzt noch Ihrem Schließfach in der Eingangshalle entnehmen können. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereint, das heißt, mindestens 337 Stimmen erhält. Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Die Wahl ist nicht geheim. Sie können die Stimmkarte deshalb an Ihren Plätzen ankreuzen, soweit nicht schon geschehen. Bevor Sie die Stimmkarte in eine der aufgestellten Wahlurnen werfen, geben Sie bitte Ihren Wahlausweis dem Schriftführer oder der Schriftführerin. Die Abgabe des Wahlausweises gilt als Nachweis für die Teilnahme an der Wahl. Ich bitte die Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ich eröffne jetzt die Wahl. - Haben jetzt alle ihren Wahlzettel abgegeben, auch die Schriftführerinnen und Schriftführer? - Das ist offensichtlich der Fall. Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Wahlergebnis wird später bekanntgegeben.') Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15a bis f sowie Zusatzpunkte 9 a bis c auf: 15. Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Begleitgesetzes zum Telekommunikationsgesetz (BegleitG) - Drucksache 13/8016 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Post und Telekommunikation (federführend) Innenausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffi Lemke, Ulrike Höfken und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den landwirtschaftlichen Altschulden - Drucksache 13/7709 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Rechtsausschuß Haushaltsausschuß c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Günther Maleuda, Eva Bulling-Schröter, Dr. Christa Luft, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsbeschwerde betreffend LPG-Altschulden - Drucksache 13/7903 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Rechtsausschuß Haushaltsausschuß d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christoph Matschie, Michael Müller (Düsseldorf), Klaus Lennartz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Einrichtung eines Nationalparks Hainich im Rahmen des Thüringer Naturparks „Eichsfeld-Hainich-Werratal" - Drucksache 13/7820 - *) Seite 16624 A Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Juni 1997 16617 Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Haushaltsausschuß e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Bierstedt, Dr. Ruth Fuchs, Dr. Ludwig Elm, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS Zum Endbericht des Technikfolgenabschätzungs-Projektes „Auswirkungen moderner Biotechnologien auf Entwicklungsländer und Folgen für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern" - Drucksache 13/7902 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Neumann (Bramsche), Wieland Sorge und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Gerd Poppe, Wolfgang Schmitt (Langenfeld) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik China - Drucksache 13/7943 — Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß ZP9 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 15) a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. Für moderne Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Freizeit- und Tourismuswirtschaft - Drucksache 13/8045 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus (federführend) Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Christel Hanewinckel, Ingrid Holzhüter, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung der Benachteiligung der Prostituierten - Drucksache 13/8049 - Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (federführend) Rechtsausschuß Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Gesundheit c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Rindfleischetikettierungsgesetzes - Drucksache 13/8052 —Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Ausschuß für Gesundheit Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 16 a bis p sowie den Zusatzpunkten 10a bis f. Es handelt sich um die Beschlußfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 16 a: Abschließende Beratungen ohne Aussprache Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anwendung von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen (Fernsehsignalübertragungs-Gesetz - FÜG) - Drucksache 13/7337 -(Erste Beratung 175. Sitzung) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation (17. Ausschuß) - Drucksache 13/7939 - Berichterstattung: Abgeordnete Elmar Müller (Kirchheim) Hans Martin Bury Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS angenommen worden. Dritte Beratung und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung mit dem eben festgestellten Stimmenverhältnis angenommen worden. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Tagesordnungspunkt 16 b: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Seefischereigesetzes - Drucksache 13/5739 -(Erste Beratung 145. Sitzung) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) - Drucksache 13/7843 - Berichterstattung: Abgeordnete Ilse Janz Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfiehlt auf Drucksache 13/7843, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Dritte Beratung und Schlußabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Tagesordnungspunkt 16 c: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. Dezember 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über den Durchgangsverkehr von Exekutivorganen und die Durchbeförderung von Häftlingen - Drucksache 13/7285 - (Erste Beratung 169. Sitzung) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß) - Drucksache 13/8069 - Berichterstattung: Abgeordnete Wolfgang Bosbach Johannes Singer Cem Özdemir Dr. Max Stadler Ulla Jelpke Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 8069, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf so zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen worden. Tagesordnungspunkt 16 d: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlagerung des Sitzes des Bundesverwaltungsgerichts von Berlin nach Leipzig - Drucksache 13/2714 - (Erste Beratung 67. Sitzung) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) - Drucksache 13/7997 - Berichterstattung: Abgeordnete Ronald Pofalla Hans-Joachim Hacker bb) Bericht des Haushaltsausschussus (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 13/7999 - Berichterstattung: Abgeordnete Gunter Weißgerber Manfred Kolbe Oswald Metzger Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Dritte Beratung und Schlußabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wol- len. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des ganzen Hauses bei einer Gegenstimme aus der Fraktion der CDU/CSU angenommen worden. Tagesordnungspunkt 16 e: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuß) zu der Verordnung der Bundesregierung Zustimmungsbedürftige Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung - VerpackV) - Drucksachen 13/7761, 13/7855 Nr. 2.1, 13/ 8008 - Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Marion Caspers-Merk Dr. Jürgen Rochlitz Birgit Homburger Der Ausschuß empfiehlt, der Verordnung der Bundesregierung auf Drucksache 13/7761 zuzustimmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/8008 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Tagesordnungspunkte 16f und 16g: f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Verordnung der Bundesregierung Aufhebbare Einhundertvierunddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - - Drucksachen 13/7486, 13/7535 Nr. 2, 13/ 7966 - Berichterstattung: Abgeordneter Sigmar Mosdorf g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Verordnung der Bundesregierung Aufhebbare Zweiundneunzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - - Drucksachen 13/7577, 13/7700 Nr. 2.1, 13/ 7967 - Berichterstattung: Abgeordneter Erich G. Fritz Wer stimmt für diese Beschlußempfehlungen? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen sind mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Tagesordnungspunkt 16 h: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Post und Telekommunikation (17. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Manuel Kiper, Kristin Heyne, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umweltverträglicher Postverkehr - Drucksachen 13/7161, 13/7938 - Berichterstattung: Abgeordnete Elmar Müller (Kirchheim) Hans Martin Bury Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7161 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen worden. Tagesordnungspunkt 16i: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Brigitte Adler, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Reinheitsgebot bei Schokolade - Drucksachen 13/6536, 13/7844 - Berichterstattung: Abgeordneter Siegfried Hornung (Heiterkeit - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu muß ich das Wort ergreifen, Frau Präsidentin! Dazu muß etwas gesagt werden!) Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6536 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Tagesordnungspunkt 16j: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuß) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Dietmar Schütz (Oldenburg), Michael Müller (Düsseldorf), Horst Sielaff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Schutz von Mensch und Natur vor den Folgen der Überfischung der Meere - Drucksachen 13/3624, 13/1354, 13/2582, 13/ 7924 - Berichterstattung: Abgeordnete Kurt-Dieter Grill Dietmar Schütz (Oldenburg) Michaele Hustedt Günther Bredehorn Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/3624 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD und der PDS gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden. Tagesordnungspunkt 16 k: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuß) - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 1994/95 - zu dem Antrag der Abgeordneten Claus-Peter Grotz, Hartmut Koschyk, Armin Laschet, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ina Albowitz, Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann, Ulrich Irmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. Standortbestimmung der Auswärtigen Kulturpolitik - zu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Brigitte Adler, Horst Kubatschka, ,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland - zu dem Antrag der Abgeordneten Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Dr. Uschi Eid, Dr. Angelika Köster-Loßack, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Auswärtige Kulturpolitik: Den Standort neu bestimmen - den Stellenwert erhöhen - Drucksachen 13/3823, 13/4863, 13/4851, 13/4844, 13/7146 - Berichterstattung: Abgeordnete Claus-Peter Grotz Freimut Duve Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 1994/95. Das ist die Drucksache 13/7146 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung zur Kenntnisnahme ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zur Standortbestimmung der Auswärtigen Kulturpolitik. Das ist die Drucksache 13/7146 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4863 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Enthaltung der SPD angenommen worden. Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Auswärtigen Kulturpolitik. Das ist Drucksache 13/7146 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4851 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und von Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von SPD und PDS angenommen worden. Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Auswärtigen Kulturpolitik. Das ist Drucksache 13/7146 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4844 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 161 bis 16p sowie zu den Zusatzpunkten 10a bis 10e und damit zu den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 161: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 216 zu Petitionen - Drucksache 13/7925 - Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 216 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS angenommen worden. Tagesordnungspunkt 16m: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 217 zu Petitionen - Drucksache 13/7926 - Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 217 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden. Tagesordnungspunkt 16n: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 218 zu Petitionen - Drucksache 13/7927 - Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 218 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS angenommen worden. Tagesordnungspunkt 16 0: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 219 zu Petitionen - Drucksache 13/7928 - Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 219 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD bei Enthaltung von Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Bündnis 90/Die Grünen und der PDS angenommen worden. Tagesordnungspunkt 16 p: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 220 zu Petitionen - Drucksache 13/7929 - Hierzu liegt eine Erklärung zur Abstimmung der Abgeordneten Heidemarie Lüth vor, die wir - Ihr Einverständnis vorausgesetzt - zu Protokoll nehmen.*) Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 220 ist mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS angenommen worden. Zusatzpunkt 10a: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 16) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 221 zu Petitionen - Drucksache 13/8063 - Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 221 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS angenommen worden. Zusatzpunkt 10b: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 222 zu Petitionen - Drucksache 13/8064 - Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 222 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD und der PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden. Zusatzpunkt 10c: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 223 zu Petitionen - Drucksache 13/8065 - Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 223 ist mit den Stimmen des ganzen Hauses mit Ausnahme der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die sich enthalten hat, angenommen worden. *) Anlage 5 Zusatzpunkt 10d: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 224 zu Petitionen - Drucksache 13/8066 - Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 224 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden. Zusatzpunkt 10e: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 225 zu Petitionen - Drucksache 13/8067 - Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 225 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen worden. Zusatzpunkt 10f: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Abkommen vom 10. Juni 1996 zur Gründung einer Assoziation zwischen den im Rahmen der Europäischen Union handelnden Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Slowenien andererseits - Drucksache 13/7447 - (Erste Beratung 175. Sitzung) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) - Drucksache 13/7965 - Berichterstattung: Abgeordneter Rolf Hempelmann Der Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt auf Drucksache 13/7965 unter Nr. 1, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte die, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. -Stimmt jemand dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Der Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/7965 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch diese Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Damit sind wir am Ende der Prozedur der Abstimmung. 16622 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Juni 1997 Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13a bis 13c sowie die Zusatzpunkte 11 und 12 auf: 13. a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD NATO-Osterweiterung, Grundakte NATO - Rußland und die Zukunft der europäischen Sicherheit - Drucksache 13/8033 - b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Andrea Gysi, Heinrich Graf von Einsiedel, Hanns-Peter Hartmann, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS NATO-Osterweiterung und Europäische Friedensordnung - Drucksache 13/7297 — Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Andrea Gysi, Heinrich Graf von Einsiedel, Hanns-Peter Hartmann, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS Atomwaffenfreie Zone in Mittel- und Osteuropa - Drucksache 13/7889 — Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß ZP11 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. Die neue NATO als Teil der europäischen Sicherheitsarchitektur - Drucksache 13/8046 - ZP12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ludger Volmer, Angelika Beer, Winfried Nachtwei, Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Erweiterung der NATO und eine gesamteuropäische Sicherheitsordnung - Drucksache 13/8074 - Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 14 Minuten erhalten soll. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Pflüger. Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die derzeitige Konzentration auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die ganz verständlich ist, verstellt leider oft den Blick auf die wirklich eindrucksvollen Erfolge auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik. Der NATO-Rußland-Gipfel von Paris Ende Mai und der NATO-Gipfel in Madrid Anfang Juli bilden zusammen einen historischen Markstein auf dem Weg zu einer dauerhaften europäischen Friedensordnung im 21. Jahrhundert. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir bauen mit diesen beiden Gipfelbeschlüssen die europäische Friedensordnung auf drei Säulen auf: auf der Kooperation der Allianz mit Rußland, auf der Integration mittel- und osteuropäischer Staaten in die Allianz und auf der Offenheit des Bündnisses für weitere Staaten Mittel- und Osteuropas einschließlich des Baltikums. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Diese drei Säulen tragen nur zusammen. Man kann sie nicht einzeln betonen. Das Fundament hat nur dann Tragfähigkeit, wenn wir alle drei Dinge - Integration, Kooperation und Offenheit - zusammennehmen. Ich möchte zunächst einige Bemerkungen zum Thema Kooperation mit Rußland machen. Die größte Gefahr für unsere Sicherheit geht von dem Erbe des Rüstungswettlaufes des Kalten Krieges aus: Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Schwarzhandel mit Spaltmaterial, Transfer von nuklearem Knowhow. Ohne Rußland können wir dieses große Problem nicht annähernd lösen. Wir brauchen Rußland dafür. Deshalb ist es gut und richtig, daß wir in der Grundakte eine enge Kooperation mit Rußland beschlossen haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben ein fundamentales Interesse am Fortgang der demokratischen und wirtschaftlichen Reformen in Rußland, an der Einbindung dieses mächtigen Landes in die europäische Sicherheitsarchitektur und daran, gemeinsam mit den Russen die Krisenherde am Rande Europas zu beseitigen - und wenn nicht zu beseitigen, so doch zu mildern und einzudämmen. Wir haben ferner ein großes Interesse an weiterer Abrüstung, und wir wollen, daß der Prozeß der NATO-Öffnung nicht zu neuen Rüstungswettläufen führt, sondern im Gegenteil zu vermehrter Abrüstung. Die NATO hat in der Grundakte mit Rußland erklärt, daß sie keinen Grund und keine Absicht hat, Atomwaffen auf dem Gebiet der Beitrittsländer zu stationieren, und daß sie auch nicht dauerhaft ausländische Truppen auf diesem Gebiet stationieren möchte. Vor diesem Hintergrund appellieren wir - ich glaube, von allen Seiten dieses Hauses - an die Kollegen in der russischen Duma: Ratifizieren Sie endlich den Start-II-Vertrag zur Verminderung der strategischen Atomraketen! (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bereiten Sie damit den Weg für einen Start-III-Vertrag für die noch weitergehende Abrüstung bei den interkontinentalen Nuklearraketen! Ratifizieren Sie die Chemiewaffenkonvention und das Abkommen über den offenen Himmel! Ermöglichen Sie schnelle und konstruktive Verhandlungen in Wien zur Sen- Dr. Friedbert Pflüger kung der Obergrenzen bei den konventionellen Waffen! Und lassen Sie uns auch über die taktischen Nuklearwaffen sprechen, bei denen Rußland nach inoffiziellen Angaben eine Überlegenheit von etwa 40:1 hat! Lassen Sie uns diese taktischen Nuklearwaffen soweit wie möglich aus Europa wegverhandeln! (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD) Schließlich: Bilden Sie Vertrauen bei Ihren westlichen Nachbarn, und achten Sie das, was in der NATO-Rußland-Akte festgelegt ist, nämlich das Recht der Nationen auf Souveränität und Bündnisfreiheit! Dies gilt zumal für die Ukraine und das Baltikum. Zweitens: zum Thema Integration. In Madrid geht es nicht um die Expansion einer Militärmaschine, sondern es geht um die Öffnung einer wertgebundenen Sicherheitsallianz. Wir im Westen haben die Staaten Mittel- und Osteuropas doch nicht gedrängt, in das Bündnis zu kommen. Sie haben vielmehr an die Tür des Bündnisses geklopft. Hätten wir weghören sollen? Hätten wir die NATO zu einer Festung machen sollen, nur wir, und die anderen haben kein Recht auf Stabilität? Ich glaube, daß vor allen Dingen das Beispiel Polens zeigt, daß ein solcher Weg politisch, moralisch, aber auch aus unserer Interessenlage heraus völlig unakzeptabel gewesen wäre. Wenn wir uns die Geschichte Polens anschauen - Polen seit 250 Jahren immer wieder geteilt, zerstückelt, Spielball der Mächte im Osten und im Westen, über 100 Jahre von der Landkarte ganz verschwunden -, ist es doch ganz verständlich, daß die Polen nun, wo sie ihre Souveränität haben, sagen: Jetzt wollen wir unsere geographische Mittellage mit einer politischen Westbindung überlagern. - Das ist die gleiche Entscheidung, die Konrad Adenauer für die Bundesrepublik Deutschland 1949 getroffen hat. Sollten wir das den Polen, den Ungarn, den Tschechen und anderen verweigern? Sollten wir sie draußen vor lassen? Nein, die Erweiterung, die Öffnung des Bündnisses bedeuten Stabilitäts-, Friedens- und Freiheitsexport. Wir haben das wie selbstverständlich für die neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung beansprucht: ganz Deutschland hinein in die NATO. Mit welchem Argument sollten wir Polen, Tschechen und Ungarn sagen: Was wir für uns verlangt haben, das bekommt ihr nicht? Ich appelliere an diejenigen bei den Grünen, die noch immer gegen die NATO-Erweiterung und die NATO-Öffnung sind. Hören Sie doch endlich auf damit, besser als diese Länder selbst zu wissen, was für deren Sicherheit wichtig und notwendig ist! (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte hier neben Herrn Bundesaußenminister Kinkel vor allen Dingen Bundeskanzler Kohl, dem Fraktionsvorsitzenden Schäuble und unserem Bundesverteidigungsminister Rühe danken, daß sie sehr frühzeitig, nämlich schon vor mehreren Jahren, erkannt haben, daß die NATO-Öffnung unsere politische und moralische Pflicht ist, aber auch in unserem Interesse liegt. Ganz herzlichen Dank! Denn das ist es, was die Länder von Deutschland erwarten: daß wir eine Anwaltsrolle übernehmen. Und diese Anwaltsrolle haben wir übernommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es bleibt allerdings ein Problem, das darin liegt, daß der NATO-Rußland-Rat zum erstenmal in Kürze zusammentreten wird, während der Beitritt der neuen Länder zum Bündnis frühestens im April 1999, nach dem Ratifikationsprozeß in 16 Ländern, vollzogen werden kann. Was machen wir in diesen eineinhalb Jahren? Wir sollten versuchen, die Beitrittsländer, die wir zu Verhandlungen in Madrid einladen werden, so bald wie möglich und soviel wie möglich an den Institutionen des Bündnisses zu beteiligen durch Kooperation, Konsultation und Mitwirkung. 1951, als Griechenland und die Türkei in das Bündnis aufgenommen worden sind, wurde für diese Länder vor Hinterlegung der Ratifikationsurkunden ein Beobachterstatus festgelegt. Das könnte jetzt ein gutes Beispiel sein. Ich glaube, daß wir, wenn wir dies in der Allianz forderten und verträten, der Anwaltsrolle, die wir beanspruchen und die wir aus Sicht der mittel- und osteuropäischen Länder haben, gerecht werden würden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD) Drittens: die Offenheit. Ich möchte für die Fraktion der CDU/CSU ganz deutlich sagen: Der ersten Runde der Erweiterung des Bündnisses, der Öffnung unserer Allianz, werden weitere Runden folgen. (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD) Die Allianz bleibt offen für die Staaten der Europäischen Union und für die Staaten, die der EU assoziiert sind, einschließlich des Baltikums. (Beifall des Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.]) Wahrscheinlich hätte man im Deutschen Bundestag sogar für die Aufnahme weiterer Länder eine Mehrheit erzielen können. Andererseits aber gilt: Je unvollständiger die erste Runde, desto sicherer kommt die zweite. Mit dem Schritt, den wir jetzt beschließen, kommt die NATO näher an diejenigen Staaten, die diesmal noch nicht dabei sein können. Niemand wird zurückgewiesen. Aber die Allianz darf sich nicht überfordern. Sie muß handlungs-, abschreckungs- und notfalls auch verteidigungsfähig sein. Sie ist kein Debattierklub, sondern ein Sicherheitsbündnis. Aber wir sagen unseren Kollegen in den Staaten Mittel-, Ost- und Südeuropas: Das Bekenntnis zur NATO-Öffnung als einem Prozeß ist nicht nur diplomatische Kosmetik; Kooperation mit Moskau und weitere Integrationsschritte schließen sich nicht aus. Erlauben Sie mir zum Schluß - ich glaube, ich spreche für uns alle -, dem Generalsekretär der NATO, Dr. Friedbert Pflüger Herrn Solana, für seine glänzende Arbeit ganz herzlich zu danken. (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nach Manfred Wörner sitzt wieder eine überragende Persönlichkeit in Brüssel, die großen Anteil an dem hat, was wir in Madrid beschließen werden. Die NATO-Öffnung ist eine Niederlage für die Ewiggestrigen im Kreml. Sie ist eine Niederlage für die Nationalisten in Mittel- und Osteuropa. Sie ist eine Niederlage für die Balance der Nationalstaatenbefürworter in Westeuropa, und sie ist eine Niederlage für die Isolationisten in Amerika. Bis weit in das nächste Jahrhundert hinein haben wir nun mit Amerika eine gemeinsame Agenda in Europa. Zusammen mit unseren amerikanischen Freunden werden wir die europäische Zukunft bestimmen. Von Kulturbruch ist keine Spur, wohl aber von gleichgelagerten Werten und Interessen mit Amerika. Gerade durch die Öffnung haben wir das Bündnis auf eine tragfähige, zukunftsgerichtete Basis gestellt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich Ihnen das Ergebnis der Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission mitteilen. Abgegebene Stimmen: 630. Davon gültig: 630. Enthaltungen: 36. Von den gültigen Stimmen entfielen auf den Abgeordneten Volker Neumann 555 Stimmen. ) (Beifall im ganzen Hause) Der Abgeordnete Neumann hat damit die erforderliche absolute Mehrheit erreicht und ist zu einem Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission gewählt worden. Wir gratulieren ihm zu der Wahl. Als nächster Debattenredner hat nun der Abgeordnete Verheugen das Wort. Günter Verheugen (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, daß sich der Bundestag mit der Osterweiterung der NATO beschäftigt, bevor auf dem Madrider Gipfel in 14 Tagen die ersten Entscheidungen fallen. Nach der Rede des Kollegen Pflüger kann ich auch sagen: Es ist gut, daß sich in dieser Debatte ein breiter Konsens zwischen der Koalition und jedenfalls der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zeigen wird, weil es für unsere östlichen Nachbarn von großer Bedeutung ist, zu sehen, daß nicht nur ein Teil der deutschen Politik ihren Wunsch, in die NATO aufgenommen zu werden, unterstützt, sondern daß dafür eine große und breite Mehrheit im Deutschen Bundestag vorhanden ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) *) Liste der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 6 Ich möchte gerne ganz am Anfang einem Kollegen aus unserer Mitte, der sich große Mühe gegeben hat, die Grundlagen für diesen Konsens zu legen, für seine Arbeit danken. Das ist unser Kollege Karsten Voigt, der als Präsident der Nordatlantischen Versammlung einen wichtigen Beitrag dazu geleistet hat, daß wir dahin gekommen sind, wo wir jetzt stehen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir sind uns einig, daß es hier heute um keine Kleinigkeit geht, sondern um eine Entscheidung, die aus der Sicht unserer östlichen Nachbarn eine wirklich historische Tragweite hat. Ich hoffe, daß es in dieser Debatte gelingen wird, Klarheit zu gewinnen über die Ziele, die die Bundesregierung auf dem NATO-Gipfel zu verfolgen gedenkt. Jede Betrachtung der NATO-Osterweiterung muß mit den Ereignissen des Jahres 1989 und den politischen Voraussetzungen dieser Ereignisse beginnen. Der Zusammenbruch des kommunistischen Blocks in Europa hat ja nicht nur Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf ganz Europa ausgedehnt, sondern auch die bis dahin auf Westeuropa verengte Perspektive der europäischen Einigung zu einer gesamteuropäischen Möglichkeit gemacht. Man hat manchmal das Gefühl, es ist noch immer nicht überall begriffen worden, daß endlich die Chance da ist, eine gesamteuropäische Friedensordnung zu bauen, die Frieden und Stabilität nach innen und nach außen sichert. Ich glaube, es ist unsere wichtigste außenpolitische Aufgabe, dafür zu sorgen, daß diese Chance nicht ungenutzt verstreicht. (Beifall bei der SPD) Jeder weiß, daß längst nicht alle Blütenträume gereift sind, die nach 1989 entstanden sind. Es sind - auch von der Bundesregierung - in den Reformstaaten Mittel- und Osteuropas Hoffnungen auf eine schnelle Integration in die politischen Strukturen und Prozesse Europas geweckt worden, die heute als unrealistisch erkannt werden müssen. Um so wichtiger ist es, daß Klarheit über Ziele und Wege besteht. Die NATO-Osterweiterung hat nicht am Anfang der Diskussion über den Aufbau einer gesamteuropäischen Friedensordnung gestanden. Die EU-Erweiterung wurde mit Recht als strategisch bedeutsamste Aufgabe verstanden. Große Hoffnungen verbanden sich auch mit der OSZE als möglicher Keimzelle einer solchen Ordnung. Ich möchte für meine Fraktion klarstellen, daß die NATO-Osterweiterung keinesfalls bedeuten darf, daß die Erweiterung der Europäischen Union und die Fortentwicklung der OSZE jetzt etwa weniger bedeutsam werden. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Gerd Poppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich sage das vor allem im Hinblick auf die Ergebnisse des Gipfels von Amsterdam, die das Projekt der EU-Erweiterung jedenfalls nicht befördert haben. Günter Verheugen Die NATO-Osterweiterung kann den in der Union angelegten Prozeß der europäischen Integration weder ganz noch teilweise ersetzen. Sie kann auch die OSZE als die einzige gesamteuropäische Sicherheitsinstitution, die es schon gibt, in ihrer Bedeutung nicht schmälern. (Beifall des Abg. Eckart Kuhlwein [SPD]) Was sie kann, ist, eine stabile und friedliche Entwicklung in den Reformstaaten zu fördern. Sie schafft einen Rahmen, der äußere Sicherheit garantiert, und sie beeinflußt in hohem Maße die Innen- und Außenpolitik künftiger Mitglieder, und zwar - wie wir schon jetzt gesehen haben - in positiver Weise. Aber sie allein reicht nicht aus, um das Gelingen der Reformprozesse zu garantieren. Wir verstehen die NATO-Osterweiterung als einen politischen Prozeß. Es geht nicht um strategischen Geländegewinn für die bisherige NATO, es geht nicht um ein militärisches Glacis für Deutschland, das nicht mehr die Ostgrenze der NATO bilden wird, sondern es geht um die Ausweitung eines Stabilitätsraumes. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) Die NATO ist ein erfolgreiches Bündnis. Seit ihrem Bestehen wurde keines ihrer Mitglieder angegriffen. Seit ihrem Bestehen gab es keinen Krieg zwischen einzelnen ihrer Mitglieder. Das mag ja selbstverständlich erscheinen, ist es aber nicht, wenn man beispielsweise an die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei denkt. Daß elf Staaten aus dem früheren kommunistischen Machtbereich in diesen Stabilitätsraum einbezogen werden wollen, ist leicht zu verstehen. Der polnische Außenminister Rosati hat vor wenigen Tagen in einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion eine sehr einleuchtende Formel dafür gefunden. Er hat gesagt: „Wir wollen aus demselben Grund in die NATO hinein, aus dem Deutschland nicht heraus will." Der rumänische Präsident hat in diesen Tagen den Bogen noch sehr viel weiter gespannt. Er sieht sein Land mit Recht als ein Opfer von Jalta. Ihm geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die Korrektur eines schrecklichen historischen Fehlers, der so vielen europäischen Staaten Jahrzehnte unter kommunistischer Diktatur aufgezwungen hat. (Beifall bei der SPD) Wenn man die NATO-Osterweiterung aus der Perspektive der beitrittswilligen Staaten betrachtet, dann haben sie alle gute und historisch gerechtfertigte Gründe, das Maß der Sicherheit und Stabilität für sich zu erwünschen, das wir nach der Wiedervereinigung für ganz Deutschland in Anspruch genommen haben. Wie könnten wir als Deutsche dem polnischen Wunsch entgegentreten - bei dieser Geschichte Polens und bei diesen beiden Nachbarn Polens - Sicherheit in einem Bündnis zu suchen, dem auch wir angehören und das mit Rußland eine enge sicherheitspolitische Kooperation begonnen hat? Dennoch finde ich es notwendig, nicht nur über Chancen und Vorteile, sondern auch über mögliche Risiken und mögliche Gefahren zu sprechen und diese abzuwägen. Erstes Risiko: Die NATO-Osterweiterung könnte zu einer neuen Konfrontation und Blockbildung in Europa führen. Aber ich glaube, daß der Abschluß der Grundakte zwischen der NATO und Rußland die Handhabe bietet, dieses Risiko zu beherrschen. Wir nehmen den politischen Willen dieser Grundakte sehr, sehr ernst. Rußland soll und darf nicht aus Europa abgedrängt werden, Rußland ist nicht der potentielle Feind, gegen den man rüsten und sich zusammenschließen muß, sondern Rußland ist ein Partner, dessen Sicherheitsbedürfnisse von uns anerkannt und beachtet werden. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.]) Dasselbe gilt für die Ukraine. Deshalb begrüßen wir den Abschluß einer Charta zwischen der NATO und der Ukraine, die die besonderen Beziehungen zwischen der NATO und diesem wichtigen und großen europäischen Land begründet. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) Das zweite Risiko: Die NATO-Osterweiterung könnte Räume mit ungeklärtem sicherheitspolitischem Status in Europa schaffen, also das, was man gemeinhin Grauzonen nennt. Das ist ein Begriff, den ich nicht verwenden möchte, weil er ein ganz überholtes Denken demonstriert; denn eine Grauzone liegt zwischen Schwarz und Weiß, und genau das haben wir eben nicht mehr in Europa. Ich will nicht verhehlen, daß in bezug auf diese Problematik Zweifel und Fragen übrigbleiben. Sie werden durch die Tatsache genährt, daß so, wie die Dinge liegen, nur Polen, Tschechien und Ungarn eine realistische Chance haben, in Madrid zur NATO-Mitgliedschaft eingeladen zu werden. Wenn es aber tatsächlich um den Export von Stabilität geht, warum dann nur diese drei? Ich halte die dafür genannten Gründe nicht für überzeugend. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. KarlHeinz Hornhues [CDU/CSU]) Es sind nicht nur diese drei Staaten, die die von der NATO genannten Bedingungen erfüllen. Wie ist die Haltung der Bundesregierung? Wird sie sich in Madrid nur für diese drei einsetzen, oder wird sie auch den Beitrittswunsch Rumäniens und Sloweniens unterstützen? (Beifall bei der SPD) Die USA haben sich festgelegt. Muß Deutschland an dieser Stelle den USA bedingungslos folgen? (Uta Zapf [SPD]: Wie immer!) Ich glaube, nein. (Beifall des Abg. Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]) Der Bundeskanzler selbst hat übrigens in Rumänien für Verwirrung gesorgt. Sehr vornehm hat die Günter Verheugen „Frankfurter Allgemeine Zeitung" es heute ausgedrückt, er habe Rumänien in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt. Wir würden aber gern wissen, was er nun eigentlich meint. Meint er nun, daß Rumänien in die NATO aufgenommen werden soll, oder meint er, daß Rumänien in der ersten Runde nicht dabei sein soll? Wir möchten gern in dieser Debatte darüber Klarheit, wir möchten, bevor Sie nach Madrid gehen, gern wissen, welche Art von NATO-Osterweiterung Sie jetzt wollen. Für uns ist entscheidend, daß der Madrider Gipfel in einer Hinsicht ein klares und eindeutiges Signal gibt: Die Osterweiterung der NATO muß ein offener Prozeß sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Wer jetzt nicht dabei ist, für den ist die Tür nicht geschlossen. Wenn das nicht ganz klar ist, dann werden wir gefährliche Erschütterungen beispielsweise in den baltischen Staaten erleben, die gerade von Deutschland - und das wohl mit dem größten Recht - Unterstützung für ihren Beitrittswunsch erwarten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Drittes Risiko: Die NATO-Osterweiterung könnte eine neue Rüstungsspirale in Gang setzen. Darüber wird mein Kollege Gernot Erler nachher noch ausführlicher sprechen. Ich möchte nur eines klarstellen: Die Sicherheitslage in Europa verlangt von niemandem kostspielige Neurüstungen. (Beifall des Abg. Eckart Kuhlwein [SPD]) Andere Behauptungen, speziell aus den USA, sind - ich sage das sehr vorsichtig - interessengeleitet. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ganz im Gegenteil ist Rüstungsverminderung in Europa das Gebot der Stunde, und wir erwarten, daß die Abrüstungspolitik energisch vorangetrieben wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben zuviel Rüstung in Europa, und es wäre fatal, wenn wir unseren östlichen Nachbarn einreden wollten, sie müßten teure Großwaffensysteme anschaffen, und sie würden sich damit die Ressourcen für die sozialen Reformen entziehen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.]) Meine Damen und Herren, ein letzter Punkt: Behindert die Osterweiterung der NATO die Schaffung einer gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur? Gibt es dann vielleicht nur noch NATO und Nicht-NATO? Auch das wäre verhängnisvoll. Darum ist es so bedeutsam, daß die Grundakte die besondere Rolle der OSZE herausstellt. Die gesamteuropäische Friedensordnung wird ja vermutlich nicht unter dem Dach einer alles überwölbenden einheitlichen Struktur entstehen. Sie wird vielmehr aus dem Zusammenwirken und der Verknüpfung verschiedener Institutionen mit unterschiedlichen Aufträgen gebildet werden. Die Abwägung von Chancen und Risiken ergibt, daß die NATO-Osterweiterung neue Chancen eröffnet. Wir begrüßen daher die beabsichtigte Einladung an beitrittswillige Staaten Mittel- und Osteuropas. Diese Staaten haben zum Teil bemerkenswerte Vorleistungen erbracht. Sie haben Grenzkonflikte und Minderheitenfragen gelöst. Sie bauen stabile demokratische Strukturen auf. Wie wichtig das ist, zeigt der Blick auf den Raum in Europa, in dem das alles nicht geschieht oder nicht geschehen ist, nämlich im ehemaligen Jugoslawien. Für mich ist auch klar, daß sich die NATO im Zuge ihrer Erweiterung verändern wird. Sie wird europäischer. Sie wird noch stärker ein Instrument politischer Integration sein. Und - ich wiederhole das - sie ist kein Trostpflaster für verzögerte oder verhinderte Erweiterung der Europäischen Union. (Beifall bei der SPD) Wir wollen in Europa soviel Integration wie möglich. Die NATO-Osterweiterung ist ein Schritt dahin. Viele weitere müssen folgen. (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ludger Volmer. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag will heute einen Prozeß beurteilen, der historischen Charakter trägt und die internationalen Beziehungen auf Jahre hin prägen wird. Um so wichtiger sind eine sorgfältige Analyse der Chancen und Risiken, die diesem Prozeß innewohnen, und eine Offenlegung des eigenen Maßstabs. (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Soweit ist das richtig!) Manchem geht es darum, die NATO als Organisation zu retten, da die ursprüngliche Aufgabe der Verteidigung gegen einen denkbaren Angriff durch die Sowjetunion obsolet geworden ist. Dieser Maßstab ist nicht der unsere. Manche meinen, die Osterweiterung würde die strategische Situation Deutschlands verbessern, das dann nicht mehr länger Frontstaat eines Militärbündnisses wäre. Diesen nationalen Maßstab lehnen wir entschieden ab. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Manche meinen, man müsse den Sicherheitsbedürfnissen der osteuropäischen Nachbarn gerecht werden. Diese Überlegung ist notwendig und legitim. Sie wird aber nur dann zu einem befriedigenden Ergebnis führen, wenn sie mit einer anderen Überle- Ludger Volmer gung verknüpft wird, die für uns die entscheidende ist. Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes bestand die einmalige historische Chance, jenseits der existierenden Militärbündnisse zu einem System gesamteuropäisch-atlantischer Sicherheit zu gelangen. Die geeignete Basis wäre die KSZE - heute OSZE - gewesen, die Erfolgsgeschichte geschrieben hatte. Es bestand die Chance, die innereuropäische Konfrontation, die den Kontinent in zwei Blöcke zerrissen hatte, durch eine gesamteuropäische Integrationspolitik zu ersetzen. Es bestand die Chance zu einer wirklichen Friedenspolitik, die über die Abwesenheit von Krieg hinaus die gerechte Verteilung von Wohlfahrt und demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten sowohl in den Einzelstaaten als auch international anstrebt. Eine umfassende gesamteuropäisch-integrative Friedenspolitik - das ist für uns der entscheidende politische Maßstab zur Beurteilung der NATO-Erweiterung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gemessen daran muß man den aktuellen Prozeß mit allergrößter Skepsis betrachten. Für uns sind drei Aspekte besonders problematisch. Erstens. Zahlreiche mittelosteuropäische Staaten erhoffen sich durch den NATO-Beitritt einen Sicherheitsgewinn. Ihr Wunsch ist absolut legitim. Gerade aus deutscher Sicht ist es mehr als schwierig, nicht sofort offen darauf zu reagieren. (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Aber Volmer weiß das besser!) Diese Staaten und ihre Völker waren Opfer der Angriffs- und Vernichtungskriege der nationalsozialistischen Diktatur, Opfer einer Nachkriegsentwicklung, die ihnen nicht die selbstbestimmte Wahl über ihren Ort in Europa ließ. Ihr Wunsch, sich nun endlich zum Westen zählen zu können, dem sie sich historisch und kulturell zugehörig fühlen, ist unabweisbar. (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Genau!) Das aber gilt für alle Staaten und nicht nur für die, denen der NATO-Beitritt nun angeboten wird. Es ist aber schon jetzt abzusehen, daß der Wunsch und die Möglichkeit, in die NATO aufgenommen zu werden, auseinanderklaffen. Schon gibt es einen tiefgehenden Streit über die erste Beitrittsphase. Er läßt erkennen, daß die NATO-Erweiterung ohne gesamteuropäische Perspektive, die alle Staaten Mittel- und Osteuropas gleichermaßen einbezieht, begonnen wurde. Für den Prozeß, der auf die erste Phase folgt, werden sich gegenseitig ausschließende Modelle hochkontrovers diskutiert. (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Also nehmen Sie alle auf, ja?) Ein Modell will die Zahl der Beitritte möglichst klein halten und lehnt eine zweite Phase ab. Ein anderes will sie ebenfalls klein halten; es folgt allerdings der Überlegung, daß nur dadurch der Gedanke an eine zweite Phase glaubwürdig sei. Wegen der Unwahrscheinlichkeit einer zweiten Phase strebt ein drittes Modell von Beginn an einen größeren Kreis der Beitretenden an. Hinter diesen Überlegungen steht die ungelöste und unlösbare Frage, wie die NATO die Erwartungen, die sie geweckt hat, einlösen kann, ohne entweder Rußland erneut zu brüskieren oder aber Hoffnungen auf Beitritt zu zerstören. Wenn behauptet wird, nur der NATO-Beitritt verschaffe einem Land Sicherheit, Stabilität und einen europäischen Subjektstatus, dann frage ich: Wie steht es dann um die Länder, die keine Berücksichtigung finden oder auf unabsehbare Zeit vertröstet werden? Sind sie keine Subjekte? Wie steht es um ihre Sicherheit? Je mehr Staaten aufgenommen werden, um so unkomfortabler wird die Situation derer, die draußen vor der Tür bleiben. Diese Gefahr ist heute größer, als der Pflichtoptimismus der Erweiterungsbefürworter wahrhaben will. Wir meinen, daß die Sicherheitsperspektive einiger Länder nicht der Sicherheitsperspektive anderer Länder geopfert werden darf. Dies betrifft im Prinzip auch Rußland, da europäische Sicherheit nur mit und niemals gegen dieses Land erreicht werden kann. Aus deutscher Perspektive muß dazu noch gesagt werden: Deutschland verdankt die Wiedervereinigung auch der Zustimmung Rußlands; sie beruhte eindeutig auf dem Verständnis, daß es keine weitere Ostausdehnung der NATO geben würde. Aus dieser Sicht ist die aktuelle Entwicklung eine Treulosigkeit. Nun zum zweiten Einwand. Rußland, das im Prinzip die NATO-Erweiterung ablehnt, werden in der gemeinsamen Grundakte von der NATO erweiterte Konsultationsmöglichkeiten angeboten, ergänzt um einseitige Absichtserklärungen der NATO, einen restriktiven militärpolitischen Weg einzuschlagen. Diese Grundakte zwischen NATO und Rußland ist ein historischer Meilenstein, noch vor zehn Jahren wäre sie undenkbar gewesen. Ähnliches gilt für die Ukraine. Daß die NATO nun über den Ständigen Gemeinsamen Rat mit russischem Kovorsitz für Rußland transparent und beeinflußbar wird, bietet die Chance, die Lücke, die zwischen Ost und West noch besteht, weiter zu schließen. Das ist aber abhängig vom guten Willen des Westens, der zwar einseitige Absichtserklärungen abgegeben, jedoch keinen im Krisenfall einklagbaren Ansprüchen zugestimmt hat. Problematisch an der Grundakte ist zweierlei. Sie nimmt längst und unabhängig von ihr bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen auf, tut aber so, als würde sie sie erst konstituieren. Das gilt für die Neuverhandlungen des unter OSZE-Regime stehenden KSE-Vertrages über die Rüstungskontrolle im konventionellen Bereich ebenso wie für die Verpflichtungen aus dem UNO-Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen. Dadurch, daß die NATO die eigentlich obligate Erfüllung internationaler Abkommen Rußland als Gegenleistung für die Osterweiterung anbietet, maßt sie sich eine internationale Direktionsgewalt an - zu Lasten von UNO und OSZE -, die ihr völkerrechtlich nicht zukommt und ihr politisch nicht zukommen darf. Es darf kein Weg daran vorbeiführen, daß der eigentlich entscheidende Rahmen für eine gesamt- Ludger Volmer europäische Sicherheitspolitik durch die OSZE-Staaten in der Charta von Paris 1990 gesetzt wurde. Diesen füllt die Grundakte nicht aus. Das kann sie nicht, und das will sie nicht. Ihre Interpreten sollten das aber auch nicht suggerieren. Niemand sollte behaupten, sie böte nun den zentralen Pfad für einen Sicherheitsprozeß. Sicherheit ist heute mehr als militärische Sicherheit; dieser Aspekt wird sogar unwichtiger. Ein erweiterter Sicherheitsbegriff basiert auf politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Faktoren. Für diese Dimensionen ist die NATO nicht prädestiniert. Sie darf nicht der eigenen Geltung halber Institutionen an die Seite drängen, die diese Kernaufgabe der Zukunft bewältigen können. Das Kalkül derer darf nicht aufgehen, die den NATO-Beitritt anbieten, um sich im Wortsinne den EU-Beitritt und die OSZE-Stärkung zu ersparen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich komme zu Punkt drei unserer Kritik. Für die Länder, die nun nicht in den NATO-Kandidatenstatus erhoben werden, wird neben der vagen Perspektive einer zweiten Beitrittswelle die Stärkung der OSZE vorgesehen. Wir begrüßen ausdrücklich, daß in der Grundakte die OSZE als, wie es heißt, „einzige gesamteuropäische Sicherheitsorganisation" benannt wird, der „eine Schlüsselrolle für Frieden und Stabilität in Europa" zukommt. Aber wir fragen uns: Wenn dies so ist, warum ist dann der Prozeß nicht von Beginn an auf der Basis einer reformierten und gestärkten OSZE organisiert worden? Zahlreiche Staaten, die heute in die NATO wollen, wie Polen oder die damalige Tschechoslowakei, haben zu Beginn des Jahrzehnts eben dies gefordert. Ihr Begehren ist zurückgewiesen worden, weil die ihres Feindes ledige Atlantische Allianz die Hoffnung auf das eigene ewige Leben nicht zur Disposition stellen wollte. Heute nimmt die NATO die Ostmitteleuropäer, die jetzt verständlicherweise alle in diese Organisation drängen, als Kronzeugen dafür, daß ihre Politik gegen die OSZE richtig war. In unseren Augen hat die NATO ihre Glaubwürdigkeit dadurch nicht erhöht. Die aktuellen Entwicklungen zeigen zweierlei: Sie beweisen - das wird in der Grundakte ausdrücklich bestätigt -, daß eine gesamteuropäische Sicherheit ohne OSZE nicht denkbar ist. Zum anderen aber wird die OSZE faktisch marginalisiert. Sie hat auf ihrem Gipfel in Lissabon die Erarbeitung einer gesamteuropäischen Sicherheitscharta ins Auge gefaßt. Dieses Vorhaben wird aber im Moment, vielleicht auch auf lange Zeit, dadurch praktisch blockiert, daß einige Länder befürchten, die eigenen Chancen der Aufnahme in die NATO zu schmälern, wenn sie auf OSZE-Ebene eine Alternative entwickeln helfen. Allen Verlautbarungen der NATO-Mächte zum Trotz wird die OSZE faktisch nicht stärker werden, solange sie von anderen nur als Trostpreis betrachtet werden kann. Von diesem Widerspruch ist auch die Bundesregierung durchzogen. Während das Auswärtige Amt die Rolle der OSZE betont, nimmt Verteidigungsminister Rühe dieses Wort nicht einmal in den Mund, weil er seine entwaffnende Wirkung fürchtet. (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir verlangen von der Bundesregierung, daß sie der in der Antwort auf unsere Große Anfrage zugesicherten Strategie des „OSZE first" endlich gerecht wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) Wenn ich diese Überlegungen zusammenfasse, komme ich zu folgendem Resultat: Ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem jenseits der Militärbündnisse, beruhend auf einer gestärkten und erneuerten OSZE, wäre die richtige Antwort in Europa auf das Ende des kalten Krieges gewesen. Diese Chance wurde leider nicht genutzt. Wir halten die NATO-Erweiterung für den falschen Ansatz. Wir nehmen aber zur Kenntnis, daß er zur Realität wird. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pflüger? Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Herr Kollege Volmer, ich möchte Sie gern fragen, ob das, was Sie hier vortragen, der Auffassung Ihrer Fraktion im ganzen entspricht, wie viele in Ihrer Fraktion dieser Position zuneigen und ob Sie bei allem, was Sie hier erklären, dafür oder dagegen sind, daß zum Beispiel Polen, Tschechien und Ungarn in die NATO kommen. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Pflüger, ich habe versucht zu erklären, daß wir eine gesamteuropäische Perspektive für alle Länder brauchen, die allen Ländern gleichermaßen einen Sicherheitsgewinn bietet. Gleichzeitig habe ich versucht, deutlich zu machen, daß Sicherheit mehr als militärische Sicherheit ist. Was unsere Verhältnisse in der Fraktion angeht, so glaube ich, daß sie mittlerweile ziemlich deutlich sind. Die genauen Zahlen können Sie in unserem Protokoll nachlesen. Wir nehmen zur Kenntnis, Herr Pflüger, daß die NATO-Osterweiterung, ob sie uns paßt oder nicht, zur Realität wird. Wir konnten sie nicht verhindern, andere wollten sie nicht verhindern. Da durch diesen falschen, nun aber zur politischen Tatsache werdenden Schritt die bisherigen Chancen für eine gesamteuropäische Sicherheitsordnung verspielt und Gefahren neuer Risse in Europa heraufbeschworen wurden, ist es nun um so wichtiger, die Prozesse zu verstärken und zu beschleunigen, die dem Ziel umfassender Sicherheit und Kooperation für alle und der Zivilisierung der internationalen Beziehungen entsprechen. Gerade wir, die Kritiker und Skeptiker der Osterweiterung, haben absolut kein Interesse daran, daß Ludger Volmer die fatalen Konsequenzen, die wir befürchten, tatsächlich eintreten. Wir sehen uns in der Pflicht, uns dafür stark zu machen, daß die friedenspolitische Fortentwicklung hin zu einem gesamteuropäischen Sicherheitssystem gelingt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Uta Zapf [SPD]) Deutschland muß ein besonderes existentielles Interesse daran haben; denn nur so kann es dem Dilemma der doppelten Loyalität im Osten, gegenüber den Opfern deutscher Angriffskriege und dem Transformationsstaat Rußland, der die Wiedervereinigung mitgestiftet hat, begegnen. Auch die Loyalitäten gegenüber den westeuropäischen Staaten und den USA, das gesamteuropäische und das transatlantische Verhältnis lassen sich letztlich so am besten in Übereinstimmung bringen. Welche Pfade führen unseres Erachtens in diese Richtung? Die Grundakte eröffnet die Chance weiterer zwischenstaatlicher Entspannung. Sie kann der Rüstungskontrolle, der Abrüstung und der friedlichen Konfliktbewältigung neue Impulse geben. Der Pfad der Grundakte ist aber zu schmal und dringt nicht tief genug in das Problemgestrüpp ein. Wichtiger erscheint es uns deshalb, die Institutionen zu stärken, die einer gesamteuropäischen Integration auf der Basis eines politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen, eben eines erweiterten Sicherheitsbegriffs entsprechen. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, mit allem Nachdruck darauf zu drängen, daß die Europäische Union schnellstens nach Osten erweitert, die OSZE in jeder Hinsicht gestärkt und die beabsichtigte Sicherheitscharta erarbeitet wird. Wir fordern sie auf, bei den Atommächten auf die atomare Abrüstung zu drängen, die Pläne einer atomwaffenfreien Zone in Mittel- und Osteuropa zu unterstützen und mit einseitigen Abrüstungsschritten, wie dem Verzicht auf global interventionsfähige Krisenreaktionskräfte und den Eurofighter, eindeutige Signale zu setzen. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Irmer. Ulrich Irmer (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich erheblich über die Strategie gewundert, die die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen heute an den Tag legt. Sie hatte 14 Minuten Redezeit. Herr Volmer hat die ganze Zeit von „wir" und „uns" gesprochen. Ich habe mich dauernd gefragt, wen er damit meint. Ich kenne aus dem Auswärtigen Ausschuß von den Kollegen, die dort sitzen, erheblich andere Töne. Vielleicht wäre es denkbar gewesen, da Ihre Fraktion in dieser Frage so zerrissen ist, wie das der Fall ist, daß die Redezeit aufgeteilt worden wäre, so daß die einen die Gelegenheit gehabt hätten, für die Öffnung der NATO zu sprechen, und die anderen die Gelegenheit, dagegen zu sprechen. (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Besser zerrissen, als daß alle den Blödsinn von Volmer nachreden!) - Dem ist nicht zu widersprechen. Das ist völlig klar. Aber ich will hier feststellen, daß die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das, was Herr Volmer hier eben vorgetragen hat, für sich hat vortragen lassen, wahrscheinlich um die Reste der friedensbewegten Basis irgendwie einzubinden, damit man nachher diesen schönen Redetext vorzeigen und sagen kann: Wir sind alle schon immer dagegen gewesen. Auf der anderen Seite erheben die Grünen doch offensichtlich den Anspruch, in der nächsten Bundesregierung den Außenminister zu stellen. Da möchte ich einmal sehen, was passierte, wenn wir einen Außenminister hätten, der solche Reden, wie wir sie gerade gehört haben, hielte und sich dann die Bundesrepublik Deutschland in einer Totalisolation wiederfände. (Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU/ CSU) Herr Volmer, in allem Ernste: Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie deshalb gegen die von Amerika bisher vertretene Aufnahme - ich sage das jetzt einmal, ohne mich dem anzuschließen - von Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik sind, weil Sie der Meinung sind, es müßten alle gleich auf einen Sitz aufgenommen werden? Wenn Sie das so begründen, dann kann ich dem noch etwas abgewinnen, weil ich es in der Tat problematisch finde, einige Länder vor der Tür zu lassen, die den Beitritt vielleicht besonders nötig hätten. Aber diese Argumentation finde ich nun schon außerordentlich kühn. Sie müßten uns dann sagen: Sind Sie gegen die Aufnahme von Polen, weil möglicherweise Slowenien und Rumänien jetzt nicht hineinkommen? Das bringt es auf den Punkt. Diese Antwort müßten Sie uns im Laufe der Debatte - sei es in einer Kurzintervention - noch geben. Das ist hochinteressant. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Im Grunde habe ich mit Erstaunen vernommen, daß Sie jetzt gar nicht mehr wie früher für die Auflösung der NATO sind. Derjenige, der sich gegen eine Öffnung der NATO sträubt - das hat der Kollege Pflüger überzeugend dargelegt -, ist im Grunde zwangsläufig für die Auflösung dieser Organisation. Wer den Polen, den Ungarn, den Tschechen und anderen die Aufnahme in die NATO verweigert, der müßte sich doch fragen: Wieso sollen sie nicht hinein, wenn wir drin sind? Die jetzigen NATO-Mitglieder müßten doch dann erklären: Wir lösen die NATO auf. Seien Sie ehrlich. Erklären Sie hier der staunenden Öffentlichkeit, nicht nur in diesem Lande, sondern auch in den übrigen NATO-Staaten, daß Sie nach wie vor für die Auflösung der NATO sind. Dann sind Ulrich Irmer Sie zumindest überzeugend, in sich schlüssig und glaubwürdig. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das erklären wir feierlich!) - Das erklären Sie feierlich? Wunderbar. Das steht jetzt im Protokoll. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sofort und unmittelbar!) - Sofort und unmittelbar. Na fein. Herr Fischer, man kann über alles einen schäbigen Witz machen. Ich meine, daß wir hier ein sehr ernstes Thema besprechen. (Beifall bei der F.D.P.) Ich will vorab erklären, weshalb ich nicht von der NATO-Erweiterung rede, sondern die Vokabel „Öffnung der NATO" für die einzig richtige halte. Es ist ja nicht so, daß irgend jemand Interesse hätte, die NATO deshalb für andere Länder zu öffnen, weil wir - Sie haben es gesagt - unser strategisches Glacis verbessern wollten oder weil die NATO es nötig hätte, neue Mitglieder aufzunehmen, da sie ansonsten ihren Verteidigungsauftrag nicht mehr erfüllen könnte. Darum geht es doch gar nicht. Es geht ausschließlich darum, daß in der Pariser Charta der damaligen KSZE ausdrücklich jedem Land - im übrigen auch mit der Unterschrift von Rußland - das Recht zugestanden worden ist, sich das Bündnis auszusuchen, dem es angehören will. Das ist ein Recht. Das ist durch die Charta von Paris international verbrieft. Wer sind denn wir, daß wir jetzt hergehen und den anderen, die zu uns kommen wollen, sagen: Nein, bleibt mal dort, wo ihr seid; wir wollen euch nicht haben? Es ist doch nicht so, daß zum Beispiel die Tschechische Republik jetzt deswegen in die NATO will, weil sie sich von Rußland militärisch bedroht fühlt. Eine objektive Bedrohung dieser Art ist nicht vorhanden. Eine subjektive Bedrohung wird in der Tschechischen Republik und auch in Ungarn sowie in Slowenien mit Sicherheit nicht empfunden. Es steht ein ganz anderer Wunsch hinter dem Antrag, der NATO beizutreten. Das ist das Zugehörigkeitsgefühl zu Europa. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU) Diese Länder sind 50 Jahre zwangsweise von den Entwicklungen abgekoppelt worden, an denen sie gerne teilgenommen hätten. Ich stimme all denjenigen zu, die gesagt haben: Die EU-Erweiterung - hier spreche ich durchaus von „Erweiterung" - ist mindestens so wichtig wie die Öffnung der NATO. Sie ist wichtiger. Sie ist ein gesamtpolitisches Konzept, das zur Stabilität und zur Sicherheit in Gesamteuropa beitragen soll. (Zuruf von der SPD: Warum machen Sie es denn nicht?) - Was heißt denn, wir machen es nicht? In einem halben Jahr fangen die Verhandlungen über den Beitritt zur EU an. Sie sind nur erheblich komplizierter und schwieriger. Dazu bedarf es einer längeren Zeit. Es hängt hier mehr davon ab, wie sich die einzelnen Länder qualifizieren. Da gibt es Defizite der verschiedensten Art, und zwar wirtschaftliche, aber zum Teil auch demokratische, wenn ich nur an die Slowakei denke. Unsere Organisationen repräsentieren eine Wertegemeinschaft, die umfassend ist. Dazu gehört als umfassender Rahmen selbstverständlich die OSZE. Aber innerhalb der OSZE gibt es beide Elemente, die wir stärken wollen und angesichts derer wir den anderen nicht sagen wollen: Weil ihr arm seid, müßt ihr draußen bleiben. Wir haben - ich erinnere daran - seinerzeit Griechenland, Spanien und Portugal in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen - nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern ausschließlich aus politischen. Sie hatten Diktaturen abgeschüttelt und wollten zu uns. Wir haben gesagt: Um die jungen Demokratien zu stabilisieren, wollen wir sie aufnehmen. Auch das war damals ein harter Kampf, weil einige meinten: Aus wirtschaftlichen Gründen sollten wir das nicht tun. - Dies war ein egoistischer Standpunkt. Ich will eines feststellen: Auch für uns, wenn ich einmal nur egoistisch argumentieren würde, ist es natürlich wichtig, daß wir jene Länder aufnehmen. Denn wir können dadurch politisch, wirtschaftlich und sozial zu dauerhafter Stabilität beitragen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Auf diese Stabilität sind auch wir angewiesen. Jeder kennt doch die Alternativen, wenn das Experiment nicht funktionieren sollte, wenn der Aufbruch in die Demokratie, in die Marktwirtschaft und in die Wahrung der Menschenrechte scheitern sollte. Nur durch die Aufnahme dieser Länder in unsere bewährten Organisationen können wir dies erreichen. Ich weiß nicht, ob es klug ist, jetzt von der Bundesregierung zu erwarten, daß sie sich für eine Dreieroder eine Fünfer-Lösung ausspricht. Wir wissen: Das letzte Wort in dieser Sache wird von der Zweidrittelmehrheit des amerikanischen Senats gesprochen. (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Sie könnten einmal das erste Wort sprechen! - Günter Verheugen [SPD]: Sagen Sie doch einmal etwas dazu!) - Ich persönlich wäre sehr dafür, Slowenien aufzunehmen, und zwar einfach deshalb, weil wir dann dem ganzen Balkan zeigen könnten: Wer sich anständig benimmt und für Menschenrechte sowie Demokratie sorgt, hat die Chance, die er braucht. Das wäre - gerade im Gegensatz zu anderen - ein sehr erfreuliches Symbol. Die Präsidentin signalisiert mir, daß ich zum Schluß kommen muß. Lassen Sie mich deshalb ein letztes Wort sagen: Wir hier im Hause sind mit großer Mehrheit für diese Politik, wie sie von Herrn Pflüger, Herrn Ulrich Irmer Verheugen und von mir dargelegt worden ist. Ich freue mich sehr darüber. Es hat Zeiten gegeben, in denen das anders war. Das ist ein gutes Zeichen dafür, daß diese Politik auch zum Erfolg führen wird. Vielen Dank. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt die Kollegin Andrea Gysi. Andrea Gysi (PDS): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Irmer, selbstverständlich gehört es zum Selbstbestimmungsrecht der Völker, sich Bündnissen anzuschließen oder gegenteilig zu entscheiden. Das respektieren wir auch. Aber weil Regierungen eine solche Entscheidung treffen - sogar mit Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung -, heißt das noch lange nicht, daß man jeglicher kritischen Meinungsäußerung entsagen und sozusagen den Kopf an der Garderobe abgeben muß. Das sage ich einfach vorweg, weil ich das Argument, wir sollten endlich aufhören, irgend etwas besser zu wissen, absurd finde, wenn es um Entscheidungen mit dieser Tragweite geht. Hier muß es selbstverständlich sein, sich auch mit den Folgen und Konsequenzen auseinanderzusetzen. (Beifall bei der PDS) Des weiteren haben Sie in einer, wie ich finde, nachgerade peinlichen Weise dargelegt, Herr Irmer, daß Sie den NATO-Beitritt als pädagogisches Zukkerbrot verkaufen wollen. Das ist im Grunde ein dominantes Verhalten und eine Anmaßung, die viel schlimmer sind, als sich gegebenenfalls kritisch mit Kolleginnen und Kollegen aus Polen, Ungarn oder von wo auch immer auseinanderzusetzen. (Walter Hirche [F.D.P.]: Es gibt schon einen kleinen Unterschied zwischen Demokratien und Diktaturen!) - Natürlich gibt es den Unterschied. Aber nach Ihrer Logik hat man ja den Mund zu halten, wenn sich eine Regierung wie auch immer entschieden hat. Ich möchte nun die Auffassung der PDS zur NATO-Osterweiterung darlegen. Wir haben einen Antrag dazu und einen weiteren Antrag zum Thema atomwaffenfreie Zone in Mittel- und Osteuropa eingebracht. Erstens. Wir lehnen diese Osterweiterung ab, weil wir diesen Schritt - das ist hier bislang völlig unterbelichtet geblieben -, verbunden mit dem neuen Verständnis der NATO als des Weltpolizisten Nummer eins und mit ihrer Strategie, die auch einen nuklearen Erstschlag einschließt, für friedenspolitisch destabilisierend halten. Die NATO ist und bleibt eine Militärallianz, auf der eine gesamteuropäische Friedensordnung nicht gegründet werden kann. Wir meinen nach wie vor - insofern kann ich hier nur wiederholen, was Kollege Volmer gesagt hat -, daß die OSZE die geradezu prädestinierte Organisation für eine Friedenspolitik gewesen wäre, die diesen Namen verdient. Den Satz in der NATO-Rußland-Grundakte „Der OSZE als einziger gesamteuropäischer Sicherheitsorganisation kommt eine Schlüsselrolle für Frieden und Stabilität in Europa zu" können wir nur unterstreichen. Leider ist es die Politik der Bundesregierung und der anderen Regierungen der NATO-Staaten, die das Papier, auf dem dieser Satz geschrieben ist, wahrscheinlich wieder zu Makulatur machen wird. Die erste Erweiterung der NATO, nämlich die ihrer Aufgaben hin zur Rolle als Weltpolizist Nummer eins, der nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Vertragsgebietes agieren kann, schließt die Interessendurchsetzung mit militärischen Mitteln ein. Die Aufnahme neuer Mitglieder bedeutet nicht nur die Ausdehnung dieser von uns kritisierten Strategie auf weitere Staaten, sondern birgt trotz Grundakte und feierlicher Versprechen gegenüber Rußland die Gefahr einer sicherheitspolitischen Spaltung in Europa. Der politische Wille, nach den gravierenden Veränderungen 1989/90 angemessene Schritte in Richtung Friedenspolitik zu gehen, ist und war bei der Bundesregierung wie bei der NATO niemals wirklich vorhanden. Ich gestehe, daß ich dies hier durchaus einigermaßen resignativ feststelle, wenngleich ich für meine friedenspolitischen Vorstellungen auch weiterhin kämpfen werde. Zweitens. Zweifellos ist das Verhältnis zwischen Rußland und der NATO in der Frage der Osterweiterung das Schlüsselverhältnis. Eine Einigung mußte vor der formellen Entscheidung über die Erweiterung der NATO stattfinden. Wohl mehr zähneknirschend erfolgte die russische Zustimmung. Leider enthält die Grundakte Unverbindlichkeiten in zentralen Fragen, die niemals hätten unverbindlich bleiben dürfen. Hier sind bereits einige genannt worden. Dazu gehört, daß es sich um keinen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag handelt. Das bedeutet beispielsweise, daß Rußland keine Möglichkeit hat, eine Beratung zu den in der Grundakte aufgeführten Gegenständen des Euro-Atlantischen Rates durchzusetzen. Es ist auf den politisch guten Willen der NATO-Staaten angewiesen. Das mag ja in krisenfreien Zeiten kein gravierendes Problem sein. Aber in Zeiten militärischer und politischer Konflikte, in denen ein solcher Vertrag gerade eine Konfrontation verhindern soll, ist die rechtliche Unverbindlichkeit von eher verhängnisvoller Bedeutung. Besonders zu kritisieren ist, daß die NATO in der Grundakte zwar erklärt, sie habe „nicht die Absicht, keine Pläne und auch keinen Anlaß", Atomwaffen in den neuen Mitgliedstaaten zu stationieren, sich aber diese Option explizit offenhält. Ich frage Sie: Warum so viele Worte, wenn doch ein einziger knapper und allgemeinverständlicher Begriff einen wirklichen Fortschritt in der nuklearen Abrüstung bedeuten würde, nämlich der Begriff des Verzichts auf Stationierung, Einsatz und am besten auch die weitere Herstellung von Atomwaffen? (Beifall bei der PDS) Das Beteuern des Generalsekretärs der NATO, daß sich an der nuklearen First-use-Strategie nichts ändere, beweist den Willen der NATO, Atommacht Andrea Gysi Nummer eins zu bleiben. Das sind die Säulen, die Sie, Herr Kollege Pflüger, eben in Ihrer Rede bei der Beschreibung der NATO unterschlagen haben. Es bleibt abzuwarten und genau zu beobachten, ob einige Aspekte der Grundakte, in denen die NATO-Staaten Veränderungen hinnehmen mußten, realisiert werden oder ob nach dem Motto „Papier ist geduldig" verfahren wird. Eigentlich dürfte es keine Sitzung des NATO-Rates mehr geben, vielmehr müßten künftig alle Fragen im neu zu schaffenden NATO-Rußland-Rat beraten und im Einvernehmen mit Rußland geklärt werden. Auch nach Auffassung der NATO ist nicht erkennbar, wer sie angreifen sollte. Ein klassischer Verteidigungsfall ist so gut wie ausgeschlossen. Die militärischen Engagements der NATO finden aktuell allesamt außerhalb ihres Vertragsgebietes statt. Das alles sind Einsätze, die nach dem Aufgabenkatalog in der Grundakte auch mit Rußland zu klären sind. Wir können nur hoffen, daß wenigstens die Chancen für den Abschluß eines KSE-II-Vertrages gewachsen sind. Dieser würde nicht nur Fortschritte bei der Abrüstung konventioneller Waffen bringen, sondern könnte endlich auch der Tatsache Rechnung tragen, daß das quantitative Rüstungsverhältnis zwischen NATO und Rußland inzwischen fast 4 : 1 zugunsten der NATO-Staaten beträgt. Dies bedeutet, daß vor allem von den NATO-Staaten radikale Abrüstungsschritte eingefordert und durchgesetzt werden müssen. Wir beteiligen uns logischerweise nicht an dem Spiel „Wer soll in der ersten Runde dabeisein?", weil wir das Projekt insgesamt für einen historischen Fehler halten. Aber wir fragen gleichwohl, einfach um den Widerspruch in Ihrer Politik aufzuzeigen: Wieso eigentlich sind die Sicherheitsbedürfnisse der baltischen Staaten weniger relevant als beispielsweise die von Polen oder Rumänien? Ich fürchte, daß hier wiederum die Interessen der NATO-Staaten maßgeblich sind und nicht wirklich diejenigen, eine gesamteuropäische Friedens- und Sicherheitsordnung aufzubauen. Zum Schluß eine Anmerkung zu einem Thema, das hier immer als nebensächlich und als nicht weiter von Bedeutung angesprochen wird: die Kosten der NATO-Erweiterung. Natürlich gibt es zuviel Rüstung. Natürlich müßte es einen Schub in der Abrüstung geben. Natürlich versucht man uns zu verkaufen, daß die NATO-Osterweiterung möglicherweise zu etwas Reduzierung in der Rüstung führen wird. Gleichwohl zeichnet sich ab: Die Kosten der NATO-Erweiterung werden spürbare Auswirkungen für die Bevölkerung der Beitrittsstaaten und der jetzigen NATO-Staaten haben. Es ist eine vielfach bestätigte Erfahrung, daß die zig Milliarden, die die Erweiterung kosten wird, zu Lasten sozialer Aufgaben gehen werden. Also werden auch wir damit zu rechnen haben, daß künftig zur Begründung von weiteren sozialen Kahlschlägen nicht nur der Euro, sondern auch noch die Erweiterung der NATO herhalten muß. Der Deckel auf der Diskussion wird von Verteidigungsminister Rühe vermutlich nicht mehr allzulange gehalten werden können. Ich verweise zum Schluß auf unsere Anträge. Wir haben darum gebeten, diese an die Ausschüsse zu überweisen, weil wir diese Fragen für so wichtig halten, daß sie auch einer zweiten und dritten Lesung bedürfen. Abgesehen davon findet die heutige Debatte nicht zu früh, rechtzeitig oder früh genug statt, sondern zu spät; denn im Prinzip sind die Messen gesungen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt Herr Bundesminister Klaus Kinkel. Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister des Auswärtigen: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bis zur Schwelle des nächsten Jahrtausends müssen wir die neue Architektur Europas politisch gestalten. Dazu werden im Augenblick drei große Bausteine zusammengefügt: die transatlantische Partnerschaft - in ihrem Kern die NATO -, die europäische Einigung und die Zusammenarbeit im größeren OSZE-Raum. Eine Entscheidung hierfür fällte der Europäische Rat in Amsterdam. Die nächste - nicht weniger wichtige - wird am 8./9. Juli beim NATO-Gipfel in Madrid fallen. Dort wird die neue NATO als ein Hauptpfeiler der künftigen europäischen Sicherheitsordnung verankert werden, und es wird über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit einer ersten Staatengruppe entschieden. Damit wird ein Kapitel der Nachkriegszeit in Europa endgültig abgeschlossen. Das Terrain für Madrid ist durch die NATO-Rußland-Grundakte, die Schaffung des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrates, den Ausbau des Programms der Partnerschaft für den Frieden und die Charta zwischen der NATO und der Ukraine gut vorbereitet. Zwölf Staaten haben sich um die Aufnahme in die NATO beworben. Die Diskussion im Bündnis hat sich auf die Aufnahme von drei, vier oder fünf Staaten beim ersten Öffnungsschritt konzentriert. Kein NATO-Staat widersetzt sich dem Dreierkreis von Polen, Tschechien und Ungarn, der von den USA sehr stark befürwortet wird. Einige NATO-Länder möchten darüber hinaus Slowenien und/oder Rumänien in der ersten Runde dabeihaben. (Markus Meckel [SPD]: Wir auch!) Für jede dieser drei Optionen lassen sich gute Gründe anführen. Die Bundesregierung könnte einen Konsens zu allen drei Optionen mittragen. Das war auch das, was wir in Sintra und auch bei den letzten Gesprächen, die wir bilateral geführt haben, vertreten haben. Die endgültige Entscheidung wird erst in Madrid gefällt. Festlegungen einzelner Partner sind noch keine Bündnisentscheidung, auch wenn natürlich Bundesminister Dr. Klaus Kinkel die Entscheidung der USA für den Kreis von drei Kandidaten - weil sie von dem größten und wichtigsten Land in der NATO kommt - Gewicht hat. Ich gehe davon aus, daß die ersten Beitritte 1999 zum 50. Jahrestag der Gründung der Allianz vollzogen werden. Wichtig ist, daß das Bündnis die neuen Partner bereits während des Aufnahmeverfahrens an die militärische Integration und die politische Zusammenarbeit mit der NATO heranführt. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gilges? Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister des Auswärtigen: Nein, bitte nicht. Ich möchte im Kontext bleiben. Ganz wichtig ist jedoch das Signal an die Staaten, die nicht in der ersten Gruppe zum Zuge kommen: Die Allianz bleibt offen. Gemeinsam mit Großbritannien haben wir deshalb Anfang der Woche einen Vorschlag für eine deutliche Passage in der Gipfelerklärung vorgelegt. Insbesondere die baltischen Staaten erwarten ein Signal aus Madrid. Sie wollen keinen Sonderstatus. Wir dürfen sie aber nicht in einer sicherheitspolitischen Grauzone im Stich lassen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Meckel [SPD]) Deshalb gilt: Unsere Sicherheit ist untrennbar mit der ganz Europas verknüpft. Die Festigung demokratischer und freier Gesellschaften auf dem gesamten Kontinent in Einklang mit den Prinzipien der OSZE ist von unmittelbarem und konkretem Interesse für die Allianz, und es muß die Politik der NATO sein, freie Völker zu unterstützen, die die Werte der Allianz teilen. Zu den Staaten, die diese Werte teilen, gehören alle Beitrittskandidaten der EU. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Meckel [SPD]) Beim Gipfel in Madrid wird auch die Charta über die Partnerschaft zwischen der NATO und der Ukraine unterzeichnet werden. Damit macht die NATO deutlich: Eine unabhängige und souveräne Ukraine ist ein wichtiger Mitbewohner unseres gemeinsamen europäischen Hauses. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, über die Ratio der NATO-Erweiterung ist viel diskutiert worden. Inzwischen wird klarer, wie richtig und wichtig dieser Schritt für unser gemeinsames europäisches Haus ist. Vor 50 Jahren vereinte die Gründung der NATO im Westen Europas neue Demokratien, überwand alten Haß, sicherte den wirtschaftlichen Wiederaufbau und verhinderte zukünftige Konflikte. Genau das kann und muß die NATO heute für den Osten Europas tun, wenn sie sich nicht gegen den Geist wenden will, der über 50 Jahre die Freiheit Westeuropas bewahrt hat. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Meckel [SPD]) Wir haben über vier Jahrzehnte unseren Nachbarn im Osten gegenüber den Schild der Freiheit hochgehalten. Wir haben sie aufgefordert, Marxismus-Leninismus und Kommunismus abzulegen. Jetzt, wo sie unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht und das Recht zur freien Bündniswahl zu uns wollen, können und dürfen wir sie nicht zurückweisen. Das gilt für die NATO, und das gilt auch für die Europäische Union. Die Bundesregierung hat sich von Anfang an als Anwalt der Mittel- und Osteuropäer verstanden, aus unserer besonderen historischen Verantwortung und Verpflichtung heraus, aber auch aus unserem ureigenen nationalen Interesse. Wir wollen in der Mitte eines geeinten Europas leben. Die Perspektive der Öffnung hat bereits die Beilegung historischer Differenzen zwischen verschiedenen Nachbarstaaten in Mittel- und Osteuropa gefördert. Wenn wir die NATO-Mitgliedschaft entlang der Grenze des kalten Krieges eingefroren hätten, hätten wir nicht nur eine geschichtliche Ungerechtigkeit auf Dauer zementiert, sondern auch weniger Stabilität in Europa. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir von Abfederung sprechen, dann heißt das, daß wir mit der ersten Aufnahmerunde den Ländern, die in der ersten Runde nicht dabei sind, sagen müssen, daß die Tür offenbleibt und wie wir uns diese Abfederung im einzelnen vorstellen. Beim Außenministertreffen in Sintra Ende Mai haben wir den Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat aus der Taufe gehoben. Wir haben deutlich erklärt: Wir wollen keine Juniorpartner, sondern eine neue Qualität der Zusammenarbeit für den Frieden auf unserem Kontinent. (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Sehr gut!) Dazu dient jetzt dieses Instrument, das über Kooperationsrat und Partnerschaft für den Frieden hinausreicht und eine stärkere Einbeziehung in dem Sinne, den der Kollege Pflüger vorher angesprochen hat, bedeutet: eine Heranführung an die Strukturen der NATO, ohne daß diese Länder schon voll zur NATO gehörten. (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Sehr gut!) Dasselbe gilt für die Partnerschaft für den Frieden, die in diesem neuen Instrument des Rates sozusagen ausgeweitet und ausgebaut werden soll. Keine neuen Gräben - das steht auch hinter der NATO-Rußland-Grundakte, die am 27. Mai in Paris unterzeichnet wurde. Mit dieser Grundakte rückt auch Rußland näher an Europa, an den Westen heran. Deshalb kann man dieses Dokument mit Fug und Recht als historisch bezeichnen. Es hat den Weg dafür frei gemacht, die Sicherheitsarchitektur Euro- Bundesminister Dr. Klaus Kinkel pas in vertrauensvollem Zusammenwirken mit Rußland und nicht gegen Rußland zu vollenden. Die Richtung, die Rußland einschlägt, wird oft als die wichtigste Frage für die Entwicklung im nächsten Jahrzehnt bezeichnet. Ich glaube, daß das richtig ist. Die neubegründete Partnerschaft mit der Allianz ist dafür ein ganz wichtiges Hoffnungszeichen. Im neuen Ständigen Gemeinsamen NATO-Rußland-Rat soll es so oft wie möglich zu gemeinsamen Entscheidungen und gemeinsamem Handeln in den Fragebereichen kommen, die uns tatsächlich gemeinsam interessieren. Wir haben dafür eine umfassende Bereichsabgrenzung von Konsultation und Zusammenarbeit vereinbart. Andererseits werden natürlich auch die Interessen der Beitrittsländer gewahrt. Es wird keine Mitgliedschaft zweiter Klasse im Bündnis geben. Die volle Integration der Streitkräfte und der Infrastrukturen der Beitrittsländer in das Bündnis ist sicher. Dazu gehört auch die Möglichkeit multinationaler integrierter Hauptquartiere und multinationaler integrierter Verbände in den neuen Mitgliedstaaten. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Das Bündnis gewinnt durch die Grundakte einen neuen Partner für die Sicherheit Europas, behält aber seine eigene Entscheidungs- und Handlungsfreiheit. Es muß noch einmal klar gesagt werden: Die Kompetenzen des Nordatlantikrates bleiben unberührt. Jede Seite ist, kommt es nicht zu einer gemeinsamen Entscheidung, frei, allein zu entscheiden. (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Es ist wichtig, daß Sie das sagen!) Präsident Jelzin hat bei der Unterzeichnung der Grundakte in Paris zugesagt, daß künftig keine russische Nuklearrakete mehr auf das Territorium der NATO-Mitgliedstaaten gerichtet sein wird; (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) ein willkommenes Zeichen zur richtigen Zeit. Es war immer argumentiert worden: Wenn die NATO erweitert wird, dann werden die Russen das zum Anlaß nehmen, sich wieder in besonderer Weise auf die Atomraketen zu konzentrieren. Was Präsident Jelzin in Paris gesagt hat, war genau das Gegenteil. Er hat jetzt in Denver wieder eine entsprechende Erklärung abgegeben. Ich halte das für ganz wichtig. Ich erwarte, daß damit auch Überlegungen zur Aufwertung nuklearer Waffen in der russischen Verteidigungsplanung und zu Stationierungen an der Grenze oder auf dem Territorium von Nachbarstaaten jetzt endgültig vom Tisch sind. Die Außenminister der NATO haben schon im Dezember 1996 deutlich gemacht, daß keine Nuklearwaffen auf dem Gebiet unserer mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten stationiert werden. Die Grundsätze - kein Sonderstatus für neue Mitglieder und strategische Einheit des Bündnisgebietes - bleiben dabei gewahrt. Die drei nuklearen Neins des Bündnisses haben viel dazu beigetragen, russische Sorgen zu beheben. Auch unsere mittel- und osteuropäischen Partner haben das begrüßt. Sie wollen keine förmliche nuklearwaffenfreie Zone in Mittel-und Osteuropa. Meine Damen und Herren, Reform und Öffnung der NATO sind nur ein, wenn auch ein sehr zentraler Baustein der neuen europäischen Sicherheitsarchitektur. Dazu gehört auch die OSZE, die ihre Nützlichkeit in Bosnien und jetzt auch in Albanien unter Beweis stellt. Ihre Rolle in der Konfliktvorbeugung, bei der Überwachung von Wahlen und dem Schutz von Minderheitsrechten muß weiter ausgebaut werden. Nato und OSZE sind sich ergänzende Organisationen. Das gleiche gilt für die Europäische Union und die WEU. In Amsterdam haben wir die Effektivität, die Sichtbarkeit und auch die Kontinuität der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union ein gutes Stück weitergebracht. Zugleich wurde dem Ausbau der WEU zum sicherheitspolitischen Pfeiler der Union der Weg geebnet. Ich räume ein, daß ich mir in Amsterdam ein etwas besseres Ergebnis vorgestellt hätte, was die Integration der WEU in die EU anbelangt. Doch das war nicht erreichbar. (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Das machen wir das nächste Mal!) Aber wir können mit dem, was erreicht wurde, leben. Jedenfalls hat die neue britische Regierung das „No", das vorher bestand, auf eine Art und Weise aufgeweicht, daß der Prozeß in die Wege geleitet worden ist. Eine weitere wichtige Komponente der neuen Sicherheitsordnung sind und bleiben natürlich Abrüstung und Rüstungskontrolle. Heute präzisieren die Nato-Mitglieder in Wien ihren Vorschlag zur Anpassung des KSE-Vertrags vom 20. Februar dieses Jahres. Die 16 werden ihre gemeinsamen KSE-Waffenobergrenzen um mindestens 8 000 Waffensysteme absenken. Davon sind Quoten für Panzer, gepanzerte Kampffahrzeuge und Artilleriewaffen betroffen. Einige Allianzpartner haben sich in diesem Zusammenhang bereits zu weitergehenden Schritten bereit erklärt, um die Akzeptanz des Nato-Vorschlags zu fördern. Auch die Bundesregierung prüft zur Zeit Möglichkeiten zur weiteren Absenkung deutscher Waffenobergrenzen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD) Wenn sich das von uns entwickelte Konzept territorialer Obergrenzen - das Herzstück des NATO-Vorschlags - durchsetzt, wären niedrigere nationale Waffenobergrenzen für alle KSE-Staaten möglich. Meine Damen und Herren, mit derselben Energie, mit der die USA und Westeuropa in der Nachkriegszeit die Freiheit Westeuropas bewahrten, müssen beide nun mithelfen, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Stabilität und Marktwirtschaft in ganz Europa unumkehrbar zu machen. Der Grundstein dafür - die neue europäische Sicherheitsordnung - wird in Madrid weiter gefestigt und ausgebaut. Ich glaube, wir können zufrieden sein: Das europäische Bauwerk kommt gut voran. Ich bin sicher, Bundesminister Dr. Klaus Kinkel daß wir einen erfolgreichen NATO-Gipfel am 8. und 9. Juli in Madrid haben werden. Vielen Dank. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Gilges das Wort. (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Er will sich entschuldigen, weil er Feigling gesagt hat!) Konrad Gilges (SPD): Frau Präsidentin! Ich habe mich deswegen zu Wort gemeldet, weil ich der Meinung war, daß sich der Herr Außenminister eben an einer wichtigen Antwort vorbeigemogelt hat. (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Sie sollten sich erst einmal entschuldigen!) Ich weiß gar nicht, wofür. Bevor ich auf den Punkt komme, möchte ich sagen, daß ich zu den 20 Prozent in der SPD-Fraktion gehöre, die gegen eine Osterweiterung der NATO sind. Wir können das auch gut begründen. Abgesehen von der Frage, ob man dafür oder dagegen ist, muß man dem deutschen Volke und dem Parlament erläutern, weshalb man für drei, fünf oder noch mehr Beitrittsländer ist. Sie sagen - ich drücke das jetzt in meiner Sprache aus -, Sie könnten mit allen leben. Doch die Frage, ob es drei, fünf oder mehr ) sind, ist eine Frage der osteuropäischen Stabilität und wirft das Problem auf, ob eine neue Spaltung in Osteuropa entsteht. Es ist die Frage, wie die Staaten, die draußen bleiben, darauf reagieren. Es ist also eine hochpolitische Entscheidung, die die Bundesregierung in Madrid zu fällen hat. Deshalb stehen Sie in der Verantwortung, hier eindeutig zu erklären, wofür Sie denn nun sind. Drei, fünf oder neun? Die fast impotente Antwort, die Sie eben gegeben haben, kann weder uns noch das deutsche Volk zufriedenstellen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Möchten Sie antworten, Herr Außenminister? (Zurufe von der CDU/CSU: Nein! - Günter Verheugen [SPD]: Kann er ja nicht!) - Nein. Dann erteile ich jetzt dem Abgeordneten Karsten Voigt das Wort. Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Zu Beginn meiner Ausführungen zwei Bemerkungen zur bisherigen Debatte. Eine knüpft an das an, was mein Kollege Konrad Gilges gesagt hat. Ob das nun 10 oder 20 Prozent sind, ist dabei uninteressant. (Lachen bei der F.D.P.) Aber ich glaube, es ist völlig legitim, daß das größte Land in der NATO nach den Vereinigten Staaten von seiner neuen Verantwortung Gebrauch macht, indem es sich nicht hinter der Meinung anderer versteckt, sondern tatsächlich Position bezieht. (Beifall bei der SPD) Wir als Sozialdemokraten sind der Meinung, daß nicht nur die drei Staaten, sondern mindestens auch Slowenien und Rumänien bei der ersten Runde der NATO-Osterweiterung mit aufgenommen werden sollten. Wenn Sie dafür stünden, würden Sie auch hier im Haus eine klare Mehrheit dafür bekommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das ist ein Punkt, in dem ich an Ihnen Kritik übe. Das zweite, wo ich nicht an einem einzelnen Punkt, sondern am gesamten Konzept Kritik übe, ist das Konzept von Ludger Volmer. Wir haben zwar, wie gesagt, auch bei uns in der Bundestagsfraktion Gegner einer NATO-Osterweiterung. Aber so eindeutig mit Ideologien von vor 1989 auf die demokratische Revolution von 1989 zu reagieren, hat bei uns niemand fertiggebracht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Das zeigt, daß Sie in dieser Frage - zumindest Sie, die Sie diese Meinung vertreten - die Konsequenzen der demokratischen Revolution und der Bürgerrechtsbewegung in Wirklichkeit nicht verstanden haben. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) Deshalb ist es auch nicht zufällig, daß Leute, die bei Ihnen die Tradition der Bürgerrechtsbewegung vertreten, wie Poppe, Lippelt und andere, in dieser Frage in der Fraktion einen anderen Antrag eingebracht haben. Ich finde es nicht beschämend, daß man in dieser Frage Zweifel hat, aber, ich halte die Art und Weise des Paternalismus für besonders beschämend, mit dem man gegenüber den mittelosteuropäischen Staaten auftritt. Das ist das, was sie von Deutschen am allerwenigsten hören wollen. Das kannten sie in der Geschichte von der deutschen Rechten. Aber sie hören es auch von der deutschen Linken nicht gerne. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir hatten bei uns in der Fraktion Herrn Rosati, den Außenminister aus Polen. Dann war da Hans Haekkerup, der mit seiner jungen, dynamischen, sehr unvergorenen Art zur NATO sagte: Wir haben als Deutsche und Dänen tausend Jahre miteinander Probleme gehabt. Ich will ganz offen sagen: Seitdem wir gemeinsam in der NATO sind, haben wir die besten Beziehungen, die wir jemals hatten. Dieser Punkt, daß es nämlich bei der NATO-Osterweiterung nicht nur um Rußland, sondern auch um Deutschland und um das Verhältnis unserer Nachbarn zu diesem größer gewordenen Deutschland Karsten D. Voigt (Frankfurt) geht, wird bei Ihnen völlig ausgeblendet. Denn die Zustimmung unserer Nachbarn - übrigens auch von Rußland - zur Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands in der NATO hat nicht nur mit Rußland zu tun - deshalb hätte Rußland sonst nicht zugestimmt -, sondern auch mit Deutschland, weil diese Mitgliedschaft es unseren westlichen Partnern ermöglicht, mit dem relativ größten Elefanten westlich von Rußland umzugehen. Objektiv gesehen nicht in unseren Köpfen - würde die Situation, wenn Polen, Tschechien und andere außerhalb der NATO blieben, dazu führen, daß wir zu einer Bilateralisierung der Beziehungen kommen, in der die anderen ost- und mitteleuropäischen Partner immer der schwächere Partner sind. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) Das wäre das Gegenteil vom europäischen Deutschland. Das wäre in den Augen derer - nicht in meinen Augen; aber wir müssen, wenn wir Freunde im Osten, im Westen, im Süden und im Norden haben wollen, mit deren Augen sehen - der Beginn von einem europäischen Deutschland und nicht von einem deutschen Europa. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Diese Frage wird mit der NATO-Osterweiterung und der EU-Erweiterung gelöst. Denn Deutschland verliert eine Option, die ich immer für gefährlich gehalten habe: die des sicherheitspolitischen Unilateralismus und des sicherheitspolitischen Bilateralismus, soweit es unsere östlichen Partner betrifft. Diese multilaterale Einbettung Deutschlands in der EU - das muß kommen -, aber auch in der NATO beendet ein Dilemma, das unsere Nachbarn über Jahrhunderte hinweg, schon beim Westfälischen Frieden und beim Wiener Kongreß, mit uns gehabt haben. Wie kann man nur so ahistorisch sein, über diese Frage nicht zu reden, nicht darüber nachzudenken und nur von Rußland zu reden? Das Problem mit Rußland ist gelöst. Es ist besser gelöst, als es jemals historisch hätte gelöst werden können. Denn wenn ich nach Moskau gehe und ein gutes Verhältnis mit den Russen will - was ich will und immer gewollt habe; dafür bin ich hier manchmal bekämpft worden und umstritten gewesen - und gleichzeitig sage, wegen dieses guten Verhältnisses dürften die Polen nicht rein - was sie wollen - , dann werden die Polen wieder an die alte Geschichte von deutsch-russischer Kooperation erinnert. Das gilt auch für andere Staaten. Dann werden erst die Polen nervös, und dann werden die westlichen Partner nervös, und damit beginnt der ganze Mist in Europa von vorn. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) In diesem Sinne ist die NATO-Osterweiterung, verbunden - nicht isoliert davon - mit der NATO-Rußland-Grundakte und der Charta mit der Ukraine, fast die Quadratur des Kreises - durch die Verbindung von Integration und Kooperation -, die in der Geschichte sonst selten gelingt. Damit sind Risiken verbunden wie bei jeder Politik, aber die Chancen überwiegen. Und diese Chancen zu ergreifen, zu gestalten, das ist unsere Aufgabe, statt diese Situation zu vermasseln oder überhaupt nicht zu sehen. Wir schaffen damit gute Nachbarschaft. Wir schaffen übrigens auch, daß wir, wenn diese europäischen Staaten, die später auch in die EU aufgenommen werden sollen, in der EU sind, einen besseren handlungsfähigen Pfeiler innerhalb der NATO bilden können, in enger Verbundenheit mit der Europäischen Union. Das heißt, Europa wird auch selbstbewußter werden können - auch sicherheitspolitisch und nicht nur ökonomisch - gegenüber den Vereinigten Staaten, was auch gut ist. Wir schaffen letzten Endes auch die Chance, daß konkurrierende Rüstungswettläufe in Osteuropa weniger wahrscheinlich werden. Polen würde durch nationale Verteidigung viel mehr ausgeben als durch Bündnisverteidigung, wie es Schweden übrigens heute ja auch tut. Wenn es national rüsten würde, würde es sein sicherheitspolitisches Dilemma gegenüber den großen Nachbarn Rußland und in gewisser Weise auch gegenüber Deutschland nie lösen können. Das heißt, wir vermeiden diese Rüstungswettläufe. Das müßte doch eigentlich eine These sein, der jeder hier im Hause zustimmen kann. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) Deshalb ist es logisch, daß die NATO und Rußland auch Abrüstungsvereinbarungen verankert und abgeschlossen haben. Wir müssen darauf drängen, daß das jetzt Wirklichkeit wird, statt nur das eine negativ zu bekritteln. Es gibt große Chancen für Abrüstung. Es gibt auch die Chance, daß die kollektive Verteidigung, auf der wir bisher mit der NATO basiert haben, politisch geändert wird - eine Reform der NATO gibt es bereits, aber sie muß noch weiter reformiert werden - und daß die NATO zusätzlich ein Gesicht von kollektiver Sicherheit bekommt. Es wird kein System kollektiver Sicherheit, aber die NATO-Rußland-Grundakte ist in Wirklichkeit ein Element von kollektiver Sicherheit. Wenn man nicht nur auf die Überschrift sieht, sondern sich den Inhalt anguckt, ist es ein Element von kollektiver Sicherheit. Je nachdem, wie wir uns gegenüber Rußland verhalten, was wir jetzt tun im Bündnis und als Deutsche, und je nachdem, was sich in Rußland positiv entwickelt, kann dieses Element von kollektiver Sicherheit faktisch dominieren. Aber andererseits sind die Verhältnisse in Europa nicht so, daß man sagen kann, es gebe überhaupt keine Risiken mehr. Deshalb bleibt die kollektive Verteidigung als Element letzter Versicherung. Aber sie wird nur dann im Verhältnis zu Rußland relevant werden, wenn - anders als die russische Führung es heute will - Rußland einen völlig anderen Kurs fährt. Länder gewinnen Optionen und verlieren Optionen durch die NATO-Erweiterung. Wir verlieren die Option des Unilateralismus, aber gewinnen Freunde in Ost und West. Wir werden dann „eingekreist" sein von Ländern, die Freunde sind, von Ländern, die Karsten D. Voigt (Frankfurt) Freunde werden wollen, und von Ländern, die zumindest behaupten, daß sie Freunde sind. Polen verliert eine Option, die es in seiner Geschichte gehabt hat mit Pilsudski: das Dazwischen, was nie nur eine Option der Sicherheitspolitik war, sondern auch der Gesellschaftspolitik, mit autoritären Konsequenzen, die wir nicht haben wollen. Aber es gewinnt die Option, sicher zu sein in seinem Verhältnis zu seinem westlichen Nachbarn Deutschland, sicher zu sein in seinem Verhältnis zu seinem östlichen Nachbarn und deshalb auch mit diesem Nachbarn selbstbewußter kooperieren zu können, also ein besseres Verhältnis mit Rußland zu haben. Und es gewinnt endlich die Option, zu den westlichen Staaten dazuzugehören. Auch Rußland gewinnt und verliert. Es gewinnen in Rußland diejenigen, die ein demokratisches Rußland wollen, das sie nach Westeuropa orientieren. Deshalb haben sie die Charta unterschrieben. Das war eine strategische Weichenstellung, nicht nur irgend etwas Abgezwungenes. Die Westler haben sich in Rußland durchgesetzt. Deshalb ist es zu diesem Abkommen gekommen, (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) und deshalb ist es logisch, daß die Gegner einer Reformpolitik und einer prowestlichen Orientierung in der Duma dagegen sind. Denn mit der Grundakte verlieren die Gegner einer Reformpolitik und die Befürworter einer neoimperialen Politik an Optionen. Wir müssen doch dafür sein, daß diese neuen Optionen, die wir gewinnen, gestärkt werden, und daß die alten Optionen der Vergangenheit geschwächt werden. Ich glaube, daß wir - das zeigt diese Debatte - an einer Weichenstellung sind, an der entschieden wird, wie dieses Deutschland sein Verhältnis zu seinen europäischen Partnern und zu transatlantischen Partnern gestaltet. Aber wir sind auch an einer Weichenstellung, wo wir das erste Mal die Chance haben, Frieden mit unseren Nachbarn nicht nur durch Absichten, sondern institutionell in Ost und West zu gestalten. Diese Chance sollten wir nutzen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Herr Voigt sollte wieder kandidieren! Nominiert den mal wieder für den Bundestag!) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Lippelt das Wort. Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Da mich Karsten Voigt angesprochen hat, möchte ich ein bißchen Wasser auf seinen NATO-Enthusiasmus schütten. Ja, es stimmt, daß es innerhalb meiner Fraktion eine substantielle Gruppe gibt, die eine andere Sicht der Dinge hat: eine andere Sicht der Grundakte, eine andere Sicht der Osterweiterung. Das ist zweifellos richtig. Wir finden, daß die Grundakte ein erstaunliches Stück Diplomatie ist, ein diplomatisch-politischer Durchbruch, von dem wir nie geglaubt hätten, daß er möglich ist. Nicht, Herr Pflüger, weil der jetzige Generalsekretär der Nachfolger von Wörner ist, sondern weil er im Gegensatz zu Wörner in seiner Jugend ein Anti-NATO-Mann war. Solche Wandlungen gibt es. Dies ist auch ganz wichtig; denn nur so war er in der Lage, in einem Maße zu geben und zu nehmen, daß dieser Durchbruch möglich wurde. Dies ist eine ganz andere Sicht. Nur, Herr Rühe, gleichzeitig wissen wir - ich bestätige, was Karsten Voigt gesagt hat -, daß die NATO mit all ihren Gremien, bis hin zu den Stäben und Arbeitskreisen, auf Antrag des russischen Ko-Vorsitzenden, der das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat, den Russen offensteht und plötzlich durchsichtig ist. Das ist in der Tat schon eine ganz andere NATO, eine NATO auf dem Wege zum kollektiven Sicherheitssystem. Bedeutend ist also: Es ist nicht mehr die alte NATO. Genau deshalb geht für uns der Weg zu einer europäischen Friedensordnung über die NATO hinaus, über die bedeutende Stellung der OSZE, die Erweiterung der EU usw. Die NATO-Verwandlung, die NATO-Transformation, ist ein wichtiger Bestandteil. Gleichzeitig müssen die friedenspolitischen Forderungen, zu denen die Grundakte die Möglichkeit bietet, ganz entschieden akzentuiert werden. Herr Rühe, ich habe mir im letzten Abrüstungsbericht die Obergrenzen der verschiedenen Truppen angesehen. Ich sage deshalb: Treten Sie gegenüber der KSE in Vorleistung! Geben Sie möglichst bald bekannt, daß wir nicht mehr als 100 000 Soldaten brauchen! Wir sind nämlich, wie Sie in Ihrem Weißbuch richtig gesagt haben, nicht mehr von Feinden umgeben, sondern von Alliierten mit verbündeten Heeren. Deshalb brauchen Sie nicht mehr als 100 000. Je eher Sie das sagen, desto besser. Es gilt nicht, Herr Rühe, entweder weniger Truppen oder der Eurofighter. Auch der Eurofighter verstößt gegen den Geist der Grundakte. Je eher Sie dies beachten, desto besser. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege Lippelt, die Redezeit für eine Kurzintervention beträgt drei Minuten. Ich muß Sie leider unterbrechen. Ich war schon großzügig. Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin, erlauben Sie mir einen abschließenden Satz? Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Bitte. Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der abschließende Satz lautet: Nehmen Sie den Bundeskanzler beim Wort, das er in Kiew leichthin äußerte: daß es Sinn mache, eine mittelosteuropäische atomwaffenfreie Zone zu haben! Erklären Sie, daß Deutschland ihr angehören wird! Dann werden wir bei der NATO-Osterweiterung eine Gemeinsamkeit Dr. Helmut Lippelt finden; denn nur eine abgerüstete NATO ist eine NATO, die sich gut erweitern kann. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Christian Schmidt. Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß uns nicht alle divergierenden Meinungen in der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit „Langinterventionen" dargestellt werden. Eines sei schon noch einmal gesagt: Lieber Kollege Karsten Voigt, das war eine Rede mit Blick auf das 21. Jahrhundert, die die deutsche Interessenlage in bezug auf die NATO treffend beschrieben hat und der weitestgehend Zustimmung erteilt werden kann. Ich schlage vor, daß die SPD-Parteiakademie diese Rede zu den Unterlagen nimmt. Wenn der ehemalige Oberbürgermeister von Saarbrücken noch einmal vorbeikommen sollte zu einer Schulung zu der Frage, ob Deutschland aus der NATO austreten sollte oder nicht, kann er sie dann nachlesen. So könntest du ihm Nachhilfeunterricht erteilen. Keiner ist gehindert, klüger zu werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Kalter Kaffee! - Günter Verheugen [SPD]: Unter Ihrem Niveau, Herr Schmidt!) Die Geschichte stellt uns vor zwei gewaltige Aufgaben. Aufgabe unserer Generation ist, den Wandel voranzutreiben auf das von uns gewünschte Ziel hin: eine neue internationale Ordnung demokratischer Staaten und eine gerechte freiheitliche Friedensordnung in Europa. Beides wird uns nur gelingen, wenn wir die Kräfte der Freiheit, der Demokratie und der Reformen unterstützen. Dazu aber bedarf es eines Mindestmaßes an Stabilität. Nur in einem stabilen Umfeld lassen sich die großen Probleme unserer Zeit angehen und lösen. (Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]) Mit diesen Worten hat Manfred Wörner, der sich nicht zu schämen braucht, nie Sozialist gewesen zu sein, im Jahr 1991 die Gebote der Zukunft für die NATO definiert. Er spricht von einer Zeit des Übergangs, der für das Bündnis eine Gestaltungschance bietet, die wahrgenommen werden müsse. Was sich vor sechs Jahren erst in seinen Konturen abgezeichnet hat, steht nun unmittelbar vor wichtigen Etappenzielen. Daß wir in Madrid an einem solchen Etappenziel angelangt sind, geht auch auf den Einsatz von Manfred Wörner zurück, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) der sich sehr schnell nach der Wende 1989/90 für die Wahrnehmung der zitierten Gestaltungschance eingesetzt und der selbst gestaltet hat. Ich möchte deswegen an dieser Stelle den Dank an Manfred Wörner aussprechen, dessen Vermächtnis die politische Realität von heute immer noch und immer mehr beeinflußt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die zwei Aufgaben, die er benannt hat, zeigen ganz eindeutig, daß der Charakter der NATO als Wertegemeinschaft und politisches Bündnis weit über den Charakter einer militärischen Schutz- und Trutzgemeinschaft hinausgeht. Austariert werden muß das immer noch nicht endgültig gefundene Gewicht der einzelnen Staaten in Europa mit dem Ziel einer gesamteuropäischen Friedensordnung. Die Strategie zur Erweiterung der NATO ist Teil dieser gesamteuropäischen Friedensordnung, nicht gegen sie gerichtet und auch nicht falsch. Falsch ist lediglich die das behauptende Passage im Antrag der Grünen. Die NATO war nie ein aggressives Bündnis, und sie war nie, wie es so oft auf Demonstrationen skandiert worden war, imperialistisch gesonnen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.]) Die NATO war und ist Garant für Frieden und Freiheit. Sie hat ihre Aufgabe der Stabilisierung und der Friedenswahrung in Zeiten der Blockkonfrontation hervorragend erfüllt, kann sich aber heute noch ohne jede Abstriche mit jeder Phase ihrer Verdienste sehen lassen. Nicht zuletzt deswegen ist die Attraktivität des NATO-Bündnisses immer groß gewesen und hat das Bündnis bis heute nicht an Attraktivität eingebüßt. Sie hat in den zurückliegenden Jahren mit dem Programm PfP und dem Nordatlantischen Kooperationsrat den Weg der Integration für mittel- und osteuropäische Staaten vorbereitet und das starke Bedürfnis dieser Staaten, möglichst bald volles Mitglied eines NATO-Bündnisses zu werden, in diplomatische, politische, militärische Kanäle zu lenken versucht. Bei dieser Gelegenheit sei mir allerdings noch ein Hinweis erlaubt: Wir erleben nun die Gründung einer Reihe von neuen Institutionen. Das ist gut und richtig. Es gibt den Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat, den Nordatlantischen Kooperationsrat und den NATO-Rußland-Rat. Darüber hinaus wird das PfPProgramm verstärkt und werden Konsultationen mit der Ukraine geführt. Bei aller notwendigen Differenzierung müssen wir aber schon auf eines aufpassen: daß wir vom Prinzip der „interlocking institutions" nicht zum Prinzip der „deadlocking institutions" kommen. Ich sehe die gewisse Gefahr ständiger Tagungen und Konsultationen. Es muß schon noch klar sein, wo beschlossen und wo nur konsultiert wird. Das, Kollege Lippelt, ist auch der maßgebende Unterschied zwischen dem, was im NATO-Rußland-Rat stattfinden wird, und dem, was im NATO-Rat stattfinden muß. Insofern müssen wir Sie, so glaube ich, enttäuschen mit Ihrer Interpretation der Öffnung der NATO bis in die vertraulichsten Entscheidungen hinein. Christian Schmidt (Fürth) Eine auf sich beschränkte NATO im alten Stil taugt nicht mehr zur Stabilisierung Mitteleuropas. Sie hat neue Aufgaben dazugewonnen, die weitaus mehr im politischen als im militärischen Bereich liegen, und sie muß für deren Wahrnehmung eine möglichst breite Basis in Europa haben. Senator Lugar hat vor einigen Jahren gesagt: NATO will go out of area or will go out of Business. Die NATO wird ihre Bündnisgrenzen erweitern müssen, oder sie wird nicht mehr im Geschäft sein. (Zuruf des Abg. Ulrich Inner [F.D.P.]) - Ich habe es ja übersetzt, Herr Kollege Irmer. Ich teile diese Ansicht. Die zu erwartenden Beschlüsse auf dem Gipfel in Madrid sind die richtige Antwort hierauf. Kein Zweifel besteht an den genannten drei Kandidaten Polen, Tschechische Republik und Ungarn. Zu bedauern bleibt, daß ein ursprünglich in einem Atemzug damit genanntes Land sich politisch mehr von der NATO entfernt als auf sie zukommt. Ich rede von der Slowakei, deren Entwicklung uns nach wie vor große Sorgen bereitet. (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Richtig!) Um eines klarzustellen: Es ist kompletter Nonsens zu behaupten, es gäbe irgendwelche Absprachen über den Kopf der Slowakei hinweg betreffend ihre Zuordnung zu Einflußsphären. Diese Ansicht instrumentalisiert das alte Denken von Jalta, um zu kaschieren, daß die innere slowakische Entwicklung, die Mißachtung demokratischer Grundsätze und leider einige sehr zweifelhafte Vorfälle in Bereichen der Rechtsstaatlichkeit das eigentliche Hindernis für einen NATO-Beitritt der Slowakei sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Der slowakische Ministerpräsident Meciar sollte aus diesen Erkenntnissen dringend die notwendigen Schlüsse ziehen. Letztendlich liegt es an ihm, welchen Weg sein Land in nächster Zeit gehen wird. Die grundsätzliche Aufnahmebereitschaft der NATO auch für die Slowakei bleibt erhalten. Bei der Frage, welcher Weg im Hinblick auf die Erweiterung der richtige ist, sind eine Reihe von Aspekten zu beachten, die über Madrid hinausgehen. Der Gipfel von Madrid ist nur Etappe und nicht Schlußstein der Neustrukturierung der NATO. Dies muß man gerade diesen Staaten sagen, die in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen haben, um als gleichberechtigtes und anerkanntes Mitglied der Wertegemeinschaft beizutreten. Slowenien, Rumänien, aber auch Bulgarien und insbesondere die baltischen Staaten sind Länder, die noch nicht der EU angehören, die aber zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht nur als EU-Mitglieder, sondern auch als NATO-Mitglieder vorstellbar sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich finde es auch richtig, daß sich die Bundesregierung nicht von vornherein auf die „Dreierlösung", die seitens der USA bereits öffentlich vorgeschlagen worden ist, festgelegt hat. Ein fairer Umgang mit den genannten Ländern erfordert ein besonderes Eingehen auf die Beitrittsbegehren. Dies gilt nicht nur für Polen, die Tschechische Republik und Ungarn, sondern auch für die anderen genannten Länder. Rumänien und Bulgarien haben sich in freien Wahlen Präsidenten und Regierungen gewählt, an deren Seriosität und von demokratischer Überzeugung getragenem Eintreten für eine bessere Entwicklung ihrer Länder überhaupt kein Zweifel bestehen kann. (Beifall des Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.]) Deswegen ist es zu begrüßen, daß Bundeskanzler Kohl mit Staatspräsident Constantinescu in der nächsten Woche vor dem Gipfel noch einmal reden wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich füge hinzu, daß die erfreuliche Entwicklung in den letzten Monaten in Bulgarien, die Wahl von Präsident Stojanov und die hoffentlich erfolgreiche Suche eines Auswegs aus dem wirtschaftlichen und regierungsmäßigen Chaos der letzten Jahre die gleiche hohe Achtung verdient. Auch Slowenien, der Republik, die sich aus der unguten Erbmasse des ehemaligen Jugoslawien mit unserer Unterstützung, aber letztlich aus eigenen Kräften zu einem wirtschaftlich immer solideren europäischen Staat entwickelt, in dem demokratische Strukturen funktionieren, muß bei der Gipfelkonferenz in Madrid Aufmerksamkeit geschenkt werden. Ein baldiges Mitwirken dieser Länder halte ich prinzipiell für wünschenswert. An uns jedenfalls darf die Aufnahme dieser Staaten nicht scheitern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Wenn sich die NATO bei der Tagung in Madrid in der Gesamtabwägung - es gibt ja durchaus plausible und berechtigte Abwägungsgründe - noch nicht zu einer Aufnahme durchringen kann, so muß sie verdichtete Begleitstrategien anbieten, die diesen Ländern wirklich eine klare Perspektive für die nächsten Schritte der Erweiterung geben. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) Das gilt auch für die baltischen Staaten, die mehr als jeder andere der genannten Staaten von der russischen Politik berührt werden. Wenn sich auch abzeichnet, daß die baltischen Staaten gegenwärtig noch nicht die volle Mitgliedschaft erhalten können, so muß doch bereits jetzt völlig klar sein, daß alle europäischen Staaten und alle Bündnispartner die Verpflichtung haben, die Unabhängigkeit dieser Staaten sicherzustellen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie sind keine zufällig entstandenen Seitenprodukte des Zerfalls der Sowjetunion, sondern haben einen gleichberechtigten Anspruch auf Unabhängigkeit wie alle anderen unabhängigen europäischen Christian Schmidt (Fürth) Staaten auch. Die Garantie ihrer Unabhängigkeit im Hinblick auch auf die bitteren Erlebnisse der Jahre 1939/40 ist für diese Staaten von besonderer Bedeutung. Die NATO kann und wird nicht achtlos daran vorübergehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) Eine zukünftige Mitgliedschaft der baltischen Staaten in der NATO darf nicht ausgeschlossen werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Entscheidungen in Madrid sind nicht das letzte Wort. Zudem wird noch in diesem Jahr die Startlinie für die Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union gezogen werden. Viele der genannten Staaten werden auch an diesem Prozeß beteiligt sein. (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch) Wichtig ist - damit komme ich zum Schluß -, daß keiner der mittel- und osteuropäischen Reformstaaten das Gefühl bekommt, ausgegrenzt zu werden. Es muß aber auch klar sein, daß es keinen Automatismus geben kann. Von zukünftigen Mitgliedern der NATO und der EU müssen die Erfüllung von gewissen Voraussetzungen und die Einhaltung von gewissen Kriterien gefordert werden, um die Stabilität in Europa wirklich erhalten zu können. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Gernot Erler. Gernot Erler (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Debatte sind jetzt schon eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten zum Ausdruck gekommen. Das möchte ich ausdrücklich begrüßen. Wer aber die Texte, die wir hier zu beraten haben, aufmerksam liest, der merkt, daß wir doch von unterschiedlichen Analysen und auch Schlußfolgerungen ausgehen müssen. In dem Antrag von CDU/CSU und F.D.P. zum Beispiel heißt es wörtlich: „Die Öffnung der NATO ... " trägt „zur Stärkung von Sicherheit und Stabilität im euroatlantischen Raum bei." Aus unserer Sicht ist das ein etwas voreiliger und auch ein wenig umsichtiger Feststellungssatz. Die SPD betont, daß mehr Stabilität und Sicherheit in der Tat das Ziel der Osterweiterung der NATO ist, daß es da aber keine Automatik gibt. Wir betonen - das hat auch Karsten Voigt gesagt -, daß jetzt die Gestaltung das Entscheidende ist. Wir haben es hier nicht mit einem Endpunkt, sondern mit dem Ausgangspunkt einer Entwicklung zu tun, deren Ergebnis offen ist. Das ist unsere Verantwortung. Von uns hängt ab, ob das Ziel Stabilität und Sicherheit wirklich erreicht wird. Dabei ist eine entscheidende Frage, ob es gelingt, die guten Absichten und Pläne bezüglich der Grundakte NATO-Rußland wirklich mit Leben zu erfüllen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Diese Herausforderung stellt sich beiden Seiten. Ich möchte hier ausdrücklich mit der russischen Seite beginnen und an das anknüpfen, was der Kollege Dr. Pflüger vorhin gesagt hat. In der Endphase der kontroversen Auseinandersetzung um die NATO-Osterweiterung zwischen Ost und West ist diese Kontroverse auch in der russischen Duma als Grund dafür angeführt worden, warum drei wichtige Verträge, die schon vier oder fünf Jahre auf Ratifizierung warten, bisher nicht ratifiziert worden sind. Ich nutze hier noch einmal die Gelegenheit, vom Deutschen Bundestag aus an unsere Kollegen in Moskau zu appellieren. Im Sinne der Grundakte wäre es ein positives Zeichen, „Open Skies", Chemiewaffenübereinkommen und vor allen Dingen START II jetzt zu unterzeichnen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte aber auch uns selbst Aufgaben geben. Schauen wir auf den KSE-Prozeß. Da wird sich entscheiden, ob sich die NATO-Osterweiterung mit weiteren Abrüstungszielen verbinden wird oder ob sie womöglich ein Trendbrecher für neue Aufrüstungsrunden sein wird, was sich keiner von uns wünscht. Es gibt aus meiner Sicht das Problem, daß der NATO-Vorschlag, der am 20. Februar 1997 in Wien zur KSE-Adaption vorgelegt worden ist, den künftigen KSE-Prozeß zu ausschließlich auf Bedürfnisse einer größer werdenden NATO ausrichtet. Der KSE-Prozeß ist aber eine Erfolgsgeschichte. Seit 1992 sind schon 50 000 Großwaffensysteme delaboriert worden. Es hat annähernd 3 000 wechselseitige Inspektionen gegeben, die zur Schaffung und Erhaltung von Vertrauen beigetragen haben. Leider gibt es im KSE-Vertragsgebiet aber noch 130 000 Großwaffensysteme und 6 Millionen Soldaten unter Waffen. Das ist viel mehr, als erforderlich ist. Das bedeutet: Der KSE-Vertrag darf nicht zu einer Begleitstrategie der NATO-Osterweiterung werden. Er hat einen eigenen Wert, und das muß sich auch in den Vorschlägen, die von Ost, aber auch von West kommen, niederschlagen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Entscheidend wird zum Beispiel sein, wie die Sicherheitsgarantie, die in Art. S des Washingtoner Vertrages enthalten ist und die demnächst auch den neuen Mitgliedern zusteht, militärisch wirksam gemacht werden soll. Ich muß mich einmal an Herrn Rühe und auch an Herrn Kinkel, der leider nicht mehr da ist, wenden und sie fragen: Warum haben Sie eigentlich nie widersprochen, als der amerikanische Präsident am 24. Februar 1997 in seinem Bericht an den Kongreß sagte, daß in Zukunft bei jedem neuen Mitglied eine Staffel mit Kampfflugzeugen westlicher Bauart vorhanden sein muß? Warum haben Sie nie widersprochen, Herr Rühe, als er dort ebenfalls sagte, daß in diesen Ländern ein Luftabwehrsystem - natürlich ganz zufällig das amerikanische Fabrikat „Patriot" - installiert werden muß und daß es zusätzlich vier Divisionen hochmobiler Verstärkungskräfte und sechs Geschwader mit Kampf- Gernot Erler flugzeugen geben soll, um die Sicherheit zu garantieren? (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Da haben wir widersprochen, Herr Kollege!) Wir alle haben doch Klagen von westlichen Konkurrenten der amerikanischen Rüstungsindustrie vernommen, auf wie hemdsärmelige Art mit dem Argument der NATO-Osterweiterung in Osteuropa akquiriert wird. Ich sage nur: Damit tut man weder der NATO noch ihrer Erweiterung einen Gefallen; man diskreditiert die Osterweiterung, wenn man sie zu einem Türöffner für amerikanische Rüstungsexportinteressen macht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist auch nicht verständlich, wenn man sich die neuen SIPRI-Zahlen anschaut, wonach die amerikanische Rüstungsindustrie ohnehin 40 Prozent des Weltexports an Waffen erreicht. Nein, ich möchte noch einmal betonen: Die NATO-Osterweiterung muß mit Abrüstungsfortschritten verbunden werden. Das ist die Perspektive der Grundakte. Nur dann wird die Osterweiterung tatsächlich ihr Ziel erreichen, nämlich mehr Stabilität und Sicherheit in Europa. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Damit haben Sie recht!) - Das ist ja gut, wenn wir uns einig sind. Nun zu der Frage, wie es sich mit der echten Partnerschaft mit Rußland verhält. Dabei wird die praktische Arbeit in dem Gemeinsamen NATO-RußlandRat eine entscheidende Rolle spielen, ob dort nämlich alle Fragen der europäischen Sicherheit partnerschaftlich behandelt werden. Ich wundere mich manchmal über die Bedenken meiner Kollegen von der rechten Seite des Hauses, daß vielleicht die Funktionsfähigkeit der NATO durch diesen Rat in Frage gestellt werden könnte. Aber echte Partnerschaft heißt nicht, daß es ausreicht, wenn Präsident Jelzin zu westlichen Vorschlägen nickt. Wir haben ein Problem, das gelegentlich übersehen wird. Es gibt nämlich eine ganz andere Mehrheit in der russischen Staatsduma und leider auch in der ukrainischen Verchovna Rada. Es gibt immer noch in der Staatsduma einen Anti-NATO-Block, der die absolute Mehrheit aller Abgeordneten umfaßt, und in der Verchovna Rada in Kiew eine Gruppe, die sich „Ukraine ohne NATO" nennt und die über 100 Mitglieder hat. Wer die russische Demokratie ernst nimmt, der muß die Kontakte und den Dialog mit unseren Kollegen in der Staatsduma und in der Verchovna Rada verstärken, so daß auch sie diesem Prozeß, der durch die Grundakte eingeleitet worden ist, zustimmen. (Beifall bei der SPD) Es reicht nicht, wenn man nur zum Präsidenten gute Beziehungen hat. Wir, die Abgeordneten des deutschen Parlaments, möchten doch auch nicht übergangen werden, und wir möchten nicht, daß andere Teilnehmer dieses Prozesses sagen: Es ist uns egal, was die im Bundestag machen. Wer das ernst nimmt, muß diese Kontakte verstärken. Das ist eine der wichtigen Gestaltungsaufgaben, die ich angesprochen habe. (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das steht auch exakt in der Grundakte drin!) - Ja eben; deswegen müssen wir es umsetzen, Karsten. Jetzt komme ich zu einem weiteren Punkt des Antrags der SPD, der besagt, daß es unsere Aufgabe bleibt, ein Gesamtkonzept für eine europäische Sicherheits- und Integrationspolitik auch nach der NATO-Osterweiterung zu verfolgen. Wir beklagen, daß die EU in Amsterdam nicht die Kraft aufgebracht hat, sich fit zu machen, um an diesem europäischen Integrationsprozeß in dem Ausmaß, wie es nötig wäre und wie wir es uns wünschen, teilzuhaben. Es ist ganz unerträglich, daß die EU immer Vorschriften und Vorschläge macht und Weißbücher des Inhalts veröffentlicht, was die anderen, die neu aufzunehmenden Länder, alles leisten müssen, aber selber dann ihre Hausaufgaben nicht hinbekommt, nämlich integrationsfähig zu werden. Das ist ganz besonders gefährlich, weil wir in Europa ein Problem haben, das mit der NATO-Osterweiterung nicht gelöst werden kann. Ich meine die gefährliche Auseinanderentwicklung der Transformationsstaaten in bezug auf die sozialen und die ökonomischen Verhältnisse. Es gibt eine Krise in Südosteuropa, auf dem Balkan und in Albanien. Der Prozeß der Friedensfindung und des Bemühens um Gemeinsamkeiten in Bosnien-Herzegowina ist nicht ausreichend. Die zivile Umsetzung von Dayton funktioniert einfach nicht. Wir haben Probleme in Mazedonien und im Kosovo, und wir hatten eine große Krise in Bulgarien. Ich finde es gut, daß Herr Schmidt Bulgarien auch einmal erwähnt hat. Es ist nicht in Ordnung, daß sich Frankreich, um das frankophone Element in der NATO auszuweiten, zum Anwalt von Rumänien macht, aber Bulgarien, der traditionelle Freund der deutschen Politik, vergeblich nach einem Anwalt sucht. Das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Mein Punkt ist folgender: Wir haben die Sicherheitsdiskussion und die Diskussion um die internationale Politik zu lange auf die Frage der NATO-Osterweiterung konzentriert. Wir müssen jetzt die Reduktion, die darin steckt, aufbrechen; denn das Problem der Auseinanderentwicklung der osteuropäischen Transformationsstaaten und die Krise auf dem Balkan werden mit den Beschlüssen von Madrid nicht gelöst. Dieses steht auf der Tagesordnung. Ich kann abschließend nur appellieren: Wir müssen die Fragen des sozialen Zusammenhalts aller europäischen Länder, des zivilen Erfolgs von Dayton und Gernot Erler der europäischen Integration jenseits der einen Möglichkeit der NATO-Osterweiterung in den nächsten Wochen wieder in den Vordergrund stellen. Das ist notwendig, sonst gibt es keine Chance, den Prozeß zu einem Erfolg zu bringen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe dem Abgeordneten Andreas Krautscheid das Wort. Andreas Krautscheid (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die Vorteile und der Zugewinn an Stabilität, die wir uns von den Beschlüssen des NATO-Gipfels in Madrid erhoffen, bereits in teilweise sehr beeindruckender Art und Weise geschildert worden sind, möchte ich auf zwei Punkte eingehen, die im Vorfeld der Konferenz in den letzten Wochen und Monaten zu Diskussionen und bei einzelnen Beitrittskandidaten auch zu Verunsicherungen geführt haben. Ich meine die Herstellung der militärischen Interoperabilität und damit letztlich die Frage nach den Kosten des Beitritts: Wer zahlt wann wieviel und wofür? Nach meiner Einschätzung ist mit der Kostenfrage, obwohl sie kein Beitrittskriterium ist, in den letzten Monaten leider auch Politik gemacht worden. Die Kostenfrage ist für die verschiedensten Zwecke instrumentalisiert worden. Wie schwierig ein verantwortlicher Umgang mit der Kostenfrage ist, zeigt schon ein Blick auf die Spannbreite der uns vorliegenden Expertenschätzungen. Dazu gibt es die verschiedensten Zahlen. Die RAND Corporation spricht von Kosten bis zu 150 Milliarden US-Dollar, im Kongreß wird eine Zahl von 124 Milliarden Dollar genannt, und das polnische Verteidigungsministerium schätzt maximal 73 Milliarden US-Dollar. Diese erheblichen Unterschiede zwischen den Studien erklären sich vor allen Dingen dadurch, daß die Autoren von höchst unterschiedlichen militärischen Prioritäten ausgehen. Die entscheidende Frage lautet also: Auf welche Herausforderungen müssen die NATO und insbesondere die neuen Mitgliedstaaten militärisch vorbereitet sein? Welche Investitionen sind wann notwendig? Die aktuelle sicherheitspolitische Lage in Europa macht eine schnelle und vollständige Übertragung der gesamten NATO-Militärstruktur auf die neuen Mitgliedstaaten absolut überflüssig. Deshalb war es klug, daß die NATO von vornherein mit einem dreifachen Nein klargemacht hat, daß keine Absicht, keine Pläne und auch kein Anlaß bestehen, Nuklearwaffen auf dem Hoheitsgebiet der neuen Mitglieder zu stationieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die NATO plant auch nicht, zusätzliche Kampftruppen dort dauerhaft zu stationieren. Die Verankerung dieser freiwilligen Selbstbeschränkung in der Gemeinsamen Akte mit Rußland hat dazu beigetragen, dort bestehendes Mißtrauen gegen die NATO-Öffnung abzubauen und eine neue Phase stabilisierender Kooperation zu beginnen. Diese Selbstbeschränkungen beeinträchtigen im derzeitigen sicherheitspolitischen Umfeld in keiner Weise die Sicherheitsgarantien aus Art. 5 für die neuen Mitgliedstaaten. Auf diese Staaten kommen also in erster Linie Programme zur Herstellung der verfahrensmäßigen und strukturellen Integration zu. Notwendig ist auch die Schaffung einer infrastrukturellen Vorsorge für die Aufnahme und Entsendung von verbündeten Verstärkungskräften. Konkret bedeutet das: Wir müssen bei den neuen Mitgliedern einen Mindeststandard für Interoperabilität und Führungsfähigkeit sowie für die Luftverteidigung schaffen. Größere kostenträchtige Rüstungsprogramme mit dem Ziel der schnellen Standardisierung von Waffensystemen sind nicht erforderlich. Entscheidend ist, daß wir miteinander kommunizieren, üben und operieren können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aus diesen Gründen ist die von der NATO getroffene Entscheidung richtig, für die Erweiterung kein spezifisches Finanzprogramm neu aufzulegen, sondern die anfallenden Kosten durch die beiden NATO-Haushalte, namentlich den NATO-Militärhaushalt und das NATO-Sicherheitsinvestitionsprogramm, zu decken. Zu diesem Zweck können diese beiden Haushalte, die derzeit übrigens nicht in voller Höhe ausgeschöpft werden, zukünftig in vollem Umfang genutzt werden. Darüber hinaus ist unter allen Beteiligten unumstritten, daß die Beitrittskandidaten selbst auch einen angemessenen Beitrag erbringen müssen. Kenner der osteuropäischen Armeen sind sich allerdings einig, daß in absehbarer Zeit ohnehin beträchtliche Kosten auf die dortigen Verteidigungshaushalte zugekommen wären; denn wenn die Streitkräfte ihre Einsatzbereitschaft als nationale Armee erhalten wollten, müßten die Personal- und Betriebskosten in den Reformländern deutlich erhöht werden. Damit ist eines ganz klar festzustellen: Durch den Beitritt zur NATO sparen die neuen Mitglieder letztlich sogar Kosten; denn die integrierte Verteidigung durch ein Bündnis ist preiswerter als die Verteidigung durch eine rein nationale Armee. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Krautscheid, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erler? Andreas Krautscheid (CDU/CSU): Nein, im Moment nicht. Eine weitere Klarstellung ist mir an dieser Stelle wichtig: Es ist in den letzten Monaten von interessierter Seite in den Beitrittsstaaten verbreitet worden, die Andreas Krautscheid Aufnahme in die NATO erfordere massive Rüstungsbeschaffungsprogramme. Ich meine, es wäre ein fataler Einstieg in eine neue NATO, wenn die ohnehin extrem belasteten Haushalte der Beitrittskandidaten nun auch noch mit überdimensionierten Rüstungskäufen beansprucht würden. (Beifall des Abg. Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]) Die jungen Demokratien haben ohnehin ungeheure Lasten mit der Umstrukturierung ihrer Volkswirtschaften zu tragen. Ihnen den Weg in unsere westliche Wertegemeinschaft mit Rüstungsprogrammen zu erschweren, die erkennbar vor allem an den Industrieinteressen westlicher Verbündeter orientiert sind, wäre ökonomisch fatal, psychologisch unklug und auch politisch kontraproduktiv. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) All denen, die in Deutschland - ob mit oder ohne Hintergedanken - fragen, ob wir uns denn diese Erweiterung überhaupt leisten könnten, sage ich: Wenn es denn außer den Beitrittskandidaten ein Land gibt, das sicherheitspolitisch einen gewaltigen Nutzen aus dieser NATO-Öffnung zieht, dann ist es unser Land. (Beifall bei der CDU/CSU) Und umgekehrt: Was würde es uns kosten, wenn wir die jungen Demokratien nicht in die nordatlantische Wertegemeinschaft aufnähmen, wenn wir die Tür zur NATO auf unabsehbare Zeit zuschlagen würden? (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Das ist die Kernfrage!) Hätten sich denn die Reformbestrebungen in den Kandidatenstaaten ohne eine NATO-Beitrittsperspektive so positiv entwickelt? Wir sollten nicht unterschätzen, welch positive Wirkung die Perspektive des NATO-Beitritts auf diese Reformstaaten ausgeübt hat. Ich denke dabei noch nicht einmal so sehr an die Restrukturierungen der Volkswirtschaften, sondern vielmehr an die vielen politischen Fortschritte, die vor allem in den Beziehungen der mittel- und osteuropäischen Staaten untereinander erreicht wurden. Viele Beitrittskandidaten haben sich in dem Bemühen, ihre Chancen auf eine NATO-Mitgliedschaft zu erhöhen, zur Beilegung jahrzehntelanger Grenzoder Minderheitenkonflikte durchgerungen. Ich erinnere nur an den Grenzvertrag zwischen Polen und Litauen vom 6. März 1996, an den Grundlagenvertrag zwischen Ungarn und Rumänien vom 16. September 1996 oder an die Verhandlungen zwischen Rumänien und der Ukraine. Die Liste der Beispiele ließe sich noch weiter fortsetzen. Ob diese Übereinkünfte auch hätten erreicht werden können, wenn die NATO sie nicht von vornherein zur Voraussetzung für eine Mitgliedschaft im Bündnis erhoben hätte, möchte ich bezweifeln. Grenzkonflikte, Minderheitenprobleme und eine rein national orientierte Interessenpolitik würden statt dessen die heutige Tagesordnung in Mittel- und Osteuropa bestimmen. Dies wäre das letzte, was im deutschen Interesse läge. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die NATO-Öffnung hat also schon im Vorfeld zu einer Stabilisierung der Reformstaaten beigetragen. Die Aufnahme neuer Mitglieder wird ein Mehr an Sicherheit, ein Mehr an Stabilität und ein Mehr an Berechenbarkeit mit sich bringen. Die NATO-Öffnung bringt uns in unserem Bemühen, eine Friedens- und Sicherheitsordnung für ganz Europa aufzubauen, einen großen Schritt voran. Wir sollten also diese große Chance ergreifen und sie nicht in einem kleinkarierten Gezänk über Kosten und Nutzen untergehen lassen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD zur NATO-Osterweiterung auf Drucksache 13/8033. Wer dem Antrag der SPD zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalition, der Gruppe der PDS, einem Teil der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der SPD bei Stimmenthaltung eines Teils der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur NATO auf Drucksache 13/8046. Wer dem Antrag zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen bei Stimmenthaltungen aus der Fraktion der SPD angenommen ist. (Zurufe von der SPD: Keine Stimmenthaltungen!) - Verehrte Kollegen, dann berichtigen wir das im Protokoll. Sie haben Ihre Hand einfach zu lange oben gehalten. Das kann natürlich sein. Wir nehmen also zur Kenntnis, daß Sie so entschieden dagegen waren, daß Sie die Hand gar nicht mehr herunternehmen wollten. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Nicht sofort! - Heiterkeit) Der Antrag ist also mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Erweiterung der NATO. Das ist die Drucksache 13/ 8074. Wer diesem Antrag zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Antrag mit den Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Stimmen der Koalition und - jetzt hat mich Herr Poppe völlig durcheinandergebracht - (Heiterkeit) einer Stimme aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt ist. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/7297 und 13/7889 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Dann rufe ich die Tagesordnungspunkte 12a und 12b auf: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption - Drucksachen 13/5584, 13/6424 - (Erste Beratung 125. und 148. Sitzung) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze - Korruptionsbekämpfungsgesetz - - Drucksache 13/3353 - (Erste Beratung 125. Sitzung) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) - Drucksache 13/8079 - Berichterstattung: Abgeordnete Franz Peter Basten Norbert Geis Alfred Hartenbach Norbert Röttgen Jörg van Essen Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Hofmann (Volkach), Alfred Hartenbach, Otto Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Maßnahmen zur Bekämpfung der nationalen und internationalen Korruption - Drucksachen 13/4118, 13/8079 - Berichterstattung: Abgeordnete Franz Peter Basten Norbert Geis Alfred Hartenbach Norbert Röttgen Jörg van Essen Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Es liegen je zwei Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Fraktion der SPD vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich teile mit, daß Staatssekretär Carstens seine Rede zu Protokoll geben will.*) - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Ich nehme also Einverständnis an. Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Abgeordneten Norbert Geis das Wort. Norbert Geis (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn in unserem Land über Korruption gesprochen wird, dann kommen wir allzuschnell auf den Gedanken, das sei eine Angelegenheit für fremde Länder und fremde Kulturen. So ist es nicht. Die Korruption ist längst in unsere Verwaltung eingesickert und hat längst auch ihren Anteil in der freien Wirtschaft. Der Schaden, der durch die Korruption entsteht, wird hoch eingeschätzt. Nach einem Gutachten, das dem Karlsruher Juristentag vorgelegt worden ist, liegt er im Bereich der Verwaltung bei über 10 Milliarden DM. Bezüglich des Schadens in der freien Wirtschaft liegt keine Schätzung vor. Er ist aber mindestens genauso hoch. Es kommt aber gar nicht so sehr auf den materiellen Schaden an - natürlich kommt es auch auf den an -, sondern darauf, daß ein ungeheurer immaterieller Schaden entsteht. Denn wenn in der Verwaltung Korruption herrscht, dann verliert der Bürger das Vertrauen in die Verwaltung. Wenn in der freien Marktwirtschaft nicht mehr die Leistung entscheidet, sondern das Schmiergeld, dann geht das an die Grundlagen unserer freien Marktwirtschaft. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Eine bestechungsanfällige Verwaltung ist außerdem der beste Nährboden für die organisierte Kriminalität. Eine korrupte Wirtschaft ist die Grundlage, auf der sich die organisierte Kriminalität am besten ausbreiten kann. Deswegen ist der Kampf gegen die Korruption zugleich auch ein Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Die Parteien im Bundestag sind sich alle darüber einig, daß wir diese Entwicklung nicht einfach an uns vorübergehen lassen dürfen, sondern daß wir hier Maßnahmen ergreifen müssen. Deswegen hat der Bundesrat einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, ebenso wie die Regierung und die Koalitionsparteien. Im Rechtsausschuß haben wir diese Gesetzesentwürfe und den Maßnahmenkatalog, die Eckpunkte, die von der SPD vorgelegt worden sind, zusammen beraten und sind zu einem Gesetzesvorschlag gekommen, den wir - die großen Parteien, F.D.P., SPD und CDU/CSU - hier verabschieden werden. Wir sind uns also einig, was den präventiven und was den repressiven, den strafrechtlichen Bereich angeht. Wir werden uns bei den Entschließungsanträgen unterscheiden, aber wir wollen einmal sehen, wie dort die Mehrheiten fallen. *) Anlage 7 Norbert Geis Meine sehr verehrten Damen und Herren, der präventive Bereich ist ein wichtiger Teil im Kampf gegen die Korruption. Hier geht es um das Beamtenrecht und um das Beamtenrechtsrahmengesetz. Darauf wird Erwin Marschewski nachher zu sprechen kommen. Ich beschäftige mich mit dem strafrechtlichen Teil. Hier geht es zunächst einmal um eine Entwicklung in der Rechtsprechung, die den Amtsträgerbegriff im Laufe der Rechtsprechung anders gestaltet hat, als dies ursprünglich vorgesehen war. Wenn nämlich auf privater Ebene, wenn von einer GmbH eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird, haben wir das immer als Amtsträgerschaft angesehen, nicht aber so die Rechtsprechung. Deswegen müssen wir eine gesetzliche Klarstellung bringen. Diese liegt im heutigen Gesetzesantrag vor. Wir werden auch künftig die Maßnahmen, die durch private Hand vollzogen werden, als Maßnahme von Amtsträgern anzusehen haben, wenn es sich um öffentliche Aufgaben handelt. Insoweit liegt also eine Änderung des Amtsträgerbegriffs vor. Wir haben uns sehr lange mit der Unrechtsvereinbarung beschäftigt. Bei der jetzigen Gesetzeslage geht es darum, daß zwischen dem Vorteilsgeber und dem Vorteilsnehmer, dem Amtsträger, eine konkrete Vereinbarung darüber getroffen werden muß, daß die Hingabe des Vorteils im Zusammenhang mit der Gewährung des Vorteils gegenüber dem Vorteilsgeber, also im Zusammenhang mit einer bestimmten Amtshandlung, stehen muß. Damit sind aber viele Fälle nicht erfaßt worden, die eigentlich erfaßt werden müssen, wenn wir die Korruption richtig bekämpfen wollen. Deswegen haben wir diesen ursprünglichen Begriff der Unrechtsvereinbarung ausgeweitet. Wir sehen heute auch einen Zusammenhang, wenn ein Vorteil in bezug auf die Dienstausübung gewährt wird. Es muß also nicht die konkrete Amtshandlung im Vordergrund stehen, sondern es genügt, wenn dieser Vorteil in bezug auf die Dienstausübung gewährt wird. Ein weiterer Punkt, der uns beschäftigt hat, war die Zuwendung an Dritte. Wir haben im Augenblick den Fall, daß der Bestechende und der Bestochene nur dann bestraft werden können, wenn die Vorteilsgewährung dem Amtsträger direkt zugute kommt. Jetzt sehen wir auch die Möglichkeit einer Bestrafung nach Bestechungsdelikten vor, wenn nicht dem Amtsträger direkt, sondern einem Dritten, einer Vereinigung - meinetwegen einer politischen Partei - ein Vorteil gewährt wird, der natürlich von dem Amtsträger gewollt sein muß. Auch die Einbeziehung der Gewährung an Dritte ist zukünftig strafbar. Wir setzen die Vermögenstrafe und den erweiterten Verfall für die Bestechungsdelikte ein. Wir haben uns lange überlegt, ob wir die Kronzeugenregelung einsetzen sollen. Wir sind davon abgekommen. Wir sind der Meinung, die Kronzeugenregelung soll für ganz schwere Delikte im Staatsschutzbereich bleiben. Wir haben also den Vorschlag, der sich im Gesetzgebungsvorhaben des Bundesrates befindet, nicht aufgenommen. Wir haben außerdem einen weiteren Tatbestand eingeführt, den sogenannten Ausschreibungsbetrug, einen neuen § 298 Strafgesetzbuch. Hier gab es lange und intensive Diskussionen auch mit Wirtschaftsverbänden, weil von der Wirtschaft die Kriminalisierung eines solchen Verhaltens nicht gewollt war. Bei diesem Verhalten geht es darum, daß Anbieter eine Absprache treffen und sich rechtswidrig auf ein bestimmtes Angebot einigen. Wir wollen nun erreichen, daß diese Absprache künftig auch dann, wenn kein Schaden im Sinne des Betruges vorliegt, strafbar sein soll. Das liegt also diesem Gesetzgebungsvorhaben zugrunde. Früher wurde dies als Ordnungswidrigkeit geahndet, und wir stufen diese Ordnungswidrigkeit zur strafbaren Handlung hoch. Daneben wollen wir die Möglichkeit bestehen lassen, daß das Bundeskartellamt gegen die Unternehmen ordnungsrechtlich vorgeht. Nach unserer Gesetzeslage ist es ja nicht möglich, strafrechtlich gegen Unternehmen vorzugehen. Wir können immer nur gegen Einzelpersonen strafrechtlich vorgehen. Wir werden also die Einzelpersonen - den Geschäftsführer oder Vorstand oder Inhaber einer Firma - strafrechtlich treffen. Aber daneben bleibt die Möglichkeit erhalten, auch das Unternehmen selbst durch den Einsatz der Kartellbehörden zu treffen, die das jetzt schon sehr gut machen. Ursprünglich war vorgesehen, dies den Kartellbehörden wegzunehmen. Wir sind jedoch dabei geblieben; es soll weiterhin in der Kompetenz der Kartellbehörden verbleiben. Insoweit sind wir also den Bedenken der Wirtschaft nicht gefolgt. Da gab es Diskussionen und Briefe, und da gibt es auch heute noch Diskussionen. Wir sind der Meinung, daß es so richtig ist, wie wir es entschieden und im Ausschuß verabschiedet haben. In zwei Entschließungsanträgen beschäftigen wir uns mit der internationalen Korruption. Wir fordern die Bundesregierung auf, die internationale Korruption durch Gesetzgebungsvorhaben, die international abgesprochen sein müssen, anzugreifen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wollen also, daß die Bundesregierung tätig wird. Zweitens fordern wir die Länder und Kommunen auf, entsprechend den Maßnahmen der Bundesregierung, die sie jetzt schon auf Grund ihres Kataloges ergriffen hat, ebenfalls einen Maßnahmenkatalog aufzustellen, um die Korruption zu bekämpfen. Abschließend bedanke ich mich für die gute Zusammenarbeit zwischen F.D.P.-, SPD- und CDU/ CSU-Fraktion im Ausschuß. Ich meine, daß wir ein ausgewogenes Gesetz vorlegen können. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Alfred Hartenbach. Alfred Hartenbach (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Schar der Gegner der Korruption! Die Alfred Hartenbach Geschichte dieses Gesetzes ist wieder einmal die Geschichte einer Last-minute-Politik. (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: „Last minute" gibt es nur bei Flugreisen! Das ist etwas anderes!) Im Dezember 1995 legte zunächst der Bundesrat einen Gesetzentwurf vor, im März 1996 folgte ein Antrag der SPD, der sich darüber hinaus mit präventiven und dienstrechtlichen Maßnahmen befaßte, im Spätsommer und Herbst folgten Sie dann mit einem Entwurf, über den wir heute reden. Ich habe in meiner Rede bei der ersten Lesung gesagt: Der Doppelpack von Regierung und Union gibt nur die Richtung an, zeigt nicht das Ziel. Sie - besonders Sie, Herr Geis - haben damals widersprochen; aber ich hatte recht. Sie haben sich mittlerweile auf uns zu bewegt. (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist doch nicht schlimm!) Das Ziel erreicht das Gesetz aber immer noch nicht. Es ist leider nur eine Zwischenstation. (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Das werde ich mir für die nächsten Besprechungen merken!) Anfangs wurde das Tempo in den Beratungen bis zur Sachverständigenanhörung mächtig verbummelt. Erst in den letzten Wochen verfiel das ganze Regierungslager in Hektik und Aktionismus. Neben klärenden Formulierungsvorschlägen, mit denen Sie unseren Positionen noch näher gekommen sind, tauchte Anfang Juni plötzlich wie der Geist aus der Flasche ein Gesetz mit dem skurrilen Namen „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption und zur Begrenzung der Nebentätigkeiten" auf. Es bedurfte erst unserer Intervention, um Ihnen klarzumachen, daß Sie in einem Gesetz das Schicksal korrupter und das Schicksal anständiger Staatsdiener vermengen wollten. Wir hätten es begrüßt, wenn Sie sich nach der langen Vorlaufzeit nun auch noch über die Sommerpause Zeit gelassen hätten, den vorliegenden Entwurf auf Herz und Nieren zu prüfen. Dann würde uns wohl die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensstrafe vorliegen, und die Frage, ob die Nebentätigkeit der Hochschullehrer künftig wie die anderer öffentlicher Bediensteter der Anzeige- und Genehmigungspflicht unterliegt, hätte im gleichen Gesetz erledigt werden können. Wir hätten gern darauf verzichtet, auf die verfassungsrechtliche Problematik eines regelnden Eingriffs in die Freiheit von Forschung und Lehre hinzuweisen. Wir wollten jedoch vermeiden, daß dieses Gesetz in Karlsruhe zu Grabe getragen wird, was leider bei Last-minute-Politik schnell geschehen kann. Warum stimmen wir dann dem Gesetz trotz dieser Vorbehalte zu? (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Das fragt man sich wirklich!) - Nun, einmal, mein lieber Wolfgang, trägt dieser Gesetzentwurf in den Bereichen Dienstrecht und Straf- recht wesentlichen Positionen unseres Antrags Rechnung. Auch wenn ich bedauernd feststellen muß, daß unserem eigentlichen Anliegen, der Verhinderung von Korruption durch Prävention, ebensowenig Rechnung getragen wurde wie der weltweiten Forderung nach einer wirkungsvollen Bekämpfung der internationalen Korruption. Wir stimmen dem Gesetz auch zu, weil damit letztlich eine klare und pragmatische Regelung - nun lobe ich Sie doch - (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Das kommt aber sehr spät!) vorhanden ist, die zumindest die Positionen der Strafverfolgungsbehörden verbessert. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Also Herr Hartenbach, ich habe gedacht, Sie loben uns auch wirklich! Aber das tun Sie nicht!) - Ich lobe Sie wirklich. (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Übertreibt es nicht!) Das wird deutlich bei dem neuen Tatbestand der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen, oder einfacher gesagt: dem Submissionsbetrug. Hier kann die Staatsanwaltschaft endlich eingreifen, wo ihr bislang die Hände gebunden waren. Wir wollen damit aber keine Kriminalisierung der Bauwirtschaft. Wir wissen, daß in der Bauwirtschaft - wir haben mit einigen Vertretern eingehende Gespräche geführt, wie auch Sie - durchaus verantwortungsbewußt gearbeitet und gehandelt wird. Wir wollen auch nicht die notwendigen geschäftsbedingten Gespräche für Bietergemeinschaften oder für Arbeitsgemeinschaften in den Dunstkreis kriminellen Handelns rücken. Wir wollen, daß diese Gespräche auch weiterhin legitim sein können. Wir wollen aber den schwarzen Schafen an den Kragen, denen, die ihre Auftraggeber bewußt täuschen und der Volkswirtschaft Milliardenschäden zufügen - im letzten Jahr allein 10 Milliarden DM. Wir brauchen auf diesem Gebiet allerdings auch kluge und sensible Strafverfolger. Die Unternehmen können - Herr Geis hat zu Recht darauf hingewiesen - auch weiterhin durch die Kartellbehörden verfolgt werden. Durch dieses Gesetz wird die Korruption im geschäftlichen Bereich aus der Aura des Kavaliersdelikts herausgeholt und als stinknormale kriminelle Handlung verfolgt. Die Ermittlungsbehörden können sich in gravierenden Fällen von Amts wegen einschalten, was bisher nicht möglich war. Das „Anfüttern", also die Vorbereitung der Wiese, das Bereitmachen des Amtsträgers, wird endlich strafbar sein. Die heimliche Zuwendung an den Dritten, also etwa die Schwiegermutter, wird dem Staatsdiener direkt als Straftat angelastet. Letztlich kommt es nach diesem Gesetz auch nicht mehr darauf an, ob der Amtsträger unmittelbar dem Staat dient oder in einer privatrechtlichen Organisationsform arbeitet. Alfred Hartenbach Schwere Delikte von Bestechung und Bestechlichkeit werden dann als Verbrechen mit Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren geahndet - fürwahr ein schweres Kaliber. Im Dienstrecht wird nur ohnehin Selbstverständliches normiert. Bauchschmerzen bereitet uns die Wohlverhaltensklausel, die schon etwas an eine kleine Kronzeugenregelung erinnert. (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das soll auch so sein!) - Nun machen Sie mich nicht bösgläubig! - Da es sich hier jedoch um eine fakultative Regelung handelt und außerdem sehr enge Voraussetzungen vorliegen, haben wir letztlich unsere Bedenken zurückgestellt. Etwas fehl am Platz ist an dieser Stelle eigentlich das Zweite Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz, weil - ich wiederhole es - eine Nebentätigkeit nicht in einem Atemzug mit der Korruption genannt werden darf. Die überwiegende Zahl der Staatsdiener, die Nebentätigkeiten ausüben, handelt absolut korrekt und ist erhaben über jeglichen Verdacht, sich durch Nebentätigkeit der Gefahr der Bestechlichkeit auszusetzen. Diese Klarstellung ist mir wichtig. Das Gesetz soll auch nicht den kleinen Beamten reglementieren, der sich ganz legal etwas dazuverdient, sondern es soll die in die Schranken weisen, die ihre Stellung ausnutzen und nicht das gebotene Maß einhalten und nicht die Grenzen des Erlaubten beachten wollen. Wir sind überzeugt, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es noch bessere Möglichkeiten zur Bekämpfung von Auswüchsen und Korruption in Wirtschaft und staatlicher Verwaltung gibt. Aber ich denke, wir machen hier einen Anfang. Diesem Anfang wollen wir uns nicht verschließen, bei diesem Anfang wollen wir aktiv mitmachen. Ich denke, wir können mit diesem Gesetz eine ganze Menge bewirken und eine ganze Menge richtigstellen. (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das sagen wir doch auch!) Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich für die fairen und sachlichen Gespräche in der Berichterstatterrunde, ich bedanke mich bei den Ministerien, die dazu beigetragen haben, (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Die kriegen auch die Ministerialzulage!) daß wir letztlich diesen Entwurf hier gefunden haben. Ich bitte Sie, nachher, wenn es zur Abstimmung kommt, auch unserem Entwurf Ihre Zustimmung zu geben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Manfred Such. Manfred Such (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Welche ist die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe des Deutschen Bundestages in dieser Wahlperiode? - Den Korruptionssumpf trockenzulegen. Diese etwas vollmundig formulierte Prioritätenbestimmung der CDU/CSU, die der Kollege Marschewski in der ersten Lesung der heute weiter beratenen Antikorruptionsentwürfe vornahm, würde jetzt mit einem dreiviertel Jahr Abstand vielleicht etwas anders ausfallen. (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Warum?) Seither hat dié Koalition auf anderen Feldern Handlungsbedarf, (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Wo denn?) um ihre Bundesregierung in der Regierung und im Amt zu halten. Aber, meine Damen und Herren, grundsätzlicher Konsens in diesem Hause ist gewiß, daß die Verhütung und Aufklärung von dienstlichen bzw. geschäftlichen Vorteilsgaben und -nahmen ein gemeinsames dringendes Anliegen ist. Darin sind wir uns sicherlich alle einig. Ich habe den Eindruck, daß es während der letzten Jahre gelungen ist, das Problembewußtsein gegenüber Korruption in der Öffentlichkeit, in Betrieben und Verwaltungen zu schärfen. Die gestiegenen Fallzahlen aus der kürzlich veröffentlichten Kriminalstatistik 1996 bewerte ich als begrüßenswertes Indiz für die Aufhellung des korruptiven Dunkelfeldes und für eine erhöhte Anzeigebereitschaft in der Bevölkerung. Auf Basis der erwähnten gemeinsamen Meinungen gegen Korruption in diesem Hause scheinen mir auch die beratenen Regelungsvorschläge der verschiedenen Seiten - von einigen kleineren Differenzen in Einzelfragen abgesehen - näher beieinander zu liegen, als dies in anderen Bereichen oftmals bedauerlicherweise der Fall ist. Dies begrüße ich als Signal politischer Geschlossenheit an die Bevölkerung, daß korruptive Praktiken nicht hinnehmbar sind. Die erwähnten inhaltlichen Übereinstimmungen bei den Regelungsvorschlägen möchte ich an drei Beispielen näher illustrieren. Erstens sind viele Teile des Entwurfes meiner Fraktion, den wir als erste Initiative gegen Korruption in diesem Hause bereits im März 1995, Kollege Hartenbach, vorgelegt haben, übernommen worden. Insofern können wir es verschmerzen und erinnern rückblickend - eher belustigt darüber nachdenkend -, daß unser Antrag vor der Präsentation des Regierungsentwurfes jedenfalls im Innenausschuß von der Koalitionsmehrheit zwar formal abgelehnt worden ist, aber alles das, was wir damals formuliert haben, ist zurückgekommen, das finden wir in den entsprechenden Entwürfen wieder. Wir sind auch nicht so eitel, daß wir meinen, wir müßten das bedauern. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Dann können Sie ja jetzt mitstimmen!) Manfred Such Das Endergebnis, das dabei herausgekommen ist, ist das, was wir zum großen Teil wollten, und das ist erfreulich. Zweitens möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich unseren AL-Kolleginnen und -Kollegen im Berliner Abgeordnetenhaus danken, ohne deren zahlreiche Anträge und Vorschläge es nicht zu der Berliner Initiative und zu dem Entwurf des Bundesrates gegen Korruption gekommen wäre. Daß wir die im Entwurf des Bundesrates späterhin repressiv zugespitzten Inhalte, die dort vorhanden sind, nicht mittragen können, steht auf einem anderen Blatt. Drittens hat die Koaliton zwar die bündnisgrünen Forderungen nach entschlossenen Maßnahmen gegen internationale Korruption nicht unmittelbar, wie Herr Geis hier vorgetragen hat, in ihren Entwurf, aber im Kern nach einer gewissen Denkpause wenigstens in ihren heute vorgelegten Entschließungsantrag aufgenommen. Auch das begrüßen wir. Hier haben offenbar die eindringlichen Mahnungen des von uns benannten Sachverständigen Dr. Pieth aus der Anhörung indirekte Wirkung gezeigt. Meine Fraktion wird neben den zwei Entschließungsanträgen der SPD auch dem gesamten dienstrechtlichen Teil des Regierungsentwurfs zustimmen. Da bin ich also einig mit dem Kollegen Marschewski. Trotz solcher Übereinstimmungen können wir der Regierung nicht den Vorhalt ersparen, mit ihrer jetzigen Aktivität selbst im internationalen Vergleich um Jahre zu spät gekommen zu sein. Heute noch werden wichtige Regelungen nicht entschlossen genug angepackt. Inzwischen haben sich gewisse Korruptionspraktiken verfestigen können, was bei einer früheren Initiative vermeidbar gewesen wäre. Auch fehlt es der Regierungskoalition offenbar immer noch an Entschlossenheit, wichtige Regelungen ohne weiteren Verzug zu schaffen. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir sind fest entschlossen!) Neben dem notwendigen vollständigen Ausschluß der steuerlichen Absetzbarkeit inländischer Schmiergelder nenne ich beispielhaft nur das Thema bundesweites Korruptionsregister. Es kann nicht sein, daß Firmen, die korrupt sind, weiterhin öffentliche Aufträge bekommen. Dieses Korruptionsregister würde das verhindern helfen. Ein Hin und Her hat die Regierungskoalition zu der erwogenen Telefonüberwachung bei Korruptionsverdacht gezeigt: erst nein, dann ja und schließlich wieder nein. Immerhin ist das Ergebnis erfreulich: Wir müssen nicht mit weiteren Telefonüberwachungen auf diesem Gebiet rechnen. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Doch, doch!) Außer den erwähnten Lücken nenne ich, kurz gefaßt, unseren primären inhaltlichen Dissens zu dem, was der Regierungsentwurf tatsächlich enthält. Gegen die Strafbarstellung des Ausschreibungsbetruges, Kollege Geis, teilen wir weiterhin die überzeugenden grundsätzlichen Bedenken des Bundeskartellamtes. Das Strafrecht plus Legalitätsprinzip trifft mit weisungsabhängigen Vertretern der Firmen oft die falschen. Da werden die falschen zur Rechenschaft gezogen. Ich glaube, daß Sie es nicht in Einklang bringen können, auf der einen Seite das Bußgeldverfahren und die Aufsicht durch das Kartellamt laufen zu lassen und auf der anderen Seite die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Das beißt sich; das wird so nicht funktionieren. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das Kartellamt ist da anderer Meinung!) Uns wundert auch die Zustimmung - in diesem Zusammenhang vor allem die der F.D.P. - angesichts der Warnung des Bundeskartellamtes, aus dieser in Europa einzigartigen Strafandrohung ergebe sich ein Standortnachteil für die deutsche Wirtschaft. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Such, Sie müssen zum Schluß Ihrer Rede kommen. Manfred Such (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluß. Ich habe leider immer nur fünf Minuten. Ich möchte mit einer Aufforderung bezüglich des Problems internationaler Korruption schließen. Wir hoffen, daß Sie das, was Sie hier angekündigt haben, schnell umsetzen werden. Denn es ist nicht erträglich, daß international zur Korruption eingesetzte Gelder heute immer noch von der Steuer abgesetzt werden können. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege, bitte beenden Sie Ihre Rede. Manfred Such (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben andere Länder längst abgeschafft. In den USA, in Kanada, in Großbritannien, Norwegen, Schweden, Neuseeland und selbst in der Türkei und in der Schweiz ist das lange Standard. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Such, bitte beenden Sie Ihre Rede. Manfred Such (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, ich bedanke mich bei den Kollegen für die Aufmerksamkeit. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Jörg van Essen. Jörg van Essen (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Korruption beschäftigt seit einiger Zeit die juristische Diskussion. Das konnte nach den bekanntgewordenen gravierenden Vorfällen in unserem Land nicht ausbleiben, insbesondere denen in München, in Frankfurt und im Frankfurter Umkreis. (Dr. Rupert Scholz [CDU/CSU]: Und Recklinghausen!) Jörg van Essen - Auch Recklinghausen sollte man natürlich nicht vergessen. Ganz aktuelle Berichte machen deutlich, daß Korruption nicht nur ein Phänomen bei öffentlichen Vergaben ist, sondern auch in der Privatwirtschaft stattfindet; ich erinnere an den Fall Skoda. Opfer dieser Praktiken sind insbesondere die Firmen, die sich redlicher Mittel bedienen wollen. Ich halte es deshalb für einen wichtigen Fortschritt, daß die Strafbestimmungen gegen Korruption im privatwirtschaftlichen Bereich nunmehr im Strafgesetzbuch zu finden sind. Herr Such, ich habe zu denen gehört, die für die Strafbarkeit wettbewerbsbeschränkender Absprachen von Firmen bei Ausschreibungen eingetreten sind. Hier sind gravierende Vorfälle bekanntgeworden, die die Notwendigkeit dieser Vorschrift nachdrücklich unterstrichen haben. Aber genauso wichtig ist mir, herauszustellen, daß Bietergemeinschaften etwa von spezialisierten mittelständischen Unternehmen und die dazu notwendigen Absprachen von dieser Vorschrift nicht erfaßt werden. Auch der Kollege Hartenbach hat dies hier ausgeführt. Wir haben dies deshalb nach dem gemeinsamen Willen des Rechtsausschusses in unserem Bericht deutlich hervorgehoben. Ich glaube, daß wir auch die Frage der Strafverfolgung dieser Delikte im privaten Bereich in einer vernünftigen Weise geregelt haben: Grundsätzlich bedarf es eines Strafantrages; die Staatsanwaltschaft kann jedoch wegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung jederzeit aus eigenem Recht einschreiten. Im Bereich der Amtsdelikte halte ich es wie der Kollege Geis für besonders bemerkenswert, daß wir die Annahme oder Gewährung eines Vorteils als Gegenleistung für die Dienstausübung zukünftig unter Strafe stellen. Damit haben wir an den Beschluß des Deutschen Juristentages 1996 angeknüpft. Mit dieser Formulierung stellen wir klar, daß zwar weiterhin eine Beziehung zwischen der Vorteilsannahme und den Diensthandlungen des Amtsträgers bestehen muß, eine hinreichend bestimmte Diensthandlung als Gegenleistung muß aber nicht mehr nachgewiesen werden. Ich halte das für konturenschärfer als den Vorschlag des Bundesrates, wonach schon ein Zusammenhang mit dem Amt genügen sollte. Die Regelung über die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Kartellbereich sowie die nunmehr in einem gesonderten Gesetz geregelten Bestimmungen zur Einschränkung der Nebentätigkeiten im Bereich der öffentlichen Verwaltung finden ebenfalls unsere Zustimmung. Trotz meiner vorrangigen Beschäftigung mit Fragen der Strafverfolgung - einem gelernten Oberstaatsanwalt mag man nachsehen, daß er daran besonders interessiert ist - möchte ich auf eines deutlich hinweisen: Noch wichtiger als die vorgenommenen Verbesserungen bei der Strafverfolgung ist es, der Bestechung und der Bestechlichkeit - sowohl im Bereich der öffentlichen Verwaltung als auch der Privatwirtschaft - durch geeignete Maßnahmen vorzubeugen. Auch hierzu hat die Koalition ein Maßnahmenbündel vorgeschlagen, das erhebliche Fortschritte bringen wird. Fortschritte zeichnen sich erfreulicherweise auch im internationalen Bereich ab. Ich habe mich selbst immer dagegen gewandt, daß wir in dieser Frage durch einseitige nationale Regelungen zu Wettbewerbsnachteilen für unsere Wirtschaft beitragen. Nur wenn ein abgestimmtes internationales Vorgehen erreicht werden kann, können wir tatsächlich in vielen Ländern eine Veränderung der beklagenswerten Praxis erreichen. Um so mehr freue ich mich, daß der notwendige internationale Druck nunmehr erste Wirkungen zeigt. Wir sollten uns in diesem Bereich weiterhin konstruktiv einbringen. Deshalb halte ich es für richtig, daß der Finanzausschuß, der federführend ist, schon im Oktober durch Gespräche mit der OECD in Paris seine Beratungen etwa zur Frage der steuerlichen Absetzbarkeit von Bestechungsgeldern im Ausland vorantreiben und diese Beratungen schon Ende Oktober abschließen will. Das heutige Gesetz ist eine wichtige Hilfestellung im Kampf gegen die Korruption. (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr wahr!) Wir werden uns an den weiteren notwendigen Schritten aktiv beteiligen. Ich würde mich freuen, wenn auch das wieder im Zusammenwirken mit der größten Oppositionspartei möglich wäre. Eine breite parlamentarische Mehrheit trägt erheblich zu einer größeren Bewußtseinsbildung in diesem Problemfeld bei. Vielen Dank. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe der Abgeordneten Maritta Böttcher das Wort. Maritta Böttcher (PDS): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir meinen, daß die Frage der Korruption unbedingt vom Komplex der Nebentätigkeit der Beamten deutlich geschieden werden muß. Korruption ist ein eigenständiges und zugleich ein gesellschaftliches, moralisch-ethisches und juristisches Problem. Ich denke, beides ist zu beachten. Als positiv bewerte ich es, daß es zahlreiche überzeugende Antworten auf die Frage gibt, welche Maßnahmen der Prävention und Prophylaxe - als der eigentliche Schwerpunkt - bei der Bekämpfung von Korruption erforderlich sind. Die im Entschließungsantrag der SPD-Fraktion genannten Maßnahmen halten wir für richtig und angemessen. Ich sehe einen eklatanten Widerspruch zwischen dem Wesen der Korruption als einem sehr komplexen Phänomen und dem Charakter des von der Bundesregierung vorgelegten Korruptionsbekämpfungsgesetzes, das Lösungsansätze im Grunde genommen auf straf- und disziplinarrechtliche verkürzt, (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Was?) deren Wirksamkeit überdies noch höchst fragwürdig ist. Maritta Böttcher Die Debatte um die vorliegenden Gesetzentwürfe wurde nicht als Chance genutzt, um Grundfragen der Bekämpfung von Korruption zu klären und adäquate, komplexe Lösungsstrategien zu erarbeiten. (Beifall bei der PDS) Weder in den Ausschüssen - soweit mir bekannt - noch in der Anhörung am 16. April erfolgte eine überzeugende Analyse der tatsächlichen Gefahrenlage. In der Begründung des Regierungsentwurfes ist lediglich von „teilweise sehr umfangreichen Korruptionsfällen" die Rede, was natürlich richtig ist. Es fehlen aber gesicherte empirische Untersuchungen und Ergebnisse über die großen Korruptionsfälle hinaus. Zumindest aus der Kriminalstatistik ergeben sich keine Anzeichen für eine relevante Erhöhung der Korruptionsdelikte. Unterblieben ist auch eine ernsthafte Debatte über gesellschaftliche Zustände, die Korruption begünstigen bzw. erst direkt hervorrufen. Um Korruption erfolgreich zu bekämpfen, müssen bei uns jene Machtstrukturen benannt und geändert werden, die sich einer demokratischen Kontrolle entziehen. (Beifall bei der PDS) In der Anhörung am 16. April verlangte Professor Hans See in diesem Sinne Transparenz in den Machtstrukturen der Wirtschaft, ein Ansatz, der dann leider weder in der Anhörung noch danach weiter ausgebaut wurde. Aber hier, in der Abschottung der Wirtschaft vor demokratischer Kontrolle, liegt nun einmal eine ganz entscheidende, begünstigende Bedingung für Korruption. Dabei geht es offenkundig nicht um kleine Gefälligkeiten, sondern um Millionenbeträge. Da in diesem Bereich der Gesellschaft Transparenz in keiner Weise gegeben ist, kann man nur rätseln, ob Korruption im Spiel ist, wenn zum Beispiel eine einzige Anwaltskanzlei von der Treuhandanstalt in der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 31. Dezember 1993 als Beraterhonorare 161 Millionen DM erhalten hat. Dasselbe gilt für die Affäre Elf/Thyssen im Zusammenhang mit dem Zuschlag für den Raffinerieneubau in Leuna-Merseburg. Es geht nicht an, heute die Bekämpfung von Korruption zu beraten, ohne - wie bisher in der Debatte geschehen - diese Affäre zu erwähnen. Für Lobbyarbeit - sprich: Vorteilsgewährung oder Bestechung - überwies Thyssen Rheinstahl Technik nachweisbar 13 Millionen DM in die Schweiz. Bekanntlich wollen Gerüchte nicht verstummen, daß ein Teil dieser Gelder sogar in die Kassen der CDU geflossen sein soll. (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Das ist ja unglaublich! Nehmen Sie so eine Frechheit zurück! - Norbert Geis [CDU/CSU]: Machen Sie keine Beleidigungen!) Mangelnde Transparenz verhindert, daß man Genaueres sagen kann. Für sinnvoll halten wir die im Gesetz der Bundesregierung vorgesehenen Änderungen des Beamtenrechts. Die ansonsten erfolgte Orientierung des Gesetzentwurfs vor allem auf Veränderungen des Strafrechts betrachte ich als Konzession an die verbreitete Illusion, man könne vor allem mittels einer Verschärfung des Strafrechts Korruption eindämmen. Am allerwenigsten brauchen wir eine symbolische Gesetzgebung, die real sowieso ohne Wirkung ist. (Zuruf des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU]) - Sie können mich ja fragen. Ich kann Ihnen sagen, wo das steht. - (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das werden Sie mir gerade sagen!) Nicht in einer Erhöhung der Strafen insgesamt kann die Lösung liegen, sondern - wenn man schon das Strafrecht besser nutzen will - nur in der zügigen und konsequenten Strafverfolgung. Abschließend möchte ich sagen: Für bedauerlich halte ich es, daß die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf keine Initiative verbunden hat, Bestechung im Ausland für strafbar zu erklären. Es überzeugt mich auch nicht, wenn gesagt wird, hier stünden internationale Vereinbarungen bevor und ein Alleingang werde die deutsche Wirtschaft im Ausland benachteiligen. Denn in vielen OECD-Ländern ist dies bereits strafbar; nur in drei weiteren Ländern wird die Zahlung internationaler Schmiergelder wie in der Bundesrepublik begünstigt. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Frau Kollegin, Sie müssen Ihre Rede bitte beenden. Maritta Böttcher (PDS): Wir werden deshalb beiden Gesetzentwürfen nicht zustimmen, während wir dem Antrag der SPD-Fraktion unsere Zustimmung geben werden. Danke. (Beifall bei der PDS) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Damit gebe ich das Wort dem Abgeordneten Erwin Marschewski. Erwin Marschewski (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weise zunächst einmal das zurück, was Sie, Frau Kollegin von der PDS, gesagt haben. Ich fordere Sie hier an dieser Stelle auf, dafür den Beweis zu erbringen. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Oder das zurückzunehmen!) Der Staat muß auf Korruption reagieren. Er darf vor einschneidenden Maßnahmen nicht zurückschrecken; denn das Vertrauen der Bürger in die Integrität des Staates ist einer der Eckpfeiler unserer Gesellschaft. Deshalb ist es wichtig, feststellen zu können: An der Unbestechlichkeit und Uneigennützigkeit sehr vieler Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst besteht kein Zweifel. Bestechen lassen sich zum Glück nur sehr wenige. Aber wo der Staat, wenn auch nur in Ausnahmefällen, käuflich ist, steht das Gemeinwohl insgesamt zur Erwin Marschewski Disposition. Deswegen dürfen wir nicht passive Zeitzeugen einer wachsenden Korruptionskonjunktur werden. Weil der öffentliche Dienst wie kein anderer dem Gemeinwohl verpflichtet ist, gilt das hier besonders. Er muß insgesamt wieder sauber werden. Deswegen legen wir Ihnen zwei Gesetzentwürfe vor: erstens den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption und zweitens - es ist richtig, daß wir das getrennt haben - den Entwurf des Zweiten Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetzes. Dabei ist eines ganz wesentlich: Wir haben auch präventive Maßnahmen beschlossen, die aber verwaltungsinterner Art sind, so daß eine Gesetzesänderung nicht erforderlich ist. Zu diesen Maßnahmen gehören: erstens konsequente öffentliche Ausschreibungen, zweitens der konsequente Ausschluß korrumpierender Unternehmer von öffentlichen Aufträgen und Leistungsvergaben - ein ganz wichtiger Punkt, meine Damen und Herren -, (Beifall bei der CDU/CSU) drittens das Mehr-Augen-Prinzip und viertens regelmäßige Personalrotation. Vor allen Dingen gehört dazu, Herr Kollege Such, die Einführung eines zentralen Korruptionsregisters, was bei uns beschlossen ist. Wir gehen davon aus, daß dieses Korruptionsregister beim Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn eingerichtet wird; zumindest ist das in der Diskussion. Meine Damen und Herren, soviel zu den administrativen Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption. Ich fordere Länder und Gemeinden auf, das gleiche zu machen, wie wir es im Bund bereits beschlossen haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es bedarf, wie bereits gesagt, in diesem Zusammenhang keiner Gesetzesänderung. Zum Beamtenrecht - Kollege Norbert Geis hat für die Union das Strafrecht bereits behandelt - ein paar Sätze: Erstens. Beamte dürfen keine Belohnungen und keine Geschenke annehmen. Zweitens. Dem Beamten, der durch sein Verhalten die Aufklärung von Korruptionsfällen erleichtert, kommt disziplinarrechtlich die „kleine Kronzeugenregelung" zugute. Sofern er aus dem Dienst entfernt wird, was ja in der Regel der Fall ist, soll ihm - ergänzend zur Nachversicherung - eine spätere monatliche Unterhaltsleistung zugesichert werden können. Ich leugne nicht, daß man mit mir auch über die Kronzeugenregelung generell hätte diskutieren können. Das war nicht durchsetzbar. Sie, Herr Kollege Such, haben wieder einmal einen kleinen Fehler begangen. Natürlich haben wir die Abhörmöglichkeit in § 100 a der Strafprozeßordnung ausdrücklich geregelt. Ihnen muß von Ihrem Mitarbeiter wohl ein sehr alter Entwurf auf den Tisch gelegt worden sein. Zum Zweiten Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz: Nebentätigkeit - da sind wir wieder einer Meinung, bevor Sie zu sehr kritisieren - ist natürlich, wenn sie anzeigeentsprechend ausgeführt wird, nicht korruptionsverdächtig. Zahlreiche Nebentätigkeiten sind geradezu erwünscht. Aber wir schränken diese Nebentätigkeiten trotzdem ein, weil wir meinen, ein Beamter müsse ausschließlich dem Staat zur Verfügung stehen, weil die Leistungskraft des öffentlichen Dienstes dies erfordert - und - last not least - aus arbeitsmarktpolitischen Gründen. Weiterhin schlagen wir vor: Erstens. Nebentätigkeiten sind dann zu untersagen, wenn sie quasi ein Zweitberuf sind. Zweitens. Die Anzeigepflicht für nicht genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten wird auf Entgelte und geldwerte Vorteile erweitert. Dies betrifft insbesondere den Fall des Richters Henrich. Nebentätigkeiten schaden dem Ansehen von Justiz und Verwaltung, besonders dann, wenn ein Entgelt - wie in diesem Fall - in Millionenhöhe gewährt wird. Deswegen darf es das nicht mehr geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Drittens. Wir wollen die Genehmigung für Nebentätigkeiten auf fünf Jahre begrenzen. Sie kann in Zukunft auch unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden. Meine Damen und Herren, trotz der kurzen Redezeit heute zwei Schlußworte. Schlußwort eins an Bund, Länder und Gemeinden: Ein demokratischer Rechtsstaat, der nur vom Vertrauen seiner Bürger lebt, kann Korruption nicht hinnehmen, sonst gibt er sich selbst auf. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Schlußwort zwei - eine Ermahnung an die Unternehmer -: Wenn nicht mehr kalkuliert, sondern korrumpiert wird, hat, so meine ich, der ordentliche Unternehmer keine Chance mehr. Er lebt nicht länger als die reines Quellwasser gewohnte Forelle im schmutzigen Abwasserkanal. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort der Abgeordneten Maritta Böttcher. Maritta Böttcher (PDS): Da mich Herr Marschewski direkt angesprochen hat, möchte ich natürlich auch direkt etwas dazu sagen. Ich möchte an das erinnern, was die Kriminologen Kerner und Rixen zum Zeitpunkt der ersten Lesung des Antikorruptionsgesetzes in Goltdammers's Archiv für Strafrecht schrieben: Die Strafgesetzgebungspolitik hinsichtlich der Bekämpfung von Korruption vollzieht sich derzeit weitgehend unter den Bedingungen des Kaum- oder Nicht-Wissens. Genau darauf bezog sich meine Bemerkung, es sei mehr Transparenz erforderlich. Außerdem habe ich gesagt, Herr Marschewski, daß die Gerüchte nicht verstummen, daß ein Teil dieser Schmiergelder in die Kassen der CDU geflossen sein soll. Immerhin - da möchte ich Ihnen jetzt eine Antwort geben - weist der Rechenschaftsbericht der Maritta Böttcher CDU auf Drucksache 12/6140 für das Jahr 1992 eine Spende von Thyssen Rheinstahl Technik in Höhe von 35 000 DM aus. (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Ja, und?) Daraufhin habe ich gesagt: Mangelnde Transparenz verhindert, daß man Genaueres sagen kann. - Sie hätten ja etwas dazu sagen können. (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Das ist doch eine böswillige Interpretation!) Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang könnten wir hier in diesem Hause durch die Offenlegung der Nebentätigkeiten von Abgeordneten mit gutem Beispiel vorangehen. Wir sollten nicht nur ständig über andere reden. (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Das, was Sie interpretiert haben, ist eine Frechheit!) Diesbezügliche Anträge haben Sie aber bisher mit Ihrer Ablehnung zu verhindern gewußt. (Beifall bei der PDS - Norbert Geis [CDU/ CSU]: Es gibt doch eine klare Regelung zu den Nebentätigkeiten!) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Marschewski, Sie können darauf antworten. - Bitte. Erwin Marschewski (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Kollegin, was Sie vorhin gesagt haben, beweist in keiner Weise, daß die Union in solche Dinge verstrickt ist. Sie haben dies indirekt zurückgenommen; das ist richtig. Ich hätte aber erwartet, daß Sie „Fraus" genug sind, zu sagen: Ich entschuldige mich dafür. Die Union hat nie Schmiergelder angenommen. Der Beweis hierfür ist nicht erbracht worden. Ich bedaure, daß gerade Sie als Abgeordnete der PDS, der Nachfolgeorganisation der SED, die Waffen- und Drogengeschäfte gemacht und dafür Gelder angenommen hat, so etwas sagen. Dies ist deshalb um so peinlicher und um so bedauerlicher. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So wahr mir Flick helfe!) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe dem Abgeordneten Frank Hofmann das Wort. Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst Sie von der Union, insbesondere die Innen- und Rechtspolitiker, zu zwei Bereichen ansprechen. Zum einen: Herr Marschewski, Sie sagten eben, die Telefonüberwachung stehe im Gesetzentwurf. Haben Sie das reingeschmuggelt? Wir wissen nichts davon. Die Telefonüberwachung ist im Rahmen der StPO geregelt, bezieht sich aber nicht auf die jetzt zu beschließende Korruptionsbekämpfung. Richtig? Zum anderen. Herr Geis, Sie haben über den Maßnahmenkatalog gesprochen. Wir haben uns bei den Berichterstattergesprächen in bezug auf unsere Entschließungsanträge darüber unterhalten, daß wir es nicht bei einer allgemeinen Beurteilung der Lage belassen sollten - gerade ich habe mich dafür eingesetzt -, sondern konkrete Maßnahmen, zum Beispiel das zentrale Korruptionsregister, einbeziehen sollten. Jetzt höre ich von Herrn Marschewski: Das erfordert das zentrale Korruptionsregister. Wir wollen erreichen, daß die Bundesregierung dies verwirklicht, weil es eine untergesetzliche Maßnahme ist. Deshalb haben wir dazu einen Entschließungsantrag eingebracht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir haben Sie aufgefordert, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Da Sie genau die Beispiele erwähnt haben, die in unserem Entschließungsantrag enthalten sind, gehe ich davon aus, Herr Marschewski, daß Sie unserem Entschließungsantrag zustimmen werden. Ich hoffe dies. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir haben es doch drin!) - Bei Ihnen ist dies im Maßnahmenkatalog enthalten. Dazu gibt es für mich noch viel zu sagen. Im Maßnahmenkatalog vom 20. März letzten Jahres, den der Justizminister zusammen mit dem Innenminister vorgelegt hat, steht, daß es Risikoanalysen für korruptionsgefährdete Arbeitsgebiete, zentrale Kontaktstellen, Richtlinien für den Verhaltenskodex und das zentrale Korruptionsregister geben soll. Ich habe überall nachgefragt: Es gibt weder ein zentrales Korruptionsregister noch Richtlinien für einen Verhaltenskodex. Es gibt keine zentrale Kontaktstelle und keine Risikoanalysen. Deswegen fordern wir Sie auf: Stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu! Nur dann ist die Bundesregierung gezwungen, zu handeln. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS und des Abg. Manfred Such [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich meine, wir haben keinen Grund, in Sachen Korruptionsbekämfpung in Jubel auszubrechen. Ich will noch einmal auf das Korruptionsregister zurückkommen. Wie kommt es denn, daß ein Bundesland wie Rheinland-Pfalz es schafft, eine Schwarze Liste korrupter Firmen zu erstellen, damit sie von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden können, die Bundesregierung dazu aber nicht in der Lage ist? Deshalb sage ich: Was Sie vorlegen, ist in Teilen ein erster, schüchterner Versuch der Korruptionsbekämpfung. Das Rückgrat der Korruptionsbekämpfung liegt in der Prophylaxe. Bei der Prävention muß etwas getan werden! Frank Hofmann (Volkach) ) Papier ist geduldig. Handlungen sind mir bei Ihnen noch keine bekannt. (Beifall der Abg. Dr. Uwe Küster [SPD] und Manfred Such [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Bei der Bekämpfung im internationalen Bereich, wo es um die steuerliche Absetzbarkeit von Schmier- und Bestechungsgeldern geht, haben wir Sie abgeholt. Wir haben Sie erst dazu gebracht, im Bereich des internationalen Strafrechts mitzumachen. Bisher mußten wir uns alle den Vorwurf der USA gefallen lassen, die Bundesrepublik Deutschland subventioniere Korruption, weil wir im internationalen Bereich nichts getan haben. Wenn Sie sich uns bereits damals angeschlossen hätten, hätten wir das vermeiden können. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Sehr richtig!) So müssen wir uns alle diesen Vorwurf gefallen lassen. Wir müssen bei der Korruptionsbekämpfung im internationalen Bereich endlich auch das Steuerrecht berücksichtigen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Jörg van Essen [F.D.P.]: Jetzt sind ja erst die internationalen Voraussetzungen dafür gegeben!) - Wenn Sie sich zum Beispiel das neue Gutachten anschauen, in dem es um die Frage geht, in welchen Ländern Korruption bereits unter Strafe gestellt ist, werden Sie feststellen: Eine Harmonisierung derart, daß es gleiches Recht in allen Rechtsgebieten gibt, ist ) fast nirgendwo gegeben. Gerade die Implementation des Rechts, also die Reaktion der Finanzbehörden, ist nicht gleichmäßig. Wir sind der Gesetzgeber. Wir müssen der Bundesregierung sagen, was sie in dieser Sache in Deutschland zu tun hat; wir müssen der Bundesregierung sagen, wie sie sich international zu bewegen hat. Das anzuerkennen müssen Sie sich endlich bereit erklären. Unser Weg ist vorgezeichnet. (Jörg van Essen [F.D.P.]: Im Oktober ist der Finanzausschuß in Paris!) - Sie zögern alles hinaus. Weshalb beschließen wir das nicht hier und heute? (Norbert Geis [CDU/CSU]: Nein, das ist ja völlig falsch, was Sie sagen!) Wir hätten längst, bereits vor einem Jahr, darüber entscheiden können. Sie waren dazu nicht in der Lage. Im Moment sind wir Deutsche in den Augen der übrigen Welt - das müssen Sie sich wirklich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen - bei der Korruptionsbekämpfung wahrlich keine Musterschüler. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie machen das daraus! Das ist doch völlig falsch, was Sie sagen!) - Wenn Sie etwas sagen wollen, können Sie sich melden. Jetzt ist Schluß! (Jörg van Essen [F.D.P.]: Jawohl, Herr Oberlehrer!) Im Gegenteil: Die Bundesregierung hat durch ihre zögerliche Haltung den Ruf Deutschlands ramponiert. Deutschland muß sich von den USA vorhalten lassen, daß die internationale Korruption von uns subventioniert wird. Wir, die Sozialdemokraten, haben in Deutschland die Meinungsführerschaft bei der Korruptionsbekämpfung übernommen. (Widerspruch bei der F.D.P. - Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie haben ja noch nicht einmal ein Gesetz vorgelegt!) - Sie waren ja noch nicht einmal bei der Anhörung dabei. Sonst wüßten Sie, daß die Anhörung im April dies ganz deutlich gemacht hat. Und auch Sie, die Koalitionsfraktionen, werden uns, wenn auch klammheimlich, folgen müssen. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Dann hätten Sie ein Gesetz vorgelegt! Haben Sie gar nicht gemacht! Sie haben bloß groß dahergeredet! Das ist indiskutabel!) Sie werden nicht sonderlich stolz darauf sein können; denn wenn man jahrelang geschlafen hat, kommt eine Offensive irgendwann nur noch einem überfälligen Akt gleich. (Beifall des Abg. Karl Diller [SPD]) Sie sollten unseren Entschließungsanträgen zustimmen. Dann sind Sie wieder auf der Höhe der Zeit. Sonst werden wir Sie weiter treiben. (Beifall bei der SPD) Die steuerliche Absetzbarkeit von Schmier- und Bestechungsgeldern - sei es im Inland, sei es im Ausland - ist für uns und für die große Mehrheit der Deutschen indiskutabel. Danke. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem Abgeordneten Norbert Geis. Norbert Geis (CDU/CSU): Uns wurde vorgeworfen, wir hätten keine Maßnahmen im internationalen Bereich ergriffen. Erstens. Die Bundesregierung ist am OECD-Beschluß vom 27. Mai beteiligt, der die internationale Korruptionsbekämpfung vorantreiben will. Sie hat sich verpflichtet, mit den anderen an dieser Konferenz beteiligten Staaten bis spätestens 1. April 1988 ein entsprechendes Gesetz vorzulegen. (Zuruf von der SPD: 1998!) - Entschuldigung, 1998. Ebenso gibt es eine Absprache vom 27. Mai innerhalb der EU. Es ist vereinbart worden, international Norbert Geis abgestimmt Maßnahmen gegen die Korruption zu ergreifen. (Jörg van Essen [F.D.P.]: Nur dann macht es Sinn!) - Ja, nur dann macht es Sinn. Zweitens. Die Bundesregierung hat im März des letzten Jahres bereits einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, in dem auch das Korruptionszentralregister vorgesehen ist. Es wird derzeit errichtet. Es ist also falsch, wenn der Bundesregierung vorgehalten wird, sie hätte eine solche Maßnahme nicht ergriffen. Drittens. § 100a StPO: Regelungen zur Telefonüberwachung werden wir gemeinsam - so hoffe ich jedenfalls - im Gesetz über die elektronische Wohnraumüberwachung vorlegen können. Hierzu stehen wir in Beratungen. Wir haben diesen Punkt deshalb aus diesem Gesetzgebungsvorhaben herausgenommen, um ihn seitens der Koalition zusammen mit der SPD in einer Arbeitsgruppe beraten zu können. Uns daraus jetzt einen Vorwurf zu machen, halte ich für schlechterdings unverschämt, Herr Hofmann. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Hofmann, Sie können darauf antworten. Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Lieber Herr Geis, sehr geehrter Herr Geis! Sehr geehrter Herr Marschewski! Zum ersten: Was die Frage der Telefonüberwachung betrifft, Herr Geis, stimme ich Ihrer Anmerkung zu. Mir ging es bezüglich Herrn Marschewski nur um die Einigkeit darüber, daß die Telefonüberwachung in diesem Gesetz nicht enthalten ist. (Jörg van Essen [F.D.P.]: Das ist richtig!) Das ist aus meiner Sicht nicht deutlich geworden; deshalb wollte ich das noch einmal unterstreichen. Zum zweiten: Was die Konvention der OECD angeht, so gab es bereits 1994 eine Empfehlung. Diese Empfehlung hat in anderen Ländern dazu geführt, daß die steuerliche Absetzbarkeit von Schmier- und Bestechungsgeldern anders behandelt worden ist als bei uns. Wir - das sagen alle meine Informationen -, die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich, haben uns gegen diese Empfehlung gewehrt; wir wollen jetzt eine Konvention. Ich sage Ihnen, daß es unsere Aufgabe als Bundestag wäre, der Bundesregierung zu sagen, welchen Weg wir dabei gehen wollen. Wir werden nicht den Weg gehen, den Sie gehen wollen. Nach unserer Auffassung kann es bei der steuerlichen Absetzbarkeit von Schmiergeldern nicht auf die Verurteilung ankommen, sondern als entscheidend ist die Strafbarkeit anzusehen. - Sie sind in Ihrem Entschließungsantrag nicht in der Lage, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen. - Es wird OECD-Standard sein, daß es auf die Strafbarkeit ankommt. Die Bundesregierung wird hier wiederum nicht Vorreiter, sondern weiterhin Bremser sein. Das kann bei der Bekämpfung der internationalen Korruption nicht richtig sein. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Wort dem Bundesminister der Justiz, Professor Dr. Edzard Schmidt-Jortzig. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Herr Präsident! Meine wenigen, aber um so illustreren und deswegen von mir besonders geehrten Damen und Herren Kollegen! Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, daß nicht nur unsere Volkswirtschaft, sondern auch unser Rechtsstaat auf einen effektiven Schutz vor Korruption angewiesen ist: Demokratie, Rechtssicherheit und auch das Vertrauen der Bürger in ihren Staat lassen sich auf Dauer nur bewahren, wenn nicht Recht und Gesetz durch Schmiergelder ins Rutschen geraten. Die Korruptionsbekämpfung ist deshalb eine Aufgabe, der wir uns entschieden und mit allen staatlichen und gesellschaftlichen Kräften stellen müssen. - Darüber besteht Einigkeit. Wir sind, wie ich mit Interesse und Freude festgestellt habe, nur in einen Wettstreit der Edlen darüber eingetreten, wer als erster dafür eingetreten ist, wer am intensivsten dafür eintritt. Das ist ein schöner Wettstreit. - Der vorliegende Gesetzentwurf gibt uns hierfür das notwendige Instrumentarium an die Hand. Seine Inhalte sind schon mehrfach dargetan worden. Ich will deshalb nur kurz noch einmal auf die drei Punkte eingehen, um die der ursprüngliche Regierungsentwurf im strafrechtlichen Bereich ergänzt worden ist: Erstens. Bei den Straftatbeständen der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung soll das Merkmal der Unrechtsvereinbarung gelockert werden. Künftig sollen bereits die Annahme und Gewährung von Vorteilen - auch Sie haben schon darauf hingewiesen, Herr Kollege Geis - für die Dienstausübung strafbar sein. Der Gesetzentwurf erfaßt damit künftig auch die strafwürdigen Fälle der sogenannten Klimapflege, bleibt im übrigen aber bewußt hinter dem Bundesratsentwurf zurück, der jede Annahme und Gewährung von Vorteilen im Zusammenhang mit dem Amt unter Strafe stellen will und so über das Ziel hinausschießt. Zweitens. Die Vorschriften über die Vermögensstrafe und den Erweiterten Verfall sollen künftig auch bei den Straftaten der Bestechlichkeit und der Bestechung Anwendung finden, und zwar sowohl bei der Amtsträgerbestechung als auch bei der Korruption in der Privatwirtschaft. Drittens soll der neue Straftatbestand gegen wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen durch zusätzliche Vorschriften, etwa durch die Verlängerung der Verjährungsfristen bei Kartellordnungswidrigkeiten, flankiert und damit schlagkräftiger gestaltet werden. Meine Damen und Herren, so sinnvoll und sachgerecht die damit gefundenen Lösungen des Gesetzentwurfs sind - sie beschränken sich auf Regelungen zur Korruptionsbekämpfung im nationalen Bereich. Korruption macht aber infolge des Zusammenwachsens der europäischen Staaten und der Globalisierung der Märkte vor Ländergrenzen bekanntlich längst nicht mehr halt. Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Ich unterstütze deshalb nachdrücklich den uns heute ebenfalls vorliegenden Entschließungsantrag der Koalition, der die Bestechung ausländischer Amtsträger auf der Grundlage internationaler Übereinkommen unter Strafe stellen und die steuerliche Absetzbarkeit dieser Bestechungsgelder abschaffen will. Herr Kollege Hofmann, es ist recht kompliziert, zu regeln, wie man mit der - das ist für keinen der beteiligten Staaten ein Ruhmesblatt - steuerlichen Absetzbarkeit von Geldern, die im Ausland zur Bestechung eingesetzt werden, umgeht. Deswegen war es das große Bestreben der Bundesregierung, während der letzten OECD-Verhandlung am 28. Mai 1997 gegenüber dem Ministerrat darauf zu bestehen, daß sich alle beteiligten Staaten, die im Konzert der Weltwirtschaft eine Rolle spielen, gleichzeitig in einem völkerrechtlichen Vertrag zusammenfinden, damit nachher nicht das - negative - Windhund-Prinzip gilt. Der Verpflichtung, die wir dort eingegangen sind, kommen wir jetzt nach. (Jörg van Essen [F.D.P.]: Sehr gut! Genau das ist der richtige Weg!) In unserem Entschließungsantrag wird - sehr ambitioniert - die Berichtspflicht bis Ende November 1997 verlangt. Das ist, wenn man weiß, wie lange solche Aushandlungen sonst dauern, meiner Meinung nach kein sehr langer Zeitraum. Ich will in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen - wenn ich höre, daß der Bundesregierung im internationalen Bereich mangelnde Aktivität vorgeworfen worden ist, muß ich annehmen, daß das zum Teil untergegangen ist -, daß ich gemeinsam mit meinen Amtskollegen in der EU am 26. Mai dieses Jahres das Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung gezeichnet habe. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU) Es gibt da keine Aushandlungen mehr. Ich hoffe, daß dieses Übereinkommen möglichst schnell ratifiziert wird. (Jörg van Essen [F.D.P.]: Die Opposition merkt alles zu spät!) Auch das, was die europäische Justizministerkonferenz am 11. Juni - also in diesem Monat - als Konzept auf den Weg gebracht hat - im übrigen auch unter Beobachtung der Vereinigten Staaten, Kanadas und Mexikos -, kann man hier noch einmal erwähnen. Meine Damen und Herren, ich darf noch einen letzten Satz zu den gesetzgeberischen Maßnahmen sagen, die ihre Ergänzung im präventiven Bereich finden müssen; denn dort liegt natürlich der Schwerpunkt der Korruptionsbekämpfung. Sachgerecht ist deshalb in meinen Augen auch der zweite Entschließungsantrag der Koalition, in dem Bund, Länder und Gemeinden aufgefordert werden, die erforderlichen administrativen Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption unverzüglich und konsequent umzusetzen. Lassen Sie uns heute das wichtige Maßnahmenpaket, den Gesetzentwurf und die Entschließungen, gemeinsam beschließen und damit ein Zeichen setzen, daß wir die Korruption entschlossen bekämpfen wollen und werden. Danke sehr. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. sowie - gleichlautend - von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwürfe zur Bekämpfung der Korruption; das sind die Drucksachen 13/5584 und 13/6424. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/8079 unter Buchstabe a), die Gesetzentwürfe in der Ausschußfassung unter den Titeln erstens „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption" und zweitens „Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (Zweites Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz) " anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die den Gesetzentwürfen in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Gesetzentwürfe mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in zweiter Beratung angenommen worden sind. Wir treten dann in die dritte Beratung und Schlußabstimmung ein. Ich bitte diejenigen, die den Gesetzentwürfen zustimmen wollen, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Gesetzentwürfe in dritter Lesung mit demselben Stimmenverhältnis wie in zweiter Lesung angenommen worden sind. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/8082. Wer dem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Dann stelle ich fest, daß der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Gruppe der PDS gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist. Dann rufe ich die Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/8085 auf. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung des Hauses im übrigen angenommen worden ist. Dann rufe ich die Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/8083 auf. Wer dem Entschließungsantrag der SPD zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist. Dann rufe ich die Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/8084 auf. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß auch dieser Entschließungsantrag mit demselben Stimmenverhältnis wie eben abgelehnt worden ist. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf des „stark vertretenen" Bundesrates - Korruptionsbekämpfungsgesetz - auf Drucksache 13/ 3353. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/8079 unter Buchstabe b), den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf des Bundesrates zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD und der Gruppe der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist. Das war die zweite Lesung; es entfällt die dritte Lesung dieses Gesetzentwurfs. Ich rufe die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum Antrag der Fraktion der SPD zu Maßnahmen zur Bekämpfung der nationalen und internationalen Korruption auf. Das ist die Drucksache 13/8079 Buchstabe c. Der Rechtsausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4118 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Empfehlung des Rechtsausschusses mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist. Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a und 5 b auf: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu dem Antrag der Fraktion der SPD Mit einem Nachtragshaushalt die Arbeitslosigkeit bekämpfen und den Bundeshaushalt auf eine solide Basis stellen - Drucksachen 13/6903, 13/7542 - Berichterstattung: Abgeordnete Dietrich Austermann Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Karl Diller Oswald Metzger b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Die Arbeitsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit und der Arbeitsämter wieder herstellen - Drucksache 13/7521- Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Haushaltsausschuß Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich teile dem Haus mit, daß die Abgeordnete Ina Albowitz ihre Rede zu Protokoll gegeben hat. *) - Ich sehe und höre dagegen keinen Widerspruch. Dann ist das so geschehen. Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Abgeordneten Karl Diller das Wort. Karl Diller (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und der F.D.P., welchen Grad an Schizophrenie haben Sie eigentlich inzwischen erreicht, wenn Sie einerseits den Antrag der SPD auf Vorlage eines Nachtragshaushalts bisher in allen mitberatenden Ausschüssen und im federführenden Haushaltsausschuß ablehnten, andererseits aber Kanzleramtsminister Bohl vor wenigen Tagen einen Nachtragshaushalt ankündigte? Bei Ihnen ist die Haushaltspolitik inzwischen auf das Bundeskanzleramt übergegangen; denn diese Klarstellung hätte doch wohl der Bundesfinanzminister selbst treffen müssen. Von ihm hörten wir statt dessen gestern ganz Nebulöses. Wenn es, so sagte er, zu einem Nachtragsetat kommen sollte und festgestellt werden sollte, daß eine gewisse Erhöhung der Nettokreditaufnahme nötig sei, müsse angesichts von über 4 Millionen Arbeitslosen eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festgestellt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das für ein Chaos auf dieser Seite des Hauses und auf der Regierungsbank? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Nachtragshaushalt: Nein in den Ausschüssen; Nachtragshaushalt: Ja vom Kanzleramt; Nachtragshaushalt: vielleicht vom zuständigen Finanzminister. Bei Ihnen gibt es offenbar niemanden mehr, dessen politisches Gewicht noch ausreicht, um für Klarheit zu sorgen. Da brechen die Finanzen des Bundes Monat für Monat weg. Da vergrößert sich das Haushaltsloch Monat um Monat um rund 10 Milliarden DM, so daß bereits Ende Mai die für das ganze Jahr vom Parlament bewilligte Nettokreditaufnahme des Bundes *) Anlage 8 Karl Diller praktisch verbraucht war. Dennoch nimmt das unwürdige Tauziehen bei Ihnen kein Ende. Dabei wissen Sie doch selbst, daß es beim Nachtrag 1997 längst nicht mehr darum geht, ob die in Art. 115 des Grundgesetzes genannte Kreditobergrenze überschritten werden muß; denn die Regierung Kohl hat sich durch ihr eigenes Nichtstun fahrlässig in die Situation manövriert, im Sommer dieses Jahres, in wenigen Wochen, die Zahlungsunfähigkeit des Bundes abwehren zu müssen. Der Nachtragshaushalt ist zwingend, weil die Regierung Kohl sonst zahlungsunfähig wird. Das ist ihre Lage. Ich verstehe, daß Ihnen die Überschreitung der Kreditobergrenze nach Art. 115 Grundgesetz Sorgen macht. Als die SPD im Herbst letzten Jahres den Antrag auf Feststellung einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts stellte, haben Sie gelacht. Inzwischen ist Ihnen das Lachen im Halse stekkengeblieben. Sie haben sich nun unserer Auffassung angeschlossen, daß bei über 4 Millionen registrierten Arbeitslosen Deutschland in der wirtschaftlich und sozial schwersten Belastungsprobe seit Gründung dieser Republik steht und deshalb das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht erheblich gestört ist. Das einzige was noch fehlt, ist Ihre Selbsterkenntnis, Frau Karwatzki, die der Regierung und der Koalition, daß Ihre verkorkste Politik daran schuld ist. (Beifall bei der SPD) Aber die Feststellung allein genügt eben nicht, um mit einem Nachtragshaushalt die Verschuldungsgrenzen nach Art. 115 des Grundgesetzes erlaubter-weise zu überschreiten; denn Sie müssen erst den Nachweis bringen, daß die Politik, die Sie damit verbinden, geeignet ist, die Massenarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen. Dem Kollegen Roth ist das bewußt. Er hat kürzlich in einem Rundfunkinterview gesagt - ich zitiere ihn -: Dann stellt sich eine rechtliche Frage, ob dies - nämlich die Überschreitung der Kreditobergrenze - geeignet ist, eine gesamtwirtschaftliche Störung in unserer Volkswirtschaft abzuwenden. Deshalb müssen wir sehen, ob diese Störung auf dem Arbeitsmarkt tragfähig ist für eine Erhöhung der Neuverschuldung. Das muß rechtlich geprüft werden und findet in diesem Zusammenhang statt. Soweit der Kollege Roth am 9. Juni dieses Jahres. Seine Bemerkungen treffen ins Schwarze. Einfach nur die Haushaltslöcher mit einer erhöhten Nettokreditaufnahme zu stopfen reicht nämlich nicht; denn die Löcher sind das Ergebnis der wirtschaftlich unsinnigen Kürzungspolitik dieser Regierung, (Beifall bei der SPD) die die Kosten der Arbeitslosigkeit nicht begrenzt, sondern im Gegenteil immer neue Arbeitslosigkeit und immer höhere Kosten erzeugt. Die Kosten der Arbeitslosigkeit sind seit 1995 von damals 142 auf geschätzte 180 Milliarden DM in diesem Jahr gestiegen, pro Jahr also um rund 20 Milliarden DM. Allein dieser Anstieg und die daraus folgende Rekordverschuldung des Bundes im letzten Jahr von traurigen 78,3 Milliarden DM beweist, daß die Politik dieser Koalition die Haushaltskonsolidierung strukturell fast unmöglich gemacht hat. Die Bundesfinanzen werden zwischen den steigenden Kosten der Arbeitslosigkeit und den wegbrechenden Steuereinnahmen zerrieben. Das ist das Ergebnis. Deshalb müßten Sie mit einem Nachtragshaushalt die Umkehr dieser Politik belegen können. Ich fürchte, das gelingt dieser Regierung, die eine Regierung in Agonie ist, nicht mehr. Statt dessen betreibt der Bundesfinanzminister den Verkauf und das - man höre und staune - Parken von Bundesvermögen, besser Volksvermögen zum Stopfen der Haushaltslöcher. Dieses sogenannte Parken ist in Wahrheit nichts anderes als zusätzliche Neuverschuldung. Nur stülpen Sie als Tarnung die Kappe bundeseigene Bank, Kreditanstalt für Wiederaufbau, darüber. Sie mißbrauchen diese renommierte Staatsbank, um sich Lufthansa- und Telekom-Aktien beleihen zu lassen. Rechtlich handelt es sich dabei um nichts anderes als um Kreditaufnahme, weil der Bund die Refinanzierungskosten und einen zusätzlichen Gewinn der Kreditanstalt bezahlen muß. Deshalb sind diese Parklösungen rechtlich und wirtschaftlich eine Kreditaufnahme des Bundes und auch die unwirtschaftlichste Kreditfinanzierung, die es beim Bund je gegeben hat. (Beifall bei der SPD) Der Bund zahlt der Kreditanstalt mehr Zinsen, als er zahlen müßte, wenn er die Kredite selbst aufgenommen hätte. Die Verrenkungen und Tricksereien der Regierung Kohl sind damit nichts anderes als Rechtsverstöße. Bei diesem Finanzminister namens Theo Waigel überrascht inzwischen nicht mehr, daß ihm ständig neues Schlimmes einfällt. (Zuruf von der SPD: Wo ist er?) Nach seinem Griff nach dem Währungsgold erfolgt jetzt eine unwirtschaftliche, verdeckte, teure Kreditfinanzierung. (Zuruf von der SPD: Wo ist denn euer Sprecher?) Wenn die Koalition von CDU/CSU und F.D.P. mit der rechtlichen Prüfung, was zulässig ist, beizeiten angefangen und daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen hätte, dann wäre der SPD-Fraktion vielleicht der Gang zum Bundesverfassungsgericht erspart geblieben. Wir haben Ihnen immer wieder dargelegt, daß die verfassungsrechtliche Überprüfung Ihrer Haushaltspolitik für uns die Ultima ratio ist. Aber weil der Herr Roth von der CDU/CSU, der Herr Weng von der F.D.P. und die übrigen Kolleginnen und Kollegen der Koalition im Haushaltsausschuß als Haushaltskontrolleure längst abgedankt haben, (Beifall bei der SPD - Zurufe von der SPD: Sie sind gar nicht mehr da!) Karl Diller weil sie der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit nicht mehr zum Durchbruch verhelfen, deshalb sehen wir uns gezwungen, mit den Mitteln der Verfassungsklage diesen Grundsätzen wieder Gültigkeit zu verschaffen. Denn ein demokratischer Staat ist ohne haushalts- und finanzpolitische Ordnungsprinzipien nicht lebensfähig. Ich appelliere an Sie: Wenn Sie sich noch ein Mindestmaß an parlamentarischer Selbstachtung als Haushaltsgesetzgeber bewahrt haben, dann stimmen Sie unserem Antrag auf Einbringung eines Nachtragshaushaltes jetzt zu, damit die Finanzlage des Bundes endlich wahrheitsgetreu veranschlagt und die Grundlage für eine Politik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gelegt werden kann. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Hermann Kues das Wort. Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Herr Kollege Diller, Sie haben in Ihrer Argumentation einen entscheidenden Denkfehler. Wegen dieses Denkfehlers ist Ihr Antrag vom Haushaltsausschuß auch zu Recht abgelehnt worden. Diesen Denkfehler haben Sie, und er ist auch bei den Grünen zu finden. Hier heißt es: „Mit einem Nachtragshaushalt die Arbeitslosigkeit bekämpfen ... ". (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Richtig lesen!) - Bei Ihnen heißt es etwas anders. Die Grünen haben gesagt: Mit einem Nachtragshaushalt „Die Arbeitsfähigkeit ... der Arbeitsämter wiederherstellen". (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Großer Unterschied!) - Ich kenne überhaupt kein Arbeitsamt, das in den vergangenen Monaten nicht arbeitsfähig gewesen wäre. Es ist ein großer Denkfehler - das ist der Kern dessen, was ich sagen will -, wenn Sie meinen, daß die Bereitstellung von immer mehr Mitteln für die Bundesanstalt für Arbeit der zentrale Hebel ist, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das ist ein Irrtum. Der Hebel muß volkswirtschaftlich angelegt werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Bei denjenigen, die nicht klarkommen, muß die Bundesanstalt für Arbeit eingreifen. Dafür müssen genügend Mittel zur Verfügung stehen. (Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein [CDU/CSU]: Lies doch einmal den Brief vor, den der Sozialist Tony Blair geschrieben hat!) Ich will zunächst einmal mit einer positiven Nachricht beginnen. Ich finde es ganz hervorragend, daß trotz aller notwendigen Sparmaßnahmen und trotz der Notwendigkeit, jede D-Mark zweimal umdrehen zu müssen, die bislang nicht gebundenen Mittel für Arbeitsmarktförderpolitik für das zweite Halbjahr 1997 in Höhe von 2,2 Milliarden DM den Arbeitsämtern zugewiesen worden sind. Ich bin stolz, daß das trotz der Haushaltsenge möglich gewesen ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Das bedeutet im übrigen auch, daß die Arbeitsämter Planungssicherheit haben, daß sie also auch eine Chance haben, denjenigen zu helfen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht klarkommen. Ich stelle fest, daß die Koalition hier Wort gehalten hat. Das finde ich ausgezeichnet. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Hen Kollege Kues, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Dr. Luft? Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Da dies nicht auf meine Redezeit angerechnet wird, gestatte ich es gerne. Dr. Christa Luft (PDS): Herr Kollege Kues, ich wollte Sie fragen, ob es nur späte Einsicht ist oder ob es Ihr künftiges Verhalten bei den Haushaltsberatungen für das Jahr 1998 beeinflußt, wenn Sie gestern - Sie haben eben etwas angesprochen, was ich gestern in einer Pressemitteilung gelesen habe, die Sie im Zusammenhang mit der Freigabe von Mitteln für die Arbeitsförderung gemacht haben - gesagt haben, es sei beim Vollzug des Haushaltes 1997 zu undurchdachten Sparbemühungen gekommen und die hätten zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit und damit auch der Kosten geführt. Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe festgestellt: Es darf keine undurchdachten Sparmaßnahmen geben. Ich füge ganz ausdrücklich hinzu: Wenn man diese 2,2 Milliarden DM einfach so kassiert hätte, dann wäre das nach meiner festen Überzeugung undurchdacht und gesellschaftspolitisch sowie haushaltspolitisch falsch gewesen. Ich bin dafür, daß an der richtigen Stelle gespart wird. Das wäre nach meiner Meinung die falsche Stelle gewesen, weil wir damit lediglich die Arbeitslosigkeit erhöht hätten. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Kues, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Kuhlwein? Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Bitte sehr. Eckart Kuhlwein (SPD): Herr Kollege Kues, können Sie mir erklären, warum der Bundesfinanzminister an der Beratung zu so einem wichtigen Tagesordnungspunkt im Plenum des Deutschen Bundestages nicht teilnimmt? Könnte es sein, daß der Bundesfinanzminister just in diesem Augenblick über einen Nachtragshaushalt im Kanzleramt berät, obwohl Sie Eckart Kuhlwein anschließend vorhaben, die Forderung nach einem Nachtragshaushalt hier im Plenum abzulehnen? (Zuruf von der CDU/CSU: Frau Staatssekretärin sitzt doch da!) Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Der Bundesfinanzminister ist praktisch durch die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Karwatzki vertreten. Das ist üblich, und das ist auch in Ordnung. Wo er sich aufhält, kann ich nicht sagen. Ich bin über seinen Terminkalender nicht informiert. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Aber bei so wichtigen Angelegenheiten sollte er hier sein!) Der Bundesfinanzminister ist den ganzen Tag hier im Plenum gewesen und hat Stellung genommen zu allen wichtigen Fragen, auch zu dem, was Herr Diller angesprochen hatte. Ich glaube, das ist auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen worden. Ich will noch einmal deutlich sagen, daß durch die quartalsmäßige Zuweisung der Arbeitsmarktmittel sichergestellt ist, daß die notwendigen Maßnahmen kontinuierlich vor Ort ergriffen werden können. Das heißt auch, daß sich die Koalition nach wie vor trotz aller finanziellen Enge zu einem gezielten Einsatz der Instrumente in einer aktiven Arbeitsmarktpolitik bekennt. Ich finde, das sollten auch Sie anerkennen. Ich habe eben schon einmal gesagt, es ist falsch, wenn man den Eindruck erweckt, man könne Arbeitslosigkeit vor allen Dingen dadurch bekämpfen, daß man mehr öffentliche Mittel zur Verfügung stellt, nach dem Motto: Geld ist ja genug da, man muß es nur entsprechend einsetzen. Das ist, glaube ich, bei Ihnen ein Denkfehler. Sie tun bei der Haushaltspolitik, bei der Steuerreform, bei der Rentenreform und der Gesundheitsreform so - das zieht sich bei Ihnen wie ein roter Faden durch die Argumentation -, als würde es genügen, genügend Geld zur Verfügung zu stellen, was ja vorhanden ist. Sie versuchen, öffentlichkeitswirksam zu vermarkten, was alles nicht sein darf. Sie versuchen damit zu verhindern, daß die Bürgerinnen und Bürger die Zusammenhänge erkennen. Wir haben eine schwierige Haushaltssituation. Wir müssen sparen und wir müssen hinbekommen, daß trotzdem die notwendigen Dinge gemacht werden. Das bekommen wir in der Arbeitsmarktpolitik hin. Das finde ich ausgezeichnet. (Beifall der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich sage auch ganz klar: Wir müssen uns überlegen, ob bei uns wirklich die Priorität gilt für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und ob wir sagen, das ist uns nun wirklich die wichtigste Sache. Man kann nicht immer nur über das reden, was man sich wünscht, sondern man muß auch über das reden, was man sich leisten kann und über das, was notwendig ist, um zu besten Ergebnissen auf dem Arbeitsmarkt zu kommen. Die Koalition hat hier ja einiges auf den Weg gebracht - ich will das nicht alles wieder aufzählen -, um die Wachstumsvoraussetzungen zu verbessern. Denn nur wirtschaftliche Dynamik bringt neue Chancen am Arbeitsmarkt. Das ist das Entscheidende, und darum müssen wir kämpfen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Und wir müssen kämpfen gegen die lautlose Abwanderung von Arbeitsplätzen aus Deutschland. Wir haben im vergangenen Jahr den Verlust einer halben Million von Arbeitsplätzen hinnehmen müssen. Das können wir durch noch so viele Mittel für die Bundesanstalt für Arbeit nicht ausgleichen. Das liegt auf der Hand, selbst wenn man sich mit Adam Riese ein wenig schwer tun sollte. Ich finde auch, es kommt nicht darauf an, sich im Schwarzmalen von Haushaltsproblemen zu ergötzen, sondern es kommt darauf an, daß man aus den Problemen die Konsequenzen zieht. Daß SPD und Grüne zu wenig begriffen haben, um was es wirklich geht, hat mir gestern abend die Diskussion im Haushaltsausschuß gezeigt. Was den Standort Deutschland im Wettbewerb um Investition und Arbeitsplätze bessern hilft, ist das Setzen auf neue Technologien. Ich will ein ganz konkretes Beispiel nennen. Genau aus diesem Grunde haben wir die Signale für den Transrapid auf Grün gestellt, weil wir sagen, bei dieser hochmodernen zukunftsträchtigen Verkehrstechnologie haben wir weltweit die Nase vorn. Es wäre unverzeihlich, wenn wir diesen Vorsprung aus den Händen geben würden. Was habe ich nun gestern erlebt? Die Kollegen der SPD, die für den Transrapid sind, halten sich aus der Diskussion heraus. Das Feld wird denen überlassen, Herr Kuhlwein, die keinen Zweifel daran lassen, daß sie gern noch einmal 20 Jahre diskutieren möchten, bis alle damit verbundenen Arbeitsplatzchancen endgültig vergeigt sind. Ich erinnere mich sehr genau, daß es der jetzige niedersächsische Ministerpräsident in den 80er Jahren war, der die Transrapidstrecke Hamburg - Hannover wegen der unzumutbaren Umweltbelastung bekämpft hat. Mittlerweile läßt er sich gerne auf der Versuchsstrecke im Transrapid fotografieren, weil es jetzt besser ankommt. Aber - das sollte man deutlich machen - Sie liefern Tag für Tag Beweise dafür, daß Sie sich eigentlich mit zukunftträchtigen Technologien, die unser Land auf dem Arbeitsmarkt voranbringen könnten, im Grunde genommen nicht anfreunden wollen. (Eckart Kuhlwein [SPD]: Sie wollen weitere Investitionslöcher aufmachen!) - Sie diskutieren nicht Sachverhalte, Herr Kuhlwein, sondern Sie gehen ideologisch an die Dinge heran. (Eckart Kuhlwein [SPD]: Nichts in der Tasche, aber alles ausgeben! Sie sind haushälterisch fix und fertig!) Deswegen sind Sie in Ihrer gesamten Arbeitsmarktpolitik unglaubwürdig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Man sollte einmal einen Blick in die Länder riskieren, in denen Sie die Mehrheit haben. Es ist ja schön einfach, aus der Opposition heraus alle möglichen Forderungen aufzustellen. Wir sollten deswegen ein- Dr. Hermann Kues mal gemeinsam in Länder gucken - ich werde Ihnen das jetzt nicht ersparen -, in denen Sie regieren. (Eckart Kuhlwein [SPD]: Gucken Sie einmal nach Berlin zu Herrn Diepgen!) - Ich gucke jetzt einmal nach Niedersachsen, weil ich daher komme und mich da auskenne. Dann sind Sie auch informiert. Die beschäftigungspolitische Sprecherin der Landtagsgrünen in Hannover, Frau Pothmer, hat die für Niedersachsen auffällig katastrophalen Arbeitsmarktdaten - von den zehn schlechtesten Arbeitsmarktregionen in den alten Bundesländern liegen inzwischen acht in Niedersachsen - als „amtliche Bestätigung für den faulen Zauber der SPD-Beschäftigungspolitik" gewertet. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!) Weiter sagte sie: Die leeren Versprechungen und beschwörenden Appelle des Ministerpräsidenten im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit machen keinen satt. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Auch das ist wahr!) Ich kann Ihnen das auch an Zahlen belegen. Der Haushaltstitel für Beschäftigungspolitik ist 1996 als Spardose benutzt worden. Von den beschlossenen 160 Millionen DM sind lediglich 90 Millionen DM beschäftigungswirksam eingesetzt worden. Der Titel „Integration von Frauen in das Erwerbsleben" ist im Volumen um 20 Prozent herabgesetzt worden. Es gibt kein Land, das so wenig pro Arbeitslosen ausgibt wie das Land Niedersachsen. Im Bundesdurchschnitt sind es 450 DM, in Niedersachsen 175 DM. Ich sage Ihnen dies, damit Sie sich Ihre Argumentation nicht so einfach machen. Es ist einfach, hier in Bonn so zu tun, als sei Geld genug da. Wenn man dahin guckt, wo Sie regieren, dann stellt man fest, daß Sie arbeitsmarktpolitische Maßnahmen rigoros zusammenstreichen. (Beifall bei der CDU/CSU) Jetzt könnte man ja meinen, das Land habe die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Wachstum und Arbeitsplätzen verbessert. Das Landesdarlehensprogramm, wichtigstes Programm für kleine und mittlere Unternehmen, die vor allem Arbeitsplätze schaffen, betrug 1989 151 Millionen DM; 1997 sind es ganze 50 Millionen DM. Alle Fakten - ich könnte das noch ergänzen - betreffen unmittelbar die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Wo sollen sie denn entstehen, wenn nicht bei den kleinen und mittleren Unternehmen, bei den Handwerksbetrieben und bei den Existenzgründern? Ich sage dies alles deshalb, weil ich den gedanklichen Ansatz bei der SPD und bei den Grünen für falsch halte, den Eindruck zu erwecken, man könne über Nachtragshaushalte, (Eckart Kuhlwein [SPD]: Sie machen doch einen!) über die Erhöhung der Mittel für die Bundesanstalt für Arbeit die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Daß das der entscheidende Hebel sei, ist ein Irrtum. Man muß die volkswirtschaftlichen Voraussetzungen verbessern, weil das letztlich Arbeitsplätze sichert. Ich sage jetzt auch etwas zum Nachtragshaushalt. Wir schließen einen Nachtragshaushalt ausdrücklich nicht aus. (Zurufe von der SPD: Aha!) Das haben wir immer gesagt. Aber er wird erst dann kommen, wenn die Erfordernisse dafür gegeben sind. Sie wissen auch, daß ein Nachtragshaushalt nur dann erforderlich ist, wenn zusätzliche Ausgaben vorgesehen werden sollen, also nicht automatisch schon dann, wenn sich geplante Ausgaben außerplanmäßig erhöhen. Das Wichtigste - daran möchte ich überhaupt keinen Zweifel lassen - ist folgendes: Erstens brauchen wir Investitionen, damit auch ausländisches Kapital hier in Arbeitsplätze investiert. Zweitens brauchen wir auch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Feld der Dienstleistungen. Ich halte es für ziemlich unverantwortlich, daß Teile der SPD bis in die heutige Zeit die Erleichterung der Beschäftigung von Angestellten in Privathaushalten durch die Einführung des Dienstleistungsschecks nach dem Motto diffamieren, das sei eigentlich keine menschenwürdige Arbeit. Ich sage auch ganz deutlich: Wir müssen Arbeitsmarktpolitik stärker auf die kommunale Ebene verlagern. Wir sollten Modellversuche oder Modellregionen mit Serviceagenturen für Beschäftigung ins Leben rufen. Da können wir uns auch in den Niederlanden umgucken. Wir sollten es den Kommunen überlassen, bei mittelständischen Unternehmen Klinken putzen zu gehen und dadurch je nach regionaler Gegebenheit Arbeit zu schaffen. (Zuruf von der SPD: Das läuft doch alles! Das machen heute schon die Arbeitsämter! Null Ahnung!) Nur auf diese Art und Weise können wir noch etwas bewegen. Alles, was wir tun, muß aus der Sicht dessen gesehen werden, der sich außerhalb des Systems befindet und keine Arbeit hat. Wir brauchen mehr Pragmatismus und weniger Ideologie. (Lebhafte Zurufe von der SPD) Deshalb halte ich es für völlig in Ordnung, daß Ihre Anträge von der Mehrheit des Haushaltsausschusses abgelehnt worden sind. Das bietet die Grundlage für eine vernünftige und gute Politik, und ich glaube, daß wir da auf einem guten Wege sind. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die Kollegin Marieluise Beck, Bündnis 90/Die Grünen. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Kues, ich habe als Arbeitsmarktpolitikerin nicht so oft das Vergnügen, mit den Kollegen aus dem Haushaltsausschuß zu diskutieren. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die sollten Sie öfter suchen!) Aber ich bin schon ziemlich von den Socken, daß Sie anscheinend im Haushaltsausschuß, obwohl Sie Entscheidungen treffen, die weitreichende Auswirkungen auf die Arbeitsmarktpolitik haben, nicht einmal in der Sache Bescheid wissen, was für Entscheidungen Sie treffen. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Ich will jetzt nicht wie Sie über Arbeitsmarktpolitik im Allgemeinen und Besonderen filibustern; darum geht es nämlich gar nicht. Ich möchte meine kostbaren fünf Minuten nutzen, um konkret darüber zu sprechen, was die Vorgaben des Haushaltsausschusses vom vergangenen Dezember im Augenblick für die Situation in den Arbeitsämtern bedeuten. Darum geht es. Deswegen heißt es auch: Arbeitsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit und der Arbeitsämter wiederherstellen, und nicht: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Da waren Sie wirklich vollkommen am Thema vorbei. (Zurufe von der CDU/CSU) - Warten Sie noch einen Moment, ich erkläre Ihnen das. Ich bin dann sehr gespannt darauf, von Ihnen zu wissen, wie es dazu kommen kann, daß Sie so danebenliegen können mit Ihrem Debattenbeitrag. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Bis jetzt haben Sie in zwei Minuten noch nichts Konkretes gesagt!) Wir haben schon immer die Situation gehabt, daß die Eckdaten zu niedrig angesetzt worden sind und dann letztlich über die Defizithaftung des Bundes höhere Ausgaben bei der Bundesanstalt für Arbeit ausgeglichen werden mußten. Insofern hat sich bisher auch niemand besonders über dieses Mißverhältnis aufgeregt. Wir haben aber seit dem vergangenen Jahr eine gänzlich andere Situation, weil nämlich der Haushaltsausschuß im Dezember der Bundesanstalt für Arbeit die Vorgabe gemacht hat - hören Sie jetzt vielleicht zu, Herr Kollege Kues; es wäre doch ein Vergnügen, wenn Sie wenigstens versuchen würden, den Sachverhalt zu verstehen -, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wir sind hier in keiner Schulklasse!) daß Mehrausgaben im Jahresverlauf durch Einsparungen an anderer Stelle intern, innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit, ausgeglichen werden müssen. Das führt zu folgender Situation: Der Anteil der passiven Leistungen ist massiv gestiegen; Herr Jagoda kann Ihnen die Zahlen nennen: pro hunderttausend Arbeitslose 3,3 Millionen DM Mehrausgaben im Bereich der Bundesanstalt für Arbeit. Das ergibt ein Defizit von etwa 10 Milliarden DM. (Zuruf von der CDU/CSU: Sie verwechseln Milliarden mit Millionen!) Zur Jahresmitte waren noch etwa 2,2 Milliarden DM im Topf der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Die Bundesanstalt hat aber die Vorgabe, zunächst intern auszugleichen. Das ist genau die Situation, die die Arbeitsämter auf der unteren Ebene in die unsichere Situation hineingeführt hat, daß sie nicht mehr wußten: Werden im 3. und 4. Quartal überhaupt noch Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik eingesetzt werden können, (Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Nennen Sie mir einmal ein Arbeitsamt, wo das so ist!) oder müssen wir die Mittel nicht benutzen, um das Defizit an Mitteln für passive Leistungen auszugleichen? Deswegen liegen Sie auch total schief, wenn Sie sagen, daß die Freigabe der Mittel jetzt in irgendeiner Weise etwas verändert habe. (Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Natürlich!) Sie verändert nämlich überhaupt nichts, solange Sie nicht gleichzeitig die Deckungsauflage streichen. Das ist der springende Punkt. Es scheint mir wirklich so zu sein - es sei denn, Sie schwindeln uns hier an, Herr Kollege Kues - (Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Na, na! Vorsicht!) - „schwindeln" darf man hier, glaube ich, sagen -, daß Ihnen dieser Zusammenhang nicht klar ist. Also noch einmal: Es geht um die 2,2 Milliarden DM, die nach wie vor, solange die Deckungsauflage nicht vom Haushaltsausschuß gestrichen wird, von der Bundesanstalt für Arbeit zunächst einmal intern verwendet werden müssen, um den zusätzlichen Bedarf bei den passiven Leistungen auszugleichen. Daher hat sich mit der Freigabe der Mittel überhaupt nichts geändert. (Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Das ist Unsinn!) Das sieht Herr Jagoda übrigens auch so. Er war im Haushaltsausschuß, er war auch bei uns im Ausschuß. Die Frau Staatssekretärin kann ja vielleicht, wenn sie spricht, noch einmal die Gelegenheit benutzen, hier klarzulegen, daß das Unsinn ist. Dann wäre ich sehr beruhigt. Ich lasse mich gerne in dieser Richtung belehren. Ganz kurz noch etwas zum Nachtragshaushalt, der darüber hinaus notwendig wird: Sie wissen auch, wenn Sie mit Herrn Jagoda in irgendeiner Weise in Kontakt stehen, daß neun bis zehn Milliarden DM allein für die Bundesanstalt für Arbeit an Defizithaftung anstehen. Das wird von niemandem bestritten. Insofern geht es jetzt wirklich darum, endlich Klar- Marieluise Beck (Bremen) heit zu schaffen und sich zu den Tatsachen zu bekennen, die einfach unabweisbar sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die Kollegin Dr. Christa Luft, PDS. Dr. Christa Luft (PDS): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Vormittagsdebatte zum Steuerreformgesetz der Bundesregierung hat die Konzeptions- und die Hilflosigkeit der Bonner Finanzpolitik zum wiederholten Male bloßgelegt. Ein Zeichen für diese Konzeptions- und Hilflosigkeit ist auch das, was wir hier debattieren. (Beifall bei der PDS) Nach mehrmonatigen erbittert und erbost geführten Abwehrschlachten kündigt der Bundesfinanzminister nunmehr selbst an, was die Oppositionsparteien seit langem fordern, nämlich einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr. Und da ist der Herr Minister - liebe Frau Karwatzki, das können Sie ihm ja bestellen - mächtig im Nachtrab. Was ist denn nun eigentlich in den letzten Monaten an unvorhergesehenen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt vor sich gegangen, worauf Sie die überplanmäßigen Ausgaben, die inzwischen in zweistelligen Milliardenbeträgen für die Bundesanstalt für Arbeit und für das Arbeitslosengeld auflaufen, schieben könnten? Ich kann da Unvorhergesehenes überhaupt nicht erkennen. Ganz im Gegenteil! Der Haushalt 1997 war von Anfang an Makulatur, und das ist bei den Haushaltsdebatten im Herbst 1996 auch wiederholt betont worden. (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber die Koalitionsabgeordneten waren bereit, Makulatur zum Gesetz zu erheben. Diesem Haushalt 1997 haben unverkennbar geschönte Wachstumszahlen zugrunde gelegen, und die daraus erwarteten Arbeitsmarkteffekte waren nichts als Leserei im Kaffeegrund. Selbst Graf Lambsdorff hat kürzlich in der „Wirtschaftswoche " eingestanden, daß die für die Bundesanstalt für Arbeit in den Haushalt 1997 eingestellten Mittel von Anfang an viel zu gering bemessen gewesen seien, und das sei auch seinen F.D.P.-Kollegen im Haushaltsausschuß klar gewesen. Das ist nachzulesen in der „Wirtschaftswoche". Da kann ich nur sagen: Hört, hört! Und das sind die Mitglieder der Steuersenkungspartei, die uns - siehe Debatte heute morgen - mit ihren Steuersenkungsversprechen die nächsten großen Löcher in den Haushalt 1998 und die Haushalte der Folgejahre reißen. Kehren Sie von der Koalition endlich zu dem zurück, was Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit heißt, und täuschen Sie die deutsche und die internationale Öffentlichkeit nicht länger mit Ihren gelackten Bildern! Die größte Gefährdung der bundesdeutschen Gesellschaft geht doch nun bei weitem nicht davon aus, daß möglicherweise abstrakte Maastricht-Kriterien verfehlt werden. Die größte Gefährdung dieser bundesdeutschen Gesellschaft geht von der Massenarbeitslosigkeit aus. (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD) Kommt es nicht zu einer arbeitsmarktpolitischen Offensive, so droht die Erwerbslosenzahl bereits im kommenden Frühjahr die Fünf-Millionen-Grenze zu überschreiten. Finanzieren Sie endlich statt Arbeitslosigkeit Arbeit! Nicht der Sozialstaat ist zu teuer, sondern die Arbeitslosigkeit. Legen Sie von der Regierung noch im Herbst 1997 - noch ist Zeit genug, das vorzubereiten - ein Zukunftsinvestitionsprogramm vor, mit dem eine Energie- und eine Verkehrswende in dieser Wirtschaft eingeleitet werden könnten, mit dem eine Offensive im bildungspolitischen und soziokulturellen Bereich angestoßen werden könnte. Dort wäre die Möglichkeit, Menschen sinnvoll zu beschäftigen. (Beifall bei der PDS) Die von Ihnen selbst noch in diesem Jahr ins Auge gefaßte höhere Neuverschuldung muß den Einstieg in die Finanzierung eines solchen Programms ermöglichen. Das gilt im übrigen auch für die Erlöse aus dem Verkauf von Bundeseigentum. Diese Gelder aus dem Verkauf von Bundeseigentum und aus einer höheren Neuverschuldung dürfen doch nicht wieder in schwarzen Löchern versickern, sondern da müssen Keime dafür gelegt werden, daß hier eine dauerhaft bessere Situation auf dem Arbeitsmarkt entsteht. (Beifall bei der PDS - Ulrich Irmer [F.D.P.]: Aber in roten Löchern erst recht nicht, Frau Luft!) Nur dann würden Sie den vielen verzweifelten Jugendlichen, den Frauen und Männern wieder eine Erwerbs-, eine Arbeitsperspektive geben können. Lassen Sie auch die Finger von solchen untauglichen Haushaltssanierungsmaßnahmen, wie sie gestern in der Presse zu lesen waren, wie sie Herr Austermann als neue Ideen verkündet, nämlich eine Befristung der Arbeitslosenhilfe und Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe, zum Beispiel für junge Männer, die von der Bundeswehr zurückkehren. (Zuruf von der CDU/CSU: Fragen Sie Frau Simonis!) Was können sie denn dafür, daß sie eine so schlimme Arbeitsmarktsituation vorfinden? (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Die haben doch Wiedereinstellungsgarantie!) Das alles wird doch die Haushaltsprobleme nicht lösen, sondern es lädt einzig den Arbeitslosen die Bürden für eine verfehlte Politik auf, die nicht die Ar- Dr. Christa Luft beitslosen zu vertreten haben, sondern die diese Bundesregierung zu vertreten hat. Danke schön. (Beifall bei der PDS und der SPD) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat Frau Staatssekretärin Karwatzki. Irmgard Karwatzki, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegenstand der heutigen Debatte ist ein Antrag der SPD-Fraktion vom Februar dieses Jahres, der in der Sache nichts Neues enthält. Wir haben insbesondere heute und auch in den letzten Wochen und Monaten sehr intensiv über die unbefriedigende Arbeitsmarktlage, ihre Ursachen und Folgen sowie die nunmehr erforderlichen Maßnahmen debattiert. Ich möchte daher nicht unnötig wiederholen, sondern noch einmal zusammenfassen: Die Wirtschaftsindikatoren vermitteln allen Unkenrufen zum Trotz ein insgesamt durchaus positives Bild. Dies hat auch die Deutsche Bundesbank in ihrem letzten Monatsbericht bestätigt. Die deutsche Wirtschaft ist mit Jahresbeginn auf den Wachstumspfad zurückgekehrt. Die internationale Konkurrenzfähigkeit hat sich deutlich verbessert. Die Auslandsnachfrage ist nach wie vor wichtigste Stütze des Konjunkturmotors. Die Preise sind stabil. Die Zinsen sind im Langzeitvergleich weiterhin günstig, und die Wechselkurse haben sich normalisiert. Allerdings - das gebe ich zu - profitieren zwei zentrale Bereiche, nämlich die öffentlichen Finanzen und die Beschäftigung, noch nicht von dem verbesserten konjunkturellen Umfeld. (Karl Diller [SPD]: Man beachte die Reihen- folge! Unglaublich!) Die Belastungen der öffentlichen Kassen sind weiterhin hoch, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil eine durchgreifende Verbesserung der Beschäftigungslage bislang nicht eingetreten ist. Die Bekämpfung der nicht akzeptabel hohen Arbeitslosigkeit mit ihren nachteiligen sozialen und wirtschaftspolitischen Folgen, steht daher nach wie vor im Zentrum verantwortungsvoller Wirtschafts- und Finanzpolitik. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Frau Kollegin Karwatzki, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Janz? Irmgard Karwatzki, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident, es ist bereits 21 Uhr, und es sind hier nur wenige Abgeordnete anwesend; viele andere feiern. (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber es gibt Fragen, die hier im Raum stehen!) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Sie sind in Ihrer Entscheidung frei. Irmgard Karwatzki, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen: So ist das. Dem will ich Rechnung tragen. (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber es gibt konkrete Fra- gen, die hier im Parlament aufgeworfen worden sind! - Zuruf von der SPD: Sie haben noch Zeit!) - Ich habe noch viel Zeit. (Zuruf von der PDS: Da hätten Sie auch die Frage beantworten können! - Ilse Janz [SPD]: Ein absolutes Armutszeugnis!) Der Antrag enthält allerdings kein brauchbares Konzept für eine überzeugende Gegenstrategie. Er beschränkt sich vielmehr auf die Wiederholung altbekannter Feststellungen und falscher Thesen. (Karl Diller [SPD]: Ich würde mal mit dem Vorlesen aufhören!) - Kollege Diller, ich war ganz ruhig und habe zugehört, als Sie hier alles abgelesen haben. Nun hören Sie mir doch freundlicherweise auch zu. Wir können uns anschließend über alles unterhalten. Aber diese Schreierei finde ich unerträglich. (Beifall bei der CDU/CSU - Ilse Janz [SPD]: Ich finde es unerträglich, daß Sie hier nicht die Wahrheit sagen! Sagen Sie doch, daß Sie über den Nachtragshaushalt verhandeln!) - Frau Kollegin Janz, wenn Sie mir nachweisen wollen, daß ich in diesem Haus und darüber hinaus einmal nicht die Wahrheit gesagt habe, dann müssen Sie sich sehr anstrengen. Das möchte ich mit aller Schärfe zurückweisen. Sie werden nicht den Beweis dafür antreten können, daß man mir nachsagen kann, ich hätte gelogen. (Karl Diller [SPD]: Frau Karwatzki, gibt es einen Nachtragshaushalt, ja oder nein?) - Warten Sie doch ab! Vielleicht gibt es eine Überraschung. (Lachen bei der SPD) Das kann doch sein. Deshalb würde ich hier nicht so herumschreien, Karl. Mit der Forderung nach zusätzlichen Staatsausgaben zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit ohne vernünftige und praktikable Gegenfinanzierungsvorschläge ist es nicht getan. Es ist - Herr Präsident, ich hoffe, ich darf das Wort sagen - scheinheilig, einerseits vermeintliche Haushaltslöcher zu beklagen und Konsolidierung anzumahnen, sich andererseits bei jedem Demonstrationszug von Subventionsempfängern medienwirksam an die Spitze zu stellen und Einsparungen zu verhindern. (Eckart Kuhlwein [SPD]: Deshalb macht ihr Transrapid und Eurofighter!) Seien Sie sicher, wir werden uns hiervon nicht beirren lassen. Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki Wir werden die Arbeitslosigkeit durch strukturelle Reformen nachhaltig verringern. Unsere aktuellen Reformvorhaben im Steuer- und Sozialsystem bilden dabei den Schlüssel für die Stärkung der Wachstumskräfte und der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Nur eine stabile und nachhaltige Wachstumsentwicklung schafft neue und sichere Arbeitsplätze. Um Spielraum für notwendige Steuerentlastungen zu erhalten, sind darüber hinaus strikte Ausgabendisziplin und eine weitere Senkung der Staatsquote notwendig. Ihre Forderung nach zusätzlichen Staatsausgaben dagegen ist das falsche Rezept. Ihre Instrumente sind leider nicht geeignet, den neuen finanzpolitischen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Bundesbank und OECD sehen den strategisch richtigen Weg in einer Konsolidierung der Staatsfinanzen und in notwendigen Strukturreformen, um die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland zu reduzieren. Diesen Weg der Modernisierung und strukturellen Erneuerung des Haushalts-, Steuer- und Sozialsystems haben wir mit einem Bündel von Reformmaßnahmen gegen den zum Teil erbitterten Widerstand aus Ihren Reihen eingeschlagen. Auf diesem Weg werden wir konsequent fortfahren. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Im laufenden Haushalt müssen wir auf Grund hoher Steuerausfälle und der schlechten Arbeitsmarktentwicklung mit hohen Zusatzbelastungen rechnen. (Karl Diller [SPD]: Wie hoch denn?) Steuermindereinnahmen und Arbeitsmarktmehrausgaben können sich auf bis zu 30 Milliarden DM summieren. - Herr Kollege Diller, seien Sie doch nicht so aufgeregt! Schreien Sie doch nicht so durch die Gegend! Wir können uns doch vernünftig unterhalten. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist doch ein ganz ruhiger, seriöser Mensch!) - Das ist er. Aber nicht heute abend! (Dr. Uwe Küster [SPD]: Er ist so aufgeregt, weil Waigel nicht da ist!) Natürlich machen diese erheblichen Mehrbelastungen Gegensteuerungsmaßnahmen zur Defizitbegrenzung erforderlich. Der vorliegende Beschlußantrag, der letztlich auf die rein buchhalterische Feststellung einer höheren Nettokreditaufnahme hinausläuft, ist auch in diesem Punkt völlig unzureichend. Wir werden vielmehr alle Anstrengungen unternehmen, um die hohen Mehranforderungen zumindest teilweise aufzufangen. Wir haben bereits zu Jahresbeginn haushaltswirtschaftliche Maßnahmen ergriffen, unter anderem durch einen Haushaltsvorbehalt bei Zuweisungen und Zuschüssen. Anfang Juni hat der Finanzminister darüber hinaus eine Haushaltssperre verfügt: Nicht investive Ausgaben von über einer Million DM sowie Investitionen und Verpflichtungen von über 10 Millionen DM sind unter Einwilligungsvorbehalt gestellt. Durch verstärkte Privatisierungsanstrengungen werden wir auch für eine Konsolidierung der Einnahmenseite sorgen. Das ist zur Eingrenzung der Defizitentwicklung angezeigt und liegt zudem auf unserer ordnungspolitischen Linie. Wir werden die Konsolidierungsmaßnahmen im Rahmen eines Nachtragshaushaltes bis 1997 umsetzen. Eventuelle zusätzliche Sparentscheidungen werden ebenfalls in einen Nachtrag einfließen. Über den Nachtrag 1997 wird zusammen mit der Beschlußfassung zum Haushalt 1998 entschieden, also am 11. Juli 1997. (Zuruf von der CDU/CSU: Klare Aussage!) Trotz einer in gewissem Umfang unvermeidlichen Ausweitung der Kreditaufnahme werden wir die Neuverschuldung auf eine ökonomisch und haushaltspolitisch tragbare Größenordnung begrenzen. Das bedeutet: Nutzung aller Konsolidierungspotentiale bei Einnahmen und Ausgaben. Liebe Kollegen, ich bedanke mich für das Zuhören - ruhig auf der rechten und laut auf der linken Seite. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Marieluise Beck. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr verehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen! Ich möchte meinen Ärger über folgendes zum Ausdruck bringen: Wir von seiten der Bündnisgrünen versuchen ein drittes Mal im Rahmen von parlamentarischen Beratungen herauszufinden, ob - was ich vorhin dargelegt habe - die Deckungsauflage, die nach wie vor besteht, das Problem für die Bundesanstalt für Arbeit ist und ob damit die Gefahr besteht, daß die Bundesanstalt für Arbeit dazu verpflichtet wird, intern die aktiven Mittel zur Deckung von passiven Mitteln umzuwidmen. Diese Frage wird uns hier in diesem Hause seit Wochen nicht beantwortet. Es gab eine Aktuelle Stunde, der Sie sich schlichtweg entzogen haben. Ich darf einmal an das Spielchen von vor zwei Wochen erinnern, wo nur die beiden Parlamentarischen Geschäftsführer im Plenarsaal saßen und sich schlichtweg geweigert haben, sich zu dieser Frage zu äußern, obwohl das Thema das ganze Wochenende durch die Medien gegangen war. Ich habe eben in der Debatte noch einmal direkt an Sie, Frau Karwatzki, die Bitte gerichtet, das aufzuklären, und Sie haben das wieder nicht getan. Das finde ich wirklich unerhört. Sie können mit einem gewissen Maß von parlamentarischem Anstand, auch wenn eine Opposition ungeliebte Fragen stellt, so mit uns nicht umgehen. Ich würde Sie also wirklich bitten, diese einfache, fachlich begründete Frage jetzt hier in diesem Haus zu beantworten. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Frau Staatssekretärin, wollen Sie dazu erwidern? Irmgard Karwatzki, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen: Nein. (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich stelle damit fest, daß sie es nicht weiß!) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Dann hat jetzt die Kollegin Konstanze Wegner, SPD, das Wort. Dr. Konstanze Wegner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine skurrile Situation, in der wir heute abend hier diskutieren. Die SPD fordert seit Monaten einen Nachtragshaushalt, um Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit wiederherzustellen. Zugleich würde das der Regierung einen verfassungskonformen Ausweg aus der Krise eröffnen. Die Regierung hat das monatelang vehement abgelehnt. Letzte Woche - das wurde schon gesagt - hat dann Kanzleramtsminister Bohl auf einmal gesagt, die Regierung werde ausnahmsweise eine höhere Neuverschuldung in Kauf nehmen - die Betonung liegt auf „ausnahmsweise" - und einen Nachtragshaushalt für 1997 vorlegen. Auch Sie, Frau Staatssekretärin, haben das jetzt gesagt. Dennoch nehme ich an, daß Sie unseren Antrag heute wieder mit rhetorischer Wucht ablehnen werden. Doch was das mit Logik zu tun hat, verstehe ich überhaupt nicht. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Die miserable finanzpolitische Lage, in der sich die Regierung befindet, ist nicht unvorhersehbar gewesen. Die Regierung hat sich vielmehr sehenden Auges selbst hineinmanövriert. (Beifall bei der SPD) Wir haben dieses ganze jämmerliche Schauspiel schon beim 96er Haushalt hier erlebt und diskutiert: geschönte Ansätze überall, das heißt überoptimistische Annahmen über den Rückgang der Arbeitslosenzahlen, entsprechend zu niedrige Ansätze beim Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit und bei der Arbeitslosenhilfe, so daß dann - ich erinnere mich sehr gut - im Herbst 1996 im Haushaltsausschuß zu später Stunde eine überplanmäßige Ausgabe von sage und schreibe 12,5 Milliarden DM über den Tisch geschoben werden mußte. Das war für mich ein unvergeßlicher Vorgang - das muß ich sagen -, weil diese Üpl von 12,5 Milliarden DM in zehn Minuten abgewickelt wurde, während der gleiche Ausschuß vorher stundenlang mit großer Verve über eine Kindergarteneinrichtung in Berlin diskutiert hat. (Beifall bei der SPD - Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das ist schön!) - Ja, so sind die Wertungen hier im Hause bzw. im Ausschuß unter Ihrer Ägide. Im 97er Haushalt hat sich dieses ganze Trauerspiel wiederholt. Vergebens waren natürlich unsere Warnungen; vergebens waren auch die Warnungen von Präsident Jagoda, der darauf hingewiesen hat, daß er mit einem Zuschuß von 4,1 Milliarden DM nicht hinkommen werde, und der auch darauf hingewiesen hat, daß die beabsichtigten und von Ihnen dann vollzogenen Kürzungen bei ABM und F und U keine echten Einsparungen bewirken würden, sondern lediglich mehr Arbeitslose zur Folge haben würden. Das ist ja auch passiert. Die Regierung. hat wieder den Kopf in den Sand gesteckt, Arbeitslosenzahlen, BA-Zuschuß und den Ansatz für die Arbeitslosenhilfe schöngerechnet. Nun sitzen Sie da mit einem Defizit von reichlich 20 Milliarden DM allein für die Arbeitsmarktpolitik. Sie können sich davor auch nicht drücken, weil das nämlich Pflichtaufgaben des Bundes sind. Die Koalition sitzt in einer selbstgebastelten Falle (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wir sitzen hier auf unseren Bänken!) mit lauter unerfreulichen und gefährlichen Alternativen. Gott gnade dem, der diese Alternativen dann ausbaden muß: entweder Steuererhöhungen, die natürlich unpopulär sind, oder höhere Neuverschuldung mit allen negativen Folgen für die Zinsbelastung und die Einhaltung der Maastricht-Kriterien, (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie können aufhören, wir haben die Mehrheit!) Verscherbeln von Tafelsilber zur Finanzierung laufender Ausgaben sowie Einsparungsvorschläge im Sozialbereich - man hört, daß sie schon wieder diskutiert werden; ich sage nur: Begrenzung der Arbeitslosenhilfe und Streichung originärer Arbeitslosenhilfe -, die letztlich keine Einsparungen sein werden, sondern wieder nur ein Verschiebebahnhof zu Lasten der Kommunen. (Beifall bei der SPD) Für welchen Weg die Regierung sich auch entscheiden mag, eines ist sicher: Der Glaube in der Bevölkerung an die Fähigkeit der CDU/CSU, mit Geld umzugehen, ist gründlich dahin. (Beifall bei der SPD - Dr. Uwe Küster [SPD]: Und die F.D.P.? Wie ist es da?) - Die F.D.P. erwähne ich gar nicht in diesem Zusammenhang. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Richtig!) Die Hauptursache für den Ruin der Staatsfinanzen liegt nämlich nicht bei den angeblich horrenden Kosten der deutschen Einheit, und sie liegt auch nicht beim bösen, bösen Bundesrat, wie Sie es so gerne darstellen. Die Hauptursache liegt darin, daß die Regierung die Einnahmeseite über Jahre hindurch 16666 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Juni 1997 Dr. Konstanze Wegner sträflich vernachlässigt hat - da stimme ich dem Kollegen Metzger zu, der das immer wieder betont - (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Was verstehen Sie darunter? Sagen Sie es bitte!) - das sage ich gleich -, und zwar durch Steuergeschenke an Bezieher hoher Einkommen, durch unsinnige Abschreibungsmöglichkeiten, durch Verzicht auf einen Beitrag der Bezieher großer Einkommen zur Finanzierung der Einheit und durch eine zu laxe Haltung gegenüber Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung. (Beifall bei der SPD und der PDS) Ich kann nur sagen, meine Damen und Herren: Wir sind gespannt auf den Nachtragshaushalt auf den Haushaltsentwurf 1998. Wir freuen uns auf das, was Sie uns liefern werden, und wir können nur hoffen, daß Sie mit der Schönfärberei Schluß machen und zur Haushaltswahrheit und -klarheit zurückkehren. Danke. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu einem Nachtragshaushalt zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Sicherstellung des Bundeshaushalts, Drucksache 13/ 7542. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6903 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - (Zurufe von der SPD: Blockierer!) Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. (Eckart Kuhlwein [SPD]: So eine Schizophrenie habe ich noch nicht erlebt!) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/7521 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 6 a bis 6 c sowie den Zusatzpunkt 13 auf: 6. a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Berufsbildungsbericht 1997 - Drucksache 13/7607 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung (federführend) Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuß b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Reformprojekt Berufliche Bildung - Flexible Strukturen und moderne Berufe - Drucksache 13/7625 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Antje Hermenau, Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Gila Altmann (Aurich), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Bundesgesetzes zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft (Umlagefinanzierungsgesetz) - Drucksache 13/7821 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung (federführend) Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuß ZP13 Erste Beratung des von den Abgeordneten Maritta Böttcher, Rosel Neuhäuser und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur solidarischen Ausbildungsfinanzierung (Ausbildungsfinanzierungsgesetz) - Drucksache 13/8040 —Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung (federführend) Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuß Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es dazu Widerspruch? - Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Jork, CDU/CSU. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU): Der Berufsbildungsbericht 1997, den wir heute diskutieren, liefert wie seine Vorgänger eine kritische Analyse zur Lehrstellensituation des vergangenen Jahres und eine Bedarfsvorschau für dieses Jahr und für die kommenden Jahre. Wegen der Spezifik unterscheidet er sich weiterhin nach alten und neuen Bundesländern. Ich hoffe, daß diese negative Ostspezifik, die diese Unterscheidung noch erfordert, bald nicht mehr nötig ist. Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt ist nicht gut. Es gibt mehr Bewerber und weniger Stellen als in den Vorjahren. Insgesamt handelt es sich um ein gesamtdeutsches Problem; darüber sprachen wir bereits in der letzten Aktuellen Stunde. Dr.-Ing. Rainer Jork Der Berufsbildungsbericht des Jahres 1996 lieferte bereits eine Menge von Vorschlägen unter anderem zur Schaffung neuer Berufe und zur Erhöhung der Anwesenheit der Lehrlinge in den Betrieben. Bei der Situationsbeschreibung besteht zwischen uns und der Opposition weitgehend Einigkeit. Die Gemeinsamkeit hört aber auf, sobald es um Lösungsansätze geht. Obwohl es auch 1996 nicht gelungen ist, obwohl es 1996 gelungen ist, eine ausgeglichene Bilanz vorzulegen (Lachen bei der SPD - Günter Rixe [SPD]: Das gibt es ja nicht! - Tilo Braune [SPD]: Das nennt man einen Freudschen Verspre- cher! - Edelgard Bulmahn [SPD]: Schöne Freudsche Fehlleistung!) - rechnen werden wir ja wohl noch können -, wird die SPD nicht müde, Ängste unter den Lehrstellenbewerbern zu schüren und das System durch Forderungen nach einer Strafabgabe für nicht ausbildende Betriebe grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Grünen haben sich dieser unglückseligen Idee mit dem Entwurf eines Umlagefinanzierungsgesetzes angeschlossen. - Sie dürfen nicht den Kopf schütteln, Herr Rixe. Sie müssen darauf eingehen. Die konstruktiven Lösungsansätze der Bundesregierung, wie sie unter anderem in dem Reformprojekt „Berufliche Bildung" dargelegt sind, zielen auf eine Modernisierung der beruflichen Bildung unter anderem durch die Schaffung neuer Berufe und die Überarbeitung bestehender Ausbildungsordnungen sowie auf die Erhöhung der Flexibilität durch Angebote einer differenzierten, modularen Ausbildung. Die modulare Ausbildung, die die Leistungsmöglichkeiten und die Leistungsbereitschaft des einzelnen Lehrlings berücksichtigt, wäre eine Chance gerade für die Leistungsschwächeren, einen Einstieg und auch die Chance zur Weiterentwicklung zu bekommen. Wir wollen außerdem unkonventionelle, bereichsübergreifende Maßnahmen; denn oft werden Verbesserungen durch eine egoistische, sektorale Betrachtungsweise der Verantwortlichen behindert. Erst zuletzt kann es um rein finanztechnische Regelungen, sprich: Förderprogramme, gehen. Viel zu oft verengen Forderungen nach staatlichen Geldern den Blick auf die Gesamtsituation. Sie entlassen die Partner aus der Verantwortung und entspringen letztlich einem Gesellschaftsbild, nach dem ein starker Staat die Probleme lösen soll. Auch darum ist die von SPD und Grünen geforderte Umlage, die zum Teil nur anders genannt wird, eine unbrauchbare Hilfskonstruktion, vor allem für die neuen Bundesländer, wo sich viele Betriebe auf Grund handfester wirtschaftlicher Probleme - aber nicht aus purer Unlust - der Verantwortung zur Ausbildung noch nicht stellen können. Wenn wir schon über die Hilfe des Bundes reden, ist an dieser Stelle nochmals ausdrücklich hervorzuheben, daß sich die Bundesregierung in diesem Jahr frühzeitig mit den neuen Bundesländern über ein Förderprogramm verständigt hat und daß 15 000 zusätzliche Ausbildungsstellen gefördert werden. Das sind 700 Stellen mehr als in 1996 und deutlich mehr als in den Jahren zuvor. (Doris Odendahl [SPD]: Das ist eine gigantische Leistung! - Tilo Braune [SPD]: Trotzdem zuwenig!) - Sie sagen: „Trotzdem zuwenig! ". Auch Sie sollten einmal über Unkonventionelles nachdenken. Vielleicht waren Sie gestern bei der BAföG-Anhörung. Da war es interessant zu hören, daß ungefähr ein Drittel aller Studierenden zuvor eine Berufsausbildung absolviert hat. Wir haben etwa 2 Millionen Studierende; ein Drittel davon entspricht etwa 660000. Das macht im Jahr ungefähr 130 000 Plätze aus. Ich frage Sie, ob es denn gerecht ist, wenn die einen eine Doppelqualifikation haben und die anderen gar nichts. (Tilo Braune [SPD]: Das stimmt doch gar nicht, Herr Jork!) Darüber können Sie doch einmal nachdenken. Betrachten Sie das einmal nicht sektoral, sondern im Zusammenhang! Wir haben die Anhörung gestern gemeinsam aufmerksam verfolgt. (Tilo Braune [SPD]: Aber das ostdeutsche Problem wird man dadurch nicht lösen!) Durch sektorale Ansätze werden, wie gesagt, die aktuellen Probleme nicht gelöst. Wenn die Tarifpartner auf die Politik verweisen, die Politik auf die Kammern und diese wiederum auf die Tarifpartner, dann gibt es eine einzige Gruppe von Leidtragenden: die Jugendlichen, die erst nach langem Suchen eine passende Lehrstelle finden oder überhaupt nicht. Ich dagegen bin der Meinung, daß die gemeinsame Verantwortung der Beteiligten angenommen werden muß. Die Arbeitsgruppe Bildung und Forschung meiner Fraktion hat deshalb Anfang Juni ein insgesamt elf Punkte umfassendes Maßnahmenpapier beschlossen, das unkonventionelle Forderungen benennt, auch dann, wenn sie nicht vorrangig an den Bund gerichtet sind. Wir möchten beispielsweise erreichen, daß bei der Vergabe öffentlicher Aufträge alle gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um Betriebe zu bevorzugen, die Lehrlinge ausbilden. (Jörg Tauss [SPD]: Dann macht es doch! Wann denn?) - Herr Tauss, stellen Sie eine Frage, wenn Sie es wollen. Dann werde ich antworten. Bringen Sie mich aber nicht unnötig dazu, etwas zu sagen, was ich nicht sagen wollte. Dasselbe gilt für Investitionshilfen. Der Zusammenhang zwischen der Zuteilung öffentlicher Gelder und der Verantwortung zur Ausbildung muß deutlich gemacht werden. Wir fordern auch die steuerliche Freistellung von Zuschüssen, die für Ausbildungsplätze gewährt werden. Diese Regelung gab es bereits einmal; ihre Wiedereinführung ist vor kurzem auch durch das Land Berlin im Bundesrat beantragt worden. Dr.-Ing. Rainer Jork Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, vielleicht schauen Sie sich das Papier, von dem ich eben sprach und das auch in der Presse vorgestellt wurde, einmal genau an und überlegen mit uns, ob eine Modernisierung des dualen Systems der Berufsbildung nicht besser ist als eine Verstaatlichung. (Günter Rixe [SPD]: Verstaatlichung? Das ist ja mal was Neues!) Wie Sie wissen, war der 18. Juni der Tag des Ausbildungsplatzes. Landauf, landab haben Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit, aber auch Mitglieder unserer Fraktion ihre Kontakte wahrgenommen. Ich habe die ohnehin bestehenden Verbindungen zu Betrieben genutzt und mir sagen lassen, was für Probleme bestehen. (Doris Odendahl [SPD]: Das wurde ja auch Zeit!) - Das wurde nicht insofern Zeit, als das für mich etwas Neues wäre, Frau Odendahl. Vielmehr hat es uns bestätigt in den elf Punkten, die Sie sich einfach einmal anschauen sollten. (Doris Odendahl [SPD]: Habe ich! Sie haben mich bloß nicht überzeugt!) Es geht um die Lehrlingsentgelte, aber auch um die mangelnde Eignung der Bewerber, die wiederholt beklagt wird. Dazu haben wir jene Maßnahmen in der Arbeitsgruppe vorgeschlagen. Im übrigen geht es bei den meisten Betrieben gar nicht darum, ob sie ausbilden wollen oder nicht. Es geht ihnen vielmehr um das eigene Überleben. Die beste Lehrstellenförderung ist deshalb - dazu haben wir in dieser Woche eine ganze Menge gehört - eine gute Wirtschaftsförderung. Denn eines dürfte doch klar sein: Wenn die wirtschaftliche Krise überwunden ist, dann wird es auch kein Lehrstellenproblem mehr geben. Ich bin mir sicher, daß eine Besserung der Situation am ehesten durch eine sachliche Zusammenarbeit aller Beteiligten erreicht wird. Schuldzuweisungen, Denkverbote und Zwangsabgaben sind kontraproduktiv. In diesem Sinne brauchen wir die Mitwirkung aller Beteiligten. Wenn jeder in seinem Verantwortungsbereich um die Schaffung von mehr Lehrstellen bemüht ist, dann wird es uns auch 1997 gelingen, jedem Bewerber eine Lehrstelle anzubieten. Dazu möchte ich Sie und uns alle auffordern. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Günter Rixe, SPD. Günter Rixe (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jork, alle Zeitungen in der Bundesrepublik betitelten in den letzten Tagen die schwerste Krise auf dem Ausbildungsstellenmarkt seit 1949. 320000 Jugendliche waren am 1. Juni nicht vermittelt. Dem standen nur 135 000 offene Stellen gegenüber. Das müssen wir doch nun einmal zur Kenntnis nehmen. Deshalb kritisiere ich als erstes, daß der Minister in der schwersten Krise dieser Republik für die jungen Leute heute abend nicht selber zugegen ist, (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) sondern seine Staatssekretärin geschickt hat. Ich halte das wirklich für skandalös. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das geht auch nicht!) Es geht hier um das größte Problem der Republik für junge Leute, und der Minister läßt sich hier nicht sehen. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Rixe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Jork? Günter Rixe (SPD): Die Zeit läuft ja schneller, als ich dachte. Ich habe nämlich acht Minuten Redezeit, damit das klar ist! (Heiterkeit bei der SPD) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Sie hatten sieben Minuten. Günter Rixe (SPD): Nein. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Rixe, streiten Sie nicht mit mir! Es waren sieben Minuten angegeben. Ich halte mich an das, was mir die Geschäftsführer sagen. Günter Rixe (SPD): Nee, nee. - Ist auch egal, ich rede sowieso länger heute. (Heiterkeit) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Bitte. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU): Herr Kollege Rixe, weil Sie mich angesprochen haben, eine Frage an Sie: Haben Sie zufällig die Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft" gelesen? Günter Rixe (SPD): Natürlich nicht. (Heiterkeit bei der SPD) Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU): Da ist aber ein interessanter Artikel von einem Herrn Hermann Schmidt drin. Er ist beim BIBB - ein guter Mann. Er hat hier geschrieben - ich mache es kurz -: Das System hat mittlerweile seinen Vorsprung eingebüßt, aber von Krise kann keine Rede sein. (Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Wann reden Sie denn von „Krise"? Ab welcher Zahl reden Sie von „Krise"?) Dr.-Ing. Rainer Jork Leute, die ich durchaus ernst nehme und die, so meine ich, auch Sie ernst nehmen sollten, streiten das ab. Lassen Sie doch das Gerede von „Krise", und veranlassen Sie Maßnahmen, die brauchbar sind! Günter Rixe (SPD): Herr Jork, lesen Sie einmal die „Wirtschaftswoche" der letzten Woche, lesen Sie den „Spiegel" von dieser Woche, lesen Sie die „Süddeutsche Zeitung", lesen Sie die „Frankfurter Rundschau", lesen Sie das „Westfalen-Blatt" aus Bielefeld, neben dem „Bayernkurier" eines der schwärzesten Blätter in der ganzen Bundesrepublik - alle sprechen von „Krise" und werfen Ihnen vor, daß Sie nichts tun. (Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Und der Artikel von Herrn Schmidt?) - Das habe ich nicht gelesen, das interessiert mich in diesem Moment auch nicht. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS - Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Schade!) Wir können also feststellen, daß der Minister eigentlich nur Luftbuchungen vornimmt. Er redet zum Beispiel über die Frage der Ausbildungsvergütung und läßt sich von der deutschen Wirtschaft dann sagen, daß die Ausbildungsvergütung einfach zu hoch sei. Wissen Sie eigentlich, daß ein Lehrling - diesbezüglich gebe ich dem Minister, der nicht anwesend ist, in seinen Äußerungen in dem „Spiegel"-Interview recht, daß 70 oder 80 Prozent aller Auszubildenden über 18 Jahre alt sind - eine Ausbildungsvergütung zwischen 400 und 1 000 DM bekommt? Kommen Sie mir jetzt bitte nicht immer mit den Gerüstbauern, die 1780 DM bekommen. Die ausbildenden Betriebe zahlen deshalb so viel, weil sie keinen Lehrling gefunden haben. Der Durchschnittslohn eines Lehrlings in der Bundesrepublik Deutschland beträgt 1 035 DM. Wenn die Jugendlichen über 18 Jahre alt sind, wie der Minister im „Spiegel" richtig erklärt hat, dann ist das in der Tat doch kein Diskussionspunkt. Es ist nicht darüber nachzudenken, ob die Ausbildungsvergütung zu hoch ist. Die Herren Hundt (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Und Katze! - Heiterkeit) und Schleyer und Henkel und wie sie alle heißen sollten sich doch eigentlich schämen, (Beifall bei der SPD und der PDS - Tilo Braune [SPD]: Tun sie aber nicht!) in der Diskussion zu sagen: Die Ausbildungsvergütungen sind zu hoch, und weil sie zu hoch sind, bilden wir nicht mehr aus. Haben die Herren eigentlich einmal an ihre gesellschaftliche Verpflichtung gedacht? (Jörg Tauss [SPD]: Nein!) Die gesellschaftliche Verpflichtung ist zum Teufel noch mal die Ausbildung - nicht die Ausbildung durch den Staat, sondern die Ausbildung durch die Wirtschaft. Dieser Verpflichtung werden sie nicht gerecht. 300 000 Jugendliche haben im Moment noch keinen Ausbildungsplatz. Das muß man nicht uns und Ihnen als Politiker, nicht Ihnen als Koalition oder uns vorwerfen, sondern diesen Vorwurf muß ich an diejenigen zurückgeben, die nichts tun und dann damit kommen, daß die Ausbildungsvergütung zu hoch ist. Es ist einfach ein Skandal. Und der Minister setzt immer noch einen drauf und sagt: Weil das alles zu teuer ist, sollen die Tarifpartner die Ausbildungsvergütung herabsetzen. Ich kann die Tarifpartner nur auffordern, dies nicht zu tun. Ich kann ja nun nicht mehr, weil ich nur sieben Minuten Redezeit bekommen habe. Kommen wir zum zweiten Punkt. Der Minister redet im Moment immer von verkürzter Berufsausbildung: zwei Jahre. Gestern sagte er wieder: Es muß ein Ruck durch die deutsche Wirtschaft gehen, nun endlich noch 300 000 Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. - Einen Teufel tut die Wirtschaft. Sie glaubt Ihnen nicht mehr, sie tut es nicht mehr. Und weil sie es nicht tut, haben die Grünen heute einen Gesetzentwurf eingebracht. Sie können ganz beruhigt sein, Herr Jork: Die Sozialdemokraten - das wird Herr Thönnes hier gleich ordentlich erklären - (Zuruf von der CDU/CSU: Na hoffentlich!) werden einen Gesetzentwurf nach der Sommerpause einbringen. Das hat nichts mit staatlicher Regulierung zu tun; das hat etwas damit zu tun, daß wir den jungen Menschen eine Chance geben wollen, daß wir sie nicht auf der Straße stehenlassen wollen. Unser Gesetzentwurf wird anerkannt. Er wird sogar von jedem Handwerksmeister, wenn ich mit ihm rede, anerkannt, ob Sie das nun glauben oder nicht, weil wir das System einführen wollen, daß derjenige, der Lehrlinge ausbildet, belohnt werden soll, während derjenige, der nicht ausbildet, der sich aus der Ausbildung wegschleicht, bestraft werden soll. So einfach ist das. (Beifall bei der SPD) Jetzt kommen wir einmal zu dem nächsten Lieblingsprojekt unseres Ministers. Über den zweiten Berufsschultag wird philosophiert. Ich weiß, auch in meiner Partei gibt es Ministerpräsidenten und Minister, die darüber nachdenken. Aber das ist nicht mein Problem. Ich sage ihnen, sie sollen sich da heraushalten, die Fachleute fragen und nicht immer selbst etwas in die Welt setzen. (Beifall bei der SPD) Herr Rüttgers, der Bildungsminister, stellt die 480 Stunden im Jahr nicht in Frage. Wenn wir uns hier in dieser Runde einig sind, daß 480 Berufsschulstunden pro Jahr notwendig sind, weil wir nach Europa wollen und wir der Meinung sind, daher mehr machen und auch eine Fremdsprache in die Berufsausbildung integrieren zu müssen, dann sollten wir Günter Rixe nicht in der Öffentlichkeit immer sagen: Ein Berufsschultag ist genug. (Beifall bei der SPD) Es stimmt ja nicht. Ich bin dafür, meinetwegen auch für einen Berufsschultag; aber eines sage ich Ihnen - da bin ich auch anderer Meinung als meine Freunde in meiner Partei -: Neun Unterrichtsstunden von 45 Minuten mit allem Drum und Dran kann kein 18jähriger Jugendlicher in der Berufsschule aushalten. (Zuruf von der CDU/CSU: Warum nicht?) Das heißt, wir können das, was wir vermitteln wollen, nicht in neun Unterrichtsstunden an einem Tag in der Woche vermitteln, sondern wir müssen neue Systeme finden. (Dr. Karlheinz Guttmacher [F.D.P.]: Ja, dafür sind wir eingetreten!) Dazu sind wir ja bereit. Soll doch der Minister mit allen Kultusministern, mit der Kultusministerkonferenz darüber sprechen, wie denn in den Ländern die 480 Stunden pro Jahr sinnvoll umgesetzt werden können: ob durch Blockunterricht (Parl. Staatssekretärin Elke Wülfing: Noch nichts gelernt!) oder durch verstärkten Berufsschulunterricht im ersten Lehrjahr und demgegenüber mehr praktische Ausbildung im dritten Lehrjahr. Ich kenne meine Pappenheimer, meine 550 000 Handwerksmeister, ganz genau. Sie fordern auf dem Podium, daß die Auszubildenden mehr im Betrieb sein müssen, damit sie besser ausgebildet werden können; das habe ich gerade noch einmal in einem Papier des ZDH gelesen. Dazu sage ich: Sie wollen die Auszubildenden nicht im Betrieb haben, um sie besser auszubilden; sie wollen sie, damit sie mehr Arbeit auf dem Bau verrichten können. (Beifall der Abg. Dr. Ruth Fuchs [PDS]) Ich habe sogar Verständnis dafür, daß sie mehr erwirtschaften wollen. (Christian Lenzer [CDU/CSU]: Schon wieder?) Ich frage - da liege ich mit dem Minister wieder im Streit - die Mittelständler und die Handwerker, die erklären, daß die Auszubildenden mehr auf dem Bau sein müßten, mehr im Betrieb sein müßten, mehr arbeiten müßten, ob die Auszubildenden im dritten und vierten Lehrjahr nur ein Kostenfaktor oder ob sie auch Mitarbeiter sind. In meinem Betrieb war das jedenfalls so. Das große Problem, das wir in dieser Gesellschaft haben, ist, daß die Manager in den Betrieben nicht mehr die Menschen, die Jugendlichen im Kopf haben, sondern nur noch ihre Bilanzen. Es geht ihnen nur um die Frage: Wie kann ich schnellstens die Bilanzen verbessern? Da sind sie sich nicht zu schade, außer über die Bilanzen und über die Ausbildungsvergütungen auch noch über die Berufsschule der Lehrlinge zu diskutieren? Ich meine, die Ausbildung der jungen Leute ist Aufgabe der Wirtschaft. Das hat sie versprochen. Da kann sie sich nicht damit rauslügen, daß wir eine Wirtschaftskrise haben, daß es im Moment nicht so läuft. Heute morgen haben wir darüber diskutiert, wie viele 100 Milliarden DM Exportüberschüsse es gibt. Da frage ich die Großindustrie: Wo sind denn Ihre Lehrlinge? Ich sage Ihnen: In unserem Gesetz, das Herr Thönnes gleich erklären wird, werden wir eine genaue Quote festlegen. Jeder Handwerksmeister in dieser Republik hat diese Quote bisher eingehalten. Wer sie nicht einhält, sind die, die von morgens bis abends an ihren Schreibtischen sitzen und über die Gewinne nachdenken, darüber, wie man sie am besten aus den Lehrlingen und aus den Arbeitern rausholen kann. Damit muß nun endlich Schluß sein. Danke schön. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die Kollegin Antje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen. Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jork, die einzige Verstaatlichung, die es in der Berufsausbildung zur Zeit überhaupt gibt, und zwar real existierend im Kapitalismus, ist die, daß die Notprogramme, die gemacht werden müssen, weil nicht genug Lehrstellen zur Verfügung stehen, von der öffentlichen Hand finanziert werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) Diese überschreiten deutlich 1 Milliarde DM pro Jahr. Das ist die einzige Verstaatlichung, von der wir hier reden können. Das erkläre ich Ihnen nachher noch mal in aller Ruhe, auch im Ausschuß, so lange, bis Sie es verstanden haben, Herr Jork. Das können Sie alles haben. (Dr. Gerhard Päselt [CDU/CSU]: In welchem Ausschuß?) Sie sprachen in Ihrer Rede davon, daß man neue Berufe schaffen muß. Herr Minister Rüttgers macht das seit zwei Jahren. Seitdem Herr Minister Rüttgers das Zukunftsressort hat, versucht er, neue Berufsbilder zuzulassen. Er gibt sich richtig Mühe damit. Das ist fast schon inflationär. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Mit Erfolg!) - Ich begrüße das auch. Wir haben nie dagegen gewettert. Das ist völlig in Ordnung. Es gibt auch noch eine Reihe von anderen Maßnahmen, von denen ich hoffe, daß sie endlich ergriffen werden. Ich bin gern bereit, darüber zu reden, wie man die Schulform der Berufsschule reformiert. Antje Hermenau Ich bin aber nicht bereit, hier über Dinge zu debattieren, die in diesem Haus nichts zu suchen haben. Wenn die Kultusministerkonferenz, die meines Wissens nach dem Prinzip der Einstimmigkeit verfährt - das heißt, Schwarze wie Rote sind einer Meinung, wenn sie etwas beschließen -, sagt, daß sound-soviel Stunden pro Woche sein müssen, dann ist das für mich verbindlich. Dafür ist die KMK da, auch wenn wir uns immer wieder darüber beklagen, daß sie da ist. Aber es ist so. Sie sprachen davon, wir sollten uns über die Modulausbildung, über Ausbildungsverordnungen unterhalten. Das wird alles schon seit vielen Jahren gesagt. Ich habe das in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland alles schön nachgelesen. Hier wird seit zehn, seit zwölf Jahren darüber diskutiert, die große Reform in der Berufsbildung machen zu können oder zu müssen. Ich kann das nicht mehr hören. Das kann doch wohl nicht wahr sein: Seit zehn Jahren wissen Sie, daß eine Reform ansteht, und keiner tut was. Das kann doch wohl nicht wahr sein. (Tilo Braune [SPD]: Ankündigungspolitik!) Dann kommen Sie, wenn jemand mal einen Vorschlag macht, daher und fangen an, eine ideologische Diskussion zu führen. Das ist eigentlich eine Unverschämtheit. Sie sollten froh sein, daß wir Ihnen dabei behilflich sind, das Land zusammenzuhalten. (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die Politik muß Interessensausgleiche vornehmen. Was Sie machen, ist: Sie bedienen einseitig ein Interesse. Sie machen keinen Ausgleich der verschiedenen Interessen. Sie sind nicht in der Lage zu moderieren. Ich finde es wirklich unverschämt, wie Sie hier auftreten und deutlich die Interessen der einen Richtung vertreten und die der anderen ignorieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) Kommen wir einmal zu dem Gesetzentwurf, den wir heute einbringen. Sie haben vorhin extra auf die fünf neuen Länder hingewiesen, damit auch alle Unternehmen schön mit den Zähnen klappern, weil sie Angst haben müssen, daß sie jetzt in den Ruin getrieben werden. So ist das natürlich nicht. Wir haben eine Bagatellgrenze für Kleinbetriebe vorgesehen. Es ist klar, daß sie nicht unter die Ausbildungsquote fallen. Wir haben natürlich einen Passus in dem Gesetzentwurf, der es Betrieben in einer schlechten wirtschaftlichen Situation möglich macht, auf Antrag von der Abgabe befreit zu werden. Denken Sie eigentlich, daß wir nicht in der Lage wären, zuzuhören, wenn beide Seiten etwas sagen? Wir haben ein Jahr lang den Argumenten der Arbeitgeber und denen der Arbeitnehmer zugehört. Deswegen ist unser Gesetzentwurf auch nicht einfach ein billiger Abklatsch irgendwelcher Diskussionspapiere einer Gewerkschaft, sondern er versucht schon, einen Interessensausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu leisten. Wir haben uns dieser Mühe unterzogen und einen Vorschlag gemacht, von dem wir glauben, daß sowohl die Gewerkschaften als auch die Arbeitgeberverbände damit leben können. Das wird sich ja in der Diskussion erweisen. Wir haben versucht, einen Faden aus dem ganzen Knäuel herauszuzupfen, um die Diskussion in Gang zu bringen. (Abg. Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage) - Lassen Sie mich das kurz erklären, Herr Jork; Sie haben das ja noch nicht verstanden. Ich möchte jetzt Ihre Zwischenfrage nicht zulassen. Wir haben also einen Faden aus einem Knäuel herausgezogen, von dem wir annehmen, daß er diesen Fitz auseinanderziehen kann. Dieser Faden ist die quantitative Frage, die Frage nach der Zahl der Ausbildungsplätze. An ihr werden wir die ganze qualitative Diskussion festmachen. Bisher konnten sich die Unternehmen immer herausreden und sagen: Ja, ihr macht ja das nicht und jenes nicht und auch etwas anderes nicht, und deswegen können wir nicht ausbilden. - Jetzt bekommen sie zwei Jahre Zeit, um sich mit den Arbeitnehmern zusammenzusetzen und zu klären, wie sie sich die Berufsausbildung in ihrer Branche vorstellen. Man wird an Hand der Vorschläge von beiden Seiten einen Weg finden. Es geht darum, eine Situation zu schaffen, in der sich die Gewerkschaften gesprächsbereit zeigen, weil sie wissen, daß nicht so viele Lehrlinge wie möglich ausgegrenzt werden sollen, sondern daß möglichst viele in die Ausbildung hineingenommen werden sollen. Dann werden sie auch kompromißbereit sein. Aber das ist ja mühsam. Da muß man sich ja anstrengen. Da muß man lange reden. Da muß man alles klären. Da muß man Kompromisse finden. Das ist ja richtige Arbeit, nicht wahr? Wir wollen eine Abgabe auf den Umsatz erheben, weil wir denken, daß das konjunkturgeschmeidiger ist. Alle Entwürfe, die auf die Bruttolohnsumme zielen, sind meines Erachtens leider nur dazu geeignet, die Branchen abzustrafen, die arbeitsintensiv sind. Das können wir uns eigentlich in der heutigen Zeit nicht mehr leisten. (Jörg Tauss [SPD]: Das ist falsch!) Deswegen sind solche Konzepte veraltet. Die Bruttowertschöpfung zur Grundlage zu machen ist ein ziemlicher Trick, weil das so nicht berechenbar ist. Man muß schon sauber bleiben. Der versteuerte Umsatz ist eine Größe, die genau kalkulierbar ist. Ich als Haushälterin lege Wert darauf, daß die Zahlen immer stimmen. Deswegen haben wir den Vorschlag mit dem Umsatz gemacht. Die zu zahlende Umlage ist branchenbezogen und wird jährlich bei Bedarf angepaßt. Die zu entrichtenden Beträge werden als Pauschbeträge zusammen mit den Sozialabgaben ohne großen Verwaltungsaufwand für den Unternehmer an die Bundesanstalt für Arbeit abgeführt. Da soll das als gebundene Vermögensmasse verbleiben, weil ich nicht möchte, daß Herr Waigel wieder eines seiner Löcher mit dem Geld stopft, das wir für die Berufsausbildung anzulegen versuchen. Zu dem Antrag der PDS möchte ich nur kurz das Folgende sagen: Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten Antje Hermenau es gelassen, Frau Böttcher. Ihr Gesetzentwurf ist grottenschlecht. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten ihn gar nicht erst gestellt. Er wird uns und der SPD die Diskussion erschweren. Ich finde, daß er antiquiert und überhaupt nicht sachgerecht ist. Ich hoffe, die Öffentlichkeit wird das merken, wenn sie sich ihn anschaut. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Dr. Guttmacher, F.D.P. Dr. Karlheinz Guttmacher (F.D.P.): Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst für meine Fraktion, die F.D.P., feststellen, daß wir es außerordentlich bedauern, daß ein so wichtiger Tagesordnungspunkt wie die berufliche Ausbildung auf eine so späte Stunde gelegt worden ist. Ich sage das auch deshalb, weil sowohl der Berufsbildungsbericht 1997 als auch das Reformprojekt der Bundesregierung „Berufliche Bildung - Flexible Strukturen und moderne Berufe" wichtige Vorschläge für eine strukturelle Weiterentwicklung der Berufsausbildung enthalten, die man auch unseren Kollegen aus anderen Ausschüssen hier vortragen sollte. Aus dem Reformpaket möchte ich die qualitative Seite der Ausbildung etwas näher darstellen, da die quantitative Seite hier schon mehrfach angesprochen worden ist. Die berufliche Ausbildung soll künftig so angelegt sein, daß sie mit der Innovationsdynamik Schritt hält. Daß heißt, die Lernziele müssen für technische und organisatorische Neuerungen offen sein. Nur wenn die Ausbildungsordnungen ein breites und differenziertes Angebot von Ausbildungsmöglichkeiten enthalten, können die Ausbildungsbetriebe entsprechend ihrem technischen, aber auch technologischen Branchenprofil anwendungsorientierter ausbilden. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, erst gestern wurde mir auf die Nachfrage bei der Deutschen Automatenwirtschaft, die immerhin 60 000 Beschäftigte hat, warum sie keine Lehrlingsausbildung durchführt, erklärt, daß bei der Genehmigung der Ausbildungsrichtungen für einen Automatentechniker und für einen Automatenkaufmann noch in diesem Jahr 500 Lehrlinge für eine berufliche Ausbildung aufgenommen werden könnten. Das Beispiel zeigt, daß wir sofort mehr Freiheiten für die ausbildenden Betriebe, mehr Mobilität und Flexibilität in den Ausbildungsgängen und mehr qualifizierende Abschlüsse in den beruflichen Ausbildungen benötigen. Gute Ansätze hierfür zeigt die Modernisierung der Ausbildungsordnungen der letzten zwei Jahre mit der Ausarbeitung von Ausbildungsordnungen für 23 völlig neue Berufe, aber auch mit der Überarbeitung von über 50 Ausbildungsordnungen. Die Neustrukturierung innerhalb der theoretischen und praktischen Lehrunterweisung der dualen Ausbildung muß sich stärker an den Bedürfnissen der betrieblichen Praxis orientieren. Mit neuen Organisationsmodellen, Herr Rixe, zwischen Berufsschulen und Betrieben muß erreicht werden, daß die Vermittlung der Theorie an einem Berufsschultag pro Woche erfolgen kann. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Günter Rixe [SPD]: Aber nicht in dreieinhalb Jahren!) - Nein, man kann ja darüber reden. Es ist auch die Ansicht der F.D.P., daß man im ersten Lehrjahr eine verstärkte theoretische Ausbildung vornimmt, die man im zweiten und dritten Lehrjahr stark zurückfährt. So wäre die Praxisorientierung der Ausbildung insgesamt stärker gesichert, und eine praxisnähere Ausbildung würde erfolgen. Die Zeitvorgaben für die unterschiedlichen Lernschritte sollten konsequent am durchschnittlichen leistungsfähigen Lehrling orientiert werden. Ebenso sollten theoretische Prüfungen stärker mit der betrieblichen Praxis verknüpft werden. Auf diese Weise könnte man einen großen Teil der theoretischen Ausbildung an die Praxis binden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Sorge müssen wir jedes Jahr zur Kenntnis nehmen, daß bis zu 14 Prozent unserer Jugendlichen eines Altersjahrganges - das sind 100 000 junge Menschen - keinen Berufsabschluß haben. Deshalb benötigen wir neue Ausbildungsberufe mit überwiegend praktischen Qualifikationen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Günter Rixe [SPD]: Das hat doch damit nichts zu tun!) Lehrlinge, die die Abschlußprüfung nicht bestehen, sollten zumindest ein Zertifikat bekommen, so daß sie bessere Chancen am Arbeitsmarkt haben und dann im Aufbauprinzip einen kompletten beruflichen Abschluß erwerben können. Andererseits sollten leistungsstarken Lehrlingen Zusatzqualifikationen angeboten werden. Herr Rixe, Sie haben es schon gesagt: Besonders berufsorientierter Fremdsprachenunterricht ist bei der Mobilität unserer jungen Menschen in Europa nötig, (Günter Rixe [SPD]: Ja!) ebenso wie Elemente aus verwandten und ergänzenden Berufen. Wir sind aber auch der Meinung, daß man schon vorgezogene Inhalte einer Aufstiegsfortbildung mit anbieten sollte. Das Reformprojekt „Berufliche Bildung", das eine Reihe von weiteren wichtigen Maßnahmen zur Modernisierung der Weiterbildung über die Gleichwertigkeit der allgemeinen und beruflichen Bildung, aber auch zur europäischen Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit von beruflichen Bildungsabschlüssen darstellt, wird von uns, der F.D.P., voll mitgetragen. Der Berufsbildungsbericht 1997 weist - wie das bereits mehrfach gesagt worden ist - aus, daß wir zu Dr. Karlheinz Guttmacher den 620 000 Lehrstellen weitere 13 000 Lehrstellen zur Verfügung stellen werden müssen. Das Verhältnis der Zahl der vermittelten Lehrlinge zu denen, die eine Lehrstelle suchen, ist wesentlich schlechter als im Vorjahr. Ich begrüße deswegen in besonderem Maße alle Aktivitäten des Bundesministers Rüttgers, dem ich zu seinem heutigen Geburtstag recht herzlich gratuliere, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. - Tilo Braune [SPD]: Er hätte auch hier feiern können!) und des Herrn Rexrodt, die den Prozeß der Aktivierung der Lehrstellenvermittlung unterstützen. Hier ist besonders das erneute Sonderprogramm Ost mit zirka 15 000 Ausbildungsplätzen zu begrüßen. Wir sollten aber nicht darüber hinwegsehen - das wurde hier völlig richtig von Ihnen gesagt, Frau Kollegin von der Fraktion der Grünen -, daß dieses eine hundertprozentige Subventionierung ist. Die deutsche Wirtschaft steht zweifellos in der Pflicht, auch in diesem Jahr wieder die Lehrstellen zur Verfügung zu stellen. Der Gesetzgeber hat die Rahmenbedingungen zur Verbesserung der beruflichen Ausbildung geschaffen. Ich nenne hier die Ausbilder-Eignungsverordnung. Ich bin sogar der Meinung, daß wir diese Ausbilder-Eignungsverordnung noch weiter liberalisieren sollten. Auch heute ist es noch so, daß Techniker, die eine Ausbildung machen wollen, einen Antrag stellen müssen, wenn sie keine Qualifikation haben. Hier sollten wir weitere Erleichterungen einführen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Ebenso wurde darauf hingewiesen, daß natürlich auch die Tarifpartner verantwortungsvoll die Ausbildungsvergütungen festlegen. Herr Rixe, ich gebe Ihnen völlig recht. Wir haben uns auch bei den Industrie- und Handelskammern, bei der Handwerkskammer und bei den Freiberuflern kundig gemacht: Man wäre mit einem moderaten Finanzierungsmodell, so wie es im öffentlichen Dienst gehandhabt wird, mit 600, 800 oder 1 000 DM, völlig zufrieden. Wir sollten sehen, daß wir diesem Modell über die Tarifpartner zum Durchbruch verhelfen. Die beste Methode der Lehrstelleneinwerbung ist aber das persönliche Gespräch mit den Ausbildungseinrichtungen. Diese Zuversicht entnehme ich dem Ergebnis, das ich in meinem Arbeitsamtsbezirk Jena beim Besuch von kleinen mittelständischen Unternehmen am 18. Juni, dem Tag des Ausbildungsplatzes, erzielt habe. An diesem Tag besuchten 34 Mitarbeiter des Arbeitsamtes 314 Betriebe, wie Handelsunternehmen, freie Berufe und Handwerksbetriebe, mit dem Resultat, daß 137 Betriebe Ausbildungsstellen im Bereich kaufmännische Berufe, Büroberufe, Bauberufe, Metallberufe und Installationsberufe zur Verfügung gestellt haben. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Guttmacher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rixe? Dr. Karlheinz Guttmacher (F.D.P.): Bitte. Günter Rixe (SPD): Herr Guttmacher, sind Sie mit mir einer Meinung, daß unter den Auszubildenden in den fünf neuen Ländern mindestens 40 Prozent über das AFG finanzierte Auszubildende sind, fast alle über 18 Jahre alt sind und 470 DM Ausbildungsvergütung bekommen? Sind Sie mit mir einer Meinung, daß dies ein bißchen wenig ist, besonders angesichts Ihres Gesetzes über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, nach dem diesen Leuten, wenn sie krank sind, noch 20 Prozent vom Lohn abgezogen werden? Sind Sie nicht der Meinung, daß man an diesem Punkt endlich etwas ändern muß, so daß dies nicht mehr passiert? Dr. Karlheinz Guttmacher (F.D.P.): Lieber Herr Rixe, Sie wissen so gut wie ich - das hat Herr Dr. Jork völlig zu Recht angedeutet -, daß das daran liegt, daß wir in den neuen Bundesländern eine Wirtschaft haben, in der der industrielle Bestand noch weit hinter dem zurückliegt, wie wir ihn eigentlich nach der Wende aufbauen wollten, und daß wir dadurch in diesem Bereich keine Ausbildungsstellen in dem Maße, wie wir sie benötigen, zur Verfügung stellen können. (Günter Rixe [SPD]: Es geht um die Höhe der Ausbildungsvergütung!) - Auf Ihre Frage nach der Höhe der Vergütung sage ich Ihnen, daß das zuwenig ist. (Günter Rixe [SPD]: Okay!) - Das sage ich. Das gilt für den Fall. Lassen Sie mich schließen. Ich möchte in der heutigen Debatte zum Berufsbildungsbericht 1997 alle Unternehmen aufrufen, der Bereitschaftserklärung der 137 Betriebe, die ich eben genannt habe, zu folgen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort zu einer Kurzintervention hat Herr Kollege Lenzer. Christian Lenzer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe - dafür bitte ich um Verständnis - um das Wort gebeten, um eines klarzustellen: Unser Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers hat heute Geburtstag. Deswegen ist er nicht hier. Ich glaube, Sie haben - selbst Sie, Herr Rixe - Verständnis dafür, daß er ein Recht darauf hat, heute abend mit seiner Frau und mit seinen beiden Kindern im Kreise der Familie diesen Geburtstag zu begehen. Das ist das erste. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD) Das zweite, was ich sagen möchte, ist dies: Ich möchte unserem Kollegen Bodo Seidenthal, der heute schwer geprüft ist, weil er seinen 50. Geburts- Christian Lenzer tag feiern kann, ganz herzlich gratulieren. Lieber Bodo, du siehst noch aus wie 49, wenn das als Geschenk herüberkommen darf. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Mir ist zwar nicht völlig klar, auf welchen Diskussionsbeitrag sich diese Kurzintervention bezieht. (Heiterkeit) Aber weil es nett gemeint war, lasse ich es durchlaufen. (Günter Rixe [SPD]: Wenn ich es gewußt hätte, hätte ich es nicht angesprochen! Ich wußte nicht, daß er Geburtstag hat!) - Also gut, ihr seid wieder Freunde. Es ist alles in Ordnung. Das Wort hat jetzt die Kollegin Maritta Böttcher, PDS. Maritta Böttcher (PDS): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Endlich weiß ich, warum es in diesem Land Jahr für Jahr nicht genügend Lehrstellen gibt. Der Zukunftsminister hat es - trotz oder vielleicht wegen seines Geburtstages - herausgefunden: (Zuruf von der CDU/CSU: Vor seinem Geburtstag!) Die SPD ist schuld. Die SPD trägt die Verantwortung für fehlende Lehrstellen, weil sich ihre Kultusminister gegen die Streichung des zweiten Berufsschultages ausgesprochen haben und Herr Rüttgers nun bei dem Treffen des Kanzlers mit den Ministerpräsidenten am 3. Juli dieses Jahres die Durchsetzung der SPD-Verweigerer befürchtet. (Christian Lenzer [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das?) Wenn schon auf diesem Wege nicht mehr Ausbildung herauskommt, so haben wir doch wenigstens den Schuldigen. Daß das ganze parteipolitische Gezerre den Betroffenen wenig hilft, zeigt die aktuelle Vermittlungssituation, auf die ich nicht weiter eingehen möchte. Der Tag des Ausbildungsplatzes brachte zum Beispiel in meinem Wahlkreis, wo ich an den Arbeitgeberbesuchen teilgenommen habe, bei sieben mittleren Betrieben zwei Lehrstellen, wobei nicht einmal ganz sicher ist, ob sie nicht speziell dafür aufgespart wurden. Selbst der sächsische CDU-Wirtschaftsminister muß inzwischen den Realitäten ins Auge sehen und entgegen den Schönfärbereien der vergangenen Jahre vom Ernst der Lage sprechen. Zu einem dem Vorjahr vergleichbaren Angebot an betrieblicher Ausbildung wird es in Sachsen mit Sicherheit nicht kommen. Allein im Bereich der Bauwirtschaft wird mit einem Rückgang von 20 Prozent gerechnet. Im Handwerk insgesamt wird der Rückgang zirka 25 Prozent betragen. Hinzu kommen wachsende Zahlen sogenannter Konkurslehrlinge und die Verringerung des Angebots an berufsvorbereitenden Lehrgängen für Rehabilitanden und Benachteiligte. Für den Bereich des Landesarbeitsamtes Sachsen bedeutet das 1 000 Ausbildungsplätze weniger als im Vorjahr. Die Verfestigung des Fördergedankens in der Berufsbildung der neuen Bundesländer gipfelt im Aufruf des Fachverbandes Holz und Kunststoff, der für die Ausbildung 15 500 DM pro Lehrling fordert und allen Betrieben des Tischlerhandwerks empfiehlt, die Lehrausbildung vorerst für ein Jahr auszusetzen. Der Präsident des Landesrechnungshofes in Brandenburg rechnet inzwischen vor, daß eine staatliche Grundfinanzierung aller Ausbildungsplätze aus der Misere führen würde, ohne zusätzliche Steuermittel zu beanspruchen. In Sachsen hat man noch einen anderen Weg gefunden, zu mehr Ausbildungsplätzen zu kommen: Alle Abiturienten und Abiturientinnen wurden vom Ministerpräsidenten angeschrieben und aufgefordert, die nicht ausgelasteten Kapazitäten im Hochschulbereich wahrzunehmen, statt Realschul- und Hauptschulabsolventen und -absolventinnen von den wenigen Lehrstellen zu verdrängen. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Kann man sich eigentlich eine größere Hilflosigkeit der Politik vorstellen? Sämtliche Programme, Appelle und Reformprojekte ändern nichts daran, daß die Zahl der Lehrstellensuchenden steigt und die Zahl der ausbildenden Betriebe sinkt. Unternehmer stellen Abiturienten und Abiturientinnen, Studienabbrecher und -abbrecherinnen und Hochschulabsolventen und -absolventinnen für ungelernte Tätigkeiten ein. Unter diesen Bedingungen verhalten sich alle, die zunächst nach einer beruflichen Ausbildung streben, völlig systemkonform. Herr Jork, ich kann es mir nicht verkneifen: Sie hatten das Problem nicht. Auch Sie haben erst einen Beruf erlernt und dann studiert. Ich weiß nicht, was daran so verwerflich ist. (Beifall bei der PDS) Offensichtlich ist die Marktwirtschaft gerade dabei, einen Teil der Gesellschaft und damit auch einen großen Teil der Jugendlichen auszusortieren. Den verantwortlichen Politikern stehen allerdings weit mehr Mittel zur Verfügung, diesen Prozeß im Zaum zu halten, als gegenwärtig genutzt werden. Weder staatliche Auffanglösungen für die von der Wirtschaft Aussortierten noch das weitere Eingehen auf die Erpressungsversuche der Arbeitgeberverbände - Beispiele wurden heute schon genannt: Kürzungen des theoretischen Teils der Berufsbildung, Senkung der Ausbildungsvergütung - werden das Übel an der Wurzel packen. Heraus kommt für die Auszubilden- den immer nur: weniger Bildung, mehr Arbeit, weniger Geld. Ein Bereich wird jedoch bei staatlichen Reglementierungen entweder permanent vergessen oder mit Maritta Böttcher großer Umsicht herausgehalten: der Bereich der Wirtschaft selbst. Genau darum werden wir nicht herumkommen, wenn wir das Ausbildungsproblem längerfristig lösen wollen. Angesichts der wirtschaftlichen Situation in den neuen Bundesländern ist wohl für eine längere Zeit noch nicht mit einer Entspannung des Arbeitsmarktes und damit auch der Ausbildungssituation zu rechnen. Insofern brauchen wir einen bundesweiten Ausgleich über eine gesetzliche Regelung der solidarischen Umlagefinanzierung. Länderprogramme helfen hier nicht weiter, da sie in wirtschaftlich schwachen Regionen nur den Mangel notdürftig umverteilen. Das Geld muß dort abgeholt werden, wo es ist, und dort hingebracht werden, wo es gebraucht wird - für die Ausbildung junger Leute. Eben das kann, so meine ich, eine bundesweite gesetzliche solidarische Umlagefinanzierung bewirken. Wir haben einen Vorschlag gemacht und einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sehr breit diskutiert wurde. Ich finde es schon ziemlich unverfroren, Frau Hermenau, wenn Sie von Problemlösungen reden und das Gegenteil tun. Ich möchte die unterschiedlichen Ansätze, die es gibt, im Ausschuß diskutieren und bin in froher Erwartung in Blick auf das SPD-Gesetz. (Beifall bei der PDS) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Werner Lensing, CDU/CSU. Werner Lensing (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach einigen dramatischen Ausführungen, die unter anderem Kollege Rixe gemacht hat, will ich nun der Wahrheit eine Gasse bahnen. Deswegen möchte ich folgendes sagen: Wir sind bereits in unserem Berufsbildungsbericht auf diese Argumente - das trage ich jetzt sehr sachlich vor - eingegangen, die hier eben benannt wurden. Ich darf einmal die positiven Schwerpunkte der vorliegenden Berichte aufzeigen. Sie liegen darin, daß wir den Abbau von Hemmnissen vorsehen, die vor allem den kleineren Betrieben die Ausbildung von Lehrlingen erschwert haben. Der Schwerpunkt liegt in der stärkeren Orientierung der Berufsausbildung an der betrieblichen Praxis. Er liegt in der Erweiterung der beruflichen und betrieblichen Ausbildungsmöglichkeiten durch eine stärkere Differenzierung. Er liegt weiterhin in der raschen Modernisierung und Neuentwicklung diverser Ausbildungsberufe. Deswegen erkläre ich hier: Der Berufsbildungsbericht 1997 zeigt in aller Deutlichkeit, daß wir bei allen Problemen, die wir nicht leugnen, in Deutschland nach wie vor über ein funktionstüchtiges und -fähiges praktisches System der dualen Berufsausbildung verfügen. (Beifall bei der CDU/CSU) Das nächste, was ich deutlich sagen möchte: Unser Berufssystem ermöglicht es, bereits während der Ausbildung den Erwerb wichtiger Berufserfahrungen zu vermitteln und versorgt im Bundesdurchschnitt zwei Drittel eines Altersjahrganges mit betrieblicher Ausbildung. Das ist, meine Damen und Herren, die höchste Quote eines Ausbildungssystems im weltweiten Vergleich überhaupt. (Beifall bei der CDU/CSU) Herr Rixe, Sie haben Ihre Argumente hier dramatisch vorgetragen. Ich glaube an Ihr Engagement, aber das sagt noch nichts über die Qualität Ihrer einzelnen Gedanken aus. Deswegen möchte ich betonen: Wir müssen uns an sich darauf verständigen können, daß wir in Deutschland folgende Situation haben: Es gibt 370 anerkannte Ausbildungsberufe. Dabei stürzen sich etwa 62 Prozent aller Auszubildenden auf 25 sogenannte Trendberufe. Darin liegt doch das eigentliche Problem. (Zuruf von der SPD: Ach!) Ich bin sehr wohl der Ansicht, daß die öffentlichen und privaten Arbeitgeber gefordert sind. Ich bin wirklich der Meinung, daß hier die Wirtschaft gefragt ist. Aber mit einer Tirade gegen die Wirtschaft werden Sie mit Sicherheit nicht einen einzigen zusätzlichen Ausbildungsplatz bereitstellen. (Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der SPD) Wenn man durch den Wahlkreis geht - ich mache das im Moment für die Lehrlinge, und davon hält mich auch das Schreien der Opposition nicht ab -, erlebe man traurigerweise - vielleicht ist es auch gut, je nachdem - fast überall, daß mir die Leute in den Betrieben, wo ich auftauche, sagen: Bitte besorgen Sie mir in diesen und jenen Bereichen doch vernünftige Lehrlinge! (Günter Rixe [SPD]: Was heißt denn „vernünftig"?) Wir bekommen seit zwei, drei Jahren keine. Dann möchte ich noch etwas zu Frau Hermenau bzw. zu dem Entwurf des Bündnisses 90/Die Grünen zur Umlagefinanzierung sagen. (Günter Rixe [SPD]: Dabei kommt sowieso nichts herum!) Diese Umlagefinanzierung wird immer wieder bemüht. Dabei muß ich doch sehr deutlich sagen, daß auch dieses, was hier vorgetragen wird, nämlich dieser für mich völlig unverständliche Hang zum Dirigismus und zur Staatsintervention, Ausdruck grüner Wirtschaftspolitik ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Daher stelle ich klipp und klar fest: Zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft leistet dieser Entwurf keinerlei Beitrag. (Beifall bei der CDU/CSU - Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch!) Werner Lensing Durch eine bürokratische Umlage wird kein einziger Ausbildungsplatz geschaffen. Im Gegenteil! Die Betriebe werden sich freikaufen und ihre Lehrstellen zusätzlich reduzieren. (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch!) Die Folge wird sein, daß die betriebliche Ausbildung zurückgeht (Günter Rixe [SPD]: Noch weiter zurück?) und daß der Anteil der schulischen Ausbildung wächst. Das ist nicht der richtige Weg in die Zukunft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nicht eine weitere Belastung der lohnintensiven Unternehmen, sondern wirkungsvolle Maßnahmen zur Verminderung der Kosten unserer Berufsausbildung sind das Gebot der Stunde. Weil gerade die Herrschaften von der SPD hier so vergleichsweise laut reden, um nichts anderes zu sagen, möchte ich auch folgendes erklären: Selbst bei den SPD-Genossen Gerhard Schröder und Wolfgang Clement stößt die Idee einer Ausbildungsabgabe auf allergrößte Vorbehalte; denn eine von oben verordnete Zwangsumlage - daran ändert auch der j 6 des Gesetzentwurfes gar nichts - verstärkt dort, wo Unternehmen nicht ausbilden, weil ihnen das Wasser bis zum Halse steht, den Druck, abzuwandern oder aufzugeben. (Beifall bei der CDU/CSU) Der nächste Gedanke scheint mir auch wichtig zu sein: Eine Ausbildungsabgabe führt zu einer Bestrafung einer Vielzahl von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die ohnehin in finanziellen Schwierigkeiten stecken. (Günter Rixe [SPD]: Dank eurer Regierungspolitik!) Auch erzeugt sie eine Unzahl von organisatorischen Problemen, die ich jetzt im einzelnen leider nicht mehr aufzählen kann. Abschließend möchte ich nur eines noch feststellen: Das duale System ist in einer schwierigen Situation, aber es befindet sich nicht in der Krise. Es steht vielmehr am Beginn eines Zeitalters der Qualifikation. Das duale System verfügt über einen Rahmen, der auch den vorhersehbaren Herausforderungen der nächsten Jahre gewachsen ist. Auch sollten wir folgendes bedenken: Die Tatsache, daß in diesem Jahr wie in den kommenden Jahren eine zunehmende Zahl junger Menschen eine Lehrstelle sucht, sollten wir im Hinblick auf unsere Zukunft nicht als eine Last, sondern als eine große Chance speziell für den Standort Deutschland begreifen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) Wie allerdings die Verantwortlichen dieser Aufgabe in den kommenden Jahren gerecht werden, bleibt - das möchte ich nicht zuletzt aus Sicht der Jugendlichen verstanden wissen - der Prüfstein für unseren sozialen Rechtsstaat. Damit wir auch dort be- stehen, werden wir uns natürlich vehement weiter für die berufliche Ausbildung einsetzen. (Günter Rixe [SPD]: Das hört sich wie eine Drohung an!) Das mögen Sie mit der gebotenen Aufmerksamkeit auch seitens der Opposition verinnerlichen. Insofern danke ich jetzt zum Schluß ganz herzlich auch allen von der anderen Seite. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt die Kollegin Hermenau. Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte auf den Vorwurf des Dirigismus eingehen, der in der vorhergehenden Rede gerade erhoben worden ist. Sie haben den Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben, offenkundig nicht gelesen, Herr Kollege; sonst wäre Ihnen klargeworden, daß es absolut nicht darum geht, daß der Staat in irgend etwas eingreift. Das einzige, was er dirigiert, ist ein Zeitrahmen für die Debatte über die Qualität und Quantität von beruflicher Ausbildung. In zwei Jahren sollen es die Branchen schaffen, tarifvertraglich, das heißt, in Autonomie, eine Regelung zu finden, mit der alle Beteiligten leben können. Wir schreiben nicht vor, wie diese Regelung aussehen muß. Wir überlassen es vollkommen der Phantasie der Branchen. Wir hoffen, daß die Branchen, die gerade dabei sind, berufsausbildungsfähig zu werden, weil sie neu sind, darin auch eine Chance sehen, sich in dieser Frage selbst zu definieren. Das hat überhaupt nichts mit Dirigismus zu tun. Ganz im Gegenteil, es ist Eigenverantwortung der Wirtschaft, die wir zu provozieren versuchen, damit sie endlich wahrgenommen wird. Solange man aber ohne eine Zeitvorgabe einfach nur dumm herumreden kann, so lange wird nichts daraus. Das ist das Anliegen des Gesetzentwurfes. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Möchten Sie antworten? - Bitte. Werner Lensing (CDU/CSU): Herr Präsident, ich möchte deswegen antworten, weil die Stellungnahme der Kollegin Hermenau mich Gott sei Dank noch das Vortragen läßt, was ich eben aus Zeitnot habe auslassen müssen. Damit Sie auch sehen, daß ich Ihren Gesetzentwurf gelesen habe, verweise ich einmal auf die § § 6 und 7. Auf Grund dieser Lektüre frage ich Sie: Wie soll eine Ausbildungsabgabe gerecht umgesetzt werden, wenn zahlreiche Betriebe gar nicht ausbilden können und deshalb auch nicht bestraft werden dürfen? Zweite Frage: Was tun, wenn eine Lehrstelle angeboten wird, für die man keinen Bewerber findet? Die komplizierte, höchst bürokratische Regelung des § 7 zeigt nun ganz besonders die Hilflosigkeit der Grünen - das muß ich jetzt auch einmal sagen, weil man Werner Lensing das ja hier objektiv darstellen soll -, die Probleme der Realität in den Griff zu bekommen. Die abschließende Frage: Wer soll den erheblichen bürokratischen Aufwand, der bei der Beurteilung so diffiziler Fragen entsteht, überhaupt bezahlen? Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat jetzt der Kollege Tilo Braune, SPD. Tilo Braune (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst sei mir gestattet, auch von dieser Stelle meinem Kollegen Bodo Seidenthal zu seinem 50. Geburtstag zu gratulieren. (Beifall) Was ihn von Herrn Minister Rüttgers, dem ich natürlich ebenfalls gratuliere, unterscheidet, ist, daß er zu einem runden Geburtstag hier im Saal ist. Ich denke, das verdient schon eine Würdigung. Nun zu Herrn Lensing. Ich glaube, Herr Lensing, Beschwörungen und Beschwichtigungen, wie sie aus Ihren Reihen immer wieder hervorgebracht werden, bringen uns hier überhaupt nicht weiter. Mir zeigt das eher, daß die Dramatik der Situation nicht ernst genommen wird. Ich möchte die Schlagkraft, mit der die Bundesregierung und ganz speziell der Bundeskanzler sich der Lösung dieses Problems annimmt, mit einem Zitat belegen, das in der letzten Woche in dem sicher nicht sozialdemokratisch zu nennenden Blatt „Wirtschaftswoche" zu finden war: Bereits im vergangenen Jahr drohte Helmut Kohl mit der Höchststrafe: Unternehmenschefs, die in ihren Betrieben nicht ausreichend ausbilden, werde er nicht mehr auf Auslandsreisen mitnehmen. Das ist die massive Einflußnahme des Kanzlers aller Deutschen auf das chronische Lehrstellenproblem in Deutschland. Gegenüber 1996 ist das Defizit um 56000 Lehrstellen gewachsen. Das ist die Erfolgsstory von 14 Jahren christlich-liberaler Koalition. Es ist eine Schande: Jahr für Jahr das gleiche Ritual - steigende Defizite im Lehrstellenbereich, gebetsmühlenartige Beschwörungsformeln der Bundesregierung. Fazit: Auch auf diesem Politikfeld hat die Bundesregierung versagt. Es muß ein Ende haben mit dieser ausgebluteten, ideenlosen und insuffizienten Bundesregierung. (Beifall bei der SPD und der PDS) Die SPD hat bessere Vorschläge gemacht; sie sind hier heute schon angesprochen worden. Es wird Zeit - und Deutschland braucht dies -, daß wirklich eine bessere Politik gestaltet werden kann. Mädchen und Jungen, die Jahr für Jahr die Schulen verlassen, hoffen jeder für sich auf eine reale Chance auf dem Arbeitsmarkt, weil die eigene Erwerbsarbeit die Voraussetzung für die Gestaltung eines persönlichen, endlich elternunabhängigen Lebens ist. Ausbildung und Beruf bieten die Chance auf eine eigene Wohnung und auf individuelle Lebensqualität. Nicht zuletzt ist Arbeit und die daraus resultierende soziale Positionierung die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben in unserer Gesellschaft, für Freundschaften und für persönliche Perspektiven bis hin zu Partnerschaften und dem Ja zu eigenen Kindern. (Beifall bei der SPD) Eine reale Chance auf dem Lehrstellenmarkt muß heute das jugendpolitische Thema Nummer eins sein. Wie es aber ist, wenn kein Ausbildungsplatz gefunden wird oder wenn die Qualifikationen nicht ausreichen, erleben Jugendliche heute mehr denn je schmerzlich und unmittelbar. Wo, wie zum Beispiel in meinem vorpommerschen Wahlkreis, über 30 Prozent der Menschen real arbeitslos sind, wo praktisch jede Familie ganz direkt damit konfrontiert wird, wo sich Land und Kommunen auf Grund mangelnder Finanzausstattung keine wirkliche Jugendpolitik mehr leisten können, wo gerade der ländliche Raum zwar landschaftlich wunderschön ist, ökonomisch aber durch die Politik der Bundesregierung zunehmend erdrosselt wird, da erleben Jugendliche dramatisch, daß die Regelungsfähigkeit der Bundesregierung am Ende ist. Arbeitslosigkeit ist heute die Zukunftsangst Nummer eins bei jungen Leuten. (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr schürt die jeden Tag! - Günter Rixe [SPD]: Wer ist denn dafür zuständig?) Mit Verdrängung kommen wir aber auch nicht weiter. (Günter Rixe [SPD]: Unglaublich! Wer regiert eigentlich dieses Land?) Mittlerweile wissen junge Leute Gott sei Dank sehr genau, daß nur der Weg über Ausbildung und Qualifikation eine persönliche Perspektive aufzeigen kann. Sie wollen ihre Chance, doch die Gesellschaft versagt sie ihnen. Ende Mai waren in Mecklenburg-Vorpommern noch immer 15 000 Bewerber auf der Suche nach einer Ausbildung; dem standen lediglich 3100 Plätze gegenüber. Viele tausend Mädchen und Jungen sind noch auf der Suche. Ihnen fehlt schon von Beginn an eine Perspektive. Viele von ihnen haben massenhaft Bewerbungen verschickt; immer wieder wurde ihnen mitgeteilt, man könne sie nicht brauchen. In dieser nun schon chronischen Situation stellen sich junge Männer und Frauen zunehmend die Frage, was diese Gesellschaft von ihnen erwartet, ob man sie eigentlich braucht oder ob sie nur als lästige Kostgänger erlebt werden. Am 21. Februar dieses Jahres erklärte Minister Rüttgers, es seien gute Nachrichten, wenn 85 Prozent der Betriebe die eigene Ausbildung für sehr wichtig hielten und drei Viertel der Betriebe die Zahl der Lehrlinge halten oder steigern wollte. Realität aber ist - was schon im Februar bekannt war -, daß fast ein Viertel der Betriebe die Anzahl der Ausbildungsplätze weder halten noch steigern wollte. Geschehen ist also nichts zu diesem Zeitpunkt. Am 8. April hieß es dann von Herrn Rüttgers, die Halbzeitbilanz der Bundesanstalt für Arbeit auf dem Lehrstellenmarkt sei ein deutliches Alarmzeichen. Tilo Braune Nun endlich! Am 16. Mai gab es da das sogenannte Aktionsprogramm „Lehrstellen Ost 1997". Dies ist keine Vorwärtspolitik, meine Damen und Herren, dies ist keine Modernisierungs- und Innovationsstrategie; dies ist die Unfähigkeit, ein wichtiges Problem zu lösen, und Jahr für Jahr das gleiche Szenario. (Beifall bei der SPD) Zuerst Hoffnung und Zuversicht, dann bedenkliche Mienen, und zuletzt im Sommer, wenn die Lage fast aussichtslos erscheint, kommt viel zu spät ein schnell gezimmertes Sonderprogramm. (Zuruf von der CDU/CSU: Warum sagt ihr nicht, was ihr vorschlagt?) Ich nenne das Flickschusterei als oberstes Prinzip dieser Bundesregierung. Diese Politik ist kurzatmig und fatal, weil erstens Eltern und Schüler durch dieses konzeptionslose Herumlavieren zunehmend das Vertrauen in die Politik verlieren und zweitens Industrie und Handwerk offen auf staatliche Ausbildungssubventionen spekulieren. Besonders in Ostdeutschland stehen wir vor gravierenden strukturellen Problemen der Berufsausbildung. Da mangels einer ausgereiften Wirtschaftsstruktur Ost ein realer Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten existiert, gilt es, offensiv die Wirtschaftsförderung Ost gezielt fortzusetzen, eben nicht zu reduzieren und weiterhin eine große Zahl über- und außerbetrieblicher Ausbildungsstellen zu finanzieren. Dazu braucht es jedoch eine handlungsfähige Bundesregierung, doch die haben wir nicht. Viele junge Männer und Frauen haben durchaus verständlicherweise ihre persönlichen Schlüsse gezogen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist volle Ignoranz, Herr Braune!) In vielen Gesprächen erlebe ich es immer wieder: Sie erwarten von der Politik nichts mehr, sie verlieren den Respekt vor der Demokratie und das Engagement für sie. Der so oft beschworene Gemeinsinn kann nicht entwickelt werden. Wir Sozialdemokraten fordern die Bundesregierung auf: Nutzen Sie die Ihnen verbleibenden wenigen Monate wenigstens noch dazu, die Krise der Jugend nicht weiter zu verschärfen! (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maritta Böttcher [PDS]) Betreiben Sie keine hohlen Rituale, sondern versuchen Sie, den Rest von Handlungsfähigkeit im Sinne der Jugend und damit der Zukunft unseres Landes zu nutzen! Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maritta Böttcher [PDS]) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Dr. Martin Mayer, CDU/CSU. Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war, als der Kollege Rixe die Vorschläge der SPD von Herrn Kollegen Braune angekündigt hat, sehr gespannt auf dessen Rede. Aber was ich gehört habe, war eine einzige Miesmacherei, Schwarzmalerei und Angstmacherei, und es kam kein einziger konkreter Vorschlag, wie man die Probleme lösen muß. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Zurufe von der CDU/CSU: Rote Ideologie! - Heiße Luft!) Man kann sich mit dem Vorschlag der Grünen wenigstens auseinandersetzen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das lohnt sich auch nicht!) Dieser Gesetzentwurf enthält einen richtigen Teilansatz: Man muß manchmal auf die Beteiligten, in diesem Falle auf die Betriebe und die Tarifpartner, Druck ausüben. - Das ist aber dann auch schon alles. Denn in den wesentlichen Ansätzen geht der Vorschlag der Grünen in die falsche Richtung. Erstens kämen mit dem Vorschlag auf die Bürger und die Wirtschaft insgesamt zusätzliche finanzielle Lasten in Höhe von bis zu eineinhalb Prozent Mehrwertsteuer zu. In der Begründung verschweigen die Grünen das geflissentlich, nach dem Motto: Der Bürger wird schon nicht genau hinschauen, welche schlimmen Folgen für den Geldbeutel eines jeden dieser Vorschlag hat. (Günter Rixe [SPD]: Heute bei der Steuerreform war es viel schlimmer!) Zweitens verscheucht der Vorschlag den letzten Hauch von privatwirtschaftlichen Elementen wie Wettbewerb und Eigenverantwortung von Auszubildenden und ausbildenden Unternehmen. Können sich denn die Grünen keinen anderen Anreiz für Betriebe vorstellen als den, möglichst viel öffentliches Geld für Betriebe abzukassieren? (Zuruf von der CDU/CSU: Anders können die nicht denken!) Drittens erzeugt der Vorschlag der Grünen einen riesigen bürokratischen Aufwand. Wenn man die Paragraphen im einzelnen liest, wird erkennbar, die Berechnung von Kosten der eigenen Ausbildung, von Beiträgen zur Berufskammer, zu Ausbildungsverbünden sowie für Tarifpartner, die Feststellung von Befreiungstatbeständen, von Härtefällen sowie die Festlegung der Verwendung und die Meldepflichten plus Verwaltungsakte, plus gerichtliche Überprüfungsmöglichkeiten ziehen einen Wust von neuen Vorschriften und Verwaltungsaufgaben nach sich. Da kann man nur sagen: Karl Marx grüßt im grünen Gewand. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wann begreifen Sie denn endlich, daß der sozialistische Versuch, originäre unternehmerische Aufgaben wie die betriebliche Ausbildung mit Mitteln der staatlichen Verwaltung und mit öffentlichen Geldern zu lösen, immer zum Mißerfolg führen muß? (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch albern! - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das hätten Sie schon 15 Jahre lang anders machen können!) Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Die eigentliche Ursache dafür, daß zu wenig Betriebe ausbilden wollen, ist doch das Mißverhältnis zwischen dem, was der Lehrling vom Betrieb an Leistungen empfängt, und dem, was er geben kann oder zu geben bereit ist. Dieses Mißverhältnis von zuviel Nehmen und zuwenig Geben wird provoziert, wenn man wie SPD, Grüne und PDS nur noch vom Anspruch auf einen Ausbildungsplatz redet und nicht mehr von der Verantwortung des Auszubildenden selbst, die natürlich auch etwas mit Anstrengung und persönlichem Einsatz für den Betrieb zu tun hat. Es geht dabei nicht in erster Linie um das Entgelt für den Auszubildenden - auch da gibt es manchen Sündenfall der Tarifpartner -, sondern es geht weit mehr um die Leistungen, die ein Auszubildender für den Betrieb erbringen darf, kann und will. Stichworte wie halber Berufsschultag, Anpassung der Arbeitszeit an saisonale Auftragsschwankungen und anderes belegen diese Diskrepanz. Es geht ferner darum, daß ein Kleinbetrieb, der erstmals einen Lehrling einstellt, nicht am nächsten Tag die Gewerbeaufsicht vor der Tür stehen hat, die dann die Größe der Toilettenschüssel mißt und beanstandet. (Horst Kubatschka [SPD]: Macht das die bayerische Gewerbeaufsicht?) Die Frage der Arbeitsleistung eines Lehrlings in Zeiten, in denen im Betrieb alle Hände gebraucht werden, ist übrigens weniger ein finanzielles Problem als vielmehr eine Frage der Motivation. Die Meister in kleinen und großen Betrieben, die mit viel Herzblut und Idealismus ausbilden, verlieren die Lust, wenn sie feststellen, daß, wenn Not am Mann ist, der Lehrling nicht zur Verfügung steht, weil ihn gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen oder der mangelnde persönliche Einsatz an dieser Leistung hindern. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir brauchen deshalb flexiblere Regelungen und ein wachsendes Bewußtsein der Lehrlinge für ihre eigene Verantwortung am Ausbildungsplatz. Flexibilität ist auch gefordert, wenn es darum geht, Inhalte und Dauer der Ausbildung an den Bedarf der beruflichen Wirklichkeit anzupassen. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Dr. Mayer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rixe? Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Ja. Günter Rixe (SPD): Herr Kollege Mayer, Sie haben eben an die Auszubildenden appelliert, mehr Verantwortung zu zeigen. Sind Sie denn mit mir einer Meinung, daß es genauso wichtig ist, an die Wirtschaft zu appellieren, damit sie ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung, jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu vermitteln, nachkommt, zumal sie dies zugesagt hat? Das kommt bei Ihnen nicht vor. Sie appellieren an die jungen Leute, fleißiger zu sein, dazusein usw. Wo ist denn Ihr Appell an die Wirtschaft, nun endlich ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung nachzukommen? Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Herr Rixe, das ist eine sehr gute Frage; vielen Dank dafür. Ich bin mit Ihnen insofern einer Meinung, als ich der Ansicht bin, daß beide Verantwortung haben. (Zuruf von der SPD: Dann sagen Sie es doch einmal!) Man kann aber nicht nur von der Verantwortung der Wirtschaft reden, sondern man muß auch von der Verantwortung und der Bereitschaft der Auszubildenden reden, für diese Ausbildung persönlichen Einsatz zu zeigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Günter Rixe [SPD]: Aber nur die Auszubildenden!?) Diese Anpassung darf im übrigen nicht dadurch behindert werden, daß die zu den Ausbildungsordnungen spiegelbildlichen Tarifverträge zu starr sind und maßgeschneiderte Lösungen in bezug auf Dauer und Form der Ausbildung blockieren. Flexibilität ist deshalb gleichermaßen bei Tarifverträgen und Ausbildungsordnungen nicht nur gefordert, sondern unabdingbar. Wir leben in einer Zeit, in der für einen immer größeren Anteil dessen, was in Deutschland verdient werden kann, ein Kunde im Ausland gewonnen werden muß. Damit verlieren formale Abschlüsse wie die Gesellenprüfung tendenziell an Bedeutung. Der Wert der Berufsabschlüsse wird immer mehr davon abhängen, inwieweit sie den Ausgebildeten befähigen, Wünschen von Kunden auf der ganzen Welt zu einem wettbewerbsfähigen Preis zu entsprechen. Da sich Produkte und Dienstleistungen laufend ändern, müssen auch die Ausbildungsinhalte schnell angepaßt werden. Ich beglückwünsche daher Minister Rüttgers zu seinen großen Erfolgen bei der schnelleren Anpassung und flexibleren Gestaltung von Ausbildungsinhalten. Er hat unsere weitere volle Unterstützung auf dem Weg in eine zeitgemäße, praxisnahe und bedarfsgerechte Ausbildung, bei der sowohl den Betrieben als auch den Lehrlingen Opfer und Einsatz abverlangt werden. Die Anstrengungen sind notwendig, um die wichtige Triebkraft für Deutschlands Zukunft, nämlich die duale Berufsausbildung, zu erhalten und zu stärken. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Franz Thönnes, SPD. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Jetzt sind wir aber gespannt, ob da was kommt! - Jörg Tauss [SPD]: Mehr, als wir bisher von Ihrer Seite gehört haben!) Franz Thönnes (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde das, was Sie hier ausgeführt haben, schon sehr merkwürdig, Herr Mayer. Der Kanzler ist viel weiter als Sie. Wenn Sie ein wenig im Internet herumsuchen - das ist ja eins Ihrer Fachgebiete, zumindest glaubt man das bei Ihnen -, dann finden Sie heute auf der Seite über Berufsausbildung den Satz des Kanzlers: „Bei alledem Franz Thönnes ist ein ausreichendes Lehrstellenangebot letztlich vor allem eine moralische Verpflichtung. " (Beifall bei der SPD) Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben. Sind denn die Auszubildenden oder diejenigen, die nach einer Ausbildungsstelle fragen, schuld daran, daß nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden? Mit welchem Anspruch gehen Sie eigentlich in diese Debatte? Ich will zunächst einmal all denjenigen - von den Arbeitsämtern, von den Handwerkskammern, von den Industrie- und Handelskammern und von den Gewerkschaften - danke schön sagen, die sich am 18. Juni auf den Weg gemacht und Klinken geputzt haben. (Beifall im ganzen Hause) Aber daß die das alles machen mußten, ist eigentlich ein gesellschaftlicher Skandal. Eigentlich hätte die Wirtschaft von selbst ein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot anbieten müssen. (Beifall bei der SPD und der PDS) Die Pressemitteilungen, die vom Bundesminister - dem wir wie auch unserem Kollegen Seidenthal heute alle zum Geburtstag gratulieren - in diesem Jahr herausgegeben werden, entsprechen fast wortwörtlich unseren Anträgen vom letzten Jahr. Damals wurde das alles noch verunglimpft. Heute ist vom Kampf um Ausbildungsplätze die Rede. Die Lage sei ernst. Die Halbzeitbilanz sei ein Alarmsignal. Die „Wirtschaftswoche" schreibt sogar, es sei eine Schande für Deutschland, in eine derartige Situation hineinzukommen. Ich kann nur sagen: Das stimmt. Es ist eine Schande für Deutschland, weil nämlich diejenigen, die angeben, etwas für Ausbildungsplätze tun zu wollen - an der Spitze der Bundeskanzler und der Bundesbildungsminister -, das noch nicht einmal in ihren eigenen Wahlkreisen auf die Reihe bekommen. In Ludwigshafen warten 1 444 Jugendliche auf einen Ausbildungsplatz. Dem stehen ganze 662 Stellen gegenüber. Im Erftkreis sind es 1 029 Jugendliche, die eine Ausbildungsstelle suchen. Ganze 609 Stellen stehen dem gegenüber. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Wann kommen denn Ihre Vorschläge?) Ich frage mich: Was wird da getan? Welche Resonanz hat deren wichtige Funktion im eigenen Wahlkreis? Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Thönnes, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lensing? Franz Thönnes (SPD): Aber von Herrn Kollegen Lensing doch immer. Werner Lensing (CDU/CSU): Ja, das kann ich gut verstehen. (Heiterkeit) Herr Kollege Thönnes, Sie haben gerade Zahlen bemüht. Können wir uns vielleicht darauf verständigen, daß auch Sie die Veröffentlichung des Bundesinstituts für Berufsbildung gelesen haben, in der 43 staatlich anerkannte Ausbildungsberufe mit jeweils mindestens 1 000 Ausbildungsplätzen genannt werden, für die Ende 1996 das Lehrstellenangebot weitaus größer als die Nachfrage war? Können wir uns weiter darauf verständigen, daß da keine Aufgabe der Politik mehr liegen kann, weil die Politik selbst ja nicht in der Lage ist, auch nur einen einzigen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen? (Tilo Braune [SPD]: Also gibt es gar kein Lehrstellenproblem?) Franz Thönnes (SPD): Herr Kollege Lensing, ich weiß, daß Sie immer wieder versuchen werden, mit Zahlenakrobatik das Bild herbeizureden, daß am Ende die Nachfrager an ihrer Situation selbst schuld seien. Daher werde ich Ihre gestellte Frage nicht auch noch mit Ja beantworten. Wir gehen schlichtweg davon aus, daß in diesem Lande Berufswahlfreiheit gegeben sein muß. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) Das bedeutet, daß man Zukunftsperspektive nicht mit eins zu eins bewerten kann. Es muß ein größeres Angebot dasein. Die Situation ist nicht besser geworden; sie ist von Jahr zu Jahr schlechter geworden. Der Bundeszukunftsminister ist zum Bundeslehrstellenlückenminister geworden. 135 000 offene Stellen standen 320 000 Jugendlichen gegenüber, die einen Ausbildungsplatz suchten. Fünf Bewerberinnen und Bewerber auf zwei Stellen! 484 000 Jugendliche im Alter von unter 25 Jahren sind mittlerweile ohne Berufsausbildung. Das ist alles in den letzten Jahren entstanden - in Ihrer Verantwortung und in keiner anderen! (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS - Günter Rixe [SPD]: So ist es!) Die Menschen glauben nicht mehr an Ihre Politik. Sie erzählen den Jugendlichen, Sie wollen mehr Ausbildungsplätze schaffen, aber weniger kommen dabei heraus. Sie erzählen den Menschen, Sie wollen mehr Arbeitsplätze schaffen, aber weniger kommen dabei heraus. Sie erzählen, die Steuern sollen gesenkt werden, aber sie werden erhöht. Sie erzählen, die Abgaben sollen reduziert werden, aber auch die werden erhöht. Ihnen glaubt kein Mensch mehr in diesem Lande. Ihre Politik ist auch in diesem Teil am Ende. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Dann schieben Sie das der mangelnden Ausbildungsreife zu. Wissen Sie, was Ihr Parteikollege Herr Zehetmair sagt? Er sagt, der Abbau von mehr als 100000 Lehrstellen in den letzten drei Jahren - so beschied der bildungspolitische Sprecher aller Unionsgeführten Bundesländer knapp - sei nicht mit angeblich mangelnder schulischer Vorbildung der Jugendlichen zu erklären. Das müssen Sie sich einmal anhören. Diskutieren Sie das einmal im eigenen Laden, und dann diskutieren Sie wahrscheinlich auch hier fundierter! Franz Thönnes Die Kreishandwerkerschaft in Wittmund hat dem Kanzler gerade einen schönen Brief geschrieben. Darin führt sie aus, daß alle Appelle nicht weiterhelfen. Sie kommt auch zu einem spannenden Finanzierungsmodell. Das finde auch ich ganz interessant. Darüber kann ich gerne diskutieren. Sie sagt dann nämlich schlichtweg ganz deutlich: So, wie es bislang gemacht worden ist, geht es nicht weiter. Man muß Anreizsysteme schaffen, und man muß möglicherweise auch eine gesellschaftliche Umlage bei der Ausbildungsfinanzierung zu erreichen versuchen. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Es gibt andere Finanzierungsmöglichkeiten. Ich komme, Herr Mayer - denn das macht wirklich Freude -, noch einmal auf die CSU zu sprechen. Der Bundesgesundheitsminister schreibt in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 17 Abs. 4 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes: Um eine gerechte Verteilung der durch die Ausbildungsstätten entstehenden Belastung zu erreichen, werden die Länder ermächtigt, zwischen den Krankenhäusern mit und ohne Ausbildungsstätten einen Belastungsausgleich herbeizuführen. Das kann doch kein Teufelszeug sein. Die Bauindustrie macht das, die Zahnärztekammer in Schleswig-Holstein macht das, auch einige andere Kammern kommen dazu, und die Schornsteinfeger machen das. Es ist an der Zeit, endlich dem gerecht zu werden, was sich in diesem Land mittlerweile als Umlage schleichend breitgemacht hat. Über 2 Milliarden DM - das ist die Auskunft von Frau Wülfing -, Gelder der Beitragszahler der Bundesanstalt für Arbeit, werden aufgewendet, um Ausbildungsplatzdefizite auszugleichen, um jungen Menschen eine Perspektive zu geben. Das ist eine Umlage, die die Beitragszahler bezahlen. Da stellt sich der Bundesarbeitsminister heute nachmittag hier hin und sagt: Nicht alles darf auf dem Rücken der Beitragszahler ausgetragen werden. Was ist denn das für eine Politik, die Sie hier betreiben? (Jörg Tauss [SPD]: Unredlich!) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Thönnes, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? Franz Thönnes (SPD): Auch dem Herrn Jork. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Bitte. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU): Herr Kollege Thönnes, aus der eben genannten Zeitung hat Herr Schmidt eine Aussage gebracht, die ich von Ihnen gerne einmal gewertet wüßte. Ich zitiere: Hingegen ist kaum zu erwarten, daß eine gesetzlich geregelte Umlagenfinanzierung das Angebot an Ausbildungsplätzen in Deutschland nennenswert und in kurzer Frist steigern würde. (Maritta Böttcher [PDS]: Was zu beweisen wäre!) Franz Thönnes (SPD): Möglicherweise kann Herr Schmidt, den ich sehr schätze, genauso irren wie Sie. Denn die Politik, die Sie jetzt seit Jahren betreiben, hat nicht dazu geführt, daß mehr Ausbildungsplätze entstanden sind. Die Ausbilder-Eignungsverordnung ist geändert worden, das Jugendarbeitsschutzgesetz ist geändert worden, wir haben die Ausbildungsverordnungen geändert. Das alles mag richtig und wichtig sein. Aber was ist dabei herausgekommen? (Günter Rixe [SPD]: Immer weniger Ausbildungsplätze!) Mehr Ausbildungsplätze sind nicht entstanden. Ich sage Ihnen eins: Auch zum 1. August entstehen nicht mehr Ausbildungsplätze. Die jungen Menschen warten jetzt darauf. Weil wir diese Situation seit langem so sehen und beobachten, daß die Wirtschaft ihrer Verantwortung, die sie 1980 vom Bundesverfassungsgericht zugesprochen bekommen hat, nicht gerecht wird, geben wir der Wirtschaft im Prinzip eine Chance. Der Gesetzentwurf von den Grünen und unser Gesetzentwurf, den wir vorlegen werden, tritt eigentlich nur dann in Kraft, wenn nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Das ist der feine Charme dabei. (Beifall bei der SPD) Alle anderen Möglichkeiten, die ergriffen werden können, würden begrüßt. Da geht es darum, daß 112,5 Prozent Angebot vorhanden sein muß, damit man eine Auswahl hat. Da geht es darum, daß Leistung belohnt wird, das heißt, daß wir diejenigen, die ausbilden, letzten Endes mit einem Zuschuß honorieren wollen. (Beifall des Abg. Günter Rixe [SPD]) Aber noch viel stärker geht es darum, daß die, die sich davonstehlen, an einer Umlage beteiligt werden. Diese soll nicht bürokratisch sein, sondern sie soll über die Bundesanstalt für Arbeit eingezogen und über die regionalen Arbeitsämter, wo Wirtschaft, Gewerkschaften und Kommunen zusammensitzen, an der regionalen Situation orientiert verteilt werden. Dann entsteht keine neue Bürokratie. Dann haben wir eine flexible Handhabung und Entscheidung vor Ort, weil diejenigen, die vor Ort wissen, wie sich die Situation entwickelt, dann vorrangig Ausbildungsplätze betrieblicher Art dazukaufen sollen und keine neuen überbetrieblichen Ausbildungsplätze, wie Sie das hier immer unterstellen wollen. Wir wollen eine Regelung, die Wirtschaft und Arbeitnehmer gemeinsam gestalten, und zwar dann, wenn die Wirtschaft alleine nicht dazu in der Lage ist, genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Wir sind gerne zu einer Diskussion bereit - das ist auch nichts Neues -, wenn der Minister sagt, daß er über eine Verkürzung der Berufsausbildung diskutieren möchte. Wer es ernst nimmt, daß man angesichts der Halbwertzeit des Wissens nicht mehr alles in drei Jahren lernen kann, wer Weiterbildung in dieser Gesellschaft mehr zur Geltung verhelfen will, muß auch - so haben wir das auf unserem Parteitag Franz Thönnes im November beschlossen - über eine Straffung der Erstausbildung reden. Dann müssen wir auch über eine rechtlich gesicherte Garantie von Weiterbildungszeiten in der Gesellschaft für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sprechen. Das kann man dann nicht mehr nur dem Zufall überlassen. Das können wir alles machen. (Beifall bei der SPD und der PDS) Uns als SPD geht es darum, daß die jungen Menschen eine Perspektive in der Gesellschaft haben. Wenn die Wirtschaft das nicht erfüllen kann, ist der Gesetzgeber gezwungen zu handeln. Wir wollen, daß junge Menschen von der Politik und auch von der Regierung zu Recht einklagen können, daß ihnen der Weg in die Arbeitswelt offensteht und daß ihnen nicht die Tür vor der Nase zugeschlagen wird. Was wir schon gar nicht wollen, ist, daß es einige gibt, die die Tür auch noch zuhalten wollen. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die Frau Staatssekretärin Elke Wülfing. Elke Wülfing, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, zu Ihnen, Herr Rixe, kann man nur sagen: Schlecht gebrüllt, Löwe! So schlecht vorbereitet, wie Sie heute in diese Debatte gegangen sind, das entspricht nun wirklich nicht der Situation auf dem Lehrstellenmarkt. (Günter Rixe [SPD]: Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Mist! - Freimut Duve [SPD]: Jetzt sind wir aber sehr gespannt, was von Ihnen kommt!) Ich denke, Herr Thönnes, einiges von dem, was Sie gesagt haben, kann man sicherlich aufgreifen. Aber was mich immer wieder ärgert, ist, daß die SPD, die Grünen, die PDS sich nur Sachen ausdenken, die die Kosten für die Betriebe erhöhen, die vor allen Dingen die Lohnnebenkosten erhöhen. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch Quatsch! - Weiterer Zuruf von der SPD: Tun sie nicht!) Ich glaube, das ist in dieser Situation gerade nicht das, was wir brauchen. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben gar nicht zugehört! Sie haben das gar nicht begriffen!) Ich denke, daß wir diese Rituale hier jetzt beenden können. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben damit angefangen!) Auch das entspricht nicht der Situation. Die Situation ist schwierig genug. Das genau sagt Minister Rüttgers, das genau sage ich auch. Wir haben zwar nach dem Berufsbildungsbericht im vorigen Jahr die Lehrstellensituation noch so gerade eben hingekriegt, aber nicht in allen Regionen. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Thönnes? Elke Wülfing, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Bitte. Franz Thönnes (SPD): Frau Staatssekretärin, weil Sie gerade die Frage der Lohnnebenkosten angesprochen haben. Ist es richtig, daß Sie mir im letzten Monat noch auf eine Anfrage, wie hoch der Aufwand der Bundesanstalt für Arbeit zum Ausgleich der Lehrstellenlücke ist, geantwortet haben, daß aus den Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit ca. 2 Milliarden DM ausgegeben werden, um dieses Defizit halbwegs auszugleichen? (Günter Rixe [SPD]: So ist es!) Wie verhält sich dies zu Ihrem Vorwurf, die SPD wollte die Lohnnebenkosten erhöhen? Elke Wülfing, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Ich glaube, daß Herr Blüm vorhin darauf die richtige Antwort gegeben hat. Es ist eigentlich nicht Aufgabe der Bundesanstalt für Arbeit, die Defizite aufzuarbeiten, die in den Schulen, durch die Schulpolitik der Länder entstehen. (Horst Kubatschka [SPD]: Die Schulen sind jetzt schuld daran!?) - Natürlich sind die Schulen daran schuld, wenn Lehrlinge keine vernünftige Ausbildungsreife nachweisen können und das aufgearbeitet werden muß. (Werner Lensing [CDU/CSU]: Eine sehr sachgerechte Antwort! - Tilo Braune [SPD]: Schlecht vorbereitet, fünf!) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich muß Sie fragen, ob Sie noch eine Zwischenfrage zulassen wollen oder nicht. Elke Wülfing, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Nein, ich will jetzt erst meine Ausführungen beenden, damit Zwischenfragen sich darauf beziehen können. Ich denke, daß uns die Situation, in der wir zur Zeit sind, durchaus große Sorge bereiten muß. Ich denke auch, daß wir noch sehr viel tun müssen. Nur eines muß man auch sehen: Die Politik macht die Rahmenbedingungen, die Lehrstellen müssen aus der Wirtschaft kommen. Und da sind die Appelle, die sowohl Herr Rüttgers als auch Herr Kohl und auch ich immer wieder an die Wirtschaft richten, genau das Richtige. (Werner Lensing [CDU/CSU]: Das hat die SPD noch nicht begriffen!) Wir haben einiges getan; Sie wissen das genau. Gegen Ihren erbitterten Widerstand haben wir das Jugendarbeitsschutzgesetz geändert. Gegen Ihren Widerstand haben wir die Ausbilder-Eignungsverordnung geändert. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das hat aber nichts gebracht, oder?) Parl. Staatssekretärin Elke Wülfing - Immerhin haben in 1996 von diesen Ausnahmegenehmigungen 3 600 Menschen Gebrauch gemacht. Das sind ja auch Lehrstellen. Ich denke, daß man das wird sagen dürfen. Außerdem hat es seit 1995 einen Modernisierungsschub gegeben. In den Jahren von 1995 bis 1999 werden wir genau 131 Berufe für 350000 Lehrlinge entweder neu strukturiert oder modernisiert haben. (Werner Lensing [CDU/CSU]: Das ist ein konstruktiver Beitrag!) 20 weitere Vorschläge werden folgen. Das ist die richtige Art und Weise, wie man zu neuen Lehrstellen kommen kann. Der Argumentation, die Sie vorgebracht haben, Herr Thönnes, kann ich nicht ganz folgen. Selbstverständlich haben wir die freie Berufswahl. Wie wollen Sie das aber machen, wenn sich 500 000 Jugendliche für den Beruf des Bürokaufmanns bewerben? Wollen Sie für all diese einen solchen Arbeitsplatz schaffen? Es muß immer eine zweite Möglichkeit geben. Wenn man nicht Bürokaufmann werden kann, dann muß man etwas anderes machen. Es gibt reichlich Ausbildungsmöglichkeiten. (Werner Lensing [CDU/CSU]: Das sind die realistischen Sachverhalte!) Ich habe gestern noch mit einem Unternehmer gesprochen, der noch immer keinen Lehrling hat. (Günter Rixe [SPD]: Warum nicht?) - Er hat einen sehr guten Betrieb, aber kann keinen Lehrling bekommen. Er hat sich schon x-mal an das Arbeitsamt gewandt. Natürlich gibt es diese Situation weiterhin. In den neuen Bundesländern ist die Situation schwieriger. Dort haben wir auch schon einiges gemacht. Wir haben Ausbildungsplatzentwickler eingesetzt und mit ihrer Hilfe bis Februar 1997 immerhin 20 000 Lehrstellen rekrutiert. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Dr. Karlheinz Guttmacher [F.D.P.]: Ein gutes Instrument!) Ist das nichts? Wir haben außerdem das Aktionsprogramm „Lehrstellen Ost" noch einmal aufgelegt, und zwar auf Wunsch der Länder. Wir haben jedesmal neu darüber nachgedacht, wieviel wir dafür brauchen. Immerhin gibt der Bund für 15 000 Lehrstellen 200 Millionen DM aus. Ich finde das nicht verkehrt. Außerdem hat die Bundesregierung selbst neue Ausbildungsplätze geschaffen: In der unmittelbaren Bundesverwaltung waren es 6,4 Prozent mehr, beim BMBF in diesem Jahr sogar 10 Prozent. Das, was wir als Politiker tun können, tun wir. Jetzt kann nur noch an die Gewerkschaften appelliert werden, Herr Rixe, nicht länger den Kleinen Gesellenbrief zu verhindern. Wir brauchen endlich die Anerkennung der praktischen Ausbildung. (Dr. Karlheinz Guttmacher [F.D.P.]: Sehr gut! - Günter Rixe [SPD]: Die Hilfsarbeiter von übermorgen!) Außerdem müssen wir die Gewerkschaften und die Arbeitgeber auffordern, Tarifverträge mit einer Vereinbarung zu Ausbildungsstellen abzuschließen. Immerhin gibt es inzwischen 32 regionale Tarifverträge, in denen dies zugelassen wird. Ich finde das ganz hervorragend und kann nur sagen: Weiter so! Ich möchte noch eine Forderung an die Kammern stellen, obwohl ich weiß, daß mir das nicht gerade den Beifall von Herrn Schoser einbringen wird: Die Prüfungsgebühren, die die ausbildenden Betriebe zu zahlen haben, könnten zugunsten dieser Betriebe auf die Kammern umgelegt werden. (Beifall des Abg. Uwe Lühr [F.D.P.]) Ich glaube, das wäre eine vernünftige Idee. Dies wird auch schon von einigen Kammern praktiziert; es ist letztens auch eine Anfrage dazu gestellt worden. Es wäre gut, wenn diese Regelung bundeseinheitlich gestaltet würde. Außerdem brauchen wir in allen Regionen, in denen das Lehrstellenangebot nicht ausreicht, Bündnisse für Arbeit; das haben wir bereits in den 80er Jahren gemacht. Im Kreis Borken - ich will einmal ein bißchen Propaganda für meinen Wahlkreis machen - (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ich denke, Sie sind hier als Regierungsvertreterin!) wurde dies in den 80er Jahren so gemacht. Die IHK, die Handwerkskammer und die Kreisverwaltung haben sich zusammengesetzt und für all diejenigen einen Ausbildungsverbund beschlossen, die keinen Lehrstellenplatz bekommen konnten. Aber nicht, wie Sie meinen, im Mai oder im Juni, sondern im Januar nächsten Jahres. Damit bleibt der Druck bei den Unternehmen, Ausbildungsplätze zu schaffen. Nur so kann man das machen. Das halte ich auch für die Regionen für eine sehr gute Idee, ganz abgesehen davon, daß ich glaube, daß Unternehmen noch stärker kooperieren könnten, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Im Grunde ist das, was Sie sagen, richtig: (Günter Rixe [SPD]: Danke!) Man muß an alle appellieren, vor allen Dingen an die Unternehmer, die Großbetriebe, die ihre Lehrwerkstätten ausbluten lassen. Nur, dann dürfen Sie nicht mit Ihrer Ausbildungsplatzabgabe kommen. Dann ließen sie sich nämlich darüber diese Lehrstellen auch noch bezuschussen. So kann es nicht gehen. Das ist nicht der richtige Weg. Ausbildung muß Chefsache sein und da zur Chefsache werden, wo dies jetzt noch nicht der Fall ist. Denn es ist kurzsichtig, heute nicht auszubilden. Dann fehlt morgen nämlich der gutausgebildete Mitarbeiter. Ausbildung ist in der Tat eine moralische Verpflichtung. Lassen Sie uns diesen Appell gemeinsam nach draußen geben! Ich habe von der SPD nicht so ganz viel darüber gehört, was sie nun eigentlich Neues will. (Werner Lensing [CDU/CSU]: Gar nichts!) Die Forderung nach einer Ausbildungsabgabe entstammt der Mottenkiste; Sie wissen ganz genau, daß das nichts Neues ist. Lediglich von Herrn Scharping habe ich etwas gehört. Der hat sich etwas ganz Tolles Parl. Staatssekretärin Elke Wülfing ausgedacht: Der möchte gerne für jeden Lehrling und für jeden Studenten 450 DM ausgeben. Er kann ja manchmal nicht so gut rechnen. Unser Haus rechnet dagegen meistens relativ gut. (Günter Rixe [SPD]: Waigel?) Dort wurde ausgerechnet, daß das 20 Milliarden DM kostet. (Günter Rixe [SPD]: Da habt ihr euch verrechnet!) - Wir haben uns wahrscheinlich nicht verrechnet. Herr Rixe, Sie haben vorhin gesagt, ein Lehrlingsgehalt von 430 DM sei nicht genug. Die Forderung von Herrn Scharping unterschreitet das noch ein bißchen. (Günter Rixe [SPD]: Nein!) Im übrigen schafft so eine komische Umlage nun wirklich keine zusätzliche Lehrstelle. Deshalb kann ich mir darunter nichts vorstellen. Vor allen Dingen hat er hier wohl nicht aus eigener Überzeugung gehandelt, sondern einen Kotau vor den Jusos gemacht. Selbst viele von Ihnen halten das ja nicht für richtig. Es gibt also einige positive Meldungen, auch wenn noch mehr kommen muß: Die Deutsche-Bank-Stiftung hat 1 000 zusätzliche Lehrplätze zur Verfügung gestellt. (Tilo Braune [SPD]: Oh!) Die Kaufhof Warenhaus AG bildet 10 Prozent mehr Lehrlinge aus. Den gleichen Zuwachs -10 Prozent - weist die Daimler-Benz AG auf; sie bildet 3 000 Auszubildende aus. (Edelgard Bulmahn [SPD]: Wieviel sind vorher gestrichen worden?) Der Veba-Konzern will 500 neue Lehrstellen schaffen, der Autohersteller BMW 400 zusätzliche Lehrstellen usw. Unsere Gemeinschaftsinitiative „Ausbilden - wir machen mit!" hatte eine ganz hervorragende Resonanz. Zum Ende des Lehrstellenjahres werden wir eine bessere Bilanz als bisher haben. Wenn wir im Oktober die Situation beurteilen können, werden wir in den einzelnen Regionen sicher das auflegen, was ich eben angeboten habe, nämlich Ausbildungsverbünde vor Ort zwischen Gewerkschaften und Unternehmern. Das ist genau die richtige Richtung. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Für eine solche Rede brauchen Sie sich nicht zu bedanken!) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/7607, 13/7625, 13/7821 und 13/8040 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7a und 7 b auf: a) - Zweite und dritte Beratung des von dem Abgeordneten Volker Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Wohnung für den hinterbliebenen Lebenspartner - Drucksache 13/847 - (Erste Beratung 55. Sitzung) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme der gemeinsamen Wohnung nach Todesfall der Mieterin/des Mieters oder der Mitmieterin/des Mitmieters - Drucksache 13/2355 - (Erste Beratung 55. Sitzung) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) - Drucksache 13/3595 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Dietrich Mahlo Margot von Renesse Volker Beck (Köln) b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bürgerrechtssituation von Schwulen und Lesben in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich mit der rechtspolitischen Entwicklung in den Nachbarländern - Drucksachen 13/2719, 13/5456 - Zur Großen Anfrage liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten soll. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal zu später Stunde beschäftigt sich dieses Haus mit der Lebenssituation von Schwulen und Lesben in diesem Land. Herr van Essen hatte noch am 18. Mai 1996 versprochen: In Zukunft, wenn „Christopher Street Day" ist, diskutieren wir die Situation der Lesben und Schwulen zu einem günstigeren Zeitpunkt. Aus diesem Versprechen ist leider nichts geworden. Allerdings scheuen die Fraktionen angesichts des Stillstands der Politik mit Recht das Licht der Öffentlichkeit. Völliger Stillstand herrscht in Sachen Bürgerrechte von Schwulen und Lesben am Standort Volker Beck (Köln) Deutschland. Nicht einmal eine interfraktionelle Erklärung, die nur Diskriminierung und Gewalt gegen diese Minderheit in unserer Gesellschaft zurückweist, war zustande zu bringen. Selbst dieses Gesprächsangebot von unserer Seite konnte zu keinem positiven Ergebnis geführt werden - bedauerlich. Die Chance für ein solches Signal wurde vertan. In anderen Ländern gehen die Uhren ganz anders. In Großbritannien ernennt Tony Blair einen Schwulen zum Kulturminister. Diese Woche hat die französische Justizministerin erklärt, die Linke in Frankreich wolle ein Wahlkampfversprechen einlösen und den Contrat de l'Union Sociale, der homosexuelle Lebensgemeinschaften mit Ehepaaren in weiten Teilen rechtlich gleichstellen soll, auf den Weg bringen. In den Niederlanden hat das Parlament die skandinavische Gesetzgebung der eingetragenen Lebensgemeinschaft abgelehnt, weil ihm gleiche Rechte unter einem anderen Namen nicht weit genug gehen; es hat gesagt, wir wollen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen. Antidiskriminierungsgesetze gibt es in Frankreich, in den Niederlanden, in Skandinavien, die auch diese Minderheit vor Diskriminierung wirksam schützen, und in Teilbereichen hat es selbst das katholische Irland geschafft, den Schutz für Homosexuelle zu verbessern. Wir hier in Deutschland reden heute abend über die Gleichstellung homosexueller und heterosexueller nichtehelicher Lebensgemeinschaften. Inhaltlicher Widerstand wird hier von der Union geltend gemacht, man müsse auf die Differenz von Ehe und eheähnlicher Lebensgemeinschaft achten. Meine Damen und Herren, es geht bei dieser Frage darum, daß der überlebende Lebenspartner - unabhängig davon, ob er der Erbe ist oder nicht - nach dem Tod des Mieters (Zuruf des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU]) - ich finde das nicht lustig, Herr Geis - in den Mietvertrag eintreten kann, und zwar unabhängig von seinem Geschlecht. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden: Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften haben dieses Recht nicht, aber heterosexuelle unverheiratete Paare haben es. - Es gibt keinen sachlichen Grund für diese Differenz, für diese Diskriminierung. Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt. Er stellt den kleinstmöglichen Schritt der rechtlichen Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften dar, den man überhaupt denken kann, und nicht einmal diesen Schritt ist man hier im Hause von seiten der anderen Fraktionen bereit mitzugehen. Die F.D.P. erklärt uns, sie wolle das zwar, aber dieses werde im Rahmen der Mietrechtsnovelle durchgesetzt. Ob diese Mietrechtsnovelle den Deutschen Bundestag in dieser Legislaturperiode passieren wird, ist ja bekanntermaßen sehr zweifelhaft. Die SPD sagt uns, dies müsse im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuregelung der nichtehelichen Lebensverhältnisse geregelt werden. Ich verstehe zum ersten nicht, warum man das rechtsklarer regeln muß, als dies mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs für heterosexuelle Lebensgemeinschaften geregelt wurde und als das in den sozialrechtlichen Regelungen, die in der Sache beim BSHG und beim AFG problematisch sind, vorgesehen ist. Warum müssen wir hier pingeliger sein, als es der Gesetzgeber beim Sozialrecht und der Bundesgerichtshof bei heterosexuellen nichtehelichen Lebensgemeinschaften war? Zum zweiten muß ich feststellen: Bei dem Thema nichteheliche Lebensgemeinschaft plagt die SPD-Fraktion nun seit 10 Jahren eindeutig eine Ladehemmung. Seitdem klemmt die Schublade, in der dieser Gesetzentwurf liegt; er kommt nicht ans parlamentarische Tageslicht. Sie scheuen sich, bei einer parlamentarischen Initiative, die die Diskriminierung von homosexuellen Menschen auf Grund ihrer sexuellen Identität beseitigt, Farbe zu bekennen. Sie wollen dieses unterpflügen, im stillen machen, wenn Sie überhaupt einmal der Mut packt, die Angelegenheit in Angriff zu nehmen. Diese Abstimmung heute ist die Nagelprobe für alle Sonntagsreden gegen Diskriminierung. Hier müssen Sie jetzt Farbe bekennen. Wir haben darüber hinaus einen Entschließungsantrag vorgelegt, den wir überweisen wollen, der ein durchgängiges Konzept vorlegt, einen Bericht der Bundesregierung zur Lage der Schwulen und Lesben in diesem Land fordert, den sie 1994 dem Rechtsausschuß versprochen und bis heute nicht vorgelegt hat, einen Entschließungsantrag, der ein Antidiskriminierungsgesetz fordert, das zivilrechtlich im Rechtsverkehr Diskriminierung bekämpft und die Frage der rechtlichen Anerkennung der homosexuellen Lebensgemeinschaften in allen Rechtsbereichen löst. In einem zweiten Entschließungsantrag, den wir aus Anlaß des „Christopher Street Day", den wir am Samstag in Berlin feiern werden, heute verabschieden wollen, geht es nur darum, daß man Diskriminierung und Gewalt gegen homosexuelle Menschen zurückweist. Ich meine, jeder Demokrat müßte diesem Antrag aus voller Überzeugung zustimmen können. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Kollege Dr. Mahlo, CDU/CSU. Dr. Dietrich Mahlo (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht nicht darum, Herr Kollege Beck, daß wir diesen Aufforderungen nicht zustimmen würden; dies sind in der Tat Selbstverständlichkeiten. Vielmehr geht es um ein paar andere Freundlichkeiten in Richtung Bundesregierung, die in Ihrem Antrag stehen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche?) • Dr. Dietrich Mahlo Diese bringen indirekt zum Ausdruck, was die Bundesregierung alles vernachlässigt haben soll. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht in diesem Antrag nicht!) Daran scheitern Ihre Anträge. Sie müssen sich eben mal ein bißchen disziplinieren. (Zuruf der Abg. Christina Schenk [PDS]) - Zu Ihnen komme ich im Laufe des Abends auch noch. Herr Beck, wenn man Ihnen zuhört, könnte man meinen, daß die himmelschreiende Diskriminierung der gleichgeschlechtlich Veranlagten in Deutschland das eigentliche Problem unseres Landes ist. Wenn man das Ganze etwas versachlicht, wird man feststellen, daß es eine Reihe von Sachverhalten gibt, die unterschiedliche und in aller Ruhe zu findende Antworten benötigen. Das ist unsere Aufgabe. Ich will in den paar Minuten Redezeit, die ich habe, aber nicht Ihre gesamte Große Anfrage und die entsprechenden Antworten der Bundesregierung erörtern. Ich habe dazu während der letzten Debatte zu diesem Thema am 17. Oktober 1996 eher grundsätzliche Bemerkungen gemacht. Das muß nicht alles wiederholt werden. Ich möchte hier aber gern zwei Bemerkungen allgemeiner Natur machen. Der erste Punkt. Ich würde Ihnen nicht raten, uns bei jeder Gelegenheit einen Vergleich mit dem Ausland vorzuhalten. Abgesehen davon, daß es, wenn im Ausland etwas anders gemacht wird als bei uns, über die Qualität des einen oder des anderen gar nichts aussagt, ist es so, daß für die riesengroße Mehrheit der Menschen und der Länder auf der Welt die von Ihnen vertretenen Auffassungen nicht mehrheitsfähig sind. Deswegen sehe ich nicht ganz ein, warum Sie uns ständig einen Vergleich mit dem Ausland vorhalten. Ich würde das an Ihrer Stelle nicht tun. Der zweite Punkt ist, daß ich ganz gern auf einen Etikettenschwindel hinweisen möchte. Der besteht darin, daß Sie überall dort von Benachteiligung und Diskriminierung sprechen, wo den gleichgeschlechtlich veranlagten Mitgliedern der Gesellschaft nicht jede steuerliche, wirtschaftliche, gesellschaftliche, rechtliche Meistbegünstigung zugestanden wird. Das heißt, überall dort, wo gleichgeschlechtlich Veranlagte wie nicht verheiratete Menschen behandelt werden, sind sie nach Ihrer Meinung diskriminiert. Das halte ich für eine Irreführung und für eine Verwechslung der Begriffe, die mit der Rechtswirklichkeit in unserem Lande nichts zu tun hat. (Beifall bei der CDU/CSU) Heute geht es um ein Einzelproblem, nämlich um - wie man sich ausdrückt - die „Sicherung der Wohnung" für den hinterbliebenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartner oder - wie die PDS das wünscht - für schlechthin jeden, der im Zeitpunkt des Todes des Mieters oder Mitmieters die Wohnung mit bewohnt. Zu diesen Gesetzesentwürfen ist aus meiner Sicht Verschiedenes zu sagen. Erstens. Zustimmen werden wir diesen Gesetzesvorlagen - unabhängig vom Inhalt - deswegen nicht, weil wir eine Gesamtnovellierung des Mietrechts anstreben und in diesem Zusammenhang auch die hier angesprochenen Fragen klären wollen. Wir wollen keine Reform in lauter Häppchen. Zweitens. Beide Gesetzesanträge behaupten, nach der geltenden Rechtslage könne ein Vermieter einen mit mehreren Mietern abgeschlossenen Vertrag kündigen, wenn auch nur einer der im Mietvertrag aufgeführten Mieter verstirbt. Das halte ich nicht für geltendes Recht. Ich bin aber bereit, mit Ihnen § 569 BGB so umzuformulieren, daß die Fortgeltung des Mietvertrages mit dem Überlebenden zweifelsfrei sichergestellt ist. Insofern besteht wenigstens ein Minimum an Übereinstimmung. Drittens. Soweit die PDS schlechthin jedem Mitbewohner beim Tode des Mieters ein Recht auf Fortsetzung des Mietvertrages zugestehen will, wäre eine solche Regelung verfassungswidrig. (Vorsitz : Präsidentin Dr. Rita Süssmuth) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1990, in dem es um eine Ausweitung auf die heterosexuellen Lebensgemeinschaften ging, ausgeführt: Im Hinblick auf die durch die Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis gekennzeichnete Eigentumsgarantie darf der Eigentümer nicht verpflichtet werden, sämtliche Mitbewohner des jeweiligen Mieters als Nachfolger zu akzeptieren, ohne auf die Person des Vertragspartners noch in irgendeiner Weise Einfluß nehmen zu können. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Mahlo, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Warnick? Dr. Dietrich Mahlo (CDU/CSU): Bitte sehr. Klaus-Jürgen Warnick (PDS): Kollege Dr. Mahlo, Sie haben sich auf die kommende Mietrechtsreform berufen. Es ist ja auch Teil Ihrer Koalitionsvereinbarung gewesen, noch in dieser Legislaturperiode eine Mietrechtsreform auf den Weg zu bringen. Wir warten seit zweieinhalb Jahren darauf, und es sieht nicht so aus, als ob es in dieser Legislaturperiode noch dazu kommen wird. Können Sie uns verbindlich sagen, wann und ob in dieser Legislaturperiode die Mietrechtsreform, auf die Sie sich ja eben bezogen haben, kommen wird? Dr. Dietrich Mahlo (CDU/CSU): Herr Kollege, das kann ich Ihnen selbstverständlich nicht verbindlich sagen; denn ich kann in der Koalition nicht allein bestimmen. Ich kann nur sagen, daß wir einen großen Teil der Vorarbeiten bereits geleistet haben und daß ich persönlich die Notwendigkeit einer Novellierung für unbestreitbar halte. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind alles leere Versprechungen!) - Was hat das denn mit leeren Versprechungen zu tun, Herr Kollege? Wenn Sie eine Frage stellen wollen, melden Sie sich bitte und stellen Sie sie. Dann kann ich sie beantworten. Klaus-Jürgen Warnick Ich möchte aber gern auf die PDS-Vorstellungen zurückkommen, wonach der Vermieter einem Kontrahierungszwang mit jeglichem Mitbewohner in der Wohnung unterliegen soll. Ich finde das nicht in Ordnung. Ihre Vorgängerpartei hat zunächst den Menschen millionenfach die Wohnungen und die Häuser weggenommen. Dann war sie nicht in der Lage, diese Häuser und Wohnungen wenigstens instandzuhalten. Nach weniger als einem halben Jahrhundert waren sie weitgehend Schrott. Nun haben wir begonnen, mit öffentlichen und privaten Mitteln einen erheblichen Teil dieser Wohnungen wiederherzustellen. Sofort entwickeln Sie Vorstellungen, daß die wiederhergestellten Wohnungen als Spielmaterial der PDS jedem Mieter, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Thema!) ob der Vermieter das will oder nicht, zwangsweise zur Verfügung stehen sollen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht das Thema heute abend!) Der Vermieter hat nach Ihren Vorstellungen keine Möglichkeit, darüber zu entscheiden, ob er diesen Mieter will oder nicht. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist der alte Sozialismus der PDS!) Bisher ist die Fortsetzung des Mietverhältnisses zwangsweise, also auch gegen den Willen des Vermieters, nur mit Ehepartnern, den im Zeitpunkt des Todes im Hausstand lebenden Familienangehörigen und nach analoger Anwendung des BGH auch mit dem langjährigen unverheirateten Lebenspartner möglich. Die Frage, ob der Kreis der Berechtigten noch weiter auf den hinterbliebenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartner ausgedehnt werden soll, wird meines Wissens auch in der Koalition unterschiedlich beantwortet. Ich persönlich halte diese Ausweitung und den damit verbundenen Kontrahierungszwang für den Vermieter nicht für hinnehmbar, und auch der BGH hat eine solche Ausweitung nicht mehr für zulässig angesehen, weil in die Eigentümerposition des Vermieters aus Art. 14 Grundgesetz immer weiter eingegriffen wird und weil Art. 6 Grundgesetz, der den Schutz von Ehe und Familie durch die staatliche Ordnung stipuliert, verlangt, daß eine gewisse Wertungsdifferenz zwischen der Ehe und der Familie einerseits und anderen Formen von Lebensgemeinschaften andererseits bei der Regelung des Nachfolgerechts aufrechtzuerhalten ist. Wie dem auch sei, im Zusammenhang mit der Mietrechtsnovellierung werden wir diese Frage erneut und in einem größeren Zusammenhang erörtern. Heute werden wir jedenfalls den zur Abstimmung stehenden Gesetzen unsere Zustimmung nicht geben. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste Rednerin spricht die Kollegin Margot von Renesse. Margot von Renesse (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe immer das Vergnügen, nach den Herren Beck und Mahlo, die beide Pole darstellen, zu reden. Meistens fing ich damit an, daß ich mich vom Kollegen Mahlo distanzieren oder abgrenzen mußte. Heute tue ich das nicht, Herr Mahlo. Ich denke, daß Sie eine ganze Reihe von den Gründen genannt haben, die auch meine Fraktion dazu bewegen, zum Gesetzentwurf der PDS nein zu sagen. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Sehr weise!) Sie haben die verfassungsrechtlichen Gründe dargelegt. Auch dem Gesetzentwurf der Grünen können wir unsere Zustimmung nicht geben, wenn wir auch - das haben wir schon öfter dargelegt - im Grundsätzlichen in manchen Punkten ähnlich denken. Diesen können wir nicht akzeptieren und werden uns deshalb enthalten. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist Ihr Vorschlag?) - Herr Beck, einen Augenblick bitte. Wenn Sie Zwischenfragen stellen, werde ich Gelegenheit haben, sie zu beantworten. Wir haben heute ein Problem, Herr Beck. Wir haben es nicht mit einer Grundsatzfrage zu tun, sondern mit Entwürfen zur Änderung von BGB-Normen. Da muß man nun einmal genauso technisch werden, wie es Herr Mahlo - manche von Ihnen haben gesagt, es war langweilig - gewesen ist und wie auch ich es sein werde. Zum BGB muß man technisch reden; das BGB zu ändern ist keine Frage von Herzblut, sondern Technik. Da muß man die Rechtsprechung, Konsequenzen und die Systematik prüfen, sonst sollte man sich an diese Vorschriften besser nicht heranmachen; denn es ist lange bekannt: Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint. Bei Ihrem Vorschlag - zum Vorschlag der PDS äußere ich mich nicht; da schließe ich mich voll dem an, was Herr Mahlo gesagt hat - gibt es ein dickes Problem. Ich will Sie auf die Konsequenzen aufmerksam machen: Sie führen aus der Rechtsprechung, die aus Verzweiflung analog anwendet, einen Begriff in das BGB ein, dessen Definition Sie wiederum aus der Rechtsprechung nehmen, der aber Konsequenzen haben wird, die den Betroffenen mit Sicherheit sehr wenig Freude machen werden. Wenn die nichteheliche Lebensgemeinschaft, die bisher als heterosexuelle analog in die Regelung einbezogen wird, auf die homosexuelle ausgedehnt wird - das begrüße ich im Prinzip -, wollen Sie diesen Begriff dann auch ins BSHG und ins Arbeitslosenhilferecht übernehmen? (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eheähnliche Lebensgemeinschaft! Wir haben genau gearbeitet!) Sie können unmöglich eine Rosinenpickerei vornehmen, sonst verletzen Sie Art. 3 Grundgesetz an anderer Stelle. Wissen Sie: Ich bin sehr gegen die Margot von Renesse Diskriminierung Homosexueller, aber gegen die Diskriminierung von Verheirateten oder Heterosexuellen habe ich auch etwas. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) Darum kann ich dem nicht zustimmen. Jetzt komme ich zu dem, was Sie uns und gerade mir immer wieder vorwerfen: Wo bleiben denn die Vorschläge der SPD? Ich leide auch darunter, daß manches nicht so schnell geht, wie ich es gerne hätte. Aber wissen Sie: Wir sind eine ungeheuer solide Partei, wir sind über 100 Jahre alt, wir sind älter als das BGB. Manchmal komme ich mir in meinem Großmutteralter bei solchen Themen schon fast alternativ vor; denn ich will die Vorschriften so geändert sehen, daß sie nicht mit knappen Mehrheiten über die Bühne gehen. (Jörg Tauss [SPD]: Das ist Erfahrung!) Genauso wie das Familienrecht, das wir heute im Rechtsausschuß behandelt haben, gehen solche Rechtsänderungen nur mit breitem Konsens. Sonst werden Sie sich wundern, wie die Rechtsprechung Ihnen die Wörter im Munde herumdreht. So etwas sehe ich, und ich bin, obgleich ich es manchmal schneller haben möchte, tolerant gegenüber meinen Leuten, denn sie spiegeln die Gesellschaft, wie sie ist. (Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: Bis dahin müssen die Schwulen warten!) Und die Bewegung, die sich in der Gesellschaft zum Glück vollzieht, vollzieht sich auch bei uns. Aber wissen Sie: Ich mache mir für heiße Luft nicht mehr die Schuhe zu, dazu bin ich zu alt. (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. - Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Das kann man nicht sagen!) - Doch, das ist die Wahrheit. Meine Zeit ist knapper als die von manchen jungen Leuten. Darum nehme ich diesen Entschließungsantrag zum „Christopher Street Day" - entschuldigen Sie - nicht ganz ernst. Er ist heiße Luft. Auch wenn er manches Beherzigenswerte enthält, so ist der Bundestag kein Predigtraum, in dem man Reden an die Bevölkerung über das hält, was sie in ihrem Herzen bewegen sollte. Ich jedenfalls gebe mich für so etwas nicht her, schon gar nicht bei einem Thema, mit dem wir sehr viel tiefer an die Gesellschaft heran müssen. Aus dem, was in Ihrem Entschließungsantrag zum Thema Große Anfrage steht, möchte ich gern mit allen Kräften, die wir gemeinsam haben, etwas Gescheites machen. Aber genauso wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage drei Grad zu kalt blieb - zu uninteressiert, erkennbar abweisend und zurückweisend -, so sind Sie in Ihrem Antrag drei Grad zu überhitzt. Hier müssen wir wieder zu Verstand kommen. Vernunft in der Politik, auch bei schwierigen Themen, ist gerade dann angebracht. Danke sehr. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Es spricht jetzt der Kollege Hildebrecht Braun. Hildebrecht Braun (Augsburg) (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Je später der Abend, desto überfälliger die Themen. Ich wünschte mir, wir müßten uns mit solchen Themen der Diskriminierung von Minderheiten in unserem Land nicht mehr beschäftigen. Aber dann müßte sie es auch nicht mehr geben. Leider gibt es sie eben immer noch. Deswegen haben wir solche Themen immer wieder und leider auch bitter nötig. Für uns Liberale sind die Dinge recht klar. Das bisherige Recht will niemanden diskriminieren. Es will Ehepartner privilegieren. Es darf nur nicht verwundern, wenn diejenigen, die eben nicht zum privilegierten Personenkreis gehören, sich nun diskriminiert fühlen. In der Tat habe ich das Gefühl, sie tun dies zu Recht. Wir Liberalen wenden uns gegen jede Form der Diskriminierung, natürlich insbesondere gegen die Diskriminierung wegen sexueller Orientierung, die bekanntlich nicht freiwillig gewählt, sondern angeboren ist. Die F.D.P. hält schon gar nichts davon, die heterosexuell veranlagten unverheirateten Paare den homosexuellen Paaren rechtlich gar vorzuziehen. Genau das ist durch den Bundesgerichtshof geschehen, der entschieden hat, daß heterosexuelle unverheiratete Paare sehr wohl das Recht haben, den Mietvertrag des verstorbenen Partners zu übernehmen. Aber eine entsprechende Entscheidung für homosexuelle Paare steht auf der obersten Ebene des Bundesgerichtshofs noch aus. Ich bin mir allerdings sehr sicher, daß der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung, die er heterosexuellen Paaren hat widerfahren lassen, sehr wohl auch auf schwule und lesbische Paare ausdehnen wird. Deswegen kann ich Betroffenen nur empfehlen, gegen allfällige Kündigungen zu klagen. Ich bin davon überzeugt, daß sie recht bekommen. Auch haben wir schon eine Vielzahl von untergerichtlichen Entscheidungen, die genau in diese Richtung gehen. Wir wollen aber nun - das ist der neue Ansatz - die Frage der sexuellen Orientierung aus dem Mietrecht heraushalten. Sie liegt nämlich auf einer Ebene, die nicht Gegenstand des Bürgerlichen Gesetzbuches sein kann; denn die Unterscheidung zwischen Personen unterschiedlicher sexueller Orientierung ist dem Zivilrechtsleben wesensfremd. Aus den vorgenannten Gründen wollen wir die Problematik der Übernahme der Wohnung bzw. des Mietvertrages eines Verstorbenen, die dieser allein oder gemeinsam mit dem Hinterbliebenen gemietet hat, anders angehen. Wir wollen allein darauf abstellen, daß derjenige, der in den Mietvertrag eintreten oder den Vertrag übernehmen will, Haushaltsangehöriger sein muß und daß er als Haushaltsangehöriger mit dem verstorbenen Mieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt hat. Hildebrecht Braun Wir wollen klarstellen, daß das Recht zur Übernahme des Mietvertrages dem Recht des Erben auf Eintritt in den Mietvertrag vorgeht. (Jörg Tauss [SPD]: Da sind wir mal gespannt!) Dies folgt daraus, daß die gemeinsame Haushaltsführung eine besondere Nähe der Personen zueinander signalisiert, die als solche einen Wert darstellt, der dem Nachfolgerecht des Erben vorgehen muß, der nicht zum gemeinsamen Haushalt gehört hat. Wir haben im ersten Durchgang hier vor einigen Monaten das Problem der Einstehensgemeinschaft erörtert. Es kann überhaupt keinen Zweifel daran geben, daß Personen, die füreinander einstehen wollen und auch über Jahre hinweg deutlich gemacht haben, daß sie dies tun, in einem solchen Fall wie dem, um den es heute rechtlich geht, geschützt werden müssen. Der Lösungsansatz, den ich gerade geschildert habe, ist der Lösungsansatz der Koalition, den die Arbeitsgruppe Mietrecht gemeinsam gefunden hat und der deshalb als §§ 565 und 565a BGB im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zu finden ist. Die Koalition - das betone ich hier - ist in dieser Frage einig. Wir fragen in Zukunft nicht mehr nach verheiratet oder unverheiratet, heterosexuell oder homosexuell. Wir fragen nach dem auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt. Ob ein solcher vorliegt, ist ohne weiteres beweisbar und insbesondere nicht Gegenstand von Schnüffeleien, die wir uns schon gar nicht wünschen. Unser Lösungsansatz führt zur Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle. Es wird in diesem Bereich Diskriminierung nicht mehr geben. Die Koalition hat somit das umfassendere und auch das bessere Konzept. (Zustimmung des Abg. Norbert Geis [CDU/ CSU]) Daher ist es naheliegend, daß wir deshalb den Anträgen der PDS und der Grünen nicht zustimmen werden. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Jörg Tauss [SPD]: Herr Geis, ich dachte, Sie sind ein guter Jurist! Das ist doch Unsinn, was er da geredet hat!) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächste spricht die Kollegin Christina Schenk. Christina Schenk (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Braun, ich bin auf Ihr Konzept sehr gespannt. Ich denke, wir werden noch darüber zu diskutieren haben, wenn es hier konkret vorliegt. Vorher braucht man sich damit nicht weiter auseinanderzusetzen. Ich möchte zu diesem Thema ein paar allgemeinere Bemerkungen machen. Daß die Akzeptanz der lesbischen und schwulen Lebensweise noch immer keine Selbstverständlichkeit ist bzw. bezüglich der rechtlichen Gleichstellung aller Lebensweisen noch viel zu tun bleibt, ist unter anderem auch daran abzulesen, daß wir heute hier zum wiederholten Male über die Situation von Lesben und Schwulen debattieren, ohne daß in konkreter Aussicht steht, daß sich eine Mehrheit selbst für kleine Verbesserungen finden wird. Die beiden Gesetzentwürfe zum Mietrecht fordern nun wahrlich keine revolutionären Neuerungen ein, sondern, so meine ich, eher banale Selbstverständlichkeiten. Uns geht es darum, den Rechtsanspruch auf Übernahme der Wohnung nach dem Todesfall nicht auf Eheleute begrenzt zu lassen, sondern auf alle auszuweiten, die in einem Haushalt zusammenleben - unabhängig von ihrer Beziehungsform. Die Bündnisgrünen wollen demgegenüber lediglich lesbische, schwule oder heterosexuelle Lebensgemeinschaften einbeziehen. Die konservative Mehrheit hat im Rechtsausschuß beschlossen, dem Bundestag die Ablehnung beider Entwürfe zu empfehlen. Eine offene Ablehnung - gegenwärtig muß man das wohl so sagen - gegenüber Lesben und Schwulen findet sich heute zwar eher am Stammtisch. Aber ganz offensichtlich ist sie auch im Bundestag noch nicht so ganz verschwunden. Zu der interfraktionellen Erklärung zum „Christopher Street Day" kann ich nur sagen, daß wir sie gerne mit unterzeichnet hätten. Allerdings sind wir nicht gefragt worden. Herr Beck, das möchte ich hier anmerken. Meine Damen und Herren, wir haben es - das kann ich Ihnen versichern - mit einem unaufhaltsamen Prozeß zu tun. Es ist noch gar nicht so lange her, da war es im Bundestag nicht gestattet, die Begriffe „lesbisch" und „schwul" in den parlamentarischen Vorlagen zu verwenden. Heute wird immerhin schon im Handbuch des Deutschen Bundestages in der Rubrik Familienstand neben verheiratet, geschieden usw. auch die lesbische bzw. schwule Lebensgemeinschaft vermerkt. Ein kleiner Fortschritt ist also doch eingetreten. Allerdings - darauf will ich auch hinweisen -, von den gegenwärtig 672 Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben sich nur zwei zu einer lesbischen oder schwulen Lebensweise bekannt. Zirka 50 bis 100 müßten es sein, wenn man den statistisch gesehenen Anteil an der Bevölkerung zugrunde legt. Ich meine, bis zu leidlich normalen Zuständen hier im Bundestag ist noch ein weiter Weg zurückzulegen. Ich will an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, ganz deutlich zu sagen, daß Lesben und Schwule diese Entwicklungen vor allem ihren eigenen außerparlamentarischen Bewegungen zuschreiben können. Zu diesen Bewegungen gehören insbesondere auch die in jedem Jahr im Juni stattfindenden Demonstrationen und Veranstaltungen zum „Christopher Street Day" . Jedes Jahr werden es mehr Lesben und Schwule, die für ihre Rechte und Akzeptanz auf die Straße gehen. Ich finde, das ist gut so. Denn ohne den Druck aus dem außerparlamentarischen Bereich bewegt sich in den Parlamenten nichts. Der selbstbewußte und zunehmend wohl auch selbstverständlichere Gang in die Öffentlichkeit ist aus meiner Sicht Christina Schenk ein ganz entscheidender Beitrag zur Veränderung der Situation. (Beifall bei der PDS sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Der letzte in dieser Debatte ist der Parlamentarische Staatssekretär Rainer Funke. Rainer Funke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Grunde sind wir uns einig: Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert oder benachteiligt werden. Die Toleranz und die Freiheitlichkeit einer Gesellschaft bewähren sich in dem Maße, in dem gerade jene vor Benachteiligung und Herabwürdigung geschützt werden, die ihr Leben anders als die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gestalten möchten. Wir unterscheiden uns allerdings in einem Punkt von den hier zu diskutierenden Vorschlägen: Uns geht es in erster Linie um die Lösung von Sachfragen, die sich in bestimmten Lebenssachverhalten allgemein stellen - ähnlich wie es Frau von Renesse gesagt hat -, in diesem Fall insbesondere im Bereich des Mietrechts, also des BGB. Es geht hingegen nicht darum, für eine bestimmte Gruppe von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Identitäten eine Art Sonderrecht zu schaffen. Wir wollen deshalb eine zielgenaue und systemgerechte Anpassung einzelner Regelungsbereiche erreichen, um den Belangen von Lebenspartnerschaften außerhalb von Ehe und Familie stärker als bisher Rechnung zu tragen. Hierunter fallen dann auch die gleichgeschlechtlichen Paare. Wir arbeiten - darauf haben die Kollegen der Koalitionsfraktionen hingewiesen - an einer Änderung des Mietrechts, wonach bei der Frage der Fortsetzung des Mietverhältnisses nach dem Tod des Mieters nicht mehr auf die Familienangehörigkeit des Haushaltsangehörigen abgestellt werden soll. Vielmehr soll unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis jeder Angehörige eines auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalts vor Wohnungsverlust nach dem Tod des Mieters geschützt werden, (Beifall des Abg. Dr. Rupert Scholz [CDU/ CSU]) wenn er in dieser Wohnung seinen Lebensmittelpunkt - wie Herr Braun es schon ausgeführt hat - gehabt hat. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Warnick? Rainer Funke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Ja, natürlich. Klaus-Jürgen Warnick (PDS): Herr Staatssekretär, sowohl Kollege Braun als auch Sie haben wieder auf diesen neuen Mietrechtsgesetzentwurf bezug genommen. Da wurde sogar schon von einzelnen Paragraphen berichtet. Soweit mir bekannt ist, besitzt bisher niemand aus der Opposition diesen Entwurf, obwohl wir schon des öfteren nachgefragt haben. Handelt es sich hierbei um ein Geheimpapier, (Norbert Geis [CDU/CSU]: Ja!) das die Opposition noch nicht sehen darf? Warum hat die Opposition dieses Papier noch nicht vorliegen, wenn es doch vom Justizministerium erarbeitet wurde und die Koalition dieses Papier schon hat? (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist so geheim, daß wir es nie sehen werden! - Jörg Tauss [SPD]: Kann man es schon im Internet abrufen?) Rainer Funke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Nein, man kann es noch nicht im Internet abrufen. Es ist sicherlich schade, aber wir sind noch in einer Koalitionsarbeitsgruppe dabei, die letzten Fragen, die noch offen sind, zu klären. Ich hoffe, daß wir Ihnen im Frühherbst diesen Referentenentwurf zur Verfügung stellen können, wenn er auch an die Verbände verschickt wird. Das ist der übliche Weg, an den wollen wir uns auch hier halten. Das können also auch Personen sein, die beispielsweise über die Familie hinausgehende Verwandte sind, Partner und sonstige Angehörige einer Lebensgemeinschaft, Pflege- und Betreuungspersonen, wenn sie mit dem verstorbenen Mieter in der Mietwohnung einen gemeinsamen Haushalt geführt haben. Wir werden durch diese Änderung insbesondere auch die Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Partner, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt haben und nach dessen Tod in das Mietverhältnis eintreten wollen, beseitigen und - wie ich meine - so insgesamt eine sachgerechte Weiterentwicklung unseres Mietrechts erreichen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der F.D.P. und er CDU/CSU sowie der Abg. Margot von Renesse [SPD]) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Sicherung der Wohnung für den hinterbliebenen Lebenspartner auf Drucksache 13/847. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/3595 unter Buchstabe a, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/847 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der CDU/ CSU und Stimmen aus der F.D.P. bei Enthaltung von Stimmen der SPD und der F.D.P. abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Gruppe der PDS zur Übernahme der gemeinsamen Wohnung nach Todesfall des Mieters oder. des Mitmieters auf Drucksache 13/ 2355. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Juni 1997 16691 Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 13/3595 unter Buchstabe b, auch diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/2355 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen möchten, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Der Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen auf Drucksache 13/8062 soll dem Rechtsausschuß überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/8071. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 und den Zusatzpunkt 14 auf: 14. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Christa Luft, Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS Erhalt des Wohnblockes Luisenstraße/Ecke Schiffbauerdamm in der Bundeshauptstadt Berlin - Drucksache 13/7826 —Überweisungsvorschlag: Ältestenrat (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Christa Luft, Klaus-Jügen Warnick, Dr. Gregor Gysi, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS Verantwortung des Bundes für den Erhalt des Palastes der Republik sowie für die Gestaltung des Bereiches „Mitte Spreeinsel" in der Bundeshauptstadt Berlin - Drucksache 13/7827 —Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ältestenrat c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr (15. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hauptstadtverkehrsplanung Berlin - Bundespolitisches Stoppsignal für den Lehrter Zentralbahnhof und den Tiergartentunnel - Drucksachen 13/365, 13/4757 - Berichterstattung: Abgeordnete Siegfried Scheffler Dr. Klaus Röhl ZP14 Beratung des Antrags der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Dr. Jürgen Rochlitz, Werner Schulz (Berlin), Christa Nickels und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Erhalt des „Palastes der Republik" - Drucksache 13/8043 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend) Auswärtiger Ausschuß Ältestenrat Ich habe zu Protokoll gegebene Reden von den Kollegen Vera Lengsfeld, Siegfried Scheffler, Franziska Eichstädt-Bohlig und Klaus Röhl.') Wird das Wort noch zu diesem Tagesordnungspunkt gewünscht? - Klaus-Jürgen Warnick war als Redner gemeldet. Bitte, Herr Abgeordneter. Klaus-Jürgen Warnick (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit der politischen Wende in der DDR und der deutschen Vereinigung ist der Ort „Mitte Spreeinsel" in Berlin mit dem Palast der Republik und dem davorliegenden Platz praktisch und symbolisch zu einem Ort nicht bewältigter Vergangenheit und nicht konzipierter Zukunft geworden, ist er zu einer Stadtbrache in der Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland verkommen. Vor dem Tag seiner Eröffnung am 23. April 1976 bis zu seiner panikartigen Schließung auf der Grundlage eines Gutachtens über Asbestbelastungen im Gebäude vor über 2450 Tagen bildete der Palast der Republik mit seinen vielfältigen öffentlichen Nutzungen ein von den Bürgerinnen und Bürgern der DDR und ihren Gästen angenommenes und beliebtes kulturelles und kommunikatives Zentrum in Berlin. (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Die Schließung erfolgte durch die Volkskam- mer, Herr Kollege!) Seit dem September 1990 verfällt der ungenutzte Palast der Republik. Für seinen Unterhalt sind in den letzten sieben Jahren zirka 16,5 Millionen DM aus dem Bundeshaushalt ausgegeben worden. Im Grunde stand bei den führenden Politikern in Bonn und Berlin von Anfang an fest, daß der Palast, begriffen als Gebäude symbolischer Bedeutung der DDR, abgerissen werde müsse, da er in der Welt der Bundesrepublik keinen Platz mehr habe. Diese politisch-ideologischen Gründe führten dazu, daß es seitens der Bundesregierung keine ernsthaften Überlegungen zur Nutzung des Gebäudes gab und Vorschläge von Bürgerinitiativen, aber auch der nationalen und internationalen Fachöffentlichkeit ignoriert wurden. Folgerichtig orientierten die Beschlüsse des Gemeinsamen Ausschusses seit dem 23. März 1993 wiederholt auf den Abriß des Palastes der Republik. Wenn der Bundeskanzler und der Regierende Bürgermeister jetzt den Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft „Berliner Stadtschloß" zum Wiederaufbau *) Die Reden werden in einem Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll als Anlage 10 abgedruckt. Klaus-Jürgen Warnick und zur Nutzung des Schlosses „auf Basis einer privaten Finanzierung ohne öffentliche Mittel" begrüßen, dann drückt dies die Ratlosigkeit der Politik im Umgang mit dem wichtigsten öffentlichen Ort in der Mitte der Stadt aus. (Gert Willner [CDU/CSU]: Herr Warnick, die erste frei gewählte Volkskammer hat den Palast geschlossen!) Im Oktober 1995 und im Juni 1997 sprach sich der Bundestag mit der Annahme von Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses unter anderem auf der Grundlage einer Petition mit über 82 000 Unterschriften dafür aus, „den Palast der Republik in Berlin-Mitte zu sanieren und in einem äußerlich wie innerlich im wesentlichen unveränderten Zustande einer öffentlichen Nutzung zuzuführen". Diese Voten scheinen die Bundesregierung nicht zu interessieren; ihr Handeln läßt zumindest keine anderen Schlüsse zu. Deswegen ist endlich eine unmißverständliche Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Zukunft des Palastes der Republik erforderlich. Die PDS fordert deswegen die Bundesregierung mit ihrem Antrag auf, den Palast der Republik als städtisches kulturell-kommunikatives Zentrum zu erhalten und nach einer behutsamen, bestandsorientierten Asbestsanierung kurzfristig - auch abschnittsweise - wiederzueröffnen. (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Es ist derzeit kein kommunikatives Zentrum, Herr Kollege!) Meine Damen und Herren, auch der bundeseigene Wohnblock in der Luisenstraße/Ecke Schiffbauerdamm mit 162 Wohnungen - er wurde 1990 für zirka 20 Millionen Mark fertiggestellt - entwickelt sich zu einem Skandal. Das Pech der dort lebenden rund 450 Menschen ist: Der Wohnblock ist Bestandteil der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme für den Aufbau des Parlaments- und Regierungsviertels. In unmittelbarer Nähe sollen der Luisenblock, die Einfahrt in den fragwürdigen Erschließungstunnel und ein Parkhaus errichtet werden. Obwohl die Bauarbeiten in Kürze beginnen sollen, sind die Schutzmaßnahmen für die Bewohnerinnen und Bewohner noch immer nicht geklärt. Der Umgang mit den dort lebenden Menschen - die letzte Mieterversammlung am 10. Juni bewies dies - ist kein Gütesiegel für den Bauherrn Deutscher Bundestag. Auf einen Brief der Mieterinnen und Mieter vom 6. September 1996 antwortete Kollege Dr. Kansy am 15, Oktober 1996, daß sich für die Anwohner die Lebensqualität nach Vollendung der Baulichkeiten des Parlamentsbereiches nicht verschlechtern wird... (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das ist auch die Wahrheit!) Während der Bauzeit werden auf die unmittelbaren Nachbarn nicht vermeidbare Belastungen zukommen. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist immer so beim Bauen!) Wir als Deutscher Bundestag werden darauf hinwirken, daß diese Belastungen minimiert werden und auf keinen Fall Gefahrensituationen auftreten. (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: So machen wir es ja auch!) Wenig später, am 11. Februar 1997, schreibt der Berliner Bausenator Kleemann an Dr. Kansy: Die Schaffung einer endgültigen Zufahrt zum unterirdischen Erschließungstunnel ist untrennbar mit dem Abriß des Wohnblocks verknüpft. (Zuruf von der F.D.P.: Eine Bitte von Herrn Kleemann!) In einem Brief an unsere Kollegin Professor Dr. Christa Luft vom 24. April 1997 erklärt Dr. Kansy „für die Baukommission des Bundestages und damit stellvertretend für den ganzen Bundestag" unter anderem: Die Präsidentin und ich haben ... wiederholt erklärt, daß der Deutsche Bundestag seine Planungen darauf ausrichtet, daß der Wohnblock bestehenbleibt, unabhängig davon, wie die Diskussion in der Berliner Politik darüber geführt wird. (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: So ist es! - Zuruf von der F.D.P.: Stimmt ja auch!) Trotzdem beschloß der Gemeinsame Ausschuß von Bundesregierung und Berliner Senat am 28. Mai 1997: Der Gemeinsame Ausschuß ist der Auffassung, daß es nicht sinnvoll ist, das östlich des Luisenblocks an der Luisenstraße gelegene Wohngebäude auf Dauer zu erhalten. Der Gemeinsame Ausschuß empfiehlt, insofern das Gespräch unmittelbar mit dem Vorsitzenden der Baukommission des Deutschen Bundestages zu suchen und mögliche Konsequenzen gemeinsam mit der Baukommission zu ziehen. Dieser Beschluß steht im Gegensatz zu den bisher geäußerten Aussagen von Vertretern und Gremien des Bundestages und führt zu einer weiteren Verunsicherung der betroffenen Mieterinnen und Mieter dieses Gebäudes. Die Rumeierei muß endlich ein Ende haben. Ein klares und verbindliches Votum des Deutschen Bundestages, daß dieser bundeseigene Wohnblock erhalten bleibt, ist deswegen nach unserer Meinung unerläßlich. (Beifall bei der PDS - Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das ist schon zehnmal erfolgt! Der redet wider besseres Wissen! Der sitzt in der Baukommission und erzählt dieses dumme Zeug!) Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 184. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Juni 1997 16693 Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich schließe die Aussprache. Der Bundesminister Töpfer gibt seine Rede zu Protokoll. *) Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/7826 und 13/7827 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/8043 soll entgegen dem Überweisungsvorschlag in der Tagesordnung zur federführenden Beratung dem Haushaltsausschuß und zur Mitberatung dem Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie dem Ältestenrat überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Hauptstadtverkehrsplanung Berlin auf Drucksache 13/4757. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/365 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 und Zusatzpunkt 15 auf: 8. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Erstes SGB III-Änderungsgesetz -1. SGB III-ÄndG) - Drucksache 13/8012 —Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Innenausschuß Rechtsausschuß Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Gesundheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung ZP15 Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Entlastung der Versicherten und der Unternehmen von Lohnzusatzkosten - Drucksache 13/8042 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß Die Kollegen Heinz Schemken, Adolf Ostertag, Annelie Buntenbach, Uwe Lühr, Dr. Heidi Knake-Werner und der Parlamentarische Staatssekretär Rudolf Kraus haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.**) *) Siehe Anlage 10 im Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll **) Die Reden werden in einem Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll als Anlage 11 abgedruckt. Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 13/8012 und 13/8042 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Gesetzentwurf der SPD auf Drucksache 13/8042 soll zusätzlich dem Ausschuß für Verkehr und dem Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit überwiesen werden. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 a und 9 b sowie Zusatzpunkt 16 auf: 9. a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung im Baugewerbe - Drucksache 13/8038 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in Baubetrieben - Drucksache 13/7507 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß ZP16 Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen - Drucksache 13/8034 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Die Kollegen Peter Keller, Konrad Gilges, Annelie Buntenbach, Gisela Babel, Heidi Knake-Werner und Parlamentarischer Staatssekretär Rudolf Kraus haben ihre Debattenbeiträge zu Protokoll gegeben.*) Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 13/8038, 13/7507 und 13/8034 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall, dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 sowie Zusatzpunkt 17 auf: 10. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Christoph Zöpel, Freimut Duve, Rudolf *) Die Reden werden in einem Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll als Anlage 12 abgedruckt. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Bindig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Unterrichtung des Deutschen Bundestages über internationale Vereinbarungen mit besonderer Bedeutung für die Ausländer-, Asyl- und Menschenrechtspolitik - Drucksache 13/7923 - Überweisungsvorschlag: Innenausschuß (federführend) Auswärtiger Ausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ZP17 Beratung des Antrags der Abgeordnten Amke Dietert-Scheuer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aussetzung des Rückübernahmeabkommens mit Algerien - Drucksache 13/8037 - Überweisungsvorschlag: Innenausschuß (federführend) Auswärtiger Ausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Zu diesen Punkten haben die Abgeordneten Christoph Zöpel, Amke Dietert-Scheuer, Irmgard Schwaetzer, Ulla Jelpke und der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner ihre Ausführungen zu Protokoll gegeben.*) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Drucksachen 13/7923 und 13/8037 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Beim Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/7923 soll die Federführung jedoch beim Innenausschuß liegen. Sind Sie damit einverstanden? - Dann ist die Überweisung so beschlossen. Interfraktionell ist vereinbart worden, zusätzlich zu den heute morgen auf die Tagesordnung gesetzten Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sowie über die Berufe des psychologischen Psychotherapeuten auch den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/8087 zu beraten. Sind Sie mit dieser Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist es so beschlossen. *) Die Reden werden in einem Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll als Anlage 13 abgedruckt. Ich rufe damit die Zusatzpunkte 22 bis 24 auf: ZP22 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Neuntes SGB V-Änderungsgesetz - 9. SGB V-ÄndG) - Drucksache 13/8039 - ZP23 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Drucksache 13/8035 - ZP24 Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika Knoche, Marieluise Beck (Bremen), Annelie Buntenbach, Andrea Fischer (Berlin), Irmingard Schewe-Gerigk, Marina Steindor und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Grundsätze zur gesetzlichen Regelung der Berufe und Psychologischen Psychotherapie und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie - Drucksache 13/8087 - Hier haben die Kollegen Sigrun Löwisch, Horst Schmidbauer, Monika Knoche, Dr. Dieter Thomae, Dr. Ruth Fuchs und die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Bergmann-Pohl ihre Ausführungen zu Protokoll gegeben. ) Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen auf Drucksachen 13/8039, 13/8035 und 13/8087 zu überweisen: zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Gesundheit und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung sowie an den Haushaltsausschuß. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall, dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich möchte allen danken, die ihre Reden zu Protokoll gegeben haben. Das nützt nicht nur uns, sondern insbesondere denjenigen, die für uns Dienst tun. Die sind froh, wenn sie jetzt nach Hause gehen können. Herzlichen Dank! (Beifall im ganzen Hause) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 27. Juni 1997, 9.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche eine gute Nacht. (Schluß der Sitzung: 23:49 Uhr) *) Die Reden werden in einem Nachtrag zu diesem Plenarprotokoll als Anlage 14 abgedruckt. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 26. 6. 97 * Behrendt, Wolfgang SPD 26. 6. 97 * Bindig, Rudolf SPD 26. 6. 97 * Blunck, Lilo SPD 26. 6. 97 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 26. 6. 97 * Klaus Graf von Einsiedel, PDS 26. 6. 97 Heinrich Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 26. 6. 97 * Funke, Rainer F.D.P. 26. 6. 97 Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 26. 6. 97 Dr. Heuer, Uwe-Jens PDS 26. 6. 97 Horn, Erwin SPD 26. 6. 97 * Hustedt, Michaele BÜNDNIS 26. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Jacob, Willibald PDS 26. 6. 97 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 26. 6. 97 * Lohmann (Witten), SPD 26. 6. 97 Klaus Marten, Günter CDU/CSU 26. 6. 97 * Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 26. 6. 97 Müller (Düsseldorf), SPD 26. 6. 97 Michael Dr. Paziorek, Peter CDU/CSU 26. 6. 97 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 26. 6. 97 * Ronsöhr, CDU/CSU 26.6.97 Heinrich-Wilhelm Schloten, Dieter SPD 26. 6. 97 * Schluckebier, Günther SPD 26. 6. 97 * von Schmude, Michael CDU/CSU 26. 6. 97 * Simm, Erika SPD 26. 6. 97 Terborg, Margitta SPD 26. 6. 97 * Teuchner, Jella SPD 26. 6. 97 Vosen, Josef SPD 26. 6. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 26. 6. 97 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Christa Nickels, Angelika Beer, Irmingard Schewe-Gerigk und Dr. Antje Vollmer (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Schlußabstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz) in der 183. Sitzung (Seite 16401 B und 16456 C) Wir hätten dem Transplantationsgesetz zugestimmt, wenn darauf verzichtet worden wäre, mit der Hirntoddefinition den Tod vorzuverlegen auf den Zeitpunkt, der den Eintritt in den irreversiblen Sterbeprozeß markiert und der eben nicht mit dem Tod gleichzusetzen ist. Wir hätten dem Gesetz zugestimmt, obwohl wir im Grunde unseres Herzens eine Entwicklung in der Medizin bedauern, die den unausweichlichen Tod als Teil des menschlichen Lebens immer weiter zu verdrängen sucht. Der Versuch, den Tod des Menschen je nach neuesten und sich verändernden wissenschaftlichen Erkenntnissen zu definieren, läßt die metaphysische Dimension des Todes außer acht. Das gesellschaftlich weit verbreitete Empfinden, daß der Tod eingetreten ist, wenn die Seele den Körper verlassen hat, hat in einer nur auf die Wissenschaft bezogenen Todesdefinition keinen Platz mehr. Wir sind der Überzeugung, daß die Medizin nicht zu jedem erdenklichen Mittel greifen darf, um den Tod des Menschen hinauszuschieben. Die Explantation von Organen bei Sterbenden halten wir für eine gefährliche Grenzüberschreitung, die auch dann nicht gerechtfertigt werden kann, wenn qua Hirntoddefinition der oder die Sterbende zu einem Toten erklärt wird. Wir hätten dem Gesetz dennoch zugestimmt, weil wir uns nicht anmaßen möchten, diese ethische Grundhaltung für die gesamte Gesellschaft qua Gesetz für bindend zu erklären. Nachdem die Mehrheit des Hauses den Hirntod qua Definition mit dem Tod gleichgesetzt hat, ist uns jedoch eine Zustimmung nicht mehr möglich. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung straf-, ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften (Zusatztagesordnungspunkt 4) Dr. Max Stadler und Hildebrecht Braun (Augsburg) (beide F.D.P.): Gemäß § 31 Absatz 1 der Ge- schäftsordnung des Deutschen Bundestages geben wir zu unserem Abstimmungsverhalten folgende schriftliche Erklärung ab: Dem Ergebnis des Vermittlungsverfahrens können wir nicht zustimmen. Zwar enthält das neue Ausländerrecht - wie auch schon nach der Beschlußfassung durch den Deutschen Bundestag - wichtige Verbesserungen gegenüber dem geltenden Recht. Zu nennen sind insbesondere: gesetzliche Verankerung der Aufgaben und der Funktion der Ausländerbeauftragten, Reiseerleichterungen für Rentner, volle Anrechnung der Aufenthaltszeiten von früheren DDR-Werkvertragsarbeitnehmern, Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Verurteilungen bei der Ausweisung von Mehrfachstraftätern auf die letzten fünf Jahre. Es ist zu begrüßen, daß nach der Einigung im Vermittlungsausschuß diese Verbesserungen nunmehr in Kraft treten können. Jedoch hat der Vermittlungsausschuß den Gesetzesbeschluß des Bundestages bei den Ausweisungsvorschriften deutlich verschlechtert. Auch der Bundestag hatte sich mit Mehrheit dafür entschieden, die Ausweisung und Abschiebung insbesondere von Gewalttätern zu erleichtern. Dabei hatte der Bundestag jedoch daran festgehalten, daß Voraussetzung für die Ausweisung eines Straftäters die rechtskräftige strafrichterliche Verurteilung sein soll. Diese rechtsstaatliche Sicherung hat der Vermittlungsausschuß für bestimmte Begehungsweisen des einfachen Landfriedensbruchs wegfallen lassen. Der Vermittlungsausschuß knüpft dabei an eine Änderung des § 47 AuslG aus der letzten Legislaturperiode an, wonach bei bestimmten Vergehen nach dem Betäubungsmittelgesetz ebenfalls eine Ausweisung ohne Strafurteil möglich ist. Nach unserer Auffassung eignet sich aber das Verwaltungsverfahren nicht für die Feststellung von Straftaten. Dafür ist vielmehr die Strafjustiz berufen. Ein Beschuldigter muß die Chance behalten, daß über den Tatverdacht in dem dafür vorgesehenen Verfahren nach der Strafprozeßordnung mit den dort gegebenen rechtsstaatlichen Sicherungen und Verfahrensgarantien entschieden wird. Dabei können und sollen die vom Gesetzgeber der Praxis an die Hand gegebenen Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung von der Strafjustiz durchaus genutzt werden. Erst eine dann rechtskräftig festgestellte Straftat darf aber Anknüpfungspunkt für Ausweisung und Abschiebung sein. Dagegen ist es bedenklich, Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten die Feststellung von Straftaten zu übertragen, zumal bei komplizierten und von der Beweislage her oft schwierigen Tatbeständen wie dem einfachen Landfriedensbruch. Trotz der oben dargestellten Verbesserungen der Rechtslage können wir daher dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses nicht zustimmen. Wir enthalten uns der Stimme. Dr. Otto Graf Lambsdorff (F.D.P.): Ich habe dem Ergebnis des Vermittlungsverfahrens nicht zugestimmt. Ich begründe diese Ablehnung wie folgt: Wenn eine Ehe wegen psychischer und physischer Mißhandlung (dazu zählen Vergewaltigung, Zwangsprostitution und Zwangsabtreibung) scheitert, dann kann die Mißhandelte in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben, gleichgültig wie lange die Ehe bestand. Trotz dieser Regelung kann der Frau aber auch künftig die Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn sie auf Sozialhilfe angewiesen sein sollte. Ich bin kein Befürworter exzessiver Zuteilung von Sozialhilfe. Aber diese Regelung ist kleinlich, und sie ist menschlich schäbig. Deshalb lehne ich sie ab. Anlage 4 Berichterstattung des Abgeordneten Dr. Heribert Blens (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuches und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998) (Zusatztagesordnungspunkt 5) Zu der Beschlußempfehlung gebe ich als Berichterstatter auf ausdrücklichen Wunsch des Ausschusses folgendes zu Protokoll: Der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat in der Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 25. Juni 1997 erklärt: „Mit dem novellierten Baugesetzbuch werden die bodenrechtlichen Instrumente der Städte und Gemeinden gestärkt. Dies betrifft insbesondere die Übernahme der Regelungen über den städtebaulichen Vertrag sowie den Vorhaben- und Erschließungsplan des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch in das allgemeine Städtebaurecht sowie die Regelungen über die Vorkaufsrechte und über die städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen. Gleichwohl ist es aufgrund der nach wie vor angespannten Lage auf dem Bodenmarkt und der finanziellen Rahmenbedingungen der Gemeinden erforderlich, im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zu prüfen, - wie ein zusätzlicher Beitrag zur Verbesserung des Baulandangebots geleistet werden kann, - wie die durch kommunale Planungen herbeigeführten Bodenwertsteigerungen zur Finanzierung kommunaler Infrastrukturleistungen eingesetzt werden können und - wie das vorhandene Bauland durch steuerliche Instrumente seiner bestimmungsgemäßen Nutzung zügig zugeführt werden kann. " Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heidemarie Lüth (PDS) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses zur Sammelübersicht 220 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 16 p) Die Petentin richtet sich mit ihrer Beschwerde gegen die unentgeltliche Nutzung öffentlicher Grundstücke und Verkehrswege durch die Deutsche Telekom AG. Aus den nachfolgenden Gründen stimme ich dem in der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses zur Sammelübersicht 220 abgegebenen Votum des Ausschusses, das Petitionsverfahren abzuschließen, nicht zu: Die unentgeltliche Nutzung öffentlicher Grundstücke und Verkehrswege durch die Deutsche Bundespost geht auf ein fast 100-jähriges Gesetz (Reichstelegraphengesetz von 1899) zurück und wurde damals mit den hoheitlichen Aufgaben der Post zum Gemeinwohl begründet. Die Deutsche Telekom AG ist ein Wirtschaftsunternehmen, das weit davon entfernt ist, hoheitliche Aufgaben zu erfüllen und den erwirtschafteten Gewinn dem Gemeinwohl zugute kommen zu lassen. Insofern sehe ich keinerlei Veranlassung, die Bestrebungen der Deutsche Telekom AG bei der Erwirtschaftung weiterer Gewinne mit meiner Entscheidung zu unterstützen. Darüber hinaus betrifft die Regelung des Telekommunikationsgesetzes private und kommunale Grundstücke in gleicher Weise. Mit der Auflage, die unentgeltliche Nutzung der privaten Grundstücke zur Erfüllung von Wirtschaftsaufgaben durch private Unternehmen zu dulden, greift der Bund in unzulässiger Weise in das Recht auf Eigentum der Bürgerinnen und Bürger ein. Ferner kann ich dem vorgeschlagenen Votum nicht folgen, da der Bund mit dieser Regelung illegitim in die kommunale Selbstverwaltung eingreift und so die Kommunen zwingt, jährlich auf ca. 4,5 Milliarden DM an Einnahmen zu verzichten. Das Votum, das Petitionsverfahren abzuschließen, stellt darüber hinaus eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dar, da Wirtschaftsunternehmen mit ähnlichen Aufgaben und Zielen entsprechend bestehender anders lautender rechtlicher Regelungen durchaus verpflichtet sind, für die Nutzung öffentlicher Grundstücke und Verkehrswege ein Entgelt zu entrichten (z. B. Betriebe der Energieversorgung oder Wasserwirtschaft). Bei der Ablehnung des Votums des Petitionsausschusses erhoffe ich ihre Unterstützung, denn damit befürworten Sie nicht nur das Anliegen der Petentin, sondern ebenso das der Kommunen, die nicht gewillt sind, die massiven Eingriffe des Bundes in die kommunale Selbstbestimmung hinzunehmen und entsprechend dem im Juni 1997 vorgelegten Geschäftsbericht des Deutschen Städtetages für 1995-1996 beschlossen, eine Verfassungsbeschwerde einzureichen. Anlage 6 Liste der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission gem. § 4 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes teilgenommen haben CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten Dr. Wolf Bauer Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Rudolf Braun (Auerbach) Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner (Schönebeck) Dankward Buwitt Manfred Carstens (Emstek) Peter Harry Carstensen (Nordstrand) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann Anke Eymer Ilse Falk Jochen Feilcke Dirk Fischer (Hamburg) Klaus Francke (Hamburg) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma Glücklich Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund Horst Günther (Duisburg) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke (Großhennersdorf) Gerda Hasselfeldt Otto Hauser (Esslingen) Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Helmut Heiderich Manfred Heise Detlef Helling Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung (Limburg) Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Peter Keller Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus Wolfgang Krause (Dessau) Andreas Krautscheid Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Karl Lamers Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. Dietrich Mahlo Erwin Marschewski Günter Marten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl Dr. Michael Meister Friedrich Merz Rudolf Meyer (Winsen) Hans Michelbach Meinolf Michels Elmar Müller (Kirchheim) Dr. Gerd Müller Engelbert Nelle Bernd Neumann (Bremen) Johannes Nitsch Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto (Erfurt) Dr. Gerhard Päselt Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau Helmut Rauber Peter Rauen Otto Regenspurger Christa Reichard (Dresden) Klaus Dieter Reichardt (Mannheim) Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder Dr. Erich Riedl (München) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch (Wiesbaden) Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth (Gießen) Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer (Stuttgart) Ortrun Schätzle Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) Andreas Schmidt (Mülheim) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz (Baesweiler) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte (Schwäbisch Gmünd) Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze (Sangershausen) Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe Dr. Christian Schwarz-Schilling Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Marion Seib Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser Dr. Susanne Tiemann Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt (Duren) Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke Kersten Wetzel Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Gert Willner Bernd Wilz Willy Wimmer (Neuss) Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller SPD Brigitte Adler Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Klaus Barthel Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans Berger Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier Tilo Braune Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi Christel Deichmann Karl Diller Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Elke Ferner Lothar Fischer (Homburg) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs (Köln) Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Günter Graf (Friesoythe) Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Achim Großmann Karl Hermann Haack (Extertal) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein Klaus Hasenfratz Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter Erwin Horn Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung (Düsseldorf) Sabine Kaspereit Susanne Kastner Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-Mengel Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Dr. Elke Leonhard Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Dorle Marx Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Herbert Meißner Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg Siegmar Mosdorf Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Winfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poll Rudolf Purps Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Günter Rixe Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer (Nürnberg) Ulla Schmidt (Aachen) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt (Berg) Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter Richard Schuhmann (Delitzsch) Volkmar Schultz (Köln) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster Horst Sielaff Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss Dr. Bodo Teichmann Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin Günter Verheugen Ute Vogt (Pforzheim) Karsten D. Voigt (Frankfurt) Hans Georg Wagner Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Jochen Welt Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek (Duisburg) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Berthold Wittich Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf (München) Heidi Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Gila Altmann (Aurich) Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Dr. Manuel Kiper Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Egbert Nitsch (Rendsburg) Cem Özdemir Gerd Poppe Simone Probst Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt (Hitzhofen) Wolfgang Schmitt (Langenfeld) Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz (Berlin) Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer Helmut Wilhelm (Amberg) Margareta Wolf (Frankfurt) F.D.P. Ina Albowitz Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun (Augsburg) Günther Bredehorn Jörg van Essen Dr. Olaf Feldmann Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Detlef Kleinert (Hannover) Roland Kohn Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters Dr. Klaus Röhl Helmut Schäfer (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Hermann Otto Sohns Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Guido Westerwelle PDS Wolfgang Bierstedt Petra Bläss Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Dr. Ludwig Elm Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs Andrea Gysi Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne Rolf Kutzmutz Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Dr. Günther Maleuda Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf Gerhard Zwerenz Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete(r) Andres, Gerd, SPD Antretter, Robert, SPD Bindig, Rudolf, SPD Bühler (Bruchsal), Klaus, CDU/CSU Fischer (Unna), Leni, CDU/CSU Junghanns, Ulrich, CDU/CSU Kriedner, Arnulf, CDU/CSU Dr. Probst, Albert, CDU/CSU Schloten, Dieter, SPD Schluckebier, Günter, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU Terborg, Margitta, SPD Dr. Wittmann, Fritz, CDU/CSU Zierer, Benno, CDU/CSU Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 12 a (Korruptionsbekämpfungsgesetz) Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wir wollen und müssen der Korruption mit aller Entschiedenheit begegnen! Bei den notwendigen Gegenmaßnahmen des Staates geht es insbesondere um eine wirksame Bekämpfung der Korruption in der öffentlichen Verwaltung. Die bislang aufgedeckten Fälle von Korruption in Behörden deuten darauf hin, daß es sich bei diesem Problem - zumindest im Bereich des Bundes, für den allein mir konkrete Zahlen vorliegen - überwiegend noch um Einzelfälle handeln dürfte. Sie sollten auch in keinem Fall in den Hintergrund treten lassen, daß die weitaus größte Zahl der Mitarbeiter ihre Dienstpflichten in rechtmäßiger Weise und mit großem persönlichen Einsatz erfüllt. Unser öffentlicher Dienst ist mit seiner immer wieder unter Beweis gestellten Leistungskraft ein ganz entscheidender Faktor für den Standort Deutschland. Das möchte ich gerade an dieser Stelle unterstreichen. Was die Fälle der Korruption in der öffentlichen Verwaltung betrifft, so muß ich allerdings nachdrücklich davor warnen, den dadurch angerichteten Schaden für unser Gemeinwesen zu unterschätzen. Dabei ist der verursachte volkswirtschaftliche Schaden noch als gering anzusehen im Vergleich zu den Vertrauensverlusten der Bürger in die Integrität und Funktionsfähigkeit von Staat und Verwaltung, die mit jedem Fall von Korruption einhergehen. Solche Vertrauensverluste führen letztlich dazu, daß sich die redlichen Bürger vom Staat abwenden. Unser demokratischer Rechtsstaat ist aber entscheidend auf das Vertrauen, die Loyalität und das aktive Engagement der Bürger angewiesen. Jeder Einbruch an dieser Stelle berührt den Bestand unserer Staatsform. Deshalb führen alle Spekulationen über die Höhe der Dunkelziffer nur vom Thema weg. Wie immer die Schätzungen ausfallen, Korruption in der öffentlichen Verwaltung darf nicht verharmlost werden. Wir müssen ihr entschlossen den Kampf ansagen. Für die öffentliche Verwaltung sind es die vorbeugenden Maßnahmen, die im Vordergrund stehen müssen. Zwar kommt einer Verbesserung der Repression durch Verschärfung der Strafbestimmungen großes Gewicht zu, wesentlich aber bleibt eine wirksame Prävention. Was gesetzliche Regelungen für die öffentliche Verwaltung betrifft, so bestehen im öffentlichen Dienstrecht schon lange Vorschriften, mit denen bereits jeglichem Anschein von Parteilichkeit und Bestechlichkeit entgegengewirkt werden soll. Das Verbot, Belohnungen oder Geschenke anzunehmen, zählt seit jeher zu den Beamtenpflichten. Daher konnte sich der Gesetzentwurf darauf beschränken, dieses Verbot in der Gesetzesformulierung deutlich hervorzuheben und damit klarzustellen, daß dieses Verbot die Regel und eine Zustimmung zur Annahme von Geschenken nur in Ausnahmefällen möglich ist. Eine echte dienstrechtliche Neuregelung ist jedoch die sogenannte „Meine Kronzeugenregelung". Zur Erleichterung der Aufklärung von Korruptionsfällen soll ein Anreiz für kooperatives Verhalten des Beamten geschaffen werden. Für den Fall, daß der durch Disziplinarverfahren aus dem Dienst entfernte Beamte dazu beigetragen hat, Straftaten über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufzuklären oder zu verhindern, soll ihm für den Eintritt in das Rentenalter eine ergänzende monatliche Unterhaltsleistung zugesagt werden können, die neben der gesetzlichen Rente aufgrund der Nachversicherungspflicht zu zahlen ist. Bei dem Ziel einer wirksamen Korruptionsbekämpfung muß es für die öffentliche Verwaltung nicht nur darum gehen, das vorhandene rechtliche Instrumentarium entschieden anzuwenden. Vielmehr ist generell das Problembewußtsein für korrupte Verhaltensweisen zu stärken und in den Dienststellen die notwendige Vorsorge gegen Korruptionsrisiken zu treffen. Es bedarf dazu zusätzlicher administrativer Maßnahmen. Insoweit besteht weitgehend Übereinstimmung mit der Opposition. In meinem Hause werden deshalb derzeit begleitend zu diesem Gesetzgebungsverfahren „Richtlinien der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung" vorbereitet. Diese Richtlinien sollen alle Dienststellen des Bundes verpflichten, geeignete Präventivmaßnahmen zu ergreifen, aber auch dazu beitragen, das Pflichtbewußtsein der Mitarbeiter zu stärken. Als organisatorische Maßnahmen zur Korruptionsprävention sind z. B. vorgesehen: Der Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung wird gestärkt. In allen Verträgen über entgeltliche Bau-, Dienstoder sonstige Leistungen wird die Aufnahme von „Antikorruptionsklauseln" vorgesehen. Auch auf dem besonders gefährdeten Gebiet der Beschaffung von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen soll das Mehraugenprinzip durch die grundsätzliche Trennung von Planung, Vergabe und Abrechnung verwirklicht werden. In besonders korruptionsgefährdeten Organisationseinheiten und ihren Kontrollinstanzen wird verbindlich die Einführung der Rotation von Personal vorgeschrieben. Es werden Beauftragte für Korruptionsvorsorge bestellt, die sowohl den Beschäftigten als auch den Bürgern als Ansprechpartner zur Verfügung stehen sollen. Ein konkreter Verhaltenskodex soll deutlich machen, welche Beiträge die Mitarbeiter selbst zu einer wirkungsvollen Korruptionsprävention leisten können. Dabei geht es vor allem um die von Bund und Ländern gemeinsam erarbeiteten Verwaltungsvorschriften über das grundsätzliche Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken. Wichtig ist aber auch der in den Richtlinien vorgesehene Leitfaden für Vorgesetzte und Behördenleiter. Eine effektive Korruptionsvorbeugung erfordert gerade die gezielte Aufmerksamkeit der Führungskräfte. Ich verkenne allerdings nicht, daß alle gesetzlichen und administrativen Maßnahmen nicht ausreichen, das Problem Korruption völlig in den Griff zu bekommen. Gesetze und Richtlinien allein können dem Wertewandel unserer Gesellschaft, wie er u. a. in einer deutlichen Überhöhung materieller Werte Ausdruck findet, nicht begegnen. Wir brauchen ein Umdenken. Hier sind die Führungskräfte in Politik, Verwaltung und Wirtschaft gerade auch in ihrer Vorbildfunktion gefordert. Wir sollten uns alle gemeinsam dieser Verantwortung stellen. In ihrem Gesetzentwurf hat die Bundesregierung ebenfalls weitere Eingrenzungen des Nebentätigkeitsrechts vorgeschlagen, um - auch unter dem Aspekt der Korruptionsbekämpfung - das Vertrauen der Bürger in die Integrität des Staates und seiner Beschäftigten weiter zu stärken. Nebentätigkeiten von Angehörigen des öffentlichen Dienstes können freilich nicht generell in einen Zusammenhang mit Korruption gebracht werden. Bei der Einschränkung von Nebentätigkeiten ist ein grundsätzlicher Aspekt der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und insbesondere des Berufsbeamtentums angesprochen: Ich begrüße deshalb die Empfehlung der Ausschüsse, die im Entwurf vorgeschlagenen nebentätigkeitsrechtlichen Regelungen zusammen mit weiteren Verschärfungen des Nebentätigkeitsrechts in einen gesonderten Entwurf für ein Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz einzustellen. Es muß um die volle Wahrung der Interessen des Dienstherrn und der Allgemeinheit gehen an dem ganzen Einsatz des Beamten für seinen Beruf und daran, daß der Beamte sein Amt pflichtgemäß, unparteiisch, unbefangen und in ungeteilter Loyalität gegenüber dem Wohl der Allgemeinheit wahrnimmt und schon den Anschein möglicher Intressen- und Loyalitätskonflikte vermeidet. Deshalb soll nunmehr insbesondere klargestellt werden, daß Nebentätigkeiten mit dem Gepräge eines Zweitberufes unzulässig sind. Von einer weiteren Einschränkung der Nebentätigkeiten erwarte ich nicht nur eine Stärkung der Leistungskraft der Verwaltung, sondern auch eine Entlastung des Arbeitsmarktes. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 5 (a Antrag: Mit einem Nachtragshaushalt die Arbeitslosigkeit bekämpfen und den Bundeshaushalt auf eine solide Basis stellen, b Antrag: Die Arbeitsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit und Arbeitsämter wieder herstellen) Ina Albowitz (F.D.P.): Uns Politikern wird häufig vorgeworfen, unsere Sprache sei zu kompliziert, unsere Argumentationsweise zu abstrakt und deshalb für viele Menschen in unserem Land oft nicht verständlich. Gerade vor dem Hintergrund der aufgeheizten Diskussion der letzten Wochen scheint es mir deshalb sinnvoll, den Sachverhalt, um den es hier geht, einmal aus der abgehobenen Sphäre der Makroökonomie herunterzuholen und auf das Wesentliche zu reduzieren. Es ist eine ganz einfache Sache: Wenn die Einnahmen eines Haushaltes oder eines Unternehmens zurückgehen, müssen die Ausgaben entsprechend angepaßt, Ansprüche zurückgeschraubt, Reserven aktiviert und Ausgaben auf das unbedingt Notwendige beschränkt werden. Erst wenn alle diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, wird man über eine Kreditaufnahme nachdenken. In jeder Familie läuft das so, und in jeder Firma sollte es nach guter kaufmännischer Sitte so laufen. Das ist die richtige Art und Reihenfolge, eine schwierige finanzielle Situation zu meistern. Oder würden Sie einem Menschen, der in finanziellen Schwierigkeiten ist, raten, den bisherigen Lebensstandard beizubehalten und das Ganze auf Pump zu finanzieren? Nein, natürlich nicht! Wir alle würden so was mindestens als unseriös, wenn nicht sogar als sträflich empfinden. Ganz anders verhalten sich SPD und Grüne aber, wenn es um den Staat geht. Der soll sich veränderten Umständen nämlich nicht anpassen und statt dessen weiter über seine Verhältnisse leben und sogar noch zusätzliche Ausgaben in Form von Beschäftigungsprogrammen tätigen. Was dem einzelnen der gesunde Menschenverstand verbietet, soll beim Staat plötzlich richtig und gut sein! Mit Ihren Anträgen versucht die Opposition wieder einmal, den Bürgern Sand in die Augen zu streuen. Zur Bewältigung des riesigen Problems der Arbeitslosigkeit tragen sie nichts bei. Ihre Forderungen sind falsch, weil Sie unter dem Vorwand der sogenannten „aktiven Arbeitsmarktpolitik" zu Mehrausgaben führen, die absolut nichts bringen, wie auch Leute aus Ihren Reihen, deren wirtschaftpolitischer Sachverstand allseits anerkannt ist, bestätigen. Ich denke da an Hans Apel und Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Wir alle wissen, daß der Weg zu mehr Arbeit nur über weniger Staatsausgaben und eine geringere Steuer- und Abgabenlast führt. Auch Sie haben das vom Grundsatz her akzeptiert! Es hat sehr lange gedauert, bis sich die deutsche Sozialdemokratie zu einer, wenn auch gebremsten Reformbereitschaft durchringen konnte. Das läßt mich nicht ganz hoffnungslos auf die Verhandlungen im Bundesrat und gegebenenfalls im Vermittlungsausschuß blicken, wenn dort die Steuerreform auf der Tagesordnung steht. Dort werden Sie sich zwischen Verantwortung für die arbeitslosen Menschen in unserem Land oder Parteitaktik entscheiden müssen. Unsere Marschrichtung ist klar: Vor allen anderen Überlegungen zum Haushalt und der Frage, ob es einen Nachtragshaushalt gibt oder nicht, müssen weiteres intensives Sparen und eine Privatisierungsoffensive stehen. Im übrigen kann sich seriöse und nicht populistische Haushaltspolitik, wie sie SPD und Grüne betreiben möchten, nur an konkreten Zahlen orientieren. Das Herumwerfen mit ungesicherten Zahlen, um den Menschen in unserem Land Angst zu machen - wie es gestern der Kollege Diller wieder getan hat, als er von der möglichen Zahlungsunfähigkeit des Finanzministers sprach -, das ist nicht unser Stil. Wir werden zu gegebener Zeit, wenn die Datenlage klar ist, die richtigen Entscheidungen treffen. Für den Arbeitsmarkt ist Nachfragepolitik à la Keynes, wie Sie schon in den siebziger Jahren letztlich erfolglos praktiziert wurde, heute als Therapie erst recht überholt. Damit wird höchstens an den Symptomen herumgedoktert und das Leiden letztlich verlängert. Die viel zu hohe Arbeitslosigkeit ist für uns alle inakzeptabel. Wir müssen mehr und mehr die bittere Erfahrung machen, daß das alte Zusammenspiel zwischen Konjunkturerholung und Rückgang der Arbeitslosigkeit nicht mehr funktioniert. Aber die einzige Konsequenz aus dieser traurigen Realität kann nur ein noch entschlosseneres Handeln zur Stärkung der marktwirtschaftlichen Kräfte und Lösung der strukturellen Probleme sein. Nur so kann es unserer Wirtschaft gelingen, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten und damit Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen. Deshalb werden wir unsere Reformpolitik unbeirrt vorantreiben. Anlage 9 Betr.: namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - §§ 177 bis 179 StGB (Tagesordnungspunkt 8) in der 175. Sitzung am 15. Mai 1997 (Seite 15 800) Abgeordneter Bernd Schmidbauer befand sich am 15. Mai 1997 auf einer Auslandsreise und hatte sich für diesen Sitzungstag entschuldigt, so daß die Wiedergabe seines Namens in der Liste der Teilnehmer an der namentlichen Abstimmung auf einem Fehler beruhen muß. Nachtrag zum Plenarprotokoll 13/184 Deutscher Bundestag Nachtrag zum Stenographischen Bericht 184. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. Juni 1997 Inhalt: Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 14 (a - Antrag: Erhalt des Wohnblocks Luisenstraße/Ecke Schiffbauerdamm in der Bundeshauptstadt Berlin, b - Antrag: Verantwortung des Bundes für den Erhalt des Palastes der Republik sowie für die Gestaltung des Bereiches „Mitte Spreeinsel" in der Bundeshauptstadt Berlin, c - Antrag: Hauptstadtverkehrsplanung Berlin - Bundespolitisches Stoppsignal für den Lehrter Zentralbahnhof und den Tiergartentunnel) und zu Zusatztagesordnungspunkt 14 (Antrag: Erhalt des „Palastes der Republik") Vera Lengsfeld CDU/CSU 16703* A Siegfried Scheffler SPD 16704* A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16706* D Dr. Klaus Röhl F.D.P 16707* D Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 16708* D Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 8 (Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Erstes SGB III-Änderungsgesetz) und zu Zusatztagesordnungspunkt 15 (Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Entlastung der Versicherten und der Unternehmen von Lohnzusatzkosten) Heinz Schemken CDU/CSU 16709* C Adolf Ostertag SPD 16710* C Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16711* D Uwe Lühr F.D.P 16712* C Dr. Heidi Knake-Werner PDS 16713* A Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär BMA 16713* D Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 9 (a - Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung im Baugewerbe, b - Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in Baubetrieben) und zu Zusatztagesordnungspunkt 16 (Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen) Peter Keller CDU/CSU 16714* D Konrad Gilges SPD 16715* D Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE-GRÜNEN 16716* C Dr. Gisela Babel RD 16717* B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 16717* D Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär BMA 16718* A Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Unterrichtung des Deutschen Bundestages über internationale Vereinbarungen mit besonderer Bedeutung für Ausländer-, Asyl- und Menschenrechtspolitik) und zu Zusatztagesordnungspunkt 17 (Antrag: Aussetzung des Rückübernahmeabkommens mit Algerien) Dr. Christoph Zöpel SPD 16719* B Amke Dietert-Scheuer BÜNDNIS 90/DIE-GRÜNEN 16720* D Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P 16721* C Ulla Jelpke PDS 16722* A Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 16722* C Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zu den Zusatztagesordnungspunkten 22, 23 und 24 (Neuntes Sozialgesetzbuch V-Änderungsgesetz, Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kin- der- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze und Antrag: Grundsätze zur gesetzlichen Regelung der Berufe der Psychologischen Psychotherapie und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie) Sigrun Löwisch CDU/CSU 16723* C Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . 16725* A Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16726* C Dr. Dieter Thomae F.D.P 16727* D Dr. Ruth Fuchs PDS 16728* C Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin BMG 16729* A Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 14 (a - Antrag: Erhalt des Wohnblocks Luisenstraße/ Ecke Schiffbauerdamm in der Bundeshauptstadt Berlin, b - Antrag: Verantwortung des Bundes für den Erhalt des Palastes der Republik sowie für die Gestaltung des Bereiches „Mitte Spreeinsel" in der Bundeshauptstadt Berlin, c - Antrag: Hauptstadtverkehrsplanung Berlin - Bundespolitisches Stoppsignal für den Lehrter Zentralbahnhof und den Tiergartentunnel) und zu Zusatztagesordnungspunkt 14 (Antrag: Erhalt des „Palastes der Republik") Vera Lengsfeld (CDU/CSU): Der Deutsche Bundes- tag hat die Probleme der heutigen Mieter in den Plattenbauten der Luisenstraße immer ernst genommen. Sowohl die Bundestagspräsidentin Frau Rita Süssmuth als auch der Baukommissionsvorsitzende Kansy haben in den letzten Jahren wiederholt dargelegt, daß der Deutsche Bundestag seine Planung so ausrichtet, daß dadurch ein Abriß der Platte für die Zwecke des Deutschen Bundestages nicht erforderlich wird. Andererseits ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Standort unseres Großbauvorhabens nicht vom Deutschen Bundestag ausgesucht wurde, sondern als Ergebnis des städtebaulichen Wettbewerbs „Spreebogen" und zwischenzeitlich auch der Berliner Bauleitplanung dem Bundestag vorgegeben wurde. Um den Interessen der Mieter entgegenzukommen, haben wir das Bauvorhaben so verkleinert, daß genügend „Licht und Luft" zwischen beiden Baukomplexen bleibt. Ob langfristig die Platte stehenbleibt oder nicht, wie zur Zeit in Berlin diskutiert, ist ausschließlich eine Angelegenheit der Berliner Politik. Richtig ist, daß das Sozialplanverfahren etwas spät in Gang gekommen ist. Das hängt allerdings auch damit zusammen, daß wir uns bemüht haben, den Interessen der Betroffenen soweit wie möglich entgegenzukommen. Wir haben alternative Möglichkeiten durchgesetzt, vorübergehend auszuziehen, endgültig auszuziehen oder mit Duldung der Baubelästigung wohnen zu bleiben. Der Deutsche Bundestag erwartet jetzt von allen Beteiligten, daß die erforderlichen Maßnahmen so zügig umgesetzt werden, daß sowohl der Umzug nach Berlin nicht verzögert wird als auch die Mieter schnell zu ihren Ersatzwohnungen kommen. Und nun zu den Bemühungen der PDS, eine Mitte Berlins im Geiste der untergegangenen DDR zu schaffen. Dafür soll der Palast der Republik stehenbleiben als „kulturell-kommunikatives" Zentrum in Berlins entleerter Mitte. Denn wer den Antrag der PDS genau liest, der merkt, daß er gegen die „Bebauungsabsichten des Planwerkes Innenstadt" gerichtet ist, die den „von der DDR geschaffenen Stadtinnenraum zwischen Schloßbrücke und S-Bahnhof Anlagen zum Stenographischen Bericht Alexanderplatz", d. h. die riesige dort geschaffene Abriß- und Aufmarschfläche zu „vernichten" drohen. Ich will hier die bittere Abrißgeschichte des Berliner Markthallenviertels wenigstens erwähnen, die ein begrüntes Loch in der Berliner Mitte hinterlassen hat. Auf einen anderen Abriß möchte ich näher eingehen. Als der Beschluß zur Sprengung des Berliner Stadtschlosses bekannt wurde, führte der Berliner Kunsthistoriker Richard Hamann einen verzweifelten Kampf um die Erhaltung des Gebäudes, in dessen Ergebnis wenigstens Bruchstücke der Fassade und einige Skulpturen aus dem Schloßhof gerettet werden konnten. Unterstützt wurde er dabei von Brecht, Piscator, sogar dem Sänger des Proletariats, Ernst Busch, die den Abriß als „Kulturbarberei" brandmarkten und aus ihrer zeitweiligen Stammkneipe im Keller der ehemaligen Bauakademie einen Appell zur Rettung des Schlosses verfaßten. Nach vollzogener Kulturbarberei diente die leere Fläche jahrelang als Aufmarschfläche für Mai- und Militärparaden. Ich kann mich noch sehr gut an die Erbitterung erinnern, die den Aufbau des „Palastes der Republik" begleitete. Dringend benötigtes Geld und Bauleute wurden überall in der Republik abgezogen, um diese architektonische und ästhetische Mißgeburt zu errichten. Der Unmut äußerte sich u. a. in einem schwunghaften Handel mit Fotografien vom Stadtschloß, die auch auf jeder größeren Veranstaltung der DDR-Opposition in Berlin angeboten wurden, später sogar auf Kunstmärkten. Ein Gebäude mit mehr als zwei Dritteln Verkehrsfläche ist nicht für die Menschen gedacht, auch wenn die vorhandenen Gaststätten aus Mangel an Alternativen gut besucht wurden. Wenn aber eine Großveranstaltung stattfand, durfte man nicht mal auf der Spreeterrasse ein Eis essen. Wenn bei einer Feier z. B. ausgewählte Bauarbeiter geehrt wurden, fanden sie sich einer Mehrheit trinkfester und buffetsturmerprobter Funktionäre gegenüber. Auch wenn die Volkskammer tagte, war der Palast gesperrt. Er war übrigens vorzüglich den Bedürfnissen der Sicherheitskräfte angepaßt. In der Woche nach Wolf Biermanns Ausbürgerung sang Bulat Okud Shava, dessen Lieder in Biermannscher Nachdichtung in der DDR Kulturstatus hatten, im Palast der Republik. Gekommen waren alle Biermann-Frauen, Eva-Maria Hagen, Tine Biermann, Bille Havemann und viele seiner Freunde. Okud Shava sang, und Staatsschauspielerin Oelschlegel las die Nachdichtungen eines DDR-Nationaldichters, während im Saal die Biermanntexte halblaut mitgesprochen wurden. Währenddessen räumte die Stasi den gesamten übrigen Palast, um bei einem möglichen Einsatz keine Zeugen zu haben. Am Ende der Veranstaltung war der Platz vor dem Palast der Republik menschenleer, und die Menschen mußten einzeln, jeweils von Stasileuten begleitet, das Gebäude verlassen. Ein Ort der Begegnung, der Kommunikation, des Austausches war der Eispalast - wie er auch genannt wurde - nie. Er darf auch nicht im nachhinein dazu umgelogen werden. Die DDR hat große Anstrengungen unternommen, die Geschichte in der Mitte Berlins durch Fetische der realsozialistischen Diktatur zu ersetzen. Mit den lebendigen Bedürfnissen der Menschen hatte eine solche Planung nichts zu tun. Deshalb gibt es keinen Grund, sie zu konservieren. Schloßverteidiger Brecht hat in einem Buckower Gedicht über den 17. Juni der DDR-Regierung empfohlen, sich ein neues Volk zu wählen. Das war nicht möglich. Die PDS und die ihr nahestehende unbelehrbare Linke sind dabei, sich eine neue Geschichte zu wählen. Wir dürfen nicht aufhören, ihnen zu widersprechen! Siegfried Scheffler (SPD): Obwohl ich der Grund- intention der PDS mit ihren Anträgen zum Erhalt des Wohnblocks Luisenstraße sowie des Palates der Republik durchaus positiv gegenüberstehe, ist eine kritische Auseinandersetzung vonnöten. Denn beide Anträge beruhen nicht etwa auf konkreten politischen Entscheidungen des Bundestages mit seinen Ausschüssen und Kommissionen, den Wohnblock Luisenstraße und den Palast der Republik abzureißen, sondern auf einzelnen Bekundungen, Vermutungen sowie objektiven sachlichen Gründen. Die Entscheidungen für den Erhalt des Luisenblocks und des Palastes der Republik seitens der maßgeblichen Institutionen sind gefallen bzw. entsprechende Empfehlungen sind ausgesprochen. Deshalb bleiben die Vertreter der PDS in Intention und Argumentation der bekannten Linie treu: Mit Tränendrüsen-Rhetorik wird dem politischen Gegner eine politisch-ideologische Argumentation vorgeworfen, um sich im gleichen Atemzug eine eben solche politisch-ideologische Argumentation zu eigen zu machen. Mit Antrag 13/7826 fordert die Gruppe der PDS den Deutschen Bundestag auf, zu gewährleisten, daß der bundeseigene Wohnblock in der Luisenstraße/ Ecke Schiffbauerdamm im Rahmen der Bauarbeiten zur Unterquerung der Spree weder kurz- noch mittelfristig abgerissen bzw. anderweitig verwendet wird und daß der Schutz der Mieterinnen und Mieter während der Bauzeit des Tunnels im gesetzlich vorgesehenen Rahmen gesichert wird. Die auf populistische Effekte ausgelegte Intention der PDS läßt sich mit zwei Sätzen darlegen: Erstens. Es besteht weder aufgrund einer Entscheidung von Ausschüssen des Deutschen Bundestages noch aufgrund einer solchen des Berliner Abgeordnetenhauses die Absicht, den oben genannten Wohnblock abzureißen oder zweckzuentfremden. Zweitens. Gesetze existieren, um Anwendung zu finden. Den Deutschen Bundestag aufzufordern, sich für die Umsetzung von Gesetzen einzusetzen, ist geradezu lächerlich und dient ausschließlich dem Versuch, Wählerstimmen zu gewinnen. Antrag 13/7826, Erhaltung des Wohnblockes Luisenstraße, nennt an zwei Stellen Äußerungen, die für die Antragsteller Grund zu der Annahme sind, daß das entsprechende Gebäude abgerissen werden soll. Zum einen zitieren sie einen Brief des Berliner Bausenators Kleemann an Dr. Dietmar Kansy, dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Bau der CDU/CSU- Fraktion, vom 11. Februar 1997, in dem es heißt, daß „die Schaffung einer endgültigen Zufahrt zum unterirdischen Erschließungstunnel untrennbar mit dem Abriß des Wohnblocks verknüpft sei" . Ist dies eine Entscheidung für den oder die Ankündigung des Abrisses? Der Vertreter der PDS in der Baukommission müßte Ihnen doch gesagt haben, daß Ihre persönliche Einschätzung, die nicht auf Fakten beruht, falsch ist. Denn sonst wären sämtliche Planungen, die samt und sonders von einem Erhalt des entsprechenden Wohnblocks ausgehen, reine Makulatur. An anderer Stelle zitieren Sie die Auffassung des gemeinsamen Ausschusses von Bundesregierung und Berliner Senat, daß es nicht sinnvoll sei, das „östlich des Luisenblocks an der Luisenstraße gelegene Wohngebäude auf Dauer zu erhalten. " Weiter heißt es: „Der Gemeinsame Ausschuß empfiehlt, insofern das Gespräch unmittelbar mit dem Vorsitzenden der Baukommission des Deutschen Bundestages zu suchen und mögliche Konsequenzen gemeinsam mit der Baukommission zu ziehen." Wohlgemerkt, der Gemeinsame Ausschuß ist bestimmter „Auffassung" und „empfiehlt" ein Gespräch über mögliche Konsequenzen. In der Schreibweise der PDS wird aus diesen Stellungnahmen ein Beschluß. Ein Beschluß existiert, nämlich der des Bundestages, das entsprechende Wohngebäude nicht abzureißen. Nicht nur für die PDS steht der Schutz, die Gesundheit und die Zukunft der Mieter und Mieterinnen des Luisenblocks im Vordergrund. Alle in der Baukommission vertretenen Parteien haben eindeutig für die Betroffenen Position bezogen. Leider trägt aber Ihre Agitation in nicht unerheblichem Umfang zu der von Ihnen verurteilten Verunsicherung der Mieter bei. Unter anderem erwähnen Sie in Ihrem Antrag die Mieterbefragung durch die Arbeitsgemeinschaft für Sozialplanung und angewandte Stadtforschung (AG SPAS). Daß Sie auf die Ergebnisse dieser Untersuchung nicht eingehen, weil sie „auf Grund der Art und Weise der Befragung als äußerst fragwürdig angesehen werden müssen", wundert mich nicht, da die Ergebnisse dieser Untersuchung den zweifelhaften Charakter Ihres Antrages weiter verstärken. Wieso die Art und Weise der Befragung äußerst fragwürdig sein soll, ist mir schleierhaft. Da Sie dies versäumt haben, möchte ich den Mietern hier ein Gesicht geben. Die Altersstruktur der Bewohner des Luisenblocks ist sehr jung. Nur 13,5 % der Mieter und Mieterinnen sind über 45 Jahre alt. Die Einkommenssituation ist gut, die Mieten niedrig (mehr als 1 DM unter denen des sozialen Wohnungsbaues). Besonders bemerkenswert ist aber die Tatsache, daß bereits jetzt 45 % für eine Umsetzung in eine andere Wohnung votieren, 18,1 % ihren derzeit gewollten Verbleib noch einmal überdenken wollen, 13,8% unentschieden sind und nur ca. 18,8% für den Verbleib ohne Einschränkung votieren. Sicherlich verläßt niemand gerne sein gewohntes Wohnumfeld. Doch ständig gegen einen Beschluß zu polemisieren, den es gar nicht gibt und der, falls er doch existieren würde, bei entsprechender Absicherung der Mieter größtenteils akzeptiert werden würde, darf meines Erachtens durchaus als Populismus bezeichnet werden. Mit Drucksache 13/7827 liegt uns ein weiterer Antrag der Gruppe der PDS vor. In ihm geht es um die Verantwortung des Bundes für den Erhalt des Palastes der Republik sowie um die Gestaltung des Bereichs „Mitte Spreeinsel" in Berlin. Der Bund ist Eigentümer des Palastes der Republik, das Land Berlin Eigentümerin des angrenzenden Schloßplatzes. Insofern prallen hier zwei potentiell divergierende Vorstellungen aufeinander. Diese Situation wird verschärft durch die unterschiedlichen Assoziationen der Bürger. Der Palast ist für einen Teil der ostdeutschen Bevölkerung durchaus ein überwiegend positiv besetztes Symbol für alles, was vielleicht doch nicht so schlecht war an der DDR. Ein überwiegend negativ besetztes Symbol ist der Palast der Republik nicht nur für Bürger, die im westlichen Teil Deutschlands aufgewachsen sind. Für die verkörpert er den Gigantismus einer kommunistischen Architektur und ist Ausdruck eines autoritären, totalitären Staates. Damit ist aber die Polarisierung der Fronten noch nicht beendet. Auch der Faktor Geld spielt in der Auseinandersetzung um die Gestaltung der Mitte Berlins eine entscheidende Rolle. Auch deshalb ist die Auseinandersetzung über das zukünftige Aussehen des neuen Zentrums der vereinigten Stadt von erheblicher Brisanz. Mit ihrem Antrag nimmt die PDS zu der oben geschilderten Problematik Stellung und verschärft die ohnehin schon extrem ideologisch geführte Diskussion weiter. Wieder einmal sind es die bösen Westdeutschen, die mit dem Palast der Republik eines der letzten Relikte der „glorreichen" DDR zerschlagen wollen. Sie unterstellen, daß bei den führenden Politikern in Bonn und Berlin von Anfang an feststand, daß der Palast der Republik abgerissen werden müsse. Gerade weil der Palast für die ostdeutsche Bevölkerung von symbolischer Bedeutung ist, müsse er weg, da er in der Welt der Bundesrepublik Deutschland keinen Platz habe. Eine solche Einschätzung ist falsch und absolut kontraproduktiv für eine sachliche und effektive Erörterung der Problematik. Ich denke, wir sollten uns bei der Diskussion um die Zukunft der Mitte Berlins von ideologischen Argumenten und Vorwürfen freimachen. Diese Aufforderung geht nicht nur an die Vertreter der PDS, sondern an alle Beteiligten. Was Berlin braucht, ist eine sachliche Analyse der Tatsachen und ein Handeln im kollektiven Interesse. Richtig ist, daß nur aus politischen Gründen den Abriß des Palastes der Republik zu fordern sicherlich der falsche Weg ist. Daß aber der Palast der Republik im erheblichen Maße asbestbelastet ist und dies gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich zieht, muß von uns allen in diesem Hause und durch die Entscheidungsträger für die Berliner Mitte grundsätzlich beachtet werden. Im übrigen war auch schon den DDR-Oberen diese Asbestbelastung bekannt. Bereits 1987 wurde in dem Gebäude eine Anlage installiert, die die tückischen Asbestfasern aus der Luft zu filtern hatte. Im letzten Fünfjahres-Plan der DDR wurden deshalb konsequenterweise Mittel für eine Sanierung im Zeitraum von 1991 bis 1993 zur Verfügung gestellt. Wenn Sie in Ihrem Antrag daher von einer „panikartigen Schließung" auf der Grundlage eines neuen Asbest-Gutachtens reden, gleichzeitig eine „kurzfristige Inbetriebnahme" fordern und an anderer Stelle wiederum von einer „Verseuchung" sprechen, scheinen Sie selbst nicht so richtig zu wissen, wie mit der Problematik umzugehen ist. Hinzu kommt, daß der Bundestag sich in seiner 61. Sitzung am 12. Oktober 1995 die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses zu eigen machte, den Palast nach Möglichkeit zu erhalten, in welcher architektonischen und konstruktiven Lösung auch immer. Diese Möglichkeit bestand und besteht, wie das Gutachten zur Asbestsanierung aufzeigt, nach wie vor. Die Weichen für die meines Erachtens einzig richtige Vorgehensweise sind bereits zu DDR-Zeiten gestellt worden. Das Gebäude muß dringend saniert werden - und Sie und ich sind nicht die Experten, die die eindeutigen Gutachten des Ingenieurbüros Tepasse und die Bestätigung der drei Obergutachter in Zweifel ziehen können. Jetzt muß die Frage beantwortet werden, was geschieht mit einem Gebäude, zurückgeführt in den Rohbauzustand, und wie wird es in eine Lösung zur Neugestaltung des wichtigsten Platzes Berlins einbezogen. Alle bisherigen Wettbewerbsergebnisse haben hier meines Erachtens keine mehrheitsfähigen Lösungsansätze gebracht, so daß die Fragen, welche Nutzung das ehemalige Schloßplatzareal erhalten soll und welche Form unter Einbeziehung des verbleibenden Palates in Zukunft maßgebend sei, noch nicht geklärt sind. Nur eines hat der Gemeinsame Ausschuß von Bund und Berlin schon festgelegt, nämlich daß für die künftige Gestaltung die Kubatur des ehemaligen Schlosses maßgebend sein soll. Aber damit ist auch noch keine Entscheidung für den Aufbau des Stadtschlosses unter Einbeziehung großer Teile des Palastes gefallen. Die SPD-Bundestagsfraktion und ich persönlich wünschen uns, daß kurzfristig ein tragfähiges, parteiübergreifendes Nutzungskonzept für diesen zentralen Bereich entwickelt wird. Ein Platz für Aufmärsche und trostlose Leere hat in der zukünftigen Hauptstadt und dem Sitz von Parlament und Regierung nichts zu suchen. Zum Schluß möchte ich auf die Beschlußempfehlung zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Hauptstadtverkehrsplanung Berlin - Bundespolitisches Stoppsignal für den Lehrter Stadtbahnhof und den Tiergartentunnel" eingehen. Ich werde Ihnen erläutern, wieso die Fraktion der SPD den Antrag sowohl im federführenden Verkehrs- als auch im mitberatenden Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau abgelehnt hat, obwohl die verkehrspolitischen Konzepte der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen und die der SPD in den wesentlichen Inhalten sicherlich vergleichbar sind. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschwört im Hinblick auf die Verkehrsplanung Berlins ein düsteres Bild. Die Verzögerung des Umzuges von Bonn nach Berlin wird ebenso beschworen wie Kostenüberschreitungen. Die Antragsteller schlagen vor, an Stelle des Fernbahntunnels den inneren Eisenbahnring und die auf ihn zulaufenden Radial-strecken wieder herzustellen. Diese Konzeption übersieht, daß das zweifellos beispielhafte Fern-, Regional- und Nahverkehrsnetz, das vor dem zweiten Weltkrieg Bestand hatte, gemessen an den heutigen Anforderungen nicht mehr sinnig ist. Nicht zuletzt durch den Mauerbau hat sich die Stadtentwicklung von der früheren Eisenbahninfrastruktur gelöst. Ich persönlich halte das Pilzkonzept für eine stimmige Lösung, um der Bahn die Wiedereroberung ihrer früheren Position zu ermöglichen. Verschiedene Behauptungen in dem Antrag, die sich auf das Pilzkonzept beziehen, sind unzutreffend. Der Lehrter Stadtbahnhof war auch in der Vergangenheit immer mehr als nur ein S-Bahnhof. So befinden sich in unmittelbarer nähe des Bahnhofs sowohl der Stettiner Güterbahnhof als auch die Anlagen des Hamburger Bahnhofs. Sie bezeichnen die Stufe 1 des Pilzkonzeptes als Rumpfkonzept. Dies ist nicht korrekt, denn nach Realisierung der ersten Stufe kann über weitere Ausbaumaßnahmen entschieden werden. Gerade das ist es, was das Konzept auszeichnet. Außerdem behaupten Sie, daß auf die Wiederherstellung des südlichen Innenrings der Bahn verzichtet werden soll. Zutreffend ist vielmehr, daß diese Streckenteile für den geplanten Berliner Eisenbahnknoten eine nachrangige Bedeutung haben und daher aus finanziellen Gründen zurückgestellt werden müssen. Einvernehmen besteht zwischen DB AG und Berliner Senat darüber, daß die polyzentrische Struktur der Stadt in der Anordnung der Bahnhöfe abzubilden ist. Diesem Verständnis folgend, ist der Lehrter Bahnhof der Berliner Bahnhof in der zentralsten Lage. Das von Bündnis 90/Die Grünen kritisierte Pilzkonzept zeichnet sich durch den hervorragenden Verkehrswert für die Kunden aus. Es ist die einfache, klar gegliederte Streckenführung, die den Kunden die Orientierung erleichtert und daneben auch betriebliche Vorteile mit sich bringt. Dagegen ist es eine weitere Fehlannahme in dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, daß die Ringbahn kostengünstiger sei. Dazu drei Gegenargumente: Erstens. Ihr Konzept schlägt fünf statt der drei für das Pilzkonzept konzipierten Fernbahnhöfe vor. Die für .die zwei zusätzlichen Bahnhöfe notwendigen Investitionsmittel müßte aber die DB AG aufbringen. Zweitens. Durch den Ausbau des von Ihnen geforderten inneren Eisenbahnringes würde es durch die deutlich längere Streckenführung zu massiven Eingriffen in die Stadtlandschaft kommen. Ihrem Konzept folgend, wäre zudem ein zweigleisiger Ausbau der Strecke nicht ausreichend. Drittens. Hinzu kommt, daß diese Streckenführung durch dichtbesiedelte Wohngebiete insbesondere im Ostteil der Stadt führen würde. Dies hätte zur Folge, daß umfangreiche, teure Lärmschutzmaßnahmen durchgeführt werden müßten. In den Bezirken Neukölln, Prenzlauer Berg und Wedding müßte es zu einer Deckelung der Strecke kommen. Ein 1992 durchgeführtes Gutachten, das Pilzkonzept und Ringmodell gegenüberstellte, kam zu dem Ergebnis, daß ersteres früher verfügbar, verkehrlich vorteilhafter, kostengünstiger und leistungsfähiger wäre. Selbst unter Umweltaspekten schneidet das Pilzkonzept besser ab als die im Antrag vorgeschlagene Alternative. Einige Worte zum Tiergarten. Durch die Neugestaltung der Berliner Mitte sowie den Umzug von Regierung und Parlament wird der Tiergarten an seinem östlichen Rand besonders belastet. Diese Entwicklung muß in ökologisch vertretbarer Weise kanalisiert und begrenzt werden. Ziel der von der SPD vertretenen Verkehrspolitik ist deshalb die wesentliche Umverteilung des Verkehrs zugunsten des öffentlichen Verkehrs. Für den zentralen Bereich wird deshalb eine Verkehrsaufteilung von 80 : 20 zugunsten des öffentlichen Verkehrs angestrebt. Die öffentlichen Verkehrsmittel müssen dazu in diesem Bereich entsprechend ausgebaut werden. Für die S 21 und die U 5, die für die SPD zur Zeit jedoch keine Priorität haben, muß für nachfolgende Generationen eine Option freigehalten werden. Ihre im Antrag aufgebaute Argumentation, das Gebiet nur mit einer Straßenbahn zu erschließen, kann ich nicht nachvollziehen. Die Straßenbahn wird selbstverständlich in den Tiergarten und seine angrenzenden Bezirke fahren. Sie wird sicher von einer S 21 und einer U 5 Teile des zu erwartenden Verkehrsaufkommens aufnehmen, aber doch nur im Konzert mit später hinzukommenden Verkehrsträgern. Wir müssen langfristig bei der integrierten Verkehrsinfrastruktur in dieser Großstadt für den richtigen Mix Sorge tragen. Anders können wir den angestrebten Modal-Split nicht erreichen. Ein weiteres brisantes Vorhaben, daß die Antragsteller in ihrem Antrag ansprechen, ist der Bau des Straßentunnels durch den zentralen Bereich. Dem Bau des Straßentunnels wurde nach Abwägung aller Alternativen, allerdings mit nicht zu leugnenden Bauschmerzen, im Berliner Abgeordnetenhaus zugestimmt. Dies geschah unter der Prämisse, daß der Tunnel die Verlagerung der Entlastungsstraße in die untere Ebene bedeutet und keine andere dimensionale Ausdehnung erfahren darf. Eine Erweiterung des Tunnels für den eventuell zunehmenden Individualverkehr wird es nicht geben. Viele Alternativen, Konzepte und Visionen wurden in den letzten Jahren in bezug auf die Verkehrsplanung der Hauptstadt Berlin diskutiert und wieder verworfen. Die Entscheidung, die letztendlich gefallen ist, muß jetzt, um den Umzug von Parlament und Regierung nicht weiter zu gefährden, zügig umgesetzt werden. Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zwei Themen der Hauptstadtentwicklung Berlins stehen auf der Tagesordnung, zum einen der Streit um Palast oder Schloß in Berlins Mitte, zum anderen der Erhalt des von der Bundestagsplanung betroffenen Wohnblocks im Luisenblock. Zum ersten: Palast oder Schloß. Vielen Westdeutschen wird diese Diskussion uninteressant und entfernt sein, sie ist aber von zentraler Bedeutung für die Vereinigung und für einen konstruktiven Umgang der Menschen in Ost und West. Der Abriß des Berliner Stadtschlosses durch das Ulbricht-Regime 1950/51 ist zu Recht seinerzeit in West und vor allem auch in Ost von vielen engagierten Menschen kritisiert und aktiv bekämpft worden. Der Abriß des Schlosses kann aber nicht durch einen Abriß des Palastes heute wiedergutgemacht werden, denn die Geschichte ist weitergegangen. Für viele Menschen in Ostdeutschland - und zwar nicht nur für PDS-Wähler - ist der Palast ein positives Symbol der so schwierigen Identifikation mit der persönlich gelebten Geschichte der DDR. Es steht uns Westdeutschen nicht zu, mit diesem Symbol achtlos umzugehen. Über 80 000 Bürgerinnen und Bürger haben sich in einer Unterschriftensammlung an den Petitionsausschuß des Bundestages gewandt mit der Forderung nach Erhalt und neuer Nutzung des „Palastes". Mit klarer Mehrheit hat der Petitionsausschuß empfohlen, „der Palast soll nach Möglichkeit erhalten bleiben" , und das Bauministerium solle „alternative Nutzungsmöglichkeiten prüfen und nach Möglichkeiten einer sinnvollen Nutzung suchen". Der Bundestag hat diese Empfehlung mehrheitlich am 12. Oktober 1995 beschlossen. Doch der Bauminister und der Berliner Senat mißachten diesen Beschluß systematisch und verkehren ihn ins Gegenteil: Der Gemeinsame Ausschuß Bund/ Berlin hat hinter verschlossenen Türen und ohne jegliche demokratische Legitimation beschlossen, die beiden für die deutsche Geschichte so bedeutsamen Grundstücke zu privatisieren und ein Kongreßzentrum mit Hotel und ergänzender Nutzung bauen zu lassen. Mit der Erklärung, daß dieses Nutzungskonzept in der Gestalt des Palastes nicht durchführbar sei und daß statt dessen der Grundriß des früheren Stadtschlosses zum Ausgangspunkt der baulichen Gestaltung gemacht werden soll, wurde unter der Hand der Abriß des Palastes beschlossen. Derzeit läuft ein Investorensuchverfahren. Ein Investor hat auch schon seine Karten auf den Tisch gelegt. Er möchte die Grundstücke praktisch geschenkt bekommen, sie zu 93 % privatwirtschaftlich nutzen und auch für die verbleibenden 7 % öffentlicher kultureller Nutzung Miete haben. Und last not least soll die Bevölkerung dann Geld spenden für eine außen an den Neubau angeklebte historische Schloßfassade. Solch ein Konzept ist ein unwürdiger Mißbrauch der Schloßerinnerung für privates Investorenkalkül. Ein Disneyland-Schloß kann und darf nicht zur Mitte der Hauptstadt werden. Wir wollen erstens, daß eine breite, öffentlich organisierte Diskussion um die Zukunft dieses Platzes organisiert und den Entscheidungen hinter verschlossenen Türen ein Ende gesetzt wird. Dieser Ort darf nur auf der Basis eines breiten ost-west-übergreifenden Konsenses gestaltet werden. Wir wollen zweitens, daß die Grundstücke dauerhaft öffentlich bleiben. Wir wollen drittens, daß ein ernsthaftes Prüfverfahren für eine öffentliche Nutzung des Palastes eingeleitet wird, wobei die im Palast vorhandene Kongreßnutzung ebenso einbezogen werden soll wie eine Nutzung als Bibliothek und Mediothek durch be- stehende Berliner Stadtbibliotheken, für deren Erweiterungsbedarf es bereits Teilfinanzierungen gibt. In Verbindung damit müssen Trägerschaft, Finanzierung und Vorentwurf geklärt werden. Auf dieser Basis kann die preisgünstigste Form der Asbestsanierung festgelegt werden unter Einbeziehung von Versiegelungstechniken. Für die Gestaltung des ergänzenden Schloßplatzbereiches soll Zeit gegeben werden, bis die neu belebte Hauptstadt neue Aufgaben formuliert. Bis dahin ist eine Freiflächen-Zwischennutzung unter Einbeziehung der freigelegten Schloßfundamente sinnvoll. Kurzum, wir wollen, daß dies ein Ort der Demokratie und der Zukunft wird und kein historisch verbrämtes Renditeobjekt. Zum zweiten: Der Luisenblock. Es war insbesondere unsere Fraktion, die sich von Anfang an offensiv und engagiert für den Erhalt des Blockes und für ein angemessenes Sozialplanverfahren eingesetzt hat. Wenn es nach unseren Wünschen gegangen wäre, hätte der Bundestag ganz auf die Bebauung des Luisenblocks verzichtet und mindestens 350 Millionen DM und viel Hin und Her der Umzugsplanung sparen können. Doch inzwischen sind die Entscheidungen längst gefallen. Entschieden ist aber auch, daß der Luisenblock erhalten bleibt und daß die Mieter endlich ein Sozialplanverfahren bekommen. Ich hoffe und wünsche sehr, daß dies korrekt läuft. Ich möchte von hier aus den Mietern meine Bewunderung für ihre Geduld aussprechen und wünsche ihnen faire Zwischennutzungsbedingungen, soweit sie nicht generell den Wohnort wechseln wollen nach so viel Ärger. Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen: den Tattersaal, einen gründerzeitlichen Reitstall mit historischem Kopfgebäude. Hier wünsche ich mir, daß sich der Bundestag und der Gemeinsame Ausschuß Bund/Berlin endlich offensiv für die Erhaltung einsetzen und auf das Konzept setzen, das ich gerade am Schloßplatz nicht sehen möchte, nämlich eine public-private-Partnerschaft für einen großen Restaurantbetrieb mit dem Tattersaal als Denkmal. Ich bin sicher, daß dies ein Geheimtip werden könnte für die vielen Restaurant- und Kneipenbedürfnisse, die das Hauptstadtleben mit sich bringt. Dr. Klaus Röhl, (F.D.P.): Heute steht die Beratung zweier Anträge der PDS zur Hauptstadtplanung sowie die Beschlußempfehlung und der Bericht des Verkehrsausschusses zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Lehrter Bahnhof und Tiergartentunnel und als Zusatzpunkt die Beratung des Antrages von Bündnis 90/Die Grünen „Für den Erhalt des Palastes der Republik" an. Zunächst zum Antrag der PDS „Erhalt des Wohnblocks Luisenstraße". Dieser Antrag entbehrt jeder Grundlage, und die Forderung nach einem Sozialplan ist völlig überholt. Die Baukommission des Deutschen Bundestages hat niemals gefordert, den Plattenbau Luisenstraße abzureißen. Im Gegenteil, sei hat stets schon durch Beschränkung bei der Planung und für später auch beim Bau des Luisenblocks auf dem Weiterbestehen des Plattenbaus bestanden. Zusätzlich wurde im März 1997 beschlos- sen, die Entscheidung über den Plattenbau Luisenstraße zukünftigen Generationen zu überlassen. In der Sache Sozialplanverfahren hat die Baukommission, am 12. März 1997 gefordert, ein geordnetes Sozialplanverfahren mit den alternativen Möglichkeiten, vorübergehend oder endgültig auszuziehen bzw. wohnen zu bleiben, einzuleiten. Dieser Beschluß wurde aufgrund der Ergebnisse einer Mieterbefragung und eines Lärm- und Erschütterungsgutachtens gefaßt. Dies entkräftet übrigens den Vorwurf der PDS, die Mieter seien an Entscheidungen nicht beteiligt. Im April 1997 hat das Abgeordnetenhaus von Berlin den Senat mit der Durchführung eines Sozialplanverfahrens beauftragt. Die Baukommission hat bereits im Februar deutlich gemacht, daß, wenn Senat, Abgeordnetenhaus Berlin und Mieter eine Umsetzung wünschen, das Land Berlin auch für die Umsetzung zu sorgen hat. Der Bund ist hier der falsche Ansprechpartner. Die F.D.P.-Fraktion lehnt den Antrag der PDS ab. Zu den beiden Anträgen „Verantwortung des Bundes für den Erhalt des Palastes der Republik sowie für die Gestaltung des Bereichs Mitte Spreeinsel" (PDS) und „Für den Erhalt des Palastes der Republik" (Bündnis 90/Die Grünen): Mit ihren Anträgen zu diesem Thema koppeln sich sowohl die PDS als auch Bündnis 90/Die Grünen in die schon lange heiß geführte Diskussion um die Gestaltung des Schloßplatzes in der Mitte Berlins und um das Schicksal des Palastes der Republik nun nachträglich ein. Die Frage, wie der Schloßplatz zu gestalten ist und wie man mit dem Palast verfahren soll, ist ein diffiziles Problem. Dieses Problem muß mit großem Fingerspitzengefühl in bezug auf die Gestaltung der Mitte der Stadt, auf den symbolisch zentralsten Ort in Berlin und Deutschland, unter Berücksichtigung architektonischer und historischer Aspekte gelöst werden. Diese Frage kann man nicht im Hau-Ruck-Verfahren lösen, hier bedarf es eines langen und nach allen Seiten wohlüberlegten Findungs- und Entscheidungsprozesses. Deshalb ist jeglicher Schnellschuß zu verwerfen. Eine Entscheidung über die Einbeziehung oder den Abriß des Palastes der Republik darf erst nach völliger Klärung der Gestaltung der Stadt an dieser Stelle erfolgen. Erst wenn man Klarheit darüber hat, wie die Stadt an ihrer zentralsten Stelle geheilt werden kann - diese gräßliche Wunde hat übrigens die SED/PDS geschlagen -, ist eine Lösung in Sicht. Nutzungskonzeptionen und Finanzierungsvorschläge für die Wiederherstellung und den Betrieb des Palastes zu fordern, wie es u. a. die PDS mit ihrem Antrag tut, ist zur Zeit aus haushaltstechnischen und sachlichen Gründen völlig unangebracht. Die Asbestsanierung des Palastes muß in jedem Fall erfolgen. Doch dies ist eine rein umweltrelevante und technische Frage, und sie muß völlig losgelöst vom weiteren Umgang mit dem Gebäude abgearbeitet werden. Ich betone noch einmal: Erst wenn man Klarheit hat, wie die Stadt an dieser Stelle gestaltet werden kann, ist eine Lösung in Sicht. Jede weitere Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt ist überflüssig. Deshalb lehnen wir beide Anträge ab. Als letztes der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen: Bereits im September 1995 haben wir dies im Plenum diskutiert, im April 1996 hat der Verkehrsausschuß darüber abschließend beraten und den Antrag abgelehnt. Aus diesem Grund werde ich mich kurz fassen. Es wird in diesem Antrag ein Konzept gefordert, das zu dreimal höheren Kosten führen würde als die gegenwärtige Planung. Zudem verbraucht das vorgeschlagene „Ringkonzept" erheblich mehr Fläche, es weist längere Fahrwege auf und damit einen erheblich größeren Energieverbrauch. Die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen wollen ein Konzept, das wegen der um ein vielfaches längeren Streckenführung links und rechts der Strecken erheblich mehr Bewohner tangiert. Der zentrale Teil des angegriffenen „Pilzkonzeptes" führt übrigens durch nicht bewohnte Bereiche. Dies sind die Konsequenzen eines von den Grünen geforderten Projektabbruchs oder eines Projektaustausches: Jahrelanger Zeitverlust bei der Fertigstellung des Bahnsystems - sehr umweltfreundlich! Dramatischer Einbruch der Arbeitsplätzezahl im Baubereich - sehr sozial- und arbeitsmarktfreundlich! Da wird der Ausbau der Bahnhöfe Papestraße und Gesundbrunnen gefordert - die werden ja ausgebaut, wo ist das Problem? Übrigens sind West- und Ostkreuz seit jeher S-Bahnhöfe und sind in Betrieb. Der Lehrter Bahnhof wird ein Kreuzungsbahnhof, dies nur zur Richtigstellung. Die Grünen fordern nicht nur den Verzicht auf den Straßentunnel, sondern auch die Beseitigung der Entlastungsstraße. Dann kann sich der Autoverkehr durch die umliegenden Wohngebiete quälen. Dies lasse ich unkommentiert! Der vorliegende Antrag ist lediglich ein Aufguß längst geklärter Fakten und Probleme. Ich erinnere nur an die im April 1996 vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesenen Klage gegen den Bau des Tiergartentunnels. Der Antrag wird - wie bereits im Verkehrsausschuß geschehen - von der Fraktion der F.D.P. abgelehnt. Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Ich lehne den vorliegenden Antrag der Gruppe der PDS ab. Für den Bereich des ehemaligen Palastes der Republik sowie des Schloßplatzes und des früheren „Schinkelplatzes" hat die Bundesregierung gemeinsam mit dem Berliner Senat ein klares Konzept zur Planung der weiteren Nutzung vereinbart. In diesem Konzept, das eine städtebauliche und architektonische Lösung der Gestaltung der Berliner Mitte fordert, ist eine Neubebauung des Areals vorgesehen. Hier soll ein vielfältiges Angebot für kulturelle und gesellschaftliche Begegnungen zwischen Ost- und Westeuropa entstehen. Gefordert sind Nutzungsangebote, die darauf ausgerichtet sind, daß der Schloßplatz und die dort zu entwickelnden Gebäudestrukturen auch die historische Situation Berlins und Deutschlands bis in die jüngste Vergangenheit hinein sichtbar werden lassen. Der überzeugenden Umsetzung ökologischer Anforderungen im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung soll sowohl in der Entscheidung über die Gestaltung des öffentlichen Raumes als auch bei den verschiedenen Baumaßnahmen große Beachtung geschenkt werden. Inwieweit der ehemalige Palast der Republik in dieses Konzept einbezogen wird, muß das Ergebnis des vorgesehenen Architektenwettbewerbs mit einem nachfolgenden Investorenwettbewerb zeigen, den der Gemeinsame Ausschuß in seiner Sitzung am 28. Mai 1997 beschlossen hat. Diesem Wettbewerb geht das jetzt laufende Interessenbekundungsverfahren voran, das bereits im Amtsblatt der EG bekanntgemacht wurde. Welche Lösung das Ergebnis des Architektenwettbewerbes für die weitere Verwendung des ehemaligen Palastes der Republik vorsieht, vermag ich heute nicht zu sagen. Hier müssen wir der Kreativität der Architekten Raum lassen. Der berühmte Architekt Egon Eiermann hat mit dem Wiederaufbau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche im Westen Berlins ein Konzept geliefert, das sicherlich kein Auslober des Wettbewerbs so erahnt hätte. Gerade aufgrund dieses mutigen Umgangs mit Geschichte, dieser radikal modernen Lösung, gehört dieser Bau heute zu den größten architektonischen Attraktionen der Bundeshauptstadt. Auch für den Schloßplatz möchte ich mir ein ähnlich attraktives Ergebnis wünschen. Für den ehemaligen Palast der Repubik ist zunächst die Asbestsanierung vorgesehen. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat am 19. März dieses Jahres das Konzept zur Asbestbeseitigung gebilligt. Diese Beseitigung erfordert - unabhängig von der anschließenden Lösung - eine Summe von rund 101 Millionen DM. Die hierfür vorab erforderliche Beräumung des Palastes der Republik beginnt im September/Oktober 1997 und wird ca. sieben Monate dauern. Das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau wird gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern und dem Deutschen Historischen Museum vor Beginn dieser Arbeiten sicherstellen, daß historisch bedeutende Güter nicht verlorengehen. Das Nutzungskonzept für die Gestaltung der Berliner Mitte soll in öffentlich-privater Partnerschaft finanziert werden. Der Bund und Berlin werden je nach der konkret geplanten Nutzung ihre Grundstücke in das Projekt einbringen. Die Möglichkeiten reichen von der Einbringung der Grundstücke in Form einer Beteiligung bis zur Überlassung in Form des Erbbaurechtes. Kernelemente des Konzeptes sind u. a. ein Konferenzzentrum, Nutzungsflächen für private Büros sowie eine Bibliothek und Flächen für Wechselausstellungen. Bereits im Oktober 1995 fand unter Schirmherrschaft des Bundesbauministers ein „Kolloquium ehemalige Schinkelsche Bauakademie" statt. Der Bund hat damit sein hohes Interesse an der Entwicklung der historischen Mitte Berlins kundgetan. Der Bund und Berlin sind sich zunächst über eine provisorische Begründung des Schinkelplatzes einig, Konsens besteht auch über den Wiederaufbau des Gebäudes, in dem die Bauakademie untergebracht war. Denn die Mitte Berlins und insbesondere der Schloßplatz müssen wieder gestaltet und mit Leben erfüllt werden. Folgt man den Vorstellungen der PDS, so bleibt der Platz eine Wüste. Aus diesen Gründen ist der Antrag der Gruppe der PDS abzulehnen. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 8 (Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Erstes SBG III-Änderungsgesetz) und zu Zusatztagesordnungspunkt 15 (Entwurf eines Ersten Gestzes zur Entlastung der Versicherten und der Unternehmen von Lohnzusatzkosten) Heinz Schemken (CDU/CSU): Im Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) wurde von einer Weiterentwicklung und Ergänzung bestimmter Regelungsbereiche insbesondere dann Abstand genommen, wenn das Verwaltungsverfahren von Länderbehörden betroffen war oder der Bundesanstalt für Arbeit neuartige Aufgaben außerhalb des klassischen Bereichs der Arbeitsförderung übertragen werden sollten, um nicht die Reform insgesamt zu gefährden. Es handelt sich um Regelungen, die die Zusammenarbeit von Behörden betreffen, oder um Leistungen, die nur auf Antrag bei einer Landesbehörde gewährt werden können. Insbesondere um Leistungsmißbrauch besser feststellbar zu machen und die illegale Beschäftigung wirksamer zu bekämpfen, sollen deshalb das Dritte Buch Sozialgesetzbuch und andere Gesetze ergänzt werden. Das AFRG vom 24. März 1997 enthält in Art. 1 die grundlegende Reform und Eingliederung des Rechts der Arbeitsförderung in das Sozialgesetzbuch als Drittes Buch. Mit Rücksicht auf die umfangreichen Umstellungsarbeiten bei der Bundesanstalt für Arbeit tritt die grundlegende Reform erst zum 1. Januar 1998 in Kraft. Eines der Hauptziele der Reform des Arbeitsförderungsrechts ist die Verbesserung der Feststellbarkeit des Leistungsmißbrauchs sowie die Bekämpfung des Mißbrauchs und der illegalen Beschäftigung. Eine Reihe von Regelungen, die diesem Ziel dienen, sind bereits in dem am 1. Januar 1998 in Kraft tretenden Dritten Buch Sozialgesetzbuch enthalten. Beispielhaft seien die Verpflichtung des Arbeitslosen zur aktiven Beschäftigungssuche, die auf drei Monate befristete Wirkung der persönlichen Arbeitslosenmeldung, der Einsatz von geeigneten Trainingsmaßnahmen zum Testen der Arbeitsfähigkeit und der Arbeitsbereitschaft und die Einrichtung einer Innenrevision in den Arbeitsämtern genannt. Um Leistungsmißbrauch und illegale Beschäftigung wirksam bekämpfen zu können, bedarf es einer möglichst reibungslosen Zusammenarbeit der Behörden. Denn diese verfügen über für die Aufdekkung wesentliche Daten und können bei der Ver- folgung der Delikte in sinnvoller Weise zusammenarbeiten. Da solche Regelungen Länderbehörden nicht ausklammern sollten und in aller Regel verwaltungsverfahrensregelnden Inhalt haben, können sie nur mit Zustimmung des Bundesrates erlassen werden. Hinsichtlich einer besseren Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Leistungsmißbrauch und illegaler Beschäftigung gibt es zwischen Bund und Ländern keine unterschiedlichen Auffassungen. Trotzdem konnten die diesem Ziel dienenden Vorschriften wegen der ablehnenden Haltung der SPD-regierten Bundesländer zum AFRG nicht verabschiedet werden. Durch das Änderungsgesetz sollen erstens Unterrichtungspflichten der Bundesanstalt für Arbeit, der Ausländer- und Länderbehörden zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung sowie der Hauptzollämter gegenüber Sozialhilfeträgern geregelt, zweitens die Rentenversicherungsträger in die Zusammenarbeit mit anderen Behörden einbezogen, drittens die Träger der Unfallversicherung in vollem Umfang in die Zusammenarbeit mit anderen Behörden einbezogen, viertens die Bundesanstalt und die Hauptzollämter zur Zusammenarbeit und Unterrichtung der Finanzbehörden verpflichtet, fünftens die Ausländerbehörden in die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Leistungsmißbrauchs einbezogen und sechstens die Zuständigkeit für die Bekämpfung mittelbarer illegaler Ausländerbeschäftigung von den Ländern auf die Bundesanstalt übertragen werden. Angesichts der gesellschaftlichen, aber auch finanziellen Bedeutung der Arbeitslosigkeit muß die Übermittlung von Daten zwischen dem Statistischen Bundesamt oder den Statistischen Ämtern der Länder und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gesetzlich neu geregelt werden. Außerdem wird klargestellt, daß das IAB Daten aus dem Geschäftsbereich der Bundesanstalt für Arbeit für die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nutzen, verarbeiten sowie ergänzende Daten erheben kann. Durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz wurde das Monopol der Berufsberatung aufgegeben. Um dem Schutzbedürfnis insbesondere jugendlicher Ratsuchender in ausreichendem Umfang Rechnung zu tragen, soll die Bundesanstalt im Zusammenhang mit der Aufgabe der Berufsberatung verpflichtet werden, bei mißbräuchlicher Ausübung der mit dem AFRG zugelassenen Berufsberatung durch Dritte die weitere Ausübung dieser Beratungstätigkeit zu untersagen. Das AFRG sieht wie das AFG vor, daß Leistungsbezieher in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert sind. Für vor dem Leistungsbezug privat kranken- und pflegeversicherte Arbeitnehmer kann die Pflichtversicherung zu finanziellen Nachteilen führen, wenn sie für die Zeit der Arbeitslosigkeit ihre private Versicherung mit Rücksicht auf eine spätere Arbeitsaufnahme ruhend stellen und nicht völlig aufgeben wollen. Daher soll künftig die Möglichkeit bestehen, sich auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Die Bundesanstalt für Arbeit übernimmt in einem solchen Fall allerdings nur die Beiträge für die private Versicherung bis zu der Höhe, in der sie Beiträge für die gesetzliche Versicherung aufzuwenden gehabt hätte. In Anpassung an die für das Übergangsgeld in den anderen Leistungsbereichen geltenden Regelungen wird die Dauer des Anspruchs auf Übergangsgeld nach dem Bundesversorgungsgesetz auf bis zu drei Monate im Fall der Arbeitslosigkeit nach Beendigung der Teilnahme an einer berufsfördenden Maßnahme verlängert. Der Gesetzentwurf enthält darüber hinaus weitere verwaltungsvereinfachende Regelungen für die Zusammenarbeit der Bundesanstalt für Arbeit mit Länderbehörden, z. B. bei der Förderung von Gefangenen, sowie redaktionelle Änderungen gesetzlicher Regelungen und Anpassungen gesetzlicher Regelungen an Änderungen im Bundesreisekostenrecht und Steuerrecht. Adolf Ostertag (SPD): Mit dem AFRG hat die Regierungsmehrheit im Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das für Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen eine Zumutung ist. Das „R" steht für Rückschritt anstatt für Reform. Mit dem AFRG- oder SGB III-Änderungsgesetz wird ein Gesetzgebungsverfahren fortgesetzt, das man als parlamentarische Zumutung bezeichnen muß. Zuerst hat die Bundesregierung die Mitwirkung des Bundesrates ausgehebelt, indem sie bei den substantiellen Änderungen im AFG die zustimmungspflichtigen Teile des Gesetzes herausgetrennt hat. Dann hat sie bewußt mit dem SGB III ein unvollständiges, ein inpraktikables Gesetz verabschiedet. Das soll nun geändert werden, obwohl es noch gar nicht in Kraft ist. Ein gesetzgeberischer Taschenspielertrick muß diese Vorgehensweise genannt werden. Tricksen, um die begründeten und mehrmaligen Einwände von Bundesrat und Vermittlungsausschuß zu umgehen, ist mit uns nicht zu machen. Bundesregierung und Koalitionsparteien betreiben zudem reine Flickschusterei in der Arbeitsförderung, anstatt das AFG wirklich zu reformieren. Damit überschreitet die Bundesregierung die Grenze des Zumutbaren immer mehr. Die Regierung Kohl wird selbst zur Zumutung. Mit dem Arbeitsförderungs-Rückschrittsgesetz wurden die Weichen in der Arbeitsmarktpolitik auf volle Fahrt zurück gestellt: Das Vollbeschäftigungsziel wurde aufgegeben; der finanzielle und soziale Druck wurde erhöht: auf Arbeitslose, auf das Lohnniveau und auf tariflich vereinbarte Standards; die aktive Arbeitsmarktpolitik wurde zur Restgröße degradiert. Hinzu kommt die katastrophale Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik: der völlig unzureichende Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit; die verheerende Regelung, wonach Mehrausgaben beim Arbeitslosengeld durch weitere Kürzungen bei den aktiven Maßnahmen ausgeglichen werden sollen. Die Folge ist ein heilloser Verschiebebahnhof und ein Gegeneinanderausspielen Arbeitsloser in der Konkurrenz um die viel zu knappen Gelder. Schließlich: die nur noch quartalsweise Mittelzuweisung durch die Bundesanstalt, die die Planungsunsicherheit bei den Arbeitsämtern und bei den Trägern arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen erhöht und Angst bei den auf eine Maßnahme wartenden Menschen verbreitet. Bis vorgestern war noch nicht einmal klar, ob die bereits zugesagten Mittel für ABM und berufliche Weiterbildung für das dritte und das vierte Quartal überhaupt von Finanzminister Waigel freigegeben werden. Bei der Freigabe in letzter Minute von einem „positiven Signal" für die Arbeitsmarktpolitik zu reden - wie es ein Abgeordneter der CDU macht - halte ich für einen schlechten Witz. Das SGB III ist ein reines Spar- und Kürzungsgesetz. Daran ändern auch die kosmetischen Korrekturen durch das Änderungsgesetz nichts Entscheidendes. Der Patient Arbeitsmarkt ist schwerkrank. Bundesarbeitsminister Blüm handelt wie Seehofer: Mit der Änderung des Rückschrittsgesetzes reduziert er für den Kranken die Medikamente und erhöht gleichzeitig die Zuzahlungen. Notwendig im Sinne einer wirklichen Reform der Arbeitsförderung wäre gewesen: die präventiven Ansätze im AFG zu stärken, einen Vorrang aktiver Arbeitsmarktpolitik festzuschreiben, eine Verzahnung der Arbeitsförderung mit der regionalen Struktur- und Wirtschaftsförderung zu betreiben. Lassen Sie mich einige konkrete Mängel dieses Änderungsgesetzes aufzählen. Das Problem ist dabei nicht, welche Änderungen im einzelnen in diesem Gesetz drinstehen. Das Problem ist vielmehr, was alles nicht drinsteht. Das Änderungsgesetz legt einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung von Leistungsmißbrauch und illegaler Beschäftigung. Gegen diese Ziele ist nichts einzuwenden. Nur: Was nützen Korrekturen im Kleinen, wenn das große Ganze verfehlt ist? Wenn die zentrale Weichenstellung in der Arbeitsmarktpolitik verfehlt ist, nutzt das Flicken an einzelnen Schienen gar nichts, denn der Zug fährt in die falsche Richtung. Dringend erforderlich ist zum Beispiel eine Neuregelung in der Frage der Anrechnung von betrieblichen Entlassungsentschädigungen auf das Arbeitslosengeld. Hier fordern buchstäblich - bis auf die Bundesregierung - alle Beteiligten - Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Sachverständige, Arbeitsrichter, Opposition und Bundesrat - vehement eine Änderung. Die Präsidentinnen und Präsidenten der Landesarbeitsgerichte haben erst letzten Monat den Gesetzgeber aufgefordert, die Anrechnungsregelung zu ändern und - ich zitiere - „dafür Sorge zu tragen, daß die Abfindung aus Anlaß von Kündigungen und aus Sozialplänen in ihrer Funktion, sozialen Frieden zu schaffen und sozialen Besitzstand abzugelten, nicht entwertet wird. " Jedoch: eine solche Änderung sucht man im SGB III-Änderungsgesetz vergeblich. Auf diese Weise wird eine betriebsnahe, praktikable und flexible Anwendung des Arbeitsförderungsrechts unmöglich. Sozialpläne und gütliche Einigungen vor Arbeitsgerichten werden außerordentlich erschwert. Damit ist der Betriebsfriede ernstlich gefährdet. Sozialverträgliche Personalpolitik ist kaum noch möglich. Eine Prozeßflut ist vorprogrammiert. Dringend erforderlich ist auch eine Weiterentwicklung der bewährten Instrumente in der Arbeitsförderung. Hierzu zählt zunächst die Rücknahme der unsinnigen erneuten Absenkung der zuschußfähigen ABM-Entgelte. Flexiblere Zuweisungskriterien müssen her, die es nicht nur langzeitarbeitslosen Empfängern von Arbeitslosenhilfe ermöglichen, an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme teilzunehmen. Die verschärften Kriterien für Vergabe-ABM drohen dazu zu führen, daß die Durchführung von ABM erschwert und nicht erleichtert wird. Bei den Eingliederungszuschüssen ist der geradezu abartige Automatismus, wonach abgesenkte Löhne höhere Zuschüsse für die Unternehmen zur Folge haben, zu streichen. Eine Weiterentwicklung der Instrumente wäre zum Beispiel gewesen, die für Ostdeutschland geltenden Sonderförderkonditionen bei den Lohnkostenzuschüssen für zusätzlich geschaffene Arbeitsplätze auch auf den Westen auszudehnen. Aber auch hier gilt: völlige Fehlanzeige im SGB III-Änderungsgesetz. Dieses Änderungsgesetz behebt nicht den Schaden, den das Arbeitsförderungs-Rückschrittsgesetz angerichtet hat und der im SGB III festgeschrieben werden soll. Die Bundesregierung hat eine weitere Chance vertan, die von ihr zu verantwortenden Fehlentwicklungen in der Arbeitsmarktpolitik zu korrigieren. Deshalb bleibt der Bundesregierung auch weiterhin nur der erfolglose Appell an die Bereitschaft der Arbeitgeber, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Minister Blüm hat ja bereits darauf hingewiesen, es bestehe die Gefahr, daß die sogenannte Reform der Arbeitsförderung ein „unbekanntes Wesen" bleibe. Dies mag im Hinblick auf Teile der Arbeitgeberschaft zutreffen. Für Arbeitslose, die mit Leistungskürzungen fertig werden müssen, für Menschen, deren Chance auf eine Teilnahme an Beschäftigungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen mit diesem Gesetz minimiert wird, gilt dies jedoch keinesfalls. Für sie ist das SGB III die Ursache für massive Verschlechterungen, die Ursache für noch geringere Chancen auf eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Das SGB III ist ein beschäftigungspolitischer Flop. Es ist ein weiterer Meilenstein beim Rückzug der Bundesregierung aus einer aktiven Beschäftigungspolitik. Mit diesem Gesetz stiehlt sich die Bundesregierung ein weiteres Stück aus ihrer Verantwortung für den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosen. Mit dem SGB III zementiert die Regierung Kohl ihre Unfähigkeit, das Ziel der Halbierung der Arbeitslosigkeit ernsthaft anzupacken. Der gestern auch öffentlich erklärte Rückzug vom Halbierungsversprechen ist der arbeitsmarktpolitische Offenbarungseid. Es ist Zeit, daß diese Regierung selbst den Rückzug antritt. Annelie Buntenbach, (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie bringen heute eine ganze Reihe von Verfahrensänderungen zum AFRG ein. Ihr Gesetzentwurf bietet einen Bauchladen von Einzelparagraphen unterschiedlichen Inhalts und ganz unter- schiedlicher Relevanz. Darüber werden wir im Ausschuß genauer sprechen müssen, etwa darüber, wie weit der erweiterte Datenabgleich zwischen Rentenversicherungsträgern, Bundesanstalt für Arbeit, Hauptzollämtern, Ausländer- und Landesbehörden die Erfordernisse des Datenschutzes verletzt. Damit komme ich zur entscheidenden Frage: Warum bringen Sie jetzt Änderungen zu einem Gesetz, das gerade erst in Kraft getreten ist? Die Erfahrungen mit dem AFRG sind zwar - wie zu erwarten war - ausgesprochen schlecht, und die Halbwertszeit Ihrer großen „Reformprojekte" wird immer kürzer, aber nach so kurzer Zeit ist noch nichts geschehen, was nicht auch Sie von den Regierungsfraktionen hätten wissen können und müssen, zumindest wenn Sie in den Anhörungen und Debatten zugehört haben. Der Grund ist ein ganz anderer, und der hat mit der Sache nichts zu tun, sondern mit einem Verfahren, das Sie von den Regierungsfraktionen keineswegs ehrt und uns als Parlament leider auch nicht. Weil Sie das AFRG am Bundesrat vorbei in Kraft setzen wollten, haben Sie es um die zustimmungspflichtigen Teile bereinigt. Sie waren nicht bereit, Ihr schlechtes Gesetz irgendwelchen Verbesserungen auszusetzen, wie dies ein reelles und nicht nur formales Einhalten der parlamentarischen Regeln und damit die Beteiligung des Bundesrats bedeutet hätte. Sie versuchen hier die Arroganz der Macht zu demonstrieren. Ihre Botschaft an die Opposition hier im Parlament, aber auch draußen in der Gesellschaft ist: Ihr braucht Euch gar nicht so anzustellen, letztlich müßt Ihr Euch doch beugen, wir haben den längeren Atem und sitzen an den Hebeln der Macht. Ein echter Beitrag zur Förderung von Politikverdrossenheit! Nicht allein, daß Sie das AFRG, früher zumindest das Herzstück der Arbeitsförderung, am Bundesrat vorbei in Kraft gesetzt haben, jetzt wollen Sie auch noch die nachträgliche Zustimmung der Opposition hier und der Mehrheit im Bundesrat für dieses unglaublich schlechte Gesetz, indem Sie uns einige zustimmungspflichtige Änderungen vorlegen, die Sie zusammengemixt haben, mit einigen Zückerchen extra. Nichts von Ihren Änderungen betrifft das zentrale Manko des AFRG, nämlich, daß es eine drastische Verschlechterung der passiven und aktiven Leistungen der Arbeitslosenversicherung festschreibt statt der längst überfälligen, vernünftigen Reform der Instrumente der Arbeitsförderung, die wir bei dem anhaltenden Höchststand von Arbeitslosigkeit so dringend brauchen würden. Mit ein wenig Flickschusterei ist dieses Gesetz nicht zu retten, und Sie werden uns nicht dazu bringen, Ihnen auf Ihrem grundfalschen Weg des Abschieds aus der beschäftigungspolitischen Verantwortung zu folgen, so gut Ihnen das auch in Ihr Wahlkampfkonzept passen würde. Das, was Sie mit dem AFRG an katastrophalen Einbrüchen in der Arbeitsmarktpolitik gerade in den fünf neuen Ländern anrichten und was Sie mit Ihren kurzsichtigen Sparmaßnahmen auf Kosten der Bundesanstalt für Arbeit weiter forcieren, dafür müssen Sie von den Regierungsfraktionen allein die volle Verantwortung übernehmen. Uwe Lühr (F.D.P.): Ein weiteres Mal befassen wir uns heute mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz. Ich hoffe sehr, in letzter Instanz. Die Verschleppung des Verfahrens, die die SPD über die Länder und über den Bundesrat in dieser Sache betreibt, kommt langsam einer Zumutung gleich, nicht nur für uns, sondern auch für den Steuerzahler, der dieses uferlose und sinnlose Verfahren bezahlen muß. Unser Föderalismus hat große Vorzüge. Wenn er jedoch - wie beim Arbeitsförderungs-Reformgesetz - für oppositionelle Verfahrenstricks mißbraucht wird, laufen wir Gefahr, daß das Ansehen des Systems leidet. Das sollte sich die SPD bei ihrer Blockadehaltung im Bundesrat vor Augen halten. Zur Erinnerung: Die Bundesregierung und die Koalition haben eine notwendige und richtige Reform der Arbeitslosenversicherung auf den Weg gebracht. Für den Arbeitsuchenden waren hiermit einige einschneidende Veränderungen, aber vor allem auch neue Chancen durch neue arbeitsmarktpolitische Instrumente gerade in den neuen Ländern verbunden. Die Reform des Arbeitsförderungsgesetzes hatte nur einen Haken: Sie bedurfte der Zustimung des SPD-dominierten Bundesrates. Die Bundesregierung hatte sich - gegen den Rat der Liberalen - falsche Hoffnungen darüber gemacht, daß man unter dem Zwang der Vernunft die Zustimmung des Bundesrates gewinnen könnte. Dies ist mißlungen. Also mußte das Gesetz erneut die zweite und dritte Lesung im Bundestag und den Bundesrat durchlaufen - diesmal in zustimmungsfreier Form. Das Gesetz ist in weiten Teilen am 1. April dieses Jahres in Kraft getreten oder wird am 1. Januar nächsten Jahres in Kraft treten. Jedenfalls steht der ganz überwiegende und wichtige Teil bereits heute im Gesetzblatt. Aber da wir alle zustimmungsbedürftigen Teile herauslösen mußten, hat das Sozialgesetzbuch III Lücken. Diese Lücken müssen aus Gründen der praktischen Vernunft gefüllt werden. Dem dient der Gesetzentwurf, der hier heute in erster Lesung ansteht. Inhaltlich ist zu diesem Gesetzentwurf nicht viel zu sagen. Er verdankt seine Existenz ausschließlich der Tatsache, daß seine Normen eben der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Ob die Ziele, die wir inhaltlich mit dem Gesetz verfolgen, von der Opposition geteilt werden, weiß ich nicht. Es geht um wechselseitige Datenübermittlung zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und anderen Behörden. Es geht darum, daß die Bundesanstalt für Arbeit die Berufsberatung durch private Berufsberater in Mißbrauchsfällen untersagen kann. Und es geht vor allem um die Bekämpfung illegaler Beschäftigung und die Eindämmung von Sozialleistungsmißbrauch. Angesichts des Leitfadens der SPD-Fraktion zum Hintergehen der Sozialämter, der von Ihrem Hoffnungsträger in spe, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder, schlicht als „daneben" bezeichnet wurde, bin ich mir nicht sicher, ob wir gemeinsame Ziele in dieser Frage verfolgen. Ich will an dieser Stelle nicht verhehlen, daß die Koalition an der Tatsache der Zustimmungsbedürftigkeit mit dem Vorhaben gescheitert ist, die Verwal- tung der Bundesanstalt für Arbeit nachhaltig zu verschlanken und zu modernisieren. Selbst der schlichte Plan, die „Landesarbeitsämter" in „Generaldirektionen" umzubenennen, ist am Veto aller 16 Länder gescheitert. Für echte Einsparungen in Verwaltungsstrukturen ist die föderale Struktur nicht gerade hilfreich. Wir werden diesen Gesetzentwurf im Ausschuß ausführlich beraten. Über den einen oder anderen Punkt muß vielleicht noch einmal intensiver nachgedacht werden. In der Zwischenzeit können sich die SPD-Ministerpräsidenten überlegen, ob sie Sozialleistungsmißbrauch und illegale Beschäftigung mit uns bekämpfen wollen oder ob sie auch dieses Gesetz im Bundesrat blockieren. Wir Liberalen gehen eigentlich ganz optimistisch in dieses Gesetzgebungsverfahren. Dr. Heidi Knake-Werner (PDS): Die fehlenden Konzepte gegen Massenarbeitslosigkeit und Haushaltslöcher bemäntelt die Bundesregierung immer häufiger durch parlamentarische Tricks. Nach der „kreativen Buchführung" über die Staatsverschuldung widmet sie sich nun der „kreativen Gesetzgebung". Der Bundestag soll ein Gesetz, welches erst vor drei Monaten beschlossen wurde und welches in gut sechs Monaten in Kraft tritt, bereits wieder ändern, und zwar nicht an einer oder an fünf Stellen; nein, das Änderunggesetz sieht vor: 120 Einzeländerungen im zukünftigen Sozialgesetzbuch III, vormals AFG, sowie Änderungen in 20 anderen Gesetzen und vier Ordnungen und Verordnungen. Das Änderungsgesetz zum SGB III ist ein weiterer Beleg dafür, wie Politik durch parlamentarische Trickserei ersetzt wird. Um die Zustimmungspflicht des Bundesrates zu den beschlossenen Leistungsverschlechterungen im AFRG zu umgehen, waren die zustimmungspflichtigen Teile herausgenommen worden. Damit schalteten Sie die Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesländer aus, gegen die sie belastenden materiellen Folgen der AFRG-Änderungen ein gesetzgeberisches Veto einzulegen. Nun legen Sie zustimmungspflichtige Passagen erneut vor. Politisch kennzeichnend für Ihre gesamte Gesetzgebung im Bereich des Arbeitsmarktes ist die Leimrute „Verbesserung der Feststellbarkeit des Leistungsmißbrauches". Das vorliegende Änderungsgesetz soll nun zusätzlich zu den Kontroll- und Disziplinierungsinstrumenten des jetzt gültigen AFRG den „reibungslosen Datenaustausch" schaffen zwischen den verschiedenen Sozialbehörden, Bundes-, Länder und Kommunalbehörden, die in irgendeiner Weise etwas mit Arbeitslosen zu tun haben. „Leistungsmißbrauch" dient Ihnen nur als Vorwand, um Aktivitäten vorzutäuschen, wo Konzepte fehlen und Unfähigkeit vorherrscht. Das gesamte AFRG und auch dieses Änderungsgesetz enthält viele Regelungen, die zum Abbau von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen - jenseits der dramatischen Kürzungen bei den Haushaltsmitteln - beitragen, aber keine Maßnahme, die direkt zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze und damit zum Abbau der Arbeitslosigkeit führt. Der Bundeskanzler verkündete am vorvergangenen Sonntag in Bad Wörishofen als seine „neue Erfahrung", was Millionen schon wußten, nämlich „daß mit der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts nicht automatisch mehr Arbeitplätze entstehen" . Nach diesem Eingeständnis des Scheiterns einer Politik, die ausschließlich von mehr Wachstum einen Abbau der Arbeitslosigkeit erwartete, hätte man von einem Änderungsgesetz zum AFRG/SGB III nun tatsächlich durchgreifende Maßnahmen zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze erwarten dürfen. Statt dessen jedoch stellt der Entwurf die Bekämpfung von Arbeitslosen als Leistungsmißbrauchern in den Mittelpunkt der Begründung. Arbeitslosigkeit definiert die Regierung schon längst vor allem als ein Problem der Arbeitslosen und ihrer Arbeitswilligkeit. Deshalb stellen Sie mit dem AFRG/SGB III und diesem Änderungsgesetz grundsätzlich jeden Arbeitslosen unter den Verdacht des Leistungsmißbrauches: die Arbeitslosen - ein Volk von Leistungsmißbrauchern!? Sie dulden und fördern damit nicht nur die soziale Ausgrenzung von gesellschaftlicher Teilhabe, die mit Arbeitslosigkeit in der Regel verbunden ist. Indem Sie populistisch vorhandene Ressentiments gegen die angeblich arbeitsunwilligen Arbeitslosen aufgreifen und schüren, machen Sie aus der sozialen und materiellen Ausgrenzung eine umfassende gesellschaftliche und rechtsstaatliche Ausgrenzung. Ein „Anfangsverdacht" ist nicht mehr erforderlich, allein der Status „Arbeitsloser" macht schon verdächtig. Es ist natürlich hundertmal leichter, Arbeitslose als Leistungsmißbraucher zu denunzieren, als dem Mangel an Arbeitsplätzen zu Leibe zu rücken. Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Mit dem AFRG haben wir eine große Reform durchgesetzt. Sie wird am 1. Januar 1998 in Kraft treten. Wichtige neue Instrumente, die die Erwerbschancen von Arbeitslosen verbessern sollen, gelten bereits seit 1. April. Die heutige Lesung über das Erste Änderungsgesetz ist erforderlich, weil das Reformgesetz in der Ursprungsfassung nicht die Zustimmung des Bundesrates gefunden hat. Wir mußten es in ein Einspruchsgesetz umwandeln, um die dringend notwendige Reform durchzusetzen. Dafür haben wir die - sinnvollen, aber nicht zwingend notwendigen - Teile des Gesetzentwurfs herausgelöst. Wenn die Autobahn gesperrt wird, nehme ich die erstbeste Abfahrt. Das ist dann kein Schleichweg, sondern die einzige Möglichkeit, das Ziel zu erreichen. Das war beim AFRG nicht anders. Das Änderungsgesetz komplettiert die Reform; es ergänzt sie sinnvoll. Dabei sind wir auf die Mithilfe des Bundesrates angewiesen. Ohne diese Mithilfe können wir die Kassen der Bundesanstalt für Arbeit nicht besser vor Diebstahl schützen. Eine bessere und effektivere Zusammenarbeit beim Kampf gegen Leistungsmißbrauch und illegale Beschäftigung ist ein Kernbestand des Änderungsgesetzes. Leistungsmißbrauch ist kein Kavaliersdelikt. Die Arbeitsämter haben 1995 eine Schadenssumme durch Leistungsmißbrauch von rund 200 Millionen DM aufgedeckt. Die Bekämpfung von Leistungsmiß- brauch ist eine sozialstaatliche Pflicht. Es geht um Solidarität und Gerechtigkeit in unserem Sozialstaat. Wer unseren Sozialstaat nicht überfordern und den Standort Deutschland konkurrenzfähig halten will, muß Sozialmißbrauch bekämpfen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Sozialleistungen mißbrauchen, sind Diebe an den Solidarkassen. Sie müssen noch stärker als bisher damit rechnen, daß sie erwischt werden. Deshalb verbessern wir das Instrumentarium für die Zusammenarbeit der Kontrollbehörden. Dazu brauchen wir auch die Unterstützung der Länder. Keiner darf sich verweigern, alle müssen mitmachen: die Renten- und Unfallversicherungsträger - sie werden in die Zusammenarbeit mit anderen Behörden einbezogen -; die Bundesanstalt für Arbeit, Hauptzollämter, Ausländerbehörden und die für die Bekämpfung der Schwarzarbeit zuständigen Landesbehörden werden verpflichtet, Sozialhilfeträger über den möglichen Leistungsmißbrauch von Sozialhilfeempfängern und Asylbewerbern zu unterrichten; die Finanzbehörden werden die Bundesanstalt und die Hauptzollämter bei der Bekämpfung von Leistungsmißbrauch und illegaler Beschäftigung künftig unterstützen, damit auch sie ihren Beitrag zur Bekämpfung von Leistungsmißbrauch und illegaler Beschäftigung leisten. Die Arbeits- und Hauptzollämter leisten den wichtigsten Beitrag zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und des Leistungsmißbrauchs. Im Jahr 1996 haben die Arbeitsämter Verwarnungsgelder und Geldbußen in Höhe von insgesamt rund 111 Millionen DM festgesetzt - ein neuer Höchststand! Davon waren zu drei Vierteln Arbeitgeber und zu einem Viertel Arbeitnehmer betroffen. Wegen illegaler Ausländerbeschäftigung und illegaler Arbeitnehmerüberlassung wurden über 28 700 Bußgeldbescheide in Höhe von rund 84 Millionen DM erlassen und fast 10300 Verfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Die Zuständigkeit für die Bekämpfung mittelbarer illegaler Ausländerbeschäftigung, z. B. durch Einschaltung eines Subunternehmers, wird von den Ländern auf die Bundesanstalt für Arbeit übertragen, weil sie die unmittelbare illegale Ausländerbeschäftigung seit langem erfolgreich bekämpft. Damit wird einem ausdrücklichen Wunsch der Länder entsprochen. Zum 1. Januar 1998 fällt das Monopol der Bundesanstalt für Arbeit für die Berufsberatung. Da es in jeder Branche schwarze Schafe gibt, ist die Aufnahme einer gesetzlichen Untersagungsbefugnis zum gleichen Zeitpunkt sinnvoll. Denn wer als „Berufsberater" auftritt, in Wirklichkeit aber anderes vorhat, dem muß das Handwerk gelegt werden können, etwa demjenigen, der Mitglieder für obskure Vereine werben will oder die Kontakte mißbraucht, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zu verkaufen. Mit dem Ersten Änderungsgesetz machen wir die Reform der Arbeitsförderung komplett. 43 Milliarden DM stehen in den Haushalten des Bundes und der Bundesanstalt allein in diesem Jahr für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung. Damit wir mit diesen Mitteln noch mehr erreichen, erhalten die Arbeitsämter größtmöglichen Freiraum beim Einsatz der neuen oder verbesserten arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Das ist die zentrale Botschaft der Reform an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Arbeitsverwaltung und an die Betriebe, denen wir Einstellungen erleichtern. Die wichtigsten Neuheiten möchte ich noch einmal stichwortartig vortragen: Eingliederungsvertrag für Langzeitarbeitslose, Einstellungszuschüsse bei Neugründungen, ein neuer Lohnkostenzuschuß Ost für Personaleinstellungen in gewerblichen Wirtschaftsunternehmen, neuartige Trainingsmaßnahmen und nicht zuletzt freie Förderung über einen Innovationstopf durch jedes einzelne Arbeitsamt. Das sind die richtigen Antworten auf die Herausforderungen des Arbeitsmarktes. Insgesamt verfügen wir über moderne Hilfen. Und wir haben sie zielgerichtet für diejenigen verbessert, die es ganz besonders schwer haben. Bei der Förderung für benachteiligte und lernbeeinträchtigte Jugendliche wurden die Mittel auf über 1,5 Milliarden DM trotz größter Sparzwänge nochmals erhöht. Sie haben damit ein Rekordniveau wie niemals zuvor. Für ältere Arbeitnehmer können mehr Lohnkostenzuschüsse als im letzten Jahr gewährt werden: 900 Millionen DM stehen zur Verfügung. Mit rund 1 Milliarde DM begleitet die Bundesanstalt den Weg von Arbeitslosen in die Selbständigkeit. Allein im letzten Jahr haben 90 000 Arbeitslose diesen Weg gewählt. Für Trainingsmaßnahmen haben wir neuerdings 248 Millionen DM bereitgestellt. Dies hilft, Brücken in reguläre Beschäftigung zu bauen, aber auch Arbeitsfähigkeit und Arbeitsbereitschaft zu testen. Die Ausgaben für die produktive Arbeitsförderung wurden mit 3,6 Milliarden DM im Haushalt der Bundesanstalt und mit 2 Milliarden DM im Bundeshaushalt sogar verdoppelt. Damit kann Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe für produktive Arbeit eingesetzt werden. Wir wollen, daß für die Menschen - wo immer möglich - Arbeitsgelegenheiten geboten werden, statt nur Geldleistungen zu zahlen. Jetzt sind die Arbeitgeber am Zuge. Sie müssen einstellen, einstellen und nochmals einstellen! Und wenn wir mit dem jetzt vorgelegten Gesetz die Reform komplettieren, zeigt das, daß alle Beteiligten vernünftig zusammenarbeiten können. Dazu lade ich im Interesse aller Arbeitslosen ein. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden Zu Tagesordnungspunkt 9 (a - Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung im Baugewerbe, b - Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in Baubetrieben) und zu Zusatztagesordnungspunkt 16 (Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen) Peter Keller (CDU/CSU): Erstens: Ganzjährige Beschäftigung. Wie in keiner anderen Branche bündeln sich am Bau - wie in einem Brennglas - alle Probleme unserer Arbeitswelt: Wanderungsbewegungen (Ost-West), Schattenwirtschaft, Einführung neuer Techniken, Tarifflucht, Dumpingpreise und ganzjährige Beschäftigung. Beim Ziel ganzjährige Beschäftigung setzt die SPD allein auf den Staat, wir - die Koalition - auf die Sozialpartner. Dies hat etwas mit Subsidiarität zu tun. Erinnern wir uns: Für die Abschaffung des Schlechtwettergeldes (SWG) gab es drei Gründe. Zum ersten war es nicht mehr vertretbar, daß nur eine Branche eine Sonderleistung aus der Arbeitslosenversicherung erhielt, die von allen Beitragszahlern aufgebracht werden mußte. Zum zweiten wirkte sich das SWG teilweise kontraproduktiv zu einer ganzjährigen Beschäftigung aus. Viele Baubetriebe haben sich zu sehr auf die Leistungen der Arbeitslosenversicherung verlassen. Ein dritter Grund waren die finanziellen Engpässe in der Arbeitslosenversicherung. Es hat sich gezeigt, daß unser Weg - weg vom SWG - richtig war. Zurück zur Subsidiarität und Solidarität: Die Tarifpartner des Baugewerbes haben unter Beweis gestellt, daß sie ganz im Sinne der Subsidiarität in der Lage sind, ihre Probleme selbst zu regeln. Es ist ihnen gelungen, einen tragfähigen Tarifvertrag als Ersatz für das alte Schlechtwettergeld auf die Beine zu stellen (Gravenbrucher Erklärung vom 12. April 1997). Der zweite Begriff, die Solidarität, spiegelt sich in unserem Gesetzentwurf wider. Es hat sich gezeigt, daß die Bauwirtschaft nicht allen Gefahren auf einmal trotzen kann: Extreme Wetterverhältnisse und besondere Strukturumbrüche erfordern einen solidarischen Ausgleich. Die Bauarbeitgeber gleichen durch eine Umlage die 51. bis 120. Ausfallstunde aus. In Zukunft wird es ergänzend schon ab der 121. Stunde ein beitragsfinanziertes Winterausfallgeld geben, das heißt, hier tritt die Gemeinschaft aller Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung solidarisch mit ein. Dies ist ein Beispiel gelebter Solidarität in unserer Gesellschaft. Der aus finanzieller Not geborene Umbau des Schlechtwettergeldes hat auch kreative Kräfte freigesetzt. Die Nutzung von Arbeitszeitkonten wird am Bau zur Selbstverständlichkeit werden (laut Tarifvertrag ab November '97). In anderen Branchen wird noch immer um den Abbau von bezahlten Überstunden gerungen. Hier, in der Bauwirtschaft, vollzieht sich vorbildlich, was der Standort Deutschland braucht: flexiblere Arbeitszeitstrukturen, ein hohes Maß an Selbstverantwortung der Tarifpartnerschaft und einen Staat, der dann eingreift, wenn es wirklich nicht mehr allein zu schaffen ist. Dieses Beispiel sollte Schule machen. Zweitens. Ziel unseres Gesetzentwurfs ist die Verstetigung der Jahreseinkommen und der Beschäftigung. Wir wollen die Tarifpartner unterstützen, statt vergüteter Überstunden ein ganzjähriges, gleichmäßiges Einkommen zu schaffen. Damit wollen wir einen weiteren Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit leisten. Drittens. Der Bundesratsentwurf hingegen steht unter dem Motto „Rückschritt statt Fortschritt". Wer einfach die alte Schlechtwettergeld-Regelung wieder einführen will, erklärt seine Kapitulation vor notwendigen Veränderungen. Es stimmt, daß es im letzten Winter leider viele Entlassungen gegeben hat - zu viele, aber das hatte andere Gründe: Arbeitgeber, die tarifwidrig Kündigungen vorgenommen haben, Ausdruck der verstärkten strukturellen und konjunkturellen Krise am Bau (auch Billiglohnkräfte-Abhilfe: ANEntsendeG) und ein extrem harter Winter. Durch die Wiedereinführung des SWG können diese Probleme nicht gelöst werden. Die Rückkehr zum SWG paßt nicht mehr in unsere Zeit. Damit würden die Tarifpartner bevormundet. Sie haben uns im Gegenteil gezeigt, daß sie zur selbständigen, eigenverantwortlichen Lösung ihrer Probleme durchaus bereit und imstande sind. Viertens. Die dreistufige Lösung - persönlicher Eigenbeitrag der Arbeitnehmer durch Arbeitszeitkonten, gemeinschaftlicher Beitrag der Arbeitgeber durch Umlage und staatlicher Beitrag durch beitragsfinanziertes Winterausfallgeld - funktioniert nur, wenn die Tarifpartnerschaft funktioniert. Hier gibt es leider in der Tariflandschaft eine bedenkliche Entwicklung. Gerade in den neuen Bundesländern versuchen manche Arbeitgeber, aber auch Arbeitnehmer, durch Austritt aus dem AG-Verband und der Gewerkschaft eigene Wege zu beschreiten. Ich sage, das ist der falsche Weg. Nur mitgliederstarke und gut organisierte Sozialpartner, die auf langjährige Erfahrungen zurückblicken können, können tragfähige Vereinbarungen schließen, die von vielen akzeptiert und durchgesetzt werden. Sonderwege schaden dem Funktionieren unseres bewährten Tarifsystems. Sie bieten nur scheinbar einen Ausweg. Ich appelliere an die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, diesem Schwund entgegenzuwirken. Eine Zersplitterung der Tariflandschaft dient auf Dauer niemandem. Sie birgt die Gefahr von Sozialdumping und ruinösem Wettbewerb. Die tarifwidrigen Kündigungen von Arbeitnehmern im vergangenen Winter sind ein trauriges Signal. Ich bin aber zuversichtlich, daß die jetzt gefundene Regelung einer Wiederholung wirksam vorbeugt. Fünftens. Ich meine, der von uns eingebrachte Gesetzentwurf verkörpert einen ausgewogenen Ausgleich zwischen Subsidiarität und Solidarität. Wir wollen die Tarifpartner in die Pflicht nehmen, sie aber nicht überfordern. Stattdessen wollen wir den Sozialpartnern weiterhelfen, auf diesem neuen guten Weg voranzuschreiten. Konrad Gilges (SPD): Die Misere, die heute im deutschen Baugewerbe herrscht, haben einzig und allein die Bundesregierung sowie die sie tragenden Fraktionen von CDU/CSU und FDP zu verantworten. Gerade die Abschaffung des Schlechtwettergeldes ist eine der gravierendsten Fehlentscheidungen der Regierungskoalition gewesen. Die Misere der Bauwirtschaft ist an folgenden Punkten festzumachen: Erstens waren im Winter 1996/97 in der Bundesrepublik circa 400 000 Bauarbeiter arbeitslos. Ihnen standen circa 200 000 mit Werksverträgen ausgestat- tete Arbeitnehmer vor allem aus Polen sowie einige Tausend aus anderen Billiglohnländern (wie Großbritannien und Portugal) gegenüber. Hinzu kommt eine erhebliche Zahl von illegal Beschäftigten. Angesichts dieser Tatsachen kann hinsichtlich der Beschäftigungsverhältnisse auf dem Bau nur von einer ausgeprägten Anarchie gesprochen werden. Zweitens sind im deutschen Baugewerbe im Jahr 1996 circa 100 000 Arbeitsplätze verlorengegangen. Die schlechte Konjunktur und die durch die Politik der Bundesregierung hervorgerufene geringe Investitionsfähigkeit von Ländern und Kommunen sind dafür die wichtigsten Gründe. Nach Schätzungen des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie werden 1997 voraussichtlich weitere 80 000 Arbeitsplätze wegfallen. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes rechnet auch für 1998 mit einem Stellenabbau zwischen 60 000 und 80 000. Der dramatische Zustand der deutschen Bauindustrie offenbart sich darüber hinaus in einer befürchteten Rekordzahl von 8500 Konkursen im Jahr 1997. Eine solche Situation ist in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie dagewesen. Drittens will ich noch einmal unterstreichen, daß die SPD-Bundestagsfraktion die Streichung des Schlechtwettergeldes immer für falsch gehalten hat. Wir sind immer gegen sie gewesen. Die Streichung des Schlechtwettergeldes aus dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) war falsch, sie ist falsch, und sie wird immer falsch bleiben. Die Fakten, die das belegen, können auch von der Bundesregierung nicht mehr schöngeredet werden. Ihr Hauptargument, daß durch die Streichung des Schlechtwettergeldes Kosteneinsparungen in Höhe von 900 Millionen DM zu erreichen sein werden, hat sich als katastrophale Fehleinschätzung erwiesen. Denn das genaue Gegenteil ist eingetreten: Der Bundesanstalt für Arbeit sind zusätzliche Kosten in Höhe von 1,5 Milliarden DM und mehr entstanden. Verantwortlich dafür sind die Bauarbeitgeber, die vor Weihnachten 1996 massenhaft Kolleginnen und Kollegen entlassen haben, teilweise mit Wiedereinstellungsgarantien für das Frühjahr 1997. Für die Überbrückung dieser Zeitspanne mußte die Bundesanstalt für Arbeit aufkommen, weil die knapp kalkulierenden Bauarbeitgeber weder willens noch in der Lage waren, für Nichtarbeit Einkommen zu gewähren. Sie haben Tarifvereinbarungen nicht eingehalten. Damit belasten die Arbeitgeber den Arbeitsmarkt und die Solidargemeinschaft der Bundesanstalt für Arbeit bis ins Unermeßliche. Verantwortlich hierfür ist jedoch die Bundesregierung, weil sie den Arbeitgebern mit der Streichung des Schlechtwettergeldes die Möglichkeit genommen hat, Arbeitnehmer stunden- bzw. tageweise ohne Kündigung freizustellen. Die Bundesregierung hat vor allem in Gestalt des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium in früheren Debatten zum Thema Schlechtwettergeld stets betont, daß die tarifvertragliche Regelung vor allem den Vorteil habe, daß gesetzlich fest verankerte Festlegungen nun durch freiwillige Regelungen ersetzt werden könnten. Die Tarifverträge sind jedoch an den Arbeitgebern gescheitert. Wir begrüßen daher ausdrücklich die Gravenbrucher Erklärung der Tarifvertragsparteien des deutschen Baugewerbes vom 12. April 1997 sowie den von ihnen unterzeichneten Tarifvertrag. Der heute vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung ist ein notwendiger Bestandteil des Tarifvertrages, es handelt sich um die von den Tarifparteien in ihrer Erklärung ausdrücklich geforderten und lange überfälligen flankierenden Gesetzesänderungen. Wir werden diesen Gesetzentwurf genau prüfen und nach eingehenden Beratungen im federführenden Ausschuß darüber entscheiden. Die wichtigste Frage für uns ist, ob die neuen Regelungen besser als die bislang bestehenden die Interessen der Bauarbeiter in der Bundesrepublik wahren helfen. Ich kann unabhängig vom Ausgang der weiteren Beratungen schon heute erklären, daß wir, abgesehen von allen tarifvertraglichen Regelungen und sie flankierenden Maßnahmen, der Meinung sind, daß ein Festhalten an der alten Schlechtwettergeldregelung sinnvoller und richtiger gewesen wäre. Wir unterstützen daher den heute vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates. Eine von der SPD gestellte Bundesregierung wird im nächsten Jahr die Wiedereinführung der alten Schlechtwettergeldregelung einleiten. Nur damit können gleichzeitig die Misere des deutschen Baugewerbes beseitigt sowie sozial erträgliche Verhältnisse für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Bau geschaffen werden. Annelle Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem Gesetzentwurf heute gibt die Bundesregierung endlich zu, was spätestens seit diesem Winter alle sehen mußten, daß nämlich das Winterausfallgeld, das Sie selbst in dieser Legislaturperiode statt der gut funktionierenden Schlechtwettergeldregelung eingeführt hatten, ein kompletter Flop ist. Zum ersten Mal seit den Fünfzigern, seit damals das Schlechtwettergeld eingeführt wurde, ist Saisonarbeitslosigkeit am Bau wieder ein Massenphänomen geworden, mit den bekannten einschneidenden Folgen für die Betroffenen und ihre Familien. Allein im Februar waren über 400 000 Bauarbeiter arbeitslos, eine Arbeitslosenquote in der Branche von fast 30 Prozent. Als Konsequenz aus dieser unerträglichen Situation haben wir wie auch die SPD gefordert, das Schlechtwettergeld wieder einzuführen. Unsere Anträge sind bereits seit März im parlamentarischen Verfahren, während die Regierung sich Zeit gelassen hat und erst heute ihren Vorschlag vorlegt. Dieser Gesetzentwurf ist besser als nichts, immerhin verbessert er die bisherige Regelung und macht sie hoffentlich praktikabler. Sie flankiert die Vereinbarungen der Tarifparteien am Bau. Ob diese Flankierung ausreicht, muß wieder einmal die Praxis zeigen. Die bessere Lösung ist mit Sicherheit, das Schlechtwettergeld wieder einzuführen - eine soziale Flankierung der Arbeitsbedingungen auf dem Bau, die wirklich greift, die Betroffenen absichert und deshalb auch für die öffentlichen Kassen billiger ist. Gerade auf dem Rücken der Kollegen am Bau ist in den letzten Jahren viel zu viel herumexperimentiert worden - beim Schlechtwettergeld und auch beim Entsendegesetz. Viele, die im Winter ihren Job verlo- ren haben, sind bis heute nicht wieder eingestellt worden. Wir stehen als Gesetzgeber in der Pflicht, endlich vernünftige und verläßlich kalkulierbare Rahmenbedingungen zu schaffen, eine Anforderung, vor der die Bundesregierung gerade im Baubereich gnadenlos versagt hat. Die kurze Geschichte des Entsendegesetzes ist schon jetzt an Absurdität kaum zu überbieten, ein Gesetz, das wegen der internen Querelen in den Reihen der Regierungsfraktionen von vornherein darauf angelegt war, daß es möglichst nichts bewirken kann. Das Gesetz ist so konstruiert worden, daß es, obwohl im Bundestag verabschiedet, erst Monate später als geplant überhaupt real in Kraft tritt. Schließlich hat die Mehrheit im Bundestag trotz Alternativen entschieden, daß das Gesetz sich die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags zur Voraussetzung macht. Und genau die hat die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände so lange verhindert, bis ihr die Löhne niedrig genug waren. Allgemeinverbindlich gilt dieser Tarifvertrag jetzt bis zum 31. August 1997 - ohne Nachwirkung, versteht sich -, und auch das war den Arbeitgebern schon zu lang. Immer dieselben Konflikte sind vorprogrammiert - und es gibt keinen Konfliktregelungsmechanismus, statt dessen wird die Wirkung des Gesetzes jedesmal ausgesetzt. Anschließend kann man sagen, der Aufwand war zu hoch, das Ergebnis zu gering und schafft sich selbst die Gründe, nach Ende der jetzt schon vorgesehenen Befristung das ungeliebte Gesetz wieder verschwinden zu lassen. Durch ihre bisherige Halbherzigkeit haben Sie schon viel Schaden angerichtet - jetzt bietet die SPD Ihnen mit ihrem Antrag eine weitere Chance, den Dauerkonflikt um Lohn- und Arbeitsbedingungen auf den Baustellen endlich zu lösen. Ich hoffe, Sie werden sie diesmal ergreifen. Dr. Gisela Babel (F.D.P.): Kaum ein Thema hat das Parlament in so vielen Sitzungen beschäftigt wie die Abschaffung des Schlechtwettergeldes und das Finden einer Nachfolgeregelung in Zusammenarbeit mit den Tarifparteien. An die Tarifpartner kann ich heute nur die Botschaft senden, daß sie davon ausgehen dürfen, daß dies das letzte Mal ist, daß wir uns mit diesem Thema befassen. Weitere Nachbesserungen zu Lasten der Beitragszahler der Bundesanstalt für Arbeit und des Steuerzahlers wird es nicht geben. Die alte Schlechtwettergeldregelung lief Ende 1995 aus. Nach sicherlich schwierigen Verhandlungen präsentierten die Tarifpartner des Baugewerbes dann eine neue Lösung, die wenigstens teilweise von den Tarifpartnern getragen wurde. Im Kern sah sie ein tarifvertragliches Überbrückungsgeld von 75 Prozent des Bruttolohnes für bis zu 150 witterungsbedingte Ausfallstunden, das heißt rund 20 Tage, vor. Zwei Drittel sollten von den Arbeitgebern über Sozialkassen, ein Drittel von den Arbeitnehmern durch Verzicht auf fünf Urlaubstage bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall finanziert werden. Ab der 151. Ausfallstunde zahlte der Staat oder vielmehr der Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung. Was als Sieg der Vernunft und Beweis für die Kraft der Tarifautonomie gefeiert wurde, endete im Fiasko: 400 000 arbeitslose Bauarbeiter im Februar dieses Jahres. Sicher, die Baukonjunktur war und ist schlecht. Legale und illegale Arbeitnehmer aus dem Ausland machen nicht nur den Gewerkschaften zu schaffen. Aber Tatsache ist auch, daß die Tarifvertragsvereinbarung weder von Arbeitgebern noch von Arbeitnehmern auch nur ansatzweise eingehalten wurde. Statt dessen wurde einvernehmlich entlassen - zu Lasten aller Beitragszahler, die für das Scheitern des Tarifvertrages über das Arbeitslosengeld zur Kasse gebeten wurden. Ganz offensichtlich hatten Verbände und Gewerkschaften eine Vereinbarung getroffen, von der ihre Mitglieder nichts wissen wollten. Wer nach Gründen für die Erosion des Flächentarifvertrages sucht, sollte sich dieses Beispiel vor Augen halten. In ihrer Gravenbrucher Erklärung vom 12. April dieses Jahres machen die Tarifpartner nun einen erneuten Anlauf - in Teilen ebenfalls zu Lasten des Beitragszahlers. Kernpunkte sind: Wenigstens 50, höchstens 120 witterungsbedingte Arbeitsausfallstunden werden über Arbeitszeitkonten ausgeglichen. Wenn der Ausgleich über Zeitkonten ab der 51. Stunde nicht möglich ist, gibt es eine Lohnersatzleistung von der Bundesanstalt für Arbeit - voll finanziert durch eine Umlage der Bauarbeitgeber. Ab der 121. und nicht wie bisher ab der 151. Ausfallstunde zahlt die Arbeitslosenversicherung und damit der Beitragszahler. Gut ist, daß die Idee der Arbeitszeitkonten langsam, aber sicher verwirklicht wird. Das haben wir Liberalen immer gefordert. Im Gartenbau funktioniert das im übrigen schon lange ganz gut. Schlecht ist, daß die Tarifpartner sich auf Umwegen faktische Steuerfreiheit erkauft haben, indem die Bundesanstalt für Arbeit bis zur 120. Ausfallstunde als Zahlkasse für die Umlage der Arbeitgeber benutzt wird. Und schlecht ist vor allem, daß der Beitragszahler für die Baubranche schon ab der 121. und nicht mehr wie bisher ab der 151. Stunde einstehen muß. Ich kann nur hoffen, daß die Bautarifpartner nicht vorhaben, auf diese Weise schrittweise zur alten Schlechtwettergeldregelung zurückzukehren. Jedes Jahr können Sie den Gesetzgeber nicht mit diesem Thema befassen. Ich kann auch nur hoffen, daß die Neuregelung funktioniert, zu der die Liberalen sich mehr oder weniger haben breitschlagen lassen. Die Tarifautonomie hat wieder einmal funktioniert - teuer bezahlt vom Beitragszahler, der die Rechnung in Höhe von insgesamt 270 Millionen DM pro Jahr begleichen darf. Dr. Heidi Knake-Werner (PDS): Die Debatte ist notwendig, um Fehlentscheidungen zum Schlechtwettergeld der Koalition zu korrigieren. Hätten Sie diese bewährte Regelung nicht abgeschafft, könnten wir uns das hier heute sparen. Apropos sparen: Das war ja wohl auch wieder eine fatale Fehlprognose Ihrerseits. Statt 600 Millionen DM einzusparen, mußte die Bundesanstalt 1 Milliarde DM Mehrkosten aufwenden, die die jetzt geltende Neuregelung verursacht hat. Wenn damit wenigstens die ganzjährige Beschäftigung am Bau mit gesicherten Einkommen garantiert worden wäre. Aber leider Fehlanzeige! Statt ganzjähriger Beschäftigung und weniger arbeitslosen Bauarbeitern gab es Kündigungen zum Winter und 100 000 arbeitslose Bauarbeiter mehr, weil die Neuregelung nicht greift, wie Sie in Ihrem Gesetzentwurf selbst zugeben. Sie nahmen in Kauf, daß Bauarbeiter durch Abschaffung des Schlechtwettergeldes wieder zu Saisonarbeitern wurden, wie zuletzt vor 40 Jahren. Der unter diesem Druck jetzt ausgehandelte Tarifvertrag vom 9. Juni ist nun erneut auf Ergänzungen durch den Gesetzgeber angewiesen. Wir akzeptieren natürlich, was die Tarifvertragsparteien ausgehandelt haben, zumal beide Seiten hoffen, daß mit den beiden neuen Modellen den gegenwärtigen Problemen besser beizukommen ist. Deshalb werden wir auch Ihren Gesetzentwurf nicht ablehnen. Aber es bleibt natürlich abzuwarten, wie die Betriebe die Ansparkonten auffüllen werden und ob die Auftragslage es erlauben wird, 50 Ausfallstunden im Sommer einzusparen. Man darf sich nichts vormachen: Auch die neue Regelung ist alles andere als optimal und zudem geprägt von Vereinbarungen, die sich wildwüchsig am Tarifvertrag vorbei entwickelt haben. Es ist also nichts notwendiger, als eine klare Regelung zu haben, die nicht unterlaufen wird, und das ist und bleibt nun einmal das alte Schlechtwettergeld. Darum unterstützen wir den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Wiedereinführung der SWG-Regelung. Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Ich hoffe, daß wir mit der heutigen Debatte einen Schlußstrich unter das nun schon jahrelang kontrovers diskutierte Thema der ganzjährigen Beschäftigung am Bau ziehen können. Die Koalitionsfraktionen haben nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem alle Beteiligten eigentlich zufrieden sein müßten. Es ist ein Gesetzentwurf, der auf dem Fundament der sozialen Marktwirtschaft, nämlich der Sozialpartnerschaft, aufbaut. Wir haben uns mit diesem Gesetz an die alte, bewährte Formel der sozialen Marktwirtschaft „soviel Autonomie wie möglich, soviel Staat wie nötig" gehalten. Im April 1997 haben sich die Tarifpartner im Bauhauptgewerbe auf einen Vertrag geeinigt, der durch angepaßte tarifliche Regelungen Entlassungen in den Wintermonaten vermeiden soll. Am 1. Juni 1997 ist dieser Vertrag in Kraft getreten. Mit dem Gesetzentwurf der Fraktionen erhält die Tarifvereinbarung jetzt quasi einen Stützpfeiler. Sie wird so festgezurrt, daß sie auch in Sturm- und Regenzeiten fest bestehen bleibt. Doch lassen Sie mich nun kurz auf den neuen Tarifvertrag im Bauhauptgewerbe eingehen. Witterungsbedingte Arbeitsausfälle sollen danach ab der nächsten Winterperiode - also ab November 1997 -erstmals durch Arbeitszeitguthaben ausgeglichen werden. Dafür können Arbeitszeitkonten im Umfang von 50 bis zu 120 Stunden angespart werden. Denn es kann nicht sein, daß im Sommer Überstunden am Bau geleistet werden und im Winter die Arbeitsausfälle in vollem Umfang zu Lasten der gesamten Versichertengemeinschaft aller Branchen gehen. Bei guter Auftragslage des Betriebes kann der Arbeitnehmer Überstunden im Sommer ansparen. Den Lohn erhält er dann im Winter ausgezahlt, wenn die Arbeit wegen schlechten Wetters ausfällt. Das ist gut und vernünftig! Wenn aber beispielsweise die Auftragslage im Betrieb auch im Sommer schlecht ist und nur 50 Stunden angespart werden können, soll für die 51. bis zur 120. Ausfallstunde eine Lohnersatzleistung aus einer Umlage der Bauarbeitgeber finanziert werden. Diese Lohnersatzleistung wird durch die Bundesanstalt für Arbeit ausgezahlt. Auch das ist neu! Die Tarifparteien haben sich also schon einiges einfallen lassen, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Sie haben ihren Kritikern wieder einmal bewiesen, daß sie flexibel und einfallsreich sind, wenn sie der Schuh drückt. Ich möchte hinzufügen: Wie schon häufiger in der Geschichte haben die Tarifpartner des Baubereiches auch hier wieder einmal Pionierarbeit geleistet, die ich zur Nachahmung empfehle. Die von Gewerkschaften und Arbeitgebern des Baubereiches aufgenommene Grundorientierung ist nämlich nicht nur richtig für den Bau, sondern ist gut und vernünftig für alle Saisonbranchen: Wo während der Saison in überproportional hohem Ausmaß Überstunden gefahren werden, können diese in der Zeit ohne Arbeit außerhalb der Saison weitgehend genutzt werden, ausfallendes Entgelt zu sichern. Ich rufe die betroffenen Tarifpartner auf, sich wie Baugewerkschaften und Bauarbeitgeber auf die Vereinbarung von Arbeitszeitkonten einzustellen. Der Ruf nach der Solidarität der Gemeinschaft aller Beitragszahler ist nur dann berechtigt, wenn man alles getan hat, um selbst in zumutbarer Weise die eigenen Probleme zu lösen. Nun aber zurück zum Bau. Die Leistungsfähigkeit vieler Baubetriebe ist - gerade in der derzeitigen konjunkturellen Lage - begrenzt. Deshalb wollen wir mit diesem Gesetzentwurf erreichen, daß die Bundesanstalt für Arbeit bereits ab der 121. Ausfallstunde das Winterausfallgeld aus dem Beitragsaufkommen zahlt. Wir sind damit bereit, die Bemühungen der Tarifpartner nun auch gesetzgeberisch zu flankieren. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. werden die Neurege- lungen im Bauhauptgewerbe in vollem Umfang berücksichtigt. Das heißt im Klartext: Das von den Sozialpartnern ausgehandelte neue umlagefinanzierte Winterausfallgeld soll nun einen gesetzlichen Rahmen bekommen. Das alte beitragsfinanzierte Winterausfallgeld wird künftig bereits ab der 121. Ausfallstunde gezahlt, also 30 Stunden früher als nach heute geltendem Recht. Durch die Neuregelung wird der einzelne Baubetrieb so entlastet, daß Entlassungen nun wirklich vermieden werden können, wie insbesondere die Arbeitgeberseite mir nachdrücklich versichert hat. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Koalition unterstützen wir den richtigen Schritt der Tarifpartner zu mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung und auf zuverlässige Absicherung der Bauarbeiter in den Wintermonaten. Die SPD hingegen hängt mit ihrem im Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf einmal mehr alten Zöpfen hinterher. Sie greift das neue Denken und Handeln der Tarifparteien überhaupt nicht auf, sondern singt immer wieder das Lied von der Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes. Was soll die deutsche Bauwirtschaft mit einer solchen gesetzlichen Regelung anfangen, wenn sie bereits Wege gefunden hat, ihre Probleme weitgehend selbst zu lösen? Der Bundesrat will die Zahlung einer Lohnersatzleistung durch die Bundesanstalt für Arbeit ab der ersten Ausfallstunde. Das heißt: Beschäftigte und Arbeitgeber aller Branchen tragen das Witterungsrisiko am Bau von Anfang an mit. Versuchen Sie das einmal einem Arbeiter in der Automobil- oder Chemiebranche zu erklären! Die Bauwirtschaft hat in ihren Tarifregelungen auf das Subsidiaritätsprinzip gesetzt: Die Versichertengemeinschaft aller Branchen tritt mit der Zahlung einer Lohnersatzleistung erst dann ein, wenn die eigene Leistungsfähigkeit der Baubetriebe erschöpft ist. Ich komme daher zu dem Schluß: Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes ist nicht geeignet, die bestehenden Tarifverträge im Baugewerbe gesetzgeberisch zu begleiten. Von der Zielsetzung her geht er an der Realität vorbei. Ich appelliere deshalb an den Bundesrat und an die Damen und Herren der Opposition, von ihren Gesetzesvorhaben Abschied zu nehmen. Schneiden Sie Ihren alten Zopf ab und machen Sie den Weg frei für eine neue, moderne und zukunftsweisende Entwicklung. Unterstützen Sie den Gesetzentwurf der Regierungskoalition zum Wohle der Bauarbeiter, der Baubetriebe und unserer gesamten Wirtschaft. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Unterrichtung des Deutschen Bundestages über internationale Vereinbarungen mit besonderer Bedeutung für Ausländer-, Asyl- und Menschenrechtspolitik) und zu Zusatztagesordnungspunkt 17 (Antrag: Aussetzung des Rückübernahmeabkommens mit Algerien) Dr. Christoph Zöpel (SPD): Die Menschenrechtspolitik der Bundesrepublik Deutschland über jeden Zweifel, über jede Doppelbödigkeit, über jedes bürokratische Fehlverhalten erhaben zu machen ist der Zweck des Antrags der SPD-Fraktion zur „Unterrichtung des Deutschen Bundestages über internationale Vereinbarungen mit besonderer Bedeutung für Ausländer-, Asyl- und Menschenrechtspolitik" . In den vergangenen Monaten haben in diesem Plenarsaal engagierte Debatten stattgefunden, bei denen wir alle quer duch die hier vertretenen Fraktionen und Parteien Menschenrechtsverstöße in anderen Ländern scharf kritisiert haben. Wir haben diskutiert, ob Konsequenzen zu ziehen sind, wenn insbesondere Staaten aus dem islamischen Kulturkreis Menschenrechtsverletzungen begehen. Auf diese Debatten waren und sind wir stolz, und sie müssen fortgeführt werden. Nur, je lauter und eindeutiger die Politik anderer kritisiert wird, desto sensibler und vorsichtiger müssen wir sein, daß uns nicht selbst Vorwürfe treffen. Oft sind es zunächst kleine Ereignisse, die Entwicklungen in Gang setzen, bei denen Zweifel entstehen. Lassen Sie mich hier einen sehr konkreten Vorgang schildern. Am 22. April dieses Jahres besuchte mich der Präsident der Liga für die Verteidigung der Menschenrechte in Algerien, Maitre Ali Yahia. Bei diesem Gespräch berührte Maitre Ali Yahia auch ein Protokoll über die Identifizierung und Rückübernahme von algerischen Staatsbürgern durch Algerien, das im Februar zwischen der Demokratischen Volksrepubik Algerien und dem Bundesministerium des Innern abgeschlossen war. Maitre Ali Yahia äußerte die Besorgnis, daß unter den rückzuführenden Personen Algerier seien, denen nach ihrer Rückkehr Gefahren hinsichtlich ihrer Menschenrechte drohen könnten. Seine Bitte war, ob nicht die Algerische Liga zur Verteidigung der Menschenrechte vor Rückführung über die betroffenen Personen informiert werden könnte. Ich sagte Maitre Ali Yahia eine Prüfung zu. Wie im normalen Alltagsgeschehen der Beziehungen zwischen Bundesregierung und Bundestag üblich und wie auch erst gestern noch einmal ausdrücklich vom Parlamentarischen Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Herrn Kollegen Schäfer, empfohlen, bemühte ich mich um Einsicht in das entsprechende Protokoll auf dem kleinen Dienstweg. Mein Mitarbeiter rief einen zuständigen Beamten im Bundesinnenministerium an. Dieser sah sich außerstande, mir Einblick in das Protokoll zu gewähren und verwies dabei auf eine entsprechende Weisung. Damit kann ich feststellen, daß sich der betreffende Beamte vollständig korrekt verhalten hat, denn das Problem war die Weisung. Es sei hinzugefügt, daß ich auch ohne den Besuch von Maitre Ali Yahia Kenntnis von der Existenz dieses Protokolls hätte haben können, denn mehrere deutsche Zeitungen hatten darüber bereits berichtet. Nachdem also dieser wohl besonders zweckmäßige Versuch gescheitert war, richtete ich eine entsprechende Bitte auf dem schriftlichen Wege an den Bundesminister des Innern, Herrn Kanther. Sehr schnell, mit Unterschrift einer Beamtin, erhielt ich die Mitteilung, daß die Angelegenheit bearbeitet wird und mir nach Vorliegen einer Stellungnahme Herr Staatssekretär Lintner antworten würde. Damit war offenkundig, daß die nächste Stufe des Zusammenwirkens von Parlament und Regierung gewählt wer- den mußte, nämlich die mündliche Anfrage in der Fragestunde. Diese Fragestunde nun führte zu Aussagen durch Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Lintner, die bei mir und bei jedem, der diesen Vorgang kritisch betrachten wird, zu außerordentlichen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Bundesregierung hinsichtlich ihrer Menschenrechtspolitik führt. Ich darf aus dem Protokoll zitieren. Auf meine Frage, ob er es mit der Glaubwürdigkeit der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung für vereinbar halte, daß sie es den Mitgliedern des Deutschen Bundestags durch die Nichtveröffentlichung unmöglich mache, in sachbezogener Weise über die deutsche Menschenrechtspolitik gegenüber Algerien zu sprechen, antwortete er wie folgt: „Die Tatsache, daß das Übereinkommen noch nicht veröffentlicht worden ist, geht unter anderem darauf zurück, daß noch Expertengespräche vereinbart worden sind, um die technischen Details zu erörtern. Zweitens geht sie darauf zurück, daß auf algerischer Seite Ratifizierungsbedarf besteht, das heißt, daß sich das dortige Parlament damit befassen muß, sich aber bisher noch nicht damit befassen konnte, weil zum Beispiel demnächst Wahlen in Algerien anstehen. " Die Feststellung eines Mitglieds der Bundesregierung, der Deutsche Bundestag könne nicht über eine internationale Vereinbarung informiert werden, weil sich ein anderes Parlament damit befassen muß, zeugt nach meiner Sicht von einem Verständnis des Verhältnisses von Regierung und Parlament in einem Staat, der auf seine demokratische Ordnung so stolz ist und sie gegenüber anderen Staaten als Beispiel hervorhebt, die höchstens damit zu entschuldigen ist, daß Herr Staatssekretär Lintner in der entsprechenden Sitzung geistig weggetreten war. Jede weitere Folgerung müßte zu Forderungen führen, die auf der Hand liegen. Inzwischen liegt das entsprechende Protokoll dem Innenausschuß vor. Aus dem beigefügten Briefwechsel mit dem algerischen Botschafter geht nun noch hervor, in welcher Weise die Bundesregierung auf Algerien eingewirkt hat, trotz des dort beabsichtigten Ratifizierungsprozesses das Protokoll schon vorläufig in Gang zu setzen. Was müssen Algerier, die sich die Beckmesserei der Vertreter auch deutscher Parteien gefallen lassen müssen, ob ihre Wahlen denn nun demokratisch genug seien, dabei denken, daß sich die deutsche Bundesregierung in der gleichen Zeit darum bemüht, Parlamentsrechte in Algerien faktisch auch noch einzuschränken? Inzwischen weiß ich aus den Mitteilungen des Parlamentarischen Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Herrn Kollegen Schäfer, daß man mit einem sehr langen Ratifizierungsprozeß durch das neue algerische Parlament rechnen muß. Ich glaube, daß diese Absicht des neuen algerischen Parlaments von uns hier zu begrüßen ist. Denn es macht Sinn, wenn sich Parlamente um Rechte der Mitwirkung vor allem auch in bezug auf internationale Vereinbarungen, die Menschenrechtsfragen berühren, bemühen. Damit bin ich grundsätzlich bei der Frage der Rolle des Parlaments in Menschenrechtsfragen. Der enge geschichtliche Zusammenhang zwischen der Geburtsstunde des modernen Parlamentarismus nach der Französischen Revolution und der Verkündung der Menschenrechte in Frankreich zeigt, wie eng beides miteinander verbunden ist. Und so ist es heute eine wichtige Praxis, daß sich Parlamentarier aller Länder, auch gestützt auf ihre Immunität, um Menschenrechtsfragen in aller Welt kümmern. Hier liegt die eigentliche, vielleicht vornehmste Aufgabe von demokratisch gewählten Parlamenten in der internationalen Politik. Dies von der Bundesregierung behindert zu sehen erfüllt eigentlich jeden, dem Menschenrechtsfragen und die Rechte von Parlamenten am Herzen liegen, mit Schrecken. Es wäre geboten, wenn die Bundesregierung als Ganze, gerade auch im Zusammenwirken der Ministerien für Auswärtiges und Inneres, überprüfen würde, ob nicht die Deklaration auf internationalen Menschenrechtskonferenzen, die in Verantwortung des Auswärtigen Amts abgegeben werden, gleichzeitig hier vom Bundesminister des Innern ad absurdum geführt werden. In diesem Sinne mag die Bundesregierung den Antrag der SPD als eine Hilfestellung empfinden, daß die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland in Menschenrechtsfragen von niemandem in Zweifel gezogen wird. Es sollte für die Bundesregierung ein Akt der Selbstverpflichtung sein, unverzülich menschenrechtsrelevante internationale Abkommen dem Bundestag zur Verfügung zu stellen, um es im Interesse der Menschenrechte auf dieser Welt deutschen Parlamentariern zu ermöglichen, damit in einer dem Verständnis demokratischer Parlamente entsprechenden Weise umzugehen. Vielleicht aber sollte die Bundesregierung einen Schritt weiter gehen und, wie die algerische Regierung ihrem Parlament, entsprechende Abkommen dem Bundestag zur Ratifizierung zuleiten. Amke Dietert-Scheuer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Fraktion wird dem Antrag der SPD zustimmen, weil wir die darin geforderte Information des Bundestages über die Aushandlungen von Rückübernahmeabkommen für dringend geboten halten. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß die Bundesregierung hinter dem Rücken des Parlaments Vereinbarungen mit Regierungen trifft, die in eklatanter Weise die Menschenrechte verletzen, und es nicht für nötig hält, das Parlament in ausreichendem Umfang zu informieren. Ich möchte hinzufügen: Sie enthält dem Parlament nicht nur Informationen vor, sie lügt es auch an. So geschehen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 11. Juni 1997, die wohl von Staatssekretär Lintner eher als Märchenstunde verstanden wurde. Auf meine Fragen nach den Verhandlungen eines Rückübernahmeabkommens mit dem Libanon leugnete Staatssekretär Lintner schlicht die Tatsache, daß überhaupt über solch ein Abkommen verhandelt worden sei. Er hätte sich besser mit dem Berliner Innensenator Schönbohm abspechen sollen, der bereits am 19. Mai auf eine Anfrage der Berliner AL-Fraktion sehr detailliert Auskunft über die Verhandlungen dieses Abkommens geben konnte. Er wußte immerhin zu berichten, daß von seiten der Bundesre- gierung der Entwurf eines bilateralen Rückübernahmeabkommens übergeben wurde. Meine Fraktion wird sich dieses Verhalten nicht bieten lassen. Wir werden deshalb im Ältestenrat beantragen, die Bundesregierung anzumahnen, ihrer Verpflichtung zu wahrheitsgemäßer Auskunft nachzukommen. Entscheidend sind hier jedoch nicht Fragen des persönlichen Umgangs. Was sich hier zeigt, ist die Ignoranz der Bundesregierung gegenüber den Verpflichtungen einer menschenrechtlich orientierten Flüchtlingspolitik. Natürlich läßt man sich nicht so gerne in die Karten schauen, solange der Deal noch nicht perfekt ist. Daß der Libanon nämlich ganz umsonst und aus reiner Freundlichkeit palästinensische Flüchtlinge zurücknimmt, die er im Prinzip ja auch lieber heute als morgen los sein möchte, das können sie vielleicht in einer Märchenstunde präsentieren. Hier wird Ihnen das jedoch niemand glauben. Diese Politik hat Methode. Systematisch versucht die Bundesregierung durch diese Abschiebeabkommen - und anders kann man sie ernsthaft nicht nennen -, sich ganzer Gruppen von Flüchtlingen zu entledigen, Flüchtlinge, die die fast unüberwindbaren Hürden des deutschen Asylverfahrens nicht nehmen konnten, die aber dennoch in ihrem Heimatland von Tod, Folter und Verschwindenlassen bedroht sind. Wie skrupellos die Bundesregierung diese Politik verfolgt, zeigt sich in besonderem Maß in dem Rückübernahmeabkommen mit Algerien. Hier wird die Perfidität auf die Spitze getrieben, wenn nämlich algerische Sicherheitskräfte nach Deutschland kommen - auf Kosten der Bundesregierung selbstverständlich -, um hier bei der Abschiebung der Flüchtlinge zu helfen. Es wird immer argumentiert, daß algerische „Schüblinge" bei ihrer Abschiebung besonders renitent seien. Für mich zeigt sich darin, in welch verzweifelter Situation diese Flüchtlinge sind, die oft monatelang vorher wie Verbrecher in Abschiebehaft gesessen haben. Jeder vernünftige Mensch, der aus den Medien auch nur einen Bruchteil der alltäglichen Schrecken des algerischen Bürgerkriegs mitbekommt, kann für die geplanten Abschiebungen nur Unverständnis aufbringen. Ein Krieg im übrigen, bei dem die europäischen Staaten sich bisher auf tatenloses Zusehen beschränken. Algerische Menschenrechtsorganisationen, die andes, als es die Deutsche Botschaft vermag, im Land recherchieren, haben in zahlreichen Fällen festgestellt, daß zurückgeschobene Flüchtlinge nach ihrer Ankunft spurlos verschwunden sind und bestenfalls nach langer Polizeihaft und Folter wieder auftauchten. Der UNHCR hat noch Anfang dieses Monats einen Abschiebestopp besonders für diejenigen Flüchtlinge gefordert, die von islamistischen Gruppen verfolgt werden. Sie haben in Algerien durch den Staat keinerlei Schutz mehr und hier in Deutschland nicht die geringste Chance auf Asyl. Wir fordern deshalb in unserem Antrag, daß das Rückübernahmeabkommen mit Algerien ausgesetzt wird. Klar ist für mich: Eine Bundesregierung, die sich in solch einer Form zum Komplizen und Vollzugsgehilfen eines korrupten und menschenverachtenden Re- gimes macht, sollte die Menschenrechte besser gar nicht mehr im Munde führen. Es wird Zeit, daß diese Politik ihr längst überfälliges Ende findet. Dr. Irmgard Schwaetzer (F.D.P.): Die innenpolitische Situation in Algerien kann uns allen nur zu größter Besorgnis Anlaß geben. Auch nach den Parlamentswahlen ist die Situation noch nicht durchgreifend verändert. Nach wie vor können terroristische Anschläge und Morde aus politischen Gründen nicht ausgeschlossen werden. Die Regierung greift hart und mit allen Gewaltmitteln, die ihr zur Verfügung stehen, durch, um den Terror zu bekämpfen, ohne allerdings - erwartungsgemäß - die Erfolge zu haben, die eine innere Befriedigung möglich machen würden. In einer innenpolitisch so gespannten Situation ist für die Algerier, die keine dauerhafte Auf enthaltsgenemigung in der Bundesrepublik Deutschland erhalten können, besondere Verantwortung gefordert bei der Frage einer möglichen Abschiebung. Das Rückübernahmeabkommen mit Algerien, das vor einiger Zeit von der Bundesregierung mit der algerischen Regierung abgeschlossen worden ist, steht in einer Reihe mit anderen Abkommen als Folge des Asylrechtskompromisses von 1994 im Deutschen Bundestag. Es ist allerdings, und darauf sei hier besonders hingewiesen, bisher nicht in Kraft getreten. Ein Zeitpunkt für das Inkrafttreten ist bisher auch nicht absehbar. Insofern entbehrt der Antrag der Grünen jeder sachlichen Grundlage. Dies muß im übrigen auch der Fraktion der Grünen bekannt gewesen sein, denn in der letzten Sitzung des Unterausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe hat das Auswärtige Amt ausdrücklich auf noch ausstehende Fachverhandlungen zu Einzelaspekten hingewiesen, für die bisher nicht einmal Verhandlungsrunden terminiert sind. Dennoch tun wir als Deutscher Bundestag natürlich gut daran, der Bundesregierung unsere Vorstellungen zur Umsetzung dieses Abkommens mit auf den Weg zu geben, damit unser Standpunkt in den weiteren Verhandlungen beachtet werden kann. Grundsatz muß in jedem Fall sein, daß vor einer Ausweisung bzw. Abschiebung mögliche Sicherheitsrisiken für den rückzuführenden algerischen Bürger besonders sorgfältig geprüft werden. Es ist wohl selbstverständlich, daß es für jeden einer Einzelfallprüfung bedarf. Besonders problematisch erscheint mir auch die von der Bundesregierung offensichtlich beabsichtigte Einbeziehung algerischer Sicherheitskräfte als Begleitung für abzuschiebende algerische Bürger von deutschem Boden aus. Dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, die Bundesregierung aufzufordern, den Deutschen Bundestag unverzüglich über solche Rückführungsabkommen oder auch andere Vereinbarungen, die besonderen Bezug zur Ausländer- und Asylpolitik haben, zu unterrichten, stehe ich mit großer Sympathie gegenüber. Allerdings muß ich mich auch hier fragen, ob der Antrag, der am 11. Juni 1997 eingebracht worden ist, wirklich notwendig war. Die Bundesregierung hatte ja bereits ebenfalls in der letzten Sitzung des Unterausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe durch das Auswärtige Amt eine solche Unterrichtung zugesagt. Auf jeden Fall ist es übertrieben, der Bundesregierung „Geheimhaltung" vorzuwerfen, da rechtlich gesehen keinerlei Notwendigkeit einer solchen Information besteht. Gerade im menschenrechtlichen Bereich haben wir immer wieder festgestellt, daß das Auswärtige Amt die enge Kooperation mit dem Deutschen Bundestag sucht. Ich vertraue darauf, daß in diesem Geiste der Partnerschaft auch die in dieser Debatte angesprochenen Fragen gelöst werden können. Ulla Jelpke (PDS): Vermutlich ist sich die Bundes- regierung sehr wohl bewußt, daß die Rückübernahmeabkommen, die sie mit Staaten wie Algerien, Jugoslawien, Bosnien-Herzegowina, Vietnam oder Libanon schließt, unverantwortlich und zutiefst unmenschlich sind. Sonst würde sie die Verhandlungen und den Abschluß dieser Deals kaum mit jener Aura von Geheimhaltungsdiplomatie umgeben. Wir unterstützen deshalb das Anliegen der SPD, die Bundesregierung zur Information über entsprechende Verhandlungen zu zwingen. Nicht nur das Rückübernahmeabkommen mit Algerien wurde jenseits öffentlicher Kontrolle und Diskussion unter Dach und Fach gebracht. Auch bei anderen Abkommen scheut die Bundesregierung die öffentliche Debatte wie das Huhn den Fuchs. Jüngstes Beispiel ist das Rückübernahmeabkommen mit dem Libanon. Über die Berliner Ausländerbehörde erfuhren wir, daß die Bundesregierung offenkundig mit der libanesischen Regierung über die Rückübernahme von palästinensischen Flüchtlingen verhandelt. In Berlin lebende Palästinenserinnen und Palästinenser erhielten letztmalige Duldungsbescheide mit der Begründung, ein Rückübernahmeabkommen mit dem Libanon stehe kurz vor dem Abschluß. Der Bundestag wußte von nichts. Nicht einmal der Innenausschuß wurde informiert. Der Bundesregierung ist sehr wohl bekannt, daß palästinensische Flüchtlinge im Libanon unerwünscht sind, daß sie systematisch diskriminiert und ihrer Menschenwürde beraubt werden. Dennoch sollen mindestens 15 000 Palästinenser von hier dorthin geschoben werden. Die Wahrung der Menschenrechte führt die Bundesregierung deklaratorisch bei jeder Gelegenheit im Munde. Klopft man jedoch ihre praktische Politik insbesondere im Umgang mit Flüchtlingen auf ihre Menschenrechtsorientierung ab, ergibt sich, daß all die wohlklingenden Bekundungen keinen Pfifferling wert sind. Das Rückübernahmeabkommen mit Algerien ist ein beredtes Beispiel dafür. Es ist auch der Bundesregierung bekannt, daß die Menschenrechte in Algerien mit Füßen getreten werden. Rückübernahmeabkommen mit Terrorländern wie Algerien untergraben den internationalen Flüchtlingsschutz. Es liegen in Algerien vielfältige Verfolgungssituationen vor, durch staatliche wie durch nichtstaatliche Stellen. Das deutsche Asylrecht jedoch erkennt - wenn überhaupt - nur Verfolgung durch staatliche Institutionen an und verkennt damit bewußt die Realitäten. Die staatlichen Strukturen in Algerien sind längst in Auflösung begriffen. Die staatlichen Organe sind nicht in der Lage oder willens, Menschen vor Verfolgung durch bewaffnete Gruppen zu schützen. Im Gegenteil, sie machen sich selber schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig. Wir unterstützen daher den Antrag der Grünen, das Rückübernahmeabkommen mit Algerien auszusetzen. Gerade am Beispiel Algeriens läßt sich aufzeigen, daß die regierungsamtliche und justitielle Beschränkung des deutschen Asylrechts auf staatliche Verfolgung viel zu kurz greift. Ähnliches trifft auf Afghanistan zu. Dort sind keine staatlichen Strukturen mehr aufzufinden, die in irgendeiner Weise Schutz vor Verfolgung bieten könnten. Afghanische Flüchtlinge finden bei uns jedoch kein Asyl. Sie werden aber auch nicht abgeschoben, versicherte uns Staatssekretär Lintner im Innenausschuß. Die Wahrheit scheint anders auszusehen: Der UNHCR berichtete, daß zwar keine Afghanen abgeschoben, wohl aber am Flughafen Frankfurt am Main zurückgewiesen wurden. Sie durften gar nicht erst einreisen, um ihre Verfolgungssituation darzulegen. Dies hat nichts mit Menschenrechtspolitik zu tun, das ist brutale Ausgrenzungs- und Ausschaffungspolitik. Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag der SPD soll die Bundesregierung politisch verpflichtet werden, den Bundestag künftig stets unverzüglich über den Abschluß internationaler Vereinbarungen mit besonderer Bedeutung auf dem Gebiet der Ausländer-, Asyl- und Menschenrechtspolitik zu informieren. Diese Unterrichtungspflicht soll insbesondere für Abkommen über die Rückführung ausreisepflichtiger Personen - z. B. rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber - gelten, jedoch nur bei Staaten, „bei denen unterschiedliche Auffassungen über die Sicherheitslage für die Betroffenen bestehen". Um das Ergebebnis gleich vorwegzuschicken: Diesen Antrag halte ich politisch wie sachlich für überflüssig. Denn er fordert einerseits Selbstverständliches, unterstellt jedoch andererseits, die Bundesregierung würde in einem innen- wie außenpolitisch so sensiblen Felde wie der Rückführungspolitik unter Mißachtung ihrer menschenrechtlichen und parlamentarischen Verpflichtungen eine „Geheimdiplomatie" zu Lasten der Betroffenen betreiben. Dies ist ein absurder Vorwurf, den ich entschieden zurückweise. Ihnen allen ist bekannt, daß die Bundesregierung in der Vergangenheit bereits mit zahlreichen europäischen und außereuropäischen Staaten Rückführungsabkommen geschlossen hat, die aufgrund ihres rein technischen Regelungsinhaltes nicht ratifizierungsbedürftige Regierungs- bzw. Ressortübereinkünfte darstellen. Erinnern darf ich hier nur beispielhaft an die Abkommen mit Rumänien, Bulgarien, der Schweiz, Tschechien, Jugoslawien oder BosnienHerzegowina. Ferner dürften Sie mir alle zustimmen, daß die Entscheidung, mit einem anderen Staat in bilaterale Rückübernahmeverhandlungen einzutreten, eine originäre Exekutivbefugnis darstellt und nicht bereits in diesem frühen Stadium Gegenstand einer Unterrichtungspflicht ist - wie dies etwa bei Vorhaben der Europäischen Union der Fall ist. Trotz dieser unstreitigen rechtlichen Freiräume der Regierung ist aber gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß die Abgeordneten des Deutschen Bundestages bei den bisherigen Rückübernahmeabkommen stets in engem zeitlichen Zusammenhang über den Vertragsschluß informiert worden sind. Die von der SPD geforderte unverzügliche Unterrichtung entspricht daher bereits lange praktiziertem parlamentarischen Brauch. Davon abgesehen ist der Antrag der Opposition aber auch aus sachlichen Gründen abzulehnen. Denn das die Unterrichtungspflicht auslösende Kriterium - ich zitiere: „Staaten, bei denen unterschiedliche Auffassungen über die Sicherheitslage für die Betroffenen bestehen" - ist derart vage, daß es politisch beliebig instrumentalisierbar wird, zumal bei so gut wie jedem - jedenfalls außereuropäischen - Drittstaat von interessierten Unterstützerkreisen Sicherheitsbedenken vorgetragen werden. So kann nicht eine differenzierte Lösung für das berechtigte und legitime Informationsbedürfnis der Abgeordneten des Deutschen Bundestages aussehen. Daß eine unterschiedliche Auffassung über die Sicherheitslage im Herkunftsstaat als Abgrenzungskriterium in der Praxis nicht taugt, zeigt sich gerade auch an dem im Antrag aufgeführten Beispiel des Rückübernahmeprotokolls mit Algerien. Denn die kritisierte Unterrichtungspraxis im Falle Algeriens orientierte sich nicht an einer unterstellten Geheimhaltungsabsicht, sondern allein daran, daß in weiteren Vorbereitungsgesprächen erst noch Absprachen zu zahlreichen praktischen Umsetzungsfragen getroffen werden müssen. Da diese - nicht zuletzt wegen der vorzeitigen Veröffentlichung der Protokollunterzeichnung - bislang noch nicht terminiert werden konnten, ist das am 14. Februar d. J. geschlossene Rückübernahmeprotokoll mit seinem jetzigen Regelungsinhalt noch unvollständig und nicht vollzugsfähig. Demgemäß gibt es auch noch keine sinnvolle Beratungsgrundlage im parlamentarischen Raum ab. In der Praxis kommt ihm zur Zeit noch keinerlei Bedeutung für Rückführungen nach Algerien zu. Der Sensibilität der Materie und dem Grundsatz der Vertraulichkeit laufender Verhandlungen würde es meiner Meinung nach nicht dienen, vorzeitig halbfertige Ergebnisse vorzulegen, die noch nicht „spruchreif" sind. Denn hierdurch wird nur - wie die gezielten Indiskretionen aus dem Bereich des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen an die Medien im Falle Algeriens belegen - Spekulationen Raum gegeben und der Verhandlungserfolg, für den allein die Bundesregierung verantwortlich zeichnet, gefährdet. Eine, wie bei Algerien, am Grundsatz der Vertraulichkeit orientierte Verhandlungsführung hat jedoch in keiner Weise etwas mit „Geheimdiplomatie" zu tun. Aus diesem Grunde hatte ich auch veranlaßt, daß das Protokoll - nach der vorzeitigen Veröffentlichung in der Presse - dem Innenausschuß des Deutschen Bundestages am 21. Mai 1997 förmlich zur Unterrichtung übersandt worden ist. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zu den Zusatztagesordnungspunkten 22, 23 und 24 (Neuntes Sozialgesetzbuch V-Änderungsgesetz, Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze und Antrag: Grundsätze zur gesetzlichen Regelung der Berufe der Psychologischen und Psychotherapie und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie) Sigrun Löwisch (CDU/CSU): Nach Bemühungen von bald 20 Jahren, nach einem in der vergangenen Wahlperiode in letzter Minute am Widerstand der SPD im Bundesrat gescheiterten Gesetzgebungsverfahren, bei dem die Koalition im Vermittlungsverfahren bis an die Schmerzgrenze gegangen ist, unternehmen wir mit den beiden vorliegenden Gesetzentwürfen einen neuen Anlauf zur Regelung der berufs- und sozialrechtlichen Stellung der Psychologischen Psychotherapeuten. Die Koalition hat sich dabei von folgenden Prämissen leiten lassen: Erstens. Im Interesse der Bürger an einer qualitativ hochwertigen Psychotherapie schützen wir das Berufsbild der „Psychologischen Psychotherapeuten" und der „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten" . Zweitens. Psychologische Psychotherapeuten werden als eigenständige Leistungserbringer im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt. Drittens. Die nichtärztlichen Psychotherapeuten werden gleichberechtigt in die Kassenärztlichen Vereinigungen integriert. Viertens. Die Patienten werden an den Kosten einer Psychotherapie beteiligt. In Härtefällen und für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre entfällt die Zuzahlung. Bei unseren Gesetzentwürfen stützen wir uns im Berufsrecht auf den Kompromiß, der in der vergangenen Legislaturperiode die weitgehende Zustimmung der Gesundheitspolitiker von Koalition und Opposition gefunden hatte. Diese Grundlage findet auch breite Zustimmung bei den Verbänden. Die Regelungen sollen um Vereinbarungen zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Therapeutenverbänden ergänzt werden. Bedingung für die Tätigkeit als heilkundlicher Psychotherapeut ist eine Approbation als „Psychologischer Psychotherapeut" oder als „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut" . Für Psychologen, die ihre Ausbildung nicht mehr nach den neuen Bestimmungen absolvieren können, sind ausgewogene Übergangsbestimmungen vorzusehen. Diese werden wir in enger Abstimmung mit den Verbänden entwikkeln. Mit den Übergangsbestimmungen müssen wir dem Anspruch der Patienten auf eine qualitativ hochstehende Psychotherapie Rechnung tragen. Der Pa- tient soll sicher sein, daß eine Approbation nur solchen Behandlern erteilt wird, die in Theorie und Praxis über die erforderliche Erfahrung verfügen. Der Hilfesuchende muß darauf bauen können, daß die Behandlungsmethode seines Therapeuten wissenschaftlich abgesichert ist. In Zweifelsfällen wird die wissenschaftliche Anerkennung eines Verfahrens durch die Behörden auf Grundlage von Gutachten der Vertreter der Psychologischen Psychotherapeuten, der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie der Bundesärztekammer ausgesprochen. Daß das Gesetz verwirklicht wird, ist auch deshalb notwendig, weil sich inzwischen ein „grauer Markt" unterschiedlichster, nicht anerkannter Therapien entwickelt hat, bei denen eine Qualitätsüberprüfung fehlt. Für die Patienten, aber auch für Krankenkassen und Ärzte, ist dieser Markt undurchschaubar geworden. Die Übergangsbestimmungen berücksichtigen aber zugleich den Vertrauensschutz für diejenigen Psychologischen Psychotherapeuten, die bereits bisher an der Versorgung von Versicherten einer Krankenkasse teilgenommen haben oder über eine entsprechende Qualifikation verfügen. Im Interesse des Patientenwohles halten wir weiter an der Notwendigkeit einer konsiliarischen Abstimmung des Psychologischen Psychotherapeuten mit einem Arzt zu Beginn der Therapie fest. Wir wissen, daß körperliche und seelische Ursachen und Wirkungen einer Erkrankung häufig nur schwer voneinander unterschieden werden können. Wer vor diesem Hintergrund auf die somatische Abklärung des Krankheitsbildes vor Beginn einer Psychotherapie verzichten will, handelt unverantwortlich. Dieses Konsiliarverfahren stellt auch in keiner Weise die Gleichberechtigung der Psychologen als psychotherapeutische Leistungserbringer in Frage. Vielmehr kann die somatische Abklärung eines Krankheitsbildes nur durch einen Arzt erfolgen. Die Gleichberechtigung der Psychologischen Psychotherapeuten findet auch im sozialrechtlichen Teil unseres Entwurfes ihren Niederschlag. Wir folgen hier dem sogenannten Integrationsmodell, auf das sich Ärzte und die Vertreter der nichtärztlichen Psychotherapeuten nach langen Verhandlungen verständigt haben. In der Praxis heißt dies: Ordentliche Mitgliedschaft der Psychologischen Psychotherapeuten in den Kassenärztlichen Vereinigungen, Einführung einer einheitlichen Bedarfsplanung für ärztliche und Psychologische Psychotherapeuten, paritätische Besetzung der Leistungserbringerbank mit ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten im Bundesausschuß der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, wenn über die Psychotherapie-Richtlinien beraten wird. Lassen Sie mich auf den Punkt kommen, an dem die SPD in der vergangenen Legislaturperiode das Psychotherapeutengesetz scheitern ließ: die Eigenbeteiligung der Patienten. Die Opposition hat die Zuzahlung mit ideologischem Eifer und unter Verkennung der praktischen Erfordernisse abgelehnt. Die Aufnahme neuer Leistungserbringer in die GKV - und das in einem Bereich, dessen Kostendynamik potentiell erheblich ist - macht die Festschreibung einer Zuzahlung notwendig. Nur auf diese Weise kann die Psychotherapie zukunftsfest im Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung verankert werden. Wir gehen grundsätzlich davon aus, daß Psychotherapie als Sachleistung erbracht wird. Der Gesetzentwurf der Koalition sieht daher eine Regelzuzahlung von 25 Prozent vor. Die Zuzahlung kann von der Selbstverwaltung bei bestimmten Indikationen auf 10 Prozent abgesenkt werden. Dazu können die Spitzenverbände der Krankenkassen im Benehmen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung diejenigen Krankheitsbilder festlegen, bei denen die Eigenbeteiligung wegen der besonderen Schwere der Erkrankung nur 10 Prozent betragen soll. Insgesamt ist sichergestellt: Niemand wird wegen der Zuzahlung auf eine psychotherapeutische Behandlung verzichten müssen, denn selbstverständlich ist die Eigenbeteiligung sozialverträglich abgefedert. Erstens. Die Eigenbeteiligung ist erst nach den probatorischen Sitzungen zu leisten. Zweitens. In Härtefällen braucht keine Zuzahlung geleistet zu werden. Die Härtefallklausel des SGB V wird um psychotherapeutische Leistungen erweitert. Drittens. Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr sind von der Eigenbeteiligung generell befreit. Damit sind 20 Millionen Bürger von der Zuzahlung vollständig befreit - 8 Millionen Erwachsene und 12 Millionen Kinder und Jugendliche. Um die Regelung der Psychologischen Psychotherapie ist zwei Jahrzehnte lang gerungen worden. Patienten wie Behandler warten schon lange auf eine positive Entscheidung des Gesetzgebers. Die vorgestellten Entwürfe der Koalition sind sachgerecht und sozial. Um den Nein-Sagern im Lager der Opposition aber auch das letzte Argument für eine weitere Blockade zu nehmen, bauen wir den Kollegen der Opposition goldene Brücken. Die Regelung der Eigenbeteiligung haben wir ausgegliedert und in einen eigenen Gesetzentwurf gefaßt. Wenn Sie nicht bereit sind, einer im Licht der Kostenentwicklung verantwortlichen Lösung zuzustimmen, so wird die Koalition diese alleine beschließen. Sicherlich unstrittig ist, daß gleichzeitig mit dem Psychotherapeutengesetz die Berufsbezeichnung der Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten in „Ergotherapeuten" geändert und diese Berufsbezeichnung in Zukunft geschützt wird. Die alte Berufsbezeichnung trug nach unserer Meinung dem Wert der therapeutischen Leistungen nicht mehr angemessen Rechnung, so daß wir mit der Änderung und Unterschutzstellung des Namens der hochqualifizierten Erbringung der Leistung unsere Anerkennung zollen. Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Man könnte sich freuen, daß die Koalition jetzt endlich ihr Psychotherapeutengesetz auf den Tisch legt. Aber siebenundzwanzig Monate Hinhaltepolitik sind nicht vergessen. Vergessen auch nicht das Hü und Hott, das Hin und Her, die Ankündigungen und die Fehlanzeigen. Einer der Höhepunkte der Hü-und-HottWelle war die veranlaßte Rechtsaufsicht gegen die Verträge mit den Erstattungspsychologen. Der Widerspruch, die erforderliche rechtliche Basis für die Arbeit der Erstattungspsychologen, das Psychotherapeutengesetz, wurde nicht auf den Weg gebracht. Dagegen brachte Seehofers oberster Beamter seine Beanstandung bei der Rechtsaufsicht unter. In Folge davon klagte die Kassenärztliche Bundesvereinigung gegen die Krankenkassen. In Folge davon brachen rund 50 Prozent der Versorgung weg, die Psychologischen Psyhotherapeuten über Jahre sichergestellt hatten. In Folge davon mußten aus heiterem Himmel Tausende von Patienten ihre Behandlung abbrechen, Tausende von Behandlern standen vor ihrem beruflichen Ende. Der nächste Höhepunkt der Hü-und-Hott-Bewegung: Im Eilverfahren wird nun ein Gesetz in letzter Sekunde vor der Sommerpause zur mitternächtlichen Stunde eingebracht. Der Wind, den die Koalition macht, soll vorgaukeln, daß nun gehandelt wird. Guckt man genauer hin, stellt man fest, daß das Handeln auf 1999 vertagt ist. Erst dann soll das Gesetz in Kraft treten. Wir alle hatten in den letzten Wochen erlebt, wie die sogenannten Gesundheitsreformgesetze durchs Plenum gepeitscht wurden. Sie alle traten entweder rückwirkend oder unmittelbar in Kraft. Der Witz der heutigen Debatte ist, daß wir mit ebenso großer Hektik ein Gesetz beraten, dessen Inkrafttreten nicht rückwirkend zum Jahresanfang, sondern in eineinhalb Jahren sein soll. Das Wahljahr 1998 läßt grüßen. Ohne Not verlängert die Koalition damit die zwanzigjährige Geschichte um das Psychotherapeutengesetz erneut um eineinhalb Jahre. Man fragt sich schon, warum sich die Koalition die Arbeit so schwer macht. Die Koalition hätte es sich so einfach machen können. Seit siebenundzwanzig Monaten liegt ihr ein handwerklich erstklassiges Psychotherapeutengesetz vor, das sie hätte abschreiben müssen. Der große Vorteil des SPD-Gesetzentwurfes: Eine Zustimmung von allen - von den psychisch Kranken, von den Krankenkassen, von den Berufsverbänden und vom Bundesrat. Aber anders bei der Koalition: Eine breite Zustimmung von allen bedeutet ihnen nichts. Die Zustimmung aus Köln, von der KBV, alles. Um so mehr muß sich die Koalition fragen lassen: Will die Koalition wirklich die psychosoziale Gesundheit der Gesellschaft zur Schlüsselaufgabe machen? Will die Koalition wirklich alle Heilberufe in die Lage versetzen, sich gemeinsam für die Gesundheit der Menschen bei minimalem Ressourcenverbrauch einzusetzen? Will die Koalition wirklich Gesundheit unabhängig vom Geldbeutel machen? Will die Koalition wirklich psychisch Kranke mit somatisch Kranken gleichstellen? Will die Koalition wirklich anerkannte Psychotherapeuten vor selbsternannten Heilern und Scharlatanen schützen? Will die Koalition wirklich, daß die beiden akademisch ausgebildeten Heilberufe - Ärzte und Psychotherapeuten - gleichberechtigt kooperieren? Die Antwort ist klar: Überall ein bißchen, aber bitte nicht konsequent! Wenn es nach der Koalition geht, soll die Geschichte des Psychotherapeutengesetzes weiter die Geschichte des Verteilungskampfes bleiben. Auf der Strecke bleiben die Menschen, die psychisch Kranken. Dabei hätte es die Koalition in der Hand gehabt, die Menschlichkeit einige Schitte nach vorn zu bringen. Aber darum geht es nicht. Menschlichkeit bleibt im Krieg um die Pfründe auf der Strecke. Egozentrischer Lobbyismus und Geldgier rangieren bei der Debatte um das Psychotherapeutengesetz immer höher als die Verantwortung für das Gemeinwesen. Und heute? Eine nüchterne Bestandsaufnahme der bundesdeutschen Versorgungssituation ergibt ein alarmierendes Bild: Menschen irren durchschnittlich sieben Jahre durch das System, bevor sie eine angemessene psychotherapeutische Versorgung erhalten. Nur jeder fünfte Bundesbürger erhält die psychotherapeutische Versorgung, die für ihn angezeigt wäre. Über 1 Milliarde DM werden pro Jahr für Psychopharmaka auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgegeben. Heilung bringen Psychopharmaka aber nicht. Die SPD-Bundestagsfraktion hat deswegen bereits vor siebenundzwanzig Monaten einen Gesetzentwurf vorgelegt, von dem Seehofer und seine Koalition hätten besser abschreiben sollen. Die SPD macht psychotherapeutische Behandlung allen Versicherten ohne Einschränkung direkt zugänglich. Die SPD will, daß die Versicherten ohne Umwege direkten Zugang zum Psychotherapeuten haben. Kostenerstattung und Selbstbeteiligung haben bei der SPD keinen Platz. Psychologische und ärztliche Psychotherapeuten werden von der SPD einander gleichgestellt. Psychotherapeuten sind keine Handlanger der Ärzte. Die SPD will den Psychotherapeuten gleichberechtigte Vertragsautonomie sichern. Patienten brauchen Schutz vor Scharlatanerie. Deshalb will die SPD die Berufsbezeichnung Psychotherapeut schützen. Die SPD will eine transparente Qualitätssicherung durchsetzen, um den grauen Markt abzuschaffen. Die SPD will Übergangsregelungen schaffen, die die Fachleute, die für Versorgung geradegestanden haben, nicht ausschließt oder benachteiligt. Inzwischen pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Die Zeit der Berufsstände im Gesundheitssystem ist ebenso vorbei wie das Zeitalter des Dualismus in der Medizin. Kooperationsfähigkeit wird zur Schlüsseleigenschaft aller Beteiligten im Gesundheitswesen von morgen. Die dafür zwingend notwendige Einbindung der Psychologischen Psychotherapeuten in das Gesundheitssystem ist überfällig. Die Zukunft gehört den interdisziplinären und multiprofessionellen Bewältigungsteams für die Probleme der kranken Menschen. Die Krankheit des sozialen Bindegewebes braucht die couragierte Kraft von Ärzten und Psychologen zusammen. Leitidee unseres Entwurfes ist der gleichberechtigte Einbezug der Psychologischen Psychotherapeuten in die Organisationsstrukturen der Kassenärztlichen Vereinigungen. Zu diesem Zweck sollen innerhalb der KVen Sektionen gebildet werden. Eine Sektion ist die der ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten mit eigenem, gleichberechtigtem Verhandlungsmandat auf Landes- und Bundesebene. Von dieser Versorgungs- und Organisationsqualität ist die Koalition aber Lichtjahre entfernt. Anstatt klare Aussage zugunsten der Kranken und der Behandler zu treffen, spielt die Koalition mit gezinkten Karten. Für sie hat das Psychotherapeutengesetz einen zentralen Zweck: Geld aus den Taschen der Versicherten zu zocken, Leistungen auszugrenzen und Kranke im Stich zu lassen. Auch der Trick, die Zuzahlung zustimmungsfrei aus dem ansonsten zustimmungspflichtigen Gesetz auszugliedern, ist zu plump. Die Koalition will tatsächlich, unvorstellbar, 25 Prozent der Kosten bei den psychisch Kranken abzokken. Bei einem durchschnittlichen Stundensatz von 130 DM und einer Therapiedauer von rund 70 Stunden kommen rund 2300 DM zusammen. Bei einer längerfristigen Behandlung durch Analytiker können es auch locker 6500 DM sein. Ich nenne das Strafzoll für die Seele. Psychisch Kanke werden gegenüber somatisch Kranken diskriminiert. Ebenso werden die Behandler gegenüber ihren somatisch praktizierenden Kollegen abgewertet. Ich frage mich, ob sich die „Liberalen" oder die „Christlich-Sozialen" nicht schämen, ausgerechnet auf dem Rücken der psychisch Kranken, ausgerechnet auf dem Rücken derjenigen, die sich nicht wehren können, Tausende Mark von Strafgeldern einzuführen. Aber auch die Heilberufe werden die Verlierer sein. Die Psychotherapeuten werden zum Vorreiter für ein Praxis-Eintrittsgeld. Die Schizophrenie der Koalition sieht in der Praxis wie folgt aus: Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung, Herr Schorre, seines Zeichens Psychiater, wird seine Praxis teilen müssen. Sein Klientel als Psychiater kann ohne Eintrittsgeld in die Praxis kommen. Die Menschen von nebenan, die eine psychotherapeutische Versorgung benötigen, müssen vorher an seinem neuen Kassenschalter das „Koalitions-Eintrittsgeld" bezahlen. Die Erhöhung von 12 DM auf 25 DM bei RehaMaßnahmen hat dazu geführt, daß Tausende ihre noch genehmigten Reha-Maßnahmen nicht antreten. Warum wohl? Weil sie sich dies nicht mehr leisten können. Die Frage, was dieser brutale Abkassier-Effekt bei der Psychotherapie auslöst, könnte erst nach dem Wahltag 1999 ermittelt werden. Ich habe „könnte" gesagt, weil dieses Gesetz nach dem Wahltag nicht Wirklichkeit werden wird. Der Preis, den die Koalition den Patienten und Versicherten nun für eine angemessene psychotherapeutische Versorgung abzockt, ist der Preis der ZweiKlassen-Medizin. Psychotherapie wird zum Luxusgut. Damit aber entlarvt sich die Koalition selbst. Monika Knoche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Diskriminierung psychisch Kranker gegenüber somatisch Kranken und Eintrittsgeld beim Arztbesuch sind die Quintessenz des Gesetzentwurfes der Regierungskoalition. Es ist ein Sprengsatz, den die Regierungskoalition damit legt. Es ist eine gesundheitspolitische Schande. Meine Damen und Herren, ist die Bundesregierung lernfähig? Hat sie aus ihren Fehlern von 1994 gelernt, als sie den Bundesratsentwurf wegen ihres Beharrens auf Zuzahlungen scheitern ließ? Die Regierungskoalition hat immer noch nicht begriffen, daß Psychotherapie keine Luxusmedizin ist. Psychotherapie muß ein selbstverständlicher Teil der Gesundheitsversorgung werden. Zuzahlungen diskriminieren psychisch Kranke gegenüber somatisch Kranken. Es gibt keinen Grund, psychisch Kranke schlechterzustellen als somatisch Kranke. Nach den Grundsätzen der Weltgesundheitsorganisation besteht Gesundheit aus der Einheit von seelischem und körperlichem Wohlbefinden. Der Regierungsentwurf ist nicht nur ein Rückschritt. Er ist eine Provokation. Eintrittsgeld beim Arztbesuch ist der Systembruch, Eintrittsgeld bei ärztlicher konsiliarischer Abklärung und ärztlicher Psychotherapie. Meine Damen und Herren, wir alle wissen, daß eine sozial- und berufsrechtliche Regelung der Psychologischen PsychotherapeutInnen und der Kinder-und JugendlichenpsychotherapeutInnen längst überfällig ist. Seit einem viertel Jahrhundert fehlt sie. Schon in den siebziger Jahren wurden im Rahmen der großen Psychiatriereform in Deutschland die Stigmatisierung und Unterversorgung von psychisch Kranken ins öffentliche Bewußtsein gerückt. Interdisziplinäre Therapie im stationären Bereich, die alle Heil- und Sozialberufe umfaßt, war gewollt. Ein entsprechender Ausbau einer gleichgearteten ambulanten Versorgung ist bislang nicht erreicht worden. Noch in der 12. Legislaturperiode ließen Sie den in den Grundzügen durchaus gescheiten Gesetzentwurf des Bundesrates, der von den Ländern Hessen und NRW eingebracht worden ist, scheitern, nur weil Sie auf Selbstbeteiligung der PatientInnen beharrten. Sie müssen sich an Ihre eigene Nase packen, wenn Sie in Zukunft von Blockadepolitik reden. Auf der anderen Seite haben Sie die Existenzgrundlagen der PsychotherapeutInnen, die auf Kostenerstattung arbeiten, auf unverantwortliche Weise bedroht und politisch instrumentalisiert. Denn nicht anders ist der Brief vom September 1996 aus dem Bundesministerium für Gesundheit an den Präsidenten des Bundesversicherungsamtes zu verstehen, in dem, vornehm formuliert, Druck auf die Krankenkassen ausgeübt worden ist, ihre freiwilligen Leistungen - wie Psychotherapie auf Kostenerstattungsbasis - zurückzuführen. Die Psychotherapie auf Kostenerstattung macht in etwa die Hälfte der psychotherapeutischen Gesundheitsversorgung aus. Sie ist entstanden, weil es große Defizite gab und gibt. Angeheizt durch Ihre Kürzungspolitik und Weisungspolitik ist damit die Existenz von fast 5000 Praxen, die auf Kostenerstattung arbeiten, also fast die Hälfte der psychotherapeutischen Versorgung, bedroht worden. Die Leidtragenden einer solchen Politik sind letztendlich die PatientInnen, da ihnen dann adäquate und qualifizierte Behandlungen durch PsychotherapeutInnen fehlen werden oder unvertretbar lange auf einen Behandlungsplatz warten müssen. Es ist ein unvertretbares Verwirrspiel auf Kosten der PatientInnen, das hier stattfindet. Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist eine unerträgliche Provokation: Eintrittsgeld beim Arztbesuch, Eintrittsgeld bei ärztlicher Psychotherapie und bei ärztlicher konsiliarischer Abklärung. Der einzige Lichtblick in Ihrem Gesetzentwurf ist, daß Sie sich von der grünen Idee einer Kammerbildung des Berufsstandes auf Landesebene leiten ließen. Wir benennen in unserem Antrag deutlich, nach welchen Grundsätzen eine gesetzliche Regelung der Berufe zu erfolgen hat. Es geht darum, eine qualifizierte und ausreichende psychotherapeutische Gesundheitsversorgung zu gewährleisten und die Berufe der Psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichentherapeutinnen und -therapeuten sozial- und berufsrechtlich abzusichern. Dazu gehört die umfassende Gleichstellung von psychisch und somatisch Kranken, die Verankerung der Psychologischen Psychotherapie als Regelleistung, keine Selbstkostenbeteiligung; denn Studien belegen, daß durch Zuzahlungen ein beträchtlicher Anteil der bedürftigen PatientInnen von der psychotherapeutischen Gesundheitsversorgung ausgeschlossen werden. Wahlfreiheit von psychotherapeutischen Therapierichtungen und Therapeutinnen muß gewährleistet werden. Zu einer adäquaten psychotherapeutischen Krankenbehandlung muß ein pluralistisches Angebot (z. B. tiefenpsychologisch fundierte Psychoanalyse, Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie und Gestalttherapie) gehören. Denn die Gesundheitsversorgung muß in die Lage versetzt werden, ein Angebot für erkrankte Personen bereitzustellen, welches die Leistungsfähigkeit der Therapien bei unterschiedlichen Krankheitsbildern aufgreift. Das ist in den vorliegenden Entwürfen fast nicht berücksichtigt. Nicht wieder unter den Tisch fallen darf, daß es einer frauengemäßen Psychotherapie bedarf. Denn für die Gesundheitsbedürfnisse von Frauen stellt die psychotherapeutische Versorgung eine besonders wichtige Leistung dar. Versicherte müssen ohne Umwege einen direkten Zugang zum Psychotherapeuten oder zur Psychotherapeutin erhalten. Die Kooperation von Ärztinnen und Psychologischen Psychotherapeuten ist zwischen den Berufsständen selbständig zu regeln. Alles andere ist Bevormundung. Zu den Anforderungen muß selbstverständlich gehören, daß die Berufe von Psychologischen und ärztlichen Psychotherapeutinnen umfassend gleichgestellt werden. Auch diesem Anspruch wird der Regierungsentwurf nicht gerecht. Statt gleichberechtigt und eigenständig wie die Ärzte in einem eigenen Bundesausschuß als Bundesvereinigung der Psychologischen Psychotherapeutinnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen mit den Krankenkassen zu verhandeln, werden sie zu einem beratenden Appendix der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemacht. Statt die PatientInnen mit 25 % Zuzahlung zu belasten, könnten die Aufwendungen für psychotherapeutische Leistungen in unmittelbaren Zusammenhang mit den medizintechnisch-medikamentösen Leistungen gebracht werden. Es kann doch nicht in Ordnung sein, daß wesentlich mehr Geld für Psychopharmaka ausgegeben wird als für Psychotherapie. Falsche Medikamentisierung ruft gesundheitliche Folgeschäden hervor und belastet unmittelbar den Etat der Krankenkassen. Durch die Gleichstellung psychotherapeutischer Behandlung wird ermöglicht, daß kostenintensive Fehlbehandlungen über Jahre hinweg vermieden, Krankenhausaufenthalte reduziert, somatische und psychische Erkrankungen angemessen behandelt und unnötige Kostenbelastungen vermindert werden. Mit Ihren Zuzahlungen von 25 % und Ihrer Aushebelung der Zustimmungspflicht des Bundesrates in diesem Punkt haben Sie nicht nur ein schlechtes Omen für eine Einigung und die Verabschiedung eines PsychotherapeutInnengesetzes in dieser Legislaturperiode gesetzt. Einer Diskriminierung psychisch Kranker und einem Eintrittsgeld beim Arztbesuch werden wir entschieden entgegentreten. Dr. Dieter Thomae, (F.D.P.): Bereits in der letzten Legislaturperiode, konkret am 13. Oktober 1993, hat die Koalition einen Gesetzentwurf eingebracht, der sowohl das Berufsrecht für die Psychotherapeuten regeln sollte als auch ihre sozialrechtliche Einbindung. Dieses Vorhaben ist im Laufe des Jahres 1994 daran gescheitert, daß die SPD-geführten Bundesländer mit ihrer Mehrheit im Bundesrat dieses zustimmungspflichtige Gesetz nicht mitgetragen haben, weil sie sich aus ideologischen Gründen gegen jede Form einer Selbstbeteiligung verwahrt haben. Die Koalition macht heute einen neuerlichen Anlauf, dieses Gesetz, das wir dringend brauchen, endlich über die Hürden zu bringen. Von äußerster Bedeutung ist dabei insbesondere das' Berufsrecht, das Vorgaben für die Aus- und Weiterbildung der Psychologen zum Psychotherapeuten vorgibt. Wir sind dabei von den Regelungen ausgegangen, die in der vergangenen Legislaturperiode im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat vereinbart worden sind. Einige Verbesserungen sorgen für eine bessere Umsetzbarkeit dieser Vorschriften. Wenn es nach uns geht, wird also zukünftig jeder Patient, der zu einem Psychologischen Psychotherapeuten geht, genau wissen, daß das jemand ist, der die zur Behandlung notwendigen Fähigkeiten mitbringt. Das ist auch wichtig unter dem Gesichtspunkt, daß wir im sozialrechtlichen Teil von dem heutigen Delegationsverfahren abgehen, bei dem der Patient zunächst einen Arzt aufsuchen muß, der ihn bei Bedarf an einen Psychologischen Psychotherapeuten überweisen kann. Wir schaffen statt dessen das Erstzugangs- recht. Das bedeutet ein hohes Maß an Verantwortung für diese Gruppe der Leistungsanbieter. Im sozialrechtlichen Teil haben wir uns aus guten Gründen für ein anderes Modell entschieden als das, was wir 1993 beschlossen hatten. Zahlreiche Gespräche zwischen Ärzten und Psychologen haben gezeigt, daß es möglich ist, die Psychologischen Psychotherapeuten in die kassenärztliche Versorgung zu integrieren. Dieses sogenannte Integrationsmodell, das eine Gleichbehandlung von ärztlichen und nichtärztlichen Psychotherapeuten beinhaltet, ist deshalb soviel besser als jede andere Lösung, weil nur auf diese Art und Weise verbindlich sicherzustellen ist, daß sich die Bedingungen für ärztliche und nichtärztliche Psychotherapeuten gleichgerichtet entwickeln. Wer die gleiche Arbeit macht, muß dies meines Erachtens nach unter den gleichen Rahmenbedingungen tun können. Etwas schwierig war die Frage, wie man es hinbekommt, daß die Psychologischen Psychotherapeuten in den Gremien der kassenärztlichen Vereinigungen und des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen so vertreten sind, daß über ihre Köpfe hinweg nicht über Themenschwerpunkte entschieden werden kann, die ihren Bereich, die Psychotherapie, betreffen. Das haben wir durch ein Verhältniswahlrecht bzw. eine geänderte Besetzung im Bundesausschuß sicherstellen können. Lassen Sie mich der Klarheit willen feststellen, daß eine Änderung des Wahlrechts für die Zahnärzte nicht gewollt ist. Das werden wir im laufe des Gesetzgebungsverfahrens durch eine entsprechende Änderung sicherstellen. Ein ganz besonders sensibler Punkt, über den wir im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal eingehend diskutieren müssen, ist die Frage, welche Psychologischen Psychotherapeuten zukünftig für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung tätig werden dürfen. Auf der einen Seite ist uns daran gelegen, den Patienten eine hochwertige Qualität der psychotherapeutischen Versorgung gewährleisten zu können. Auf der anderen Seite müssen wir akzeptieren, daß es zahlreiche Psychologen gibt, die im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens Versicherte der KGV behandelt haben, und zwar nicht im Delegationsverfahren. Diejenigen, die in diesem Rahmen gute Arbeit geleistet haben, wollen wir nicht davon ausschließen, dies auch zukünftig tun zu können. Diesen Zwiespalt müssen wir noch einmal beleuchten. Eine eigens hierfür eingesetzte Arbeitsgruppe wird im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hierzu Vorschläge vorlegen. Die Vorschläge zum Berufsrecht und zum sozialrechtlichen Teil sind in einem zustimmungspflichtigen Gesetz geregelt. Parallel dazu bringen wir eine Änderung des SGB V ein, die eine Selbstbeteiligung für die Psychotherapie in Höhe von 25 Prozent vorsieht. Allerdings geben wir den Spitzenverbänden der Krankenkassen im Benehmen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Möglichkeit, bei bestimmten Krankheitsbildern, die zum Beispiel eine langwierige Therapie erfordern, eine niedrigere Selbstbeteiligung in Höhe von 10 Prozent festzulegen. Die Härtefallklausel schützt Niedrigverdiener davor, daß sie sich eine Psychotherapie nicht leisten können. Ich sage ganz deutlich: Ohne eine Selbstbeteiligung wird es keine sozialrechtliche Regelung für die Psychotherapeuten geben. Ihre Vergütung wird sich zukünftig nach festen Punktwerten richten. Wir brauchen ein Steuerungselement, das dafür sorgt, daß auch der Patient ein Interesse an einer möglichst zügigen Durchführung der Therapie hat. Ich hoffe sehr, daß es uns gelingen wird, diesen Weg zu gehen. Dr. Ruth Fuchs (PDS): In der Heilkunde müssen sich die Patienten uneingeschränkt darauf verlassen können, daß der jeweilige Behandler über eine solide wissenschaftliche Ausbildung verfügt, der Gesetzgeber wirksame Garantien dafür schafft und daß die jeweiligen Berufsbezeichnungen wirksam geschützt werden. Gleichermaßen ist und bleibt es Aufgabe des Gesetzgebers, solche Rahmenbedingungen zu setzen, unter denen sich nur eine qualitativ hochstehende, sondern auch eine quantitativ ausreichende Versorgung der Bevölkerung möglich ist. Die Schaffung und staatliche Anerkennung eines neuen selbständig und eigenverantwortlich tätigen akademischen . Heilberufes - des Psychologischen Psychotherapeuten - ist deshalb unerläßlich. Am Ansatz, ein einziges zusammengehöriges und konsistentes Gesetz mit einem berufs- und sozialrechtlichen Teil zu schaffen, sollte festgehalten werden. Wir könnten das Gesetz schon lange haben, wenn die Koalitionsparteien nicht auf einer eklatanten Ungleichbehandlung körperlich und seelisch Kranker sowie der Psychologischen Psychotherapie gegenüber ärztlicher Versorgung bestehen würden. Da sich daran auch in den jetzt vorgelegten Gesetzentwürfen nichts geändert hat, werden sie unverzichtbaren Grundanforderungen an ein Psychotherapeutengesetz nach wie vor nicht gerecht. Das gilt auch dann, wenn mittlerweile durchaus eine Reihe sinnvoller Einzelregelungen enthalten sind, die als Ergebnis der bisherigen Diskussionen und Auseinandersetzungen gelten dürfen. Wir treten für Gleichstellung und gleichberechtigte enge Zusammenarbeit von Psychologischen Psychotherapeuten und Ärzten ein und verstehen darunter eine Kooperation, die auf der jeweils eigenen fachlichen Kompetenz und Entscheidung beruht. Nur so ist sie in unvoreingenommener Weise möglich und kann Doppelarbeit und Kosten ersparen. Die zuständigen Gremien der Selbstverwaltung sollen dafür Sorge tragen können, daß unter Zugrundelegung strenger Maßstäbe auch weitere wissenschaftlich anerkannte Therapieverfahren - wie beispielsweise die wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie - Eingang in Ausbildung und kassenrechtliche Zulassung finden. Die sozialrechtlichen Regelungen müssen Spielraum für eine bedarfsgerechte Entwicklung der psychotherapeutischen Versorgung ermöglichen. Inzwischen sind jedoch diejenigen Psychologischen Psychotherapeuten, die bisher auf der Basis der Kostenerstattung gearbeitet haben, durch Gerichtsentscheidung vom Oktober 1996 massiv in ihrer Existenz bedroht. Das verstärkt die ohnehin schon bestehende Unterversorgung der Patientinnen und Patienten, die auf eine psychotherapeutische Behandlung angewiesen sind, noch weiter. Eine Selbstbeteiligung der Patienten lehnen wir aus grundsätzlichen Erwägungen weiterhin ab. Sie ist medizinisch kontraproduktiv, steuer nicht bzw. wirkt sozial ungerecht. Das gilt für die Inanspruchnahme ärztlicher wie psychologisch-psychotherapeutischer Leistungen gleichermaßen. Mit dem Psychotherapeutengesestz geht es letztlich auch um die Frage, welche Bedeutung sprechende und zuwendungsorientierte Behandlungsformen im Gesamtgefüge der Heilkunde haben sollen. Das erhöht seinen gesundheitspolitischen Stellenwert außerordentlich. Das Gesetz und seine soziale Qualität sind so gesehen nicht zu trennen von den generellen Auseinandersetzungen um die weitere Entwicklung des Gesundheitswesens. Deshalb werden wir uns auch in diesem Zusammenhang entschieden gegen die weitere Erosion des Solidarprinzips und die damit verbundenen Belastungen der Versicherten und Patienten wenden. Auch im Falle des Psychotherapeutengesetzes geht es um den Erhalt und die Festigung einer solidarischen Gesundheitssicherung. Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Die Bemühungen der Politik, die Behandlung psychisch kranker Menschen durch Psychotherapeuten zu regeln, haben inzwischen eine lange Geschichte. Der erste Versuch von 1978, der eine rein berufsrechtliche Regelung vorsah, kam über einen Referentenentwurf nicht hinaus. In der letzten Legislaturperiode hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sowohl das Berufsrecht als auch die krankenversicherungsrechtliche Einbeziehung der Psychotherapeuten in die psychotherapeutsche Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zum Gegenstand hatte. Denn die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß eine rein berufsrechtliche Regelung ein Torso bleiben muß. Das eigentliche Problem der psychotherapeutischen Versorgung, die krankenversicherungsrechtliche Eingliederung der neuen Heilberufe der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, würde damit nämlich den Krankenkassen und letztlich den Gerichten überlassen. Deshalb unternehmen wir jetzt, nachdem der Regierungsentwurf in der letzten Legislaturperiode im Vermittlungsausschuß am Widerstand der Opposition gescheitert ist, einen - nach meiner Einschätzung - allerletzten Versuch, die Ausbildung der Psychotherapeuten und ihre Einbeziehung in die Versorgung der Versicherten umfassend zu lösen. Zum berufsrechtlichen Teil des Gesetzentwurfs will ich mich kurz fassen. Die Regelungen entsprechen im wesentlichen denen, die auch in der letzten Legislaturperiode bereits unstreitig waren. Als Kernpunkte sind hier insbesondere zu nennen: Die Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie unter der Berufsbezeichnung „Psychologischer Psychotherapeut" oder „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut" erfordert eine Approbation. Als Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Berufen ist die Vollendung des 18. Lebensjahres des Versicherten vorgesehen. Hiervon sind allerdings unter den gesetzlich festgelegten Bedingungen Ausnahmen möglich. Das Gesetz legt auch fest, daß psychische Erkrankungen durch einen Arzt somatisch abgeklärt werden müssen. Das ist im Interesse der Patienten unverzichtbar. Die Ausbildung zu beiden Berufen dauert in Vollzeitform drei, in Teilzeitform fünf Jahre. Sie besteht aus einer praktischen Tätigkeit, die von theoretischer und praktischer Ausbildung begleitet wird. An ihrem Ende steht die staatliche Prüfung. Zugang zur Ausbildung an Hochschulen oder vergleichbaren Einrichtungen haben nur Personen mit abgeschlossenem Psychologiestudium, bei Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeuten alternativ auch Personen mit einem abgeschlossenen Studium der Pädagogik oder Sozialpädagogik. Über die wissenschaftliche Anerkennung von Verfahren entscheiden die Behörden in Zweifelsfällen auf der Grundlage von Gutachten der Vertretung der Psychotherapeuten sowie der Bundesärztekammer oder eines von beiden Organisationen gemeinsam gebildeten wissenschaftlichen Beirates. Auf diesem Weg soll die Bildung einer Vertretung der Psychotherapeuten, zum Beispiel in Form von Kammern, angeregt werden. Schließlich beinhalten die Übergangsvorschriften Regelungen für diejenigen, die zum Zeitpunkt der Einbringung des Gesetzes psychotherapeutisch zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen tätig waren, sei es im Delegations- oder im Erstattungsverfahren, bzw. deren Leistungen von privaten Krankenversicherungen oder der Beihilfe vergütet wurden. Soweit sie über ein abgeschlossenes Psychologiestudium verfügen - bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ist auch ein abgeschlossenes Studium der Pädagogik oder Sozialpädagogik ausreichend - und die weiteren im Gesetzentwurf genannten Voraussetzungen erfüllen, können auch diese Personen die Approbation erhalten. Der Gesetzentwurf enthält schließlich Folgeänderungen anderer Gesetze wie des Strafgesetzbuches oder der Strafprozeßordnung, die durch die berufsrechtliche Gleichstellung der Psychotherapeuten mit den Ärzten notwendig werden. Der krankenversicherungsrechtlichen Eingliederung der Psychotherapeuten haben wir in diesem Entwurf das Integrationsmodell zugrunde gelegt. Das Integrationsmodell gewährleistet am zielgenauesten die Gleichstellung der psychotherapeutischen mit den ärztlichen Leistungserbringern durch folgende Elemente: Mitgliedschaft der Psychotherapeuten in den Kassenärztlichen Vereinigungen; Verhältniswahlrecht für die Wahlen zu den Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen; gemeinsame Bedarfsplanung für ärztliche und psychotherapeutische Leistungserbringer; paritätische Besetzung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen mit Ärzten und Psychotherapeuten, soweit die Psychotherapie-Richtlinien beschlossen werden; dieselbe Vergütung für psychotherapeutische Leistungen der Ärzte und Psychotherapeuten. Die Grundpfeiler dieses Modells werden von der Mehrheit der Ärzte und der Psychotherapeuten bejaht. Aber natürlich gibt es auch Ängste und Mißtrauen, von der jeweils anderen Gruppe übervorteilt zu werden. Wir haben uns bemüht, diese Berührungsängste zu berücksichtigen, indem wir für die Zeit bis zur Neuwahl der Mitglieder für die Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung einen aus Psychotherapeuten bestehenden beratenden Fachausschuß gesetzlich verankert haben, der die Interessen der Psychotherapeuten in den Selbstverwaltungskörperschaften vertritt. Darüber hinaus werden trotz einer gemeinsamen Bedarfsplanung für die ersten fünf Jahren jeweils für die psychotherapeutisch tätigen Ärzte und die Psychotherapeuten Mindestquoten bestimmt, deren Ausfüllung den jeweiligen Gruppen vorbehalten ist. Außerdem haben wir dafür gesorgt, daß der Bundesausschuß in neuer Besetzung die neuen Psychotherapie-Richtlinien rechtzeitig vor Inkrafttreten der Integration beschließt, damit von Anfang an die Psychotherapeuten bei der Ausgestaltung der psychotherapeutischen Versorgung im einzelnen mitbestimmen und nach den neuen Psychotherapie-Richtlinien behandeln können. Damit legen wir ein ausgewogenes Modell vor, dessen Ziel nicht die Unterordnung der Psychotherapeuten unter die Ärzte ist. Beiden Leistungserbringern werden dieselben Rechte und Pflichten garantiert, so daß hoffentlich nach einer Eingewöhnungszeit auch das gegenseitige Mißtrauen schwinden wird. Auch die Versicherten werden von dieser Integration profitieren. Sie bekommen das Recht, unmittelbar einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Sie müssen sich nicht mehr wie bisher im Delegationsverfahren die Notwendigkeit der Psychotherapie durch einen Arzt bestätigen lassen. Auch in dieser Regelung spiegelt sich die gleichwertige Mitwirkung von Ärzten und Psychotherapeuten an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten wider. Von dem Bemühen um eine ausgewogene Lösung ist auch die von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagene Übergangsregelung geprägt. Unter diesem Begriff verbirgt sich die auch unter Befürwortern der Integration umstrittene Frage, wer von den bisher im sogenannten Erstattungsverfahren für die Krankenkassen tätigen Psychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung einbezogen werden soll. Wir haben dieses Problem wie folgt gelöst: Jeder Psychotherapeut, der die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation auf Grund der berufsrechtlichen Übergangsregelungen erhält - er muß innerhalb der letzten sieben Jahre in einem bestimmten Umfang in der Krankenbehandlung tätig gewesen sein -, bekommt die Zulassung, sofern er die Krankenbehandlung in diesem Zeitraum in einem Behandlungsverfahren erbracht hat, die in den neuen Psychotherapie-Richtlinien des Bundesausschusses anerkannt worden sind. Diejenigen, die die Approbation auf Grund der berufsrechtlichen Übergangsregelungen zwar erhalten, aber die dafür notwendige Krankenbehandlung in den letzten sieben Jahren nicht in einem RichtlinienVerfahren erbracht haben, 'dürfen - auf Grund einer Ermächtigung - ebenfalls sofort für die gesetzliche Krankenversicherung tätig werden. Sie müssen sich jedoch innerhalb der kommenden fünf Jahre in einem Richtlinien-Verfahren nachqualifizieren, um dann dasselbe Qualitätsniveau zu erreichen wie die erste Gruppe, die sofort den Zulassungsstatus erhält. Beiden Gruppen garantieren wir, daß sie unabhängig von Zulassungssperren an ihrem Praxisort ihre psychotherapeutische Tätigkeit weiter ausüben dürfen. Mich würde es zwar nicht überraschen, wenn diese Übergangsregelungen sowohl von Ärzten als auch von Krankenkassen kritisiert würden. Aber jeder, der diese Regelung kritisiert, muß sich einmal in Erinnerung rufen, wie die Praxis in der Vergangenheit aussah. Seit fast zwanzig Jahren praktizieren die Kassen die Kostenerstattungspsychotherapie, ohne daß die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Aufsichtsbehörden hiergegen konsequent eingeschritten wären. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat erst im Herbst letzten Jahres ein Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen gegen die sogenannte TK-Regelung der Techniker Krankenkasse erstritten, obwohl diese bereits seit 1983 vertraglich vereinbart ist. Diese Erstattungspraxis hat Fakten geschaffen, vor denen man die Augen nicht verschließen kann. Natürlich wollen wir alle Psychotherapie auf hohem Niveau. Aber gerade deshalb müssen wird jedem Erstattungspsychotherapeuten die Chance geben, sich in Richtlinien-Verfahren zu qualifizieren. So vermeiden wir soziale Härten und fördern bei den Psychotherapeuten die Bereitschaft, die Integration zu akzeptieren. Ich warne deshalb eindringlich davor, einem Teil der Erstattungspsychotherapeuten, die bisher jahrelang für die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen erbracht haben, die Tür zur Integration zu verschließen. Die Konsequenz des Scheiterns des Integrationsmodells wäre faktisch die weitere Duldung des Einkaufsmodells für diesen Versorgungsbereich. Ich möchte auch noch einmal die Kritiker der Eigenbeteiligung der Patienten vor einer Fundamentalkritik dieser Eigenbeteiligung warnen. Wir haben im Entwurf des 9. SGB-Änderungsgesetzes eine Zuzahlung zur psychotherapeutischen Behandlung vorgesehen und zwar sowohl bei der Behandlung durch Ärzte wie durch Psychotherapeuten in Höhe von im Regelfall 25 Prozent, die bei besonders schweren Krankheitsbildern auf 10 Prozent ermäßigt werden kann. Kinder und Jugendliche sowie Härtefälle sind von der Zuzahlung ausgenommen. Außerdem sind die ersten beiden Sitzungen, in denen der Behandler mit dem Patienten die Notwendigkeit einer Psychotherapie abklärt, zuzahlungsfrei. Wir gehen zwar davon aus, daß die Einbeziehung der Psychotherapeuten in die gesetzliche Krankenversicherung kostenneutral erfolgen kann. Denn die Krankenkassen haben ja bereits auf Grund der Kostenerstattungspraxis die Psychotherapeuten bezahlt. Dieses Geld wird jetzt lediglich in rechtmäßige Bahnen umgelenkt. Dennoch müssen die Versicherten an der Finanzierung der neugestalteten psychotherapeutischen Leistungen sozialverträglich beteiligt werden. Dieses Leistungsangebot muß durch eine finanzielle Eigenleistung der Patienten abgesichert werden, um der Gefahr einer finanziellen Mehrbelastung der Krankenkassen vorzubeugen. Dabei haben wir durch die gesetzliche Möglichkeit, bei schweren Krankheitsbildern die Zuzahlung auf 10 Prozent zu reduzieren, dafür Sorge getragen, daß bei psychischen Extremsituationen die Eigenbeteiligung um mehr als die Hälfte gesenkt werden kann. Bereits jetzt gibt es Stimmen, die die Einführung der Eigenbeteiligung als ein „Sondergesetz für psychisch Kranke" diskreditieren. Wer so argumentiert, sollte einen Blick in das europäische Ausland oder in die USA werfen. Ich kenne kein anderes Land, in dem die psychotherapeutische Versorgung der Versicherten auf Kassenkosten komfortabler ausgestattet ist als bei uns. Was mich darüber hinaus wundert: Ich habe bis heute noch keine Kritik an der TK-Regelung gehört, die Zuzahlungen der Patienten bis zur Höhe von 30 Prozent zuläßt. Und nach Schätzungen aus Psychotherapeutenkreisen sind auch in der nicht durch Vereinbarungen geregelten Kostenerstattungspraxis der einzelnen Krankenkassen Zuzahlungen der Patienten in Höhe von durchschnittlich 20 Prozent üblich. Deshalb legen wir dieses Konzept der Integration vor, das einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen der psychotherapeutischen Leistungserbringergruppen darstellt und gleichzeitig die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung sichert. Wir haben die Neugestaltung der Integration im Gesetzgebungsverfahren von der Einführung der Selbstbeteiligung der Versicherten getrennt, um der Opposition zu ermöglichen, die Verantwortung für die Einbeziehung der Psychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung mit zu übernehmen, ohne gleichzeitig auch für die Einführung der Zuzahlung mit geradestehen zu müssen. Dies ist meines Erachtens ein faires Angebot. Wir schultern die Zuzahlung allein, weil wir von der Bedeutung der Zuzahlung für die Steuerung der Leistungsinanspruchnahme und als zusätzliche finanzielle Ressource überzeugt sind. Meine Damen und Herren, ich wünsche mir vor allem im Interesse der Patienten, daß mit dem nun vorliegenden Entwurf die Ausbildung der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten endlich gesetzlich geregelt und ihre Einbindung in die Krankenkassen gewährleistet wird. Es ist an der Zeit, daß ein seit Jahrzehnten diskutiertes Vorhaben nun seinen Abschluß findet.
    Rede von Dr. Rita Süssmuth
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)