Rede von
Armin
Laschet
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müßten in der Bundestagsverwaltung einmal darüber nachdenken, wie man die Rede, die gerade eben gehalten wurde, möglichst breit für das deutsche Volk veröffentlicht,
um einmal zu zeigen, wie die Alternativen der Opposition zur Außenpolitik dieser Bundesregierung auch in bezug auf weltweite Verantwortung sind.
Das ist weit entfernt von dem, womit Willy Brandt einmal 1973 nach New York gegangen ist. Er hat nämlich gesagt:
Armin Laschet
Wir sind gekommen, um auf der Grundlage unserer Überzeugungen und im Rahmen unserer Möglichkeiten weltpolitische Mitverantwortung zu übernehmen.
Das, was Frau Kollegin Beer hier eben vorgetragen hat, ist der Rückzug aus dieser Verantwortung,
ist die Vermischung mit Fragen der NATO und allem anderen, und Sie haben keine Antwort auf diese Frage nach der weltpolitischen Mitverantwortung, die von uns erwartet wird, gegeben.
Ich möchte auf das, was die Kolleginnen und Kollegen vor mir gesagt haben, in vier Punkten Bezug nehmen.
Das erste ist die Frage des Engagements in den Vereinten Nationen. Wir sind der drittgrößte Beitragszahler. Ich denke, daß man die Frage des UN- Sicherheitsrates, über die hier gesprochen worden ist, nicht so verkürzt darstellen kann, wie das geschehen ist. Ich könnte mir auch vorstellen, daß man darin einen europäischen Sitz anstrebt. Das wäre aus dem Konzept einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auf europäischer Ebene heraus völlig unstrittig.
Aber diejenigen, die hier gesprochen haben, wissen es entweder nicht oder versuchen es wider besseres Wissen hier vorzutragen, wissend, daß sich Franzosen und Briten im Vertrag von Maastricht genau vorbehalten haben, daß dies nicht Bestandteil der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ist.
Das ist bisher auch nicht zur Disposition gestellt worden.
Lieber Herr Kollege Lippelt, dann zu sagen, wenn wir selbst verzichteten, leisteten wir einen Beitrag dazu, daß dieser gemeinsame europäische Sitz kommt, ist in der Tat wirklichkeitsfremd. Ich glaube, daß wir dann, wenn wir uns nicht verweigern und dem Wunsch vieler Länder des Südens nachkommen, die uns auffordern, in diesem Sicherheitsrat mitzuwirken - sie sagen: beteiligt euch mit euren Ideen und eurem Engagement -, viel mehr zur Reform dort, wo die Entscheidungen fallen, beitragen können, als wenn wir draußen bleiben.
Der bessere Schritt zu einem europäischen Sitz, den wir langfristig anstreben sollten, ist eine deutsche Mitgliedschaft im Sicherheitsrat, die auch bereit ist, den Sitz, den sie dann erworben hat, in den Dienst eines gemeinsamen europäischen Sitzes zu stellen. Auf diese Weise ist dort mehr erreichbar.
Bei der Reform des Sicherheitsrates muß allerdings eine größere Repräsentanz auch der Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas erreicht werden. Ich sage auch hier ganz offen - auch in Richtung unserer Kollegen im amerikanischen Kongreß; heute laufen ja Meldungen, daß sich in der amerikanischen Politik etwas verändert -: Wenn die Beiträge der Amerikaner mit Forderungen wie der verknüpft werden, Weltkonferenzen sollten demnächst nur noch in den Industriestaaten stattfinden, dann ist das genau der falsche Ansatz. Wir müssen auch dem Süden in diesem Weltforum weiterhin seinen Platz überlassen.
Ein zweites ist das Thema UNIDO: Ich glaube ja, daß es sich hier zur parteipolitischen Polemik eignet. Aber die Haltung der Bundesregierung zur UNIDO, Herr Kollege Brecht, ist völlig eindeutig. Wir können eine Prüfung vornehmen. So lautet der Kabinettsbeschluß des letzten Jahres. Diese Prüfung findet statt. Daß wir das System der Vereinten Nationen straffen müssen, daß wir sehen müssen, wo Reformen möglich sind, dagegen kann ja niemand etwas haben. Deswegen sollten wir jetzt die Sachdebatte an Hand der Evaluierungen vornehmen, die vorhanden sind, beispielsweise an Hand der dänischen, die Sie erwähnt haben, aber auch an Hand vieler anderer.
Ich kann mir vorstellen, daß dann, wenn andere UN-Organisationen es so wie die UNIDO machen, wirklich viele Reformen möglich sind. Darüber sollten wir dann die Sachdebatte führen:
Wo ist Reform möglich? Wie kann sie stattfinden? Wenn das Ergebnis dieser Sachdebatte entsprechend ist, bleiben wir sicher auch in der UNIDO. So ist jedenfalls meine Position.
Aber ich sage dazu auch: Man kann diese Last dann nicht allein dem Entwicklungsminister überlassen; denn wenn der Entwicklungsetat weiter gekürzt wird
und er dann in seinem Etat multilaterale Festlegungen hat, dann muß man verstehen, daß dies innerhalb des gesamten Haushalts zu einem Ausgleich führen muß. Wenn es unser gemeinsames Interesse ist, Mitglied der UNIDO zu sein, dann kann die Last nicht allein dem Einzelplan 23 überantwortet werden. Auch dies sollten wir hier formulieren.
Zum höheren Engagement innerhalb des Systems der Vereinten Nationen - das ist in der heutigen Debatte bisher noch nicht erwähnt worden - gehört auch die Frage, daß Deutschland jetzt Sitz der UNO ist, daß in Deutschland mit UNV und anderen Institutionen erstmals eine UN-Organisation ihren Sitz genommen hat. Wir danken dem Auswärtigen Amt, vor allem aber auch dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die mit viel Engagement erreicht haben, daß Bonn Nord-Süd-Zentrum und Standort von UNO-Institutionen wird. Wir wün-
Armin Laschet
schen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich im Moment darum bemühen, auch das Sekretariat der Wüstenkonvention in Bonn anzusiedeln, viel Erfolg bei ihrer Politik ohne Drängen, aber mit dem Angebot, daß Bonn als Nord-Süd-Zentrum der Bundesrepublik Deutschland seinen Beitrag leisten will.
Lassen Sie mich zum Schluß zu dem Entschließungsantrag, den uns die SPD vorgelegt hat, noch einige Bemerkungen machen.
- Ob das so erfreulich ist, werden Sie gleich merken, wenn wir die Punkte durchgehen. Wir müssen nämlich diesen Antrag hier heute ablehnen, weil er in vielem doch sehr schnell dahingeschrieben und auch nicht sehr überzeugend ist.
Sie haben im zweiten Spiegelstrich unter Ziffer II angesprochen, daß im UN-Sicherheitsrat die Regionen der Welt besser repräsentiert sein sollten. Diese Forderung ist in Ordnung. Aber im nächsten Spiegelstrich zu sagen, daß Sparmaßnahmen allein der verbesserten Administration dienen sollten, das ist eine Binsenweisheit und bereits heute eine europäische Position.
Ihre gesamte Beschreibung einer ständigen Eingreiftruppe ist aus unserer Sicht zu undifferenziert. Es hätte einer intensiven Erörterung in den Ausschüssen des Bundestages bedurft. Aber wenn Sie darauf bestehen, daß wir heute darüber - in dieser undifferenzierten Form - abstimmen, so müssen wir es ablehnen.
Besonders schlecht wird Ihr Antrag, wenn es heißt, daß der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern solle, einen konkreten Maßnahmenkatalog zur Frauenförderung innerhalb der Vereinten Nationen vorzulegen. Das ist nun wirklich Aufgabe des UNO-Generalsekretärs; sie muß in New York geleistet werden. Der Bundesregierung zu sagen, sie solle Maßnahmen vorlegen, wie der Frauenanteil innerhalb der Vereinten Nationen gesteigert werden könne, ist eine so nationale Sichtweise von UN-Politik, die ich Ihnen nicht zugetraut hätte.
Auch Ihre Bemerkungen im letzten Absatz zu UNICEF - dazu hat der Kollege Ruck einiges gesagt - machen Panik. Niemand hat die Absicht gehabt, UNICEF aufzulösen. Indem man das aber in Entschließungsanträge des Deutschen Bundestages hineinschreibt, verunsichert man eher Institutionen, als den Prozeß konstruktiv innerhalb der UNICEF zu begleiten.
Ich denke, daß wir die Situation, in der sich unser Land jetzt befindet, dazu nutzen sollten, dem vielfach vorgetragenen Wunsch, manches nationalstaatlich zu lösen, eine Reform der Vereinten Nationen entgegenzuhalten. Im Moment ist die Vorstellung, daß viele Menschheitsprobleme nur weltweit lösbar sind, zu wenig verbreitet. Die Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts sind nicht mehr in der Lage, gegen weltweite Klimaverschiebungen, gegen Terrorismus, gegen die Verschiebung von spaltbarem Material und gegen ähnliche Herausforderungen vorzugehen. Überall in der Welt erleben wir, daß als Lösungskonzept der Rückfall in den Nationalstaat angeboten wird.
Insofern wünsche ich mir von dieser Debatte, daß wir die Vereinten Nationen zeitgemäßer definieren, nämlich als ein Gremium, das diesem weltweiten Auftrag gerecht werden kann. Wenn wir den Zusammenhang zwischen Frieden, Demokratie und Entwicklung, den der UNO-Generalsekretär BoutrosGhali in sehr überzeugenden Worten als Grundidee seines Konzeptes aufgestellt hat, wieder verbreiten und erkennen, daß die klassischen Nationalstaaten diese Aufgabe nicht lösen und daß wir zu Handlungskonzepten kommen müssen, wie wir das im weltweiten Rahmen gemeinsam lösen, dann können wir auch unsere Bevölkerung davon überzeugen, daß die Vereinten Nationen das einzige Forum der Menschheit sind, in dem die Zukunftsprobleme der Menschheit angesprochen werden können.
Dazu wünsche ich uns allen mehr Überzeugungskraft an Stelle von Debatten über Detailprobleme.