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    Plenarprotokoll 13/179 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 179. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. Juni 1997 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 16101 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung in den neuen Ländern (Drucksache 13/7792) 16101 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag des Abgeordneten Werner Schulz (Berlin) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufbau Ost braucht langen Atem (Drucksache 13/7789) 16101 B Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU 16101 C Dr. Manfred Stolpe, Ministerpräsident (Brandenburg) 16103 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16104 C Jürgen Türk F.D.P 16106 B Dr. Christa Luft PDS 16107 C, 16114 D Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 16109 B Ernst Schwanhold SPD . . . . 16111 A, 16115 C Hans-Peter Repnik CDU/CSU . 16112 D, 16116 A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 16115 D Wolfgang Ilte SPD 16116 C Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU . . . 16117 B Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . 16119 B Hansgeorg Hauser, Parl. Staatssekretär BMF 16121 C Wolfgang Ilte SPD 16122 A Tagesordnungspunkt 11: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Agrarbericht 1997 - Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung (Drucksachen 13/ 6868 und 13/6869 [Materialband]) . . 16123 C b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregireung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (Drucksachen 13/6618, 13/7429) . 16123 C c) Große Anfrage der Abgeordneten Matthias Weisheit, Horst Sielaff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Forschung und Forschungsförderung des Bundes im Bereich Ernährung, Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und Holzwirtschaft sowie der Entwicklung ländlicher Räume (Drucksachen 13/2503, 13/3337) . . . 16123 D d) Antrag der Abgeordneten Horst Sielaff, Adelheid Tröscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zusammenarbeit in der internationalen Agrarforschung verbessern (Drucksache 13/7678) 16123 D e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias Weisheit, Anke Fuchs (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rahmenkonzept für die Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernäh- rung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 13/2906, 13/4997) . . . 16124 A f) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst Bahr, Ilse Janz, Christel Deichmann sowie weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD: Künftige Ressortforschung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 13/4452, 13/5944) 16124 A g) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Fortsetzung der Garantiemengenregelung Milch und Stärkung der Position der milcherzeugenden Betriebe - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Milchquotenregelung in den neuen Ländern - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Produzierende Milcherzeuger stärken (Drucksachen 13/7180, 13/4905, 13/ 5751, 13/7742) 16124 A Jochen Borchert, Bundesminister BML 16124 C Horst Sielaff SPD 16127 C Günther Bredehorn F.D.P. . . 16128 C, 16140A Egon Susset CDU/CSU 16130 A Horst Sielaff SPD 16130 C Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16133 A Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 16134 C, 16138 B Günther Bredehorn F.D.P. 16135 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16135 B Dr. Günther Maleuda PDS 16137 A Albert Deß CDU/CSU 16139 A Reinhold Hemker SPD 16141 B Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16143 A Ulrich Heinrich F D P. 16144 A Jella Teuchner SPD 16145 C Ulrich Junghanns CDU/CSU 16147 AZusatztagesordnungspunkt 11: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens (Drucksache 13/7848) . . 16149 C Zusatztagesordnungspunkt 12: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof (Drucksache 13/7849) 16149 C Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Gudrun Schaich-Walch, Wolf-Michael Catenhusen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marina Steindor und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: UNESCO-Deklaration zum Schutz des menschlichen Genoms im Deutschen Bundestag beraten (Drucksache 13/7801) 16149 D Nächste Sitzung 16150 C Berichtigung 16150 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16151* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (UNESCO-Deklaration zum Schutz des menschlichen Genoms im Deutschen Bundestag beraten) Gudrun Schaich-Walch SPD 16151* D Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16153* A Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. . . . 16153* C Wolfgang Bierstedt PDS 16153* D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 16154* C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 16155* A 179. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. Juni 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 178. Sitzung, Seite 15 995 A, 4. Zeile von oben: Statt „unverstärkt" ist „und verstärkt" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bachmaier, Hermann SPD 6. 6. 97 Berger, Hans SPD 6. 6. 97 Blunck, Lilo SPD 6. 6. 97 Böttcher, Maritta PDS 6. 6. 97 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 6. 6. 97 Dreßler, Rudolf SPD 6. 6. 97 Formanski, Norbert SPD 6. 6. 97 Fuchs (Köln), Anke SPD 6. 6. 97 Gansel, Norbert SPD 6. 6. 97 Göllner, Uwe SPD 6. 6. 97 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 6. 6. 97 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 6. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 6. 6. 97 Jung (Limburg), CDU/CSU 6. 6. 97 Michael Köhne, Rolf PDS 6. 6. 97 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 6. 6. 97 Dr. Graf Lambsdorff, F.D.P. 6. 6. 97 Otto Dr. Leonhard, Elke SPD 6. 6. 97 Limbach, Editha CDU/CSU 6. 6. 97 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 6. 6. 97 * Erich Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 6. 6. 97 Dr. Pfaff, Martin SPD 6. 6. 97 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 6. 6. 97 ** Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 6. 6. 97 Hermann Dr. Reinartz, Bertold CDU/CSU 6. 6. 97 Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 6. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Scharping, Rudolf SPD 6. 6. 97 Schloten, Dieter SPD 6. 6. 97 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 6. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Schütz (Oldenburg) SPD 6. 6. 97 Dietmar Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 6. 6. 97 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Terborg, Margitta SPD 6. 6. 97 * Verheugen, Günter SPD 6. 6. 97 Voigt (Frankfurt), SPD 6. 6. 97 Karsten D. Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 6. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Wallow, Hans SPD 6. 6. 97 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 6. 6. 97 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 6. 6. 97 Margareta 90/DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 5. 6. 97 Zwerenz, Gerhard PDS 5. 6. 97 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * Für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (UNESCO-Deklaration zum Schutz des menschlichen Genoms im Deutschen Bundestag beraten) Gudrun Schaich-Walch (SPD): 1993 faßte die Generalkonfrenz der UNESCO den Beschluß, ein internationales Rechtsinstrument zum Schutz des menschlichen Genoms zu erarbeiten. Seither hat das dazu eingesetzte Bioethik-Komitee der UNESCO unter Vorsitz von Frau Lenoir in mehreren Etappen Entwurfstexte zu einer Deklaration zum menschlichen Genom und zu den Menschenrechten erarbeitet. Der aktuelle Entwurf stammt vom Dezember 1996. Ende dieses Monats soll eine Regierungsexpertentagung zur abschließenden Bearbeitung des Entwurfs zusammentreffen mit dem Ziel, die Deklaration Ende des Jahres der UNESCO-Generalkonferenz zur Beschlußfassung vorlegen zu können. Die Bundesregierung hat angekündigt, weitere Änderungsanträge bei dem Treffen vom 22. bis 25. Juli in Paris einzubringen. Wir möchten gerne wissen, welche Änderungsanträge die Regierung bisher gestellt hat und welche nun gestellt werden sollen. Wir hoffen, daß die Haltung der Bundesregierung bei den jetzigen Verhandlungen ihre Haltung bei der Ausgestaltung des Menschenrechtsübereinkommens zur Biomedizin des Europarats widerspie- gelt. Denn hierbei konnten wir ein hohes Maß an Übereinstimmung feststellen. Worin wir jedoch nicht übereinstimmen, sind die Verfahrensweisen. Diese Abkommen werden an der Öffentlichkeit und am Deutschen Bundestag vorbei verhandelt. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Deutsche Bundestag hat sich mit den Inhalten dieser Deklaration bislang nicht befaßt, obwohl die Arbeiten in diesem Jahr abgeschlossen werden sollen. Diese Handhabung folgt dem alten Muster, das wir schon von den Arbeiten zur sogenannten Bioethik-Deklaration des Europarats kennen. Es findet kein breiter gesellschaftlicher Diskurs statt - das Parlament wird nicht einbezogen -, obwohl internationale Vereinbarungen zur Debatte stehen, die von großer Bedeutung für die Zukunft sind und Themen betreffen, die grundsätzliche ethische Bewertungen beinhalten. Die Öffentlichkeit und auch das Parlament werden durch die Presse informiert, ohne eine wirkliche Chance zu bekommen, ihre Kritik und ihre Anregungen zu Gehör zu bringen. Ein solches Verfahren ist intransparent und nicht dazu angetan, das Vertrauen der Menschen in die Politik zu stärken. Es ist unsere Aufgabe, Festlegungen, die die unveräußerlichen Rechte des einzelnen berühren, durch einen Diskussionsprozeß zu begleiten und möglichst vielen Stimmen Gehör und Einfluß zu verschaffen. Aus diesem Grund stellen wir heute diesen Antrag. Der Deutsche Bundestag, die demokratisch gewählte Volksvertretung, muß die Möglichkeit zu einer Stellungnahme haben. Vorausgehen muß eine umfassende Information durch die Bundesregierung und die Mitglieder der Kommission. Dies ist eine Möglichkeit, die Deklaration auf breiterer Ebene zu diskutieren. Die von der Öffentlichkeit geübte Kritik am Deklarationsentwurf muß sehr ernst genommen werden. Wir müssen uns mit diesen Argumenten auseinandersetzen. Die multinationalen Bestrebungen zu einer gemeinsamen Vereinbarung scheinen von einem entscheidenden Fehler geprägt zu sein: Sie nehmen die Freiheit der Forschung als Ausgangspunkt und ringen dann müheselig um die Eingrenzung dieser Forschungsfreiheit durch die Präzisierung der Rechte des einzelnen. Beispielsweise sind Grenzen, wie sie in unserem Embryonenschutzgesetz bestehen, nicht vorgesehen. Wie kann es dann jemanden wundern, wenn sich Menschen zu Versuchspersonen herabgewürdigt sehen, wenn sie den Eindruck haben, daß nicht eigentlich die Menschenrechte durch solche Deklarationen und Konventionen geschützt werden sollen, sondern lediglich die Forschungsfreiheit einen möglichst großen Handlungsrahmen bekommen soll. Die Forschung und ihre Ergebnisse sollen dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. Formulierungen wie die, das menschliche Genom sei das gemeinsame Erbe der Menschheit, lassen die Frage entstehen, ob das gemeinsame Erbe das Recht auf eine gemeinsame Nutzung einschließt. Kann denn ein Gedanke wie der, die Ressourcen der Natur seien ein gemeinsames Gut, das durch alle gemeinsam genutzt werden kann, einfach auf das menschliche Genom übertragen werden? Macht dies den einzelnen nicht zum Verpflichteten, indem die moralische Verpflichtung nahegelegt wird, die Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit zu dulden, wenn es denn für die Menschheit insgesamt einen Vorteil verspricht? Ich denke, dies sind Fragen unter vielen, die wir diskutieren müssen. Ein solch utilitaristischer Gedanke wird deutlich in der Formulierung, daß bei einwilligungsunfähigen Personen die Zustimmung durch Dritte ersetzt werden kann, wenn die Interessen des Betroffenen als Individuum oder als Mitglied einer bestimmten Gruppe berührt sind. Dahinter steckt der Gedanke, der auch in der Bioethik-Deklaration des Europarats steckt, nämlich die fremdnützige Forschung an einwilligungsunfähigen Personen möglich zu machen. In einer Zeit, wo der Fortschritt in den Naturwissenschaften und der Medizin in völlig neue Dimensionen eintritt, Huxleys „Schöne neue Welt" technisch schon machbar ist und die Diskussion nun um die ethischen Grenzen des Machbaren geht, dürfen staatliche Vereinbarungen nur im gesellschaftlichen Diskurs getroffen werden. Die Politik muß sich darüber klar sein, daß ihre durch Wahlen verliehene Handlungskompetenz hier die Grenze dessen erreicht hat, was in normaler Entscheidungsfindung und Umsetzung geregelt werden kann. Denn es geht nicht um die Lösung von Problemen in einem gesellschaftlich schon definierten und akzeptierten Rahmen, sondern darum, die Grenze dessen zu finden, was ethisch und gesellschaftlich gewollt ist, und diese gegebenenfalls neu zu definieren. Es geht um die Frage: Darf der Mensch alles, was möglich ist, auch realisieren? Was ist mit einem Verbot der Keimbahntherapie, des Klonens von Menschen und der Patentierungsfähigkeit des menschlichen Genoms? Was ist mit dem Verbot der Experimente mit Embryonen für Forschungszwecke? Eine mögliche Freigabe öffnet erst den Weg zum Klonen. Wir müssen nicht erst über das Ende der Kette, sondern über den Beginn und die Ziele reden, die damit verbunden sind. Heute haben wir in Deutschland noch einen gemeinsamen politischen Konsens hinsichtlich der Keimbahntherapie und des Klonens. Wir wollen diese Verbote, festgeschrieben im Embryonenschutzgesetz, festigen und nicht aufweichen. Damit wir überhaupt die Chance dazu haben, müssen wir uns wo nur irgend möglich in internationalen Gremien dafür einsetzen, daß so viele andere Nationen wie möglich sich dieser Haltung anschließen. Gelingt es uns nicht, so werden alle unsere Bemühungen und unsere bestehenden Gesetze den drohenden Dammbruch kaum mehr verhindern können. Als weiteres Beispiel möchte ich die Patentierungsfrage aufgreifen. Auch sie ist bei uns viel kontroverser; man sehe sich die Auseinandersetzungen um die Patentierungsrichtlinie der EU an. Wir würden gerne wissen, welche Haltung die Bundesregierung hierzu einnimmt. Für die SPD kann ich klar sagen, daß für uns die Isolierung und Definition eines Gens ledig- lich eine Entdeckung und keine Erfindung und damit auch nicht patentierungsfähig ist. Diese Beispiele verdeutlichen, daß die Diskussion um den Konventionstext dringend erforderlich ist. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, ihre Haltung darzustellen und die Voten der zuständigen Ausschüsse bei den weiteren Verhandlungen zu berücksichtigen. Manna Steindor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die sogenannte Bioethik ist gesellschaftlich ein außerordentlich sensibles Thema, wie uns die Debatten um die nun in „Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin" umgetaufte Bioethik-Konvention des Europarates gezeigt haben. Es kann aber keine Bioethik und kein Völkerrecht erster und zweiter Klasse geben. Wenn ein Abkommen der „Rede" im Bundestag wert ist, dann muß das auch für jedes weitere völkerrechtliche Abkommen gelten. Bei genauer Betrachtung der UNESCO-Bioethik-Deklaration wird diese Frage sogar zu einer Frage der Glaubwürdigkeit. Schon die Menschenrechtskonvention zur Biomedizin des Europarats ist weiterhin in diesem Hause umstritten und genügt schon gar nicht den bündnisgrünen Kriterien zum Schutz der Menschen vor Gen-und Reproduktionstechnologien. Betrachtet und bewertet man aber den vorliegenden Entwurf für die Bioethik-Deklaration der UNESCO, so wird selbst das Schutzniveau der Europaratskonvention noch unterschritten und damit relativiert. Die UNESCO-Bioethik-Deklaration, die keinen völkerrechtlich verbindlichen Status haben wird, ist nur als „unsägliches" Papier zu bezeichnen. Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Deklaration nicht weiter zu unterstützen und auf eine Generalrevision des Textes zu drängen. Deshalb setzen wir uns mit diesem gemeinsamen Antrag mit der SPD dafür ein, daß in diesem Hause eine intensive Beratung erfolgt und der Bundesregierung Empfehlungen an die Hand gegeben werden. Die UNESCO wollte im Analogieschluß zu Meeresboden, Mond, bestimmten Naturressourcen und Kulturgütern dem menschlichen Genom mit der Verleihung des Etiketts „Erbe der Menschheit" den höchsten Schutz verleihen. Mit dem gleichzeitigen Schutz der Menschenrechte kommt es aber in der Erklärung zu einem systematischen Widerspruch: zwischen Individualrechten und der Schutzwürdigkeit populationsgenetischer Strukturen, zwischen einem höheren Ganzen und dem einzelnen. Das Nebeneinander dieser beiden Schutzgüter in einem Abwägungsgleichgewicht macht den Deklarationsentwurf politisch unbrauchbar. In Deutschland weckt diese Konstruktion geradezu zwangsläufig Erinnerungen an das Erbgesundheitsgesetz der Nationalsozialisten, in dem die Volksgesundheit über dem einzelnen Menschen stand. Eugenik ist in diesem Deklarationsentwurf weiterhin als Option nicht ausgeschlossen. Workshops der UNESCO mit handverlesenen Teilnehmerinnen sind nicht ausreichend in bezug auf die gesellschaftliche Bedeutung dieses Themas. Mandat und Legitimation der UNESCO zum Abfassen einer derartigen Deklaration sind bis heute unklar. Bei der Erarbeitung nur mit Wissenschaftlern im kleinen Kreise des Internationalen Bioethik-Komitees (IBC) ohne ausreichende Partizipation von Mitgliedstaaten und Nichtregierungsorganisationen besteht ein eklatantes Demokratiedefizit. Eine Beratung dieses Konventionsentwurfs im Deutschen Bundestag ist deshalb geradezu eine moralische Pflicht. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (F.D.P.): Das Thema Bioethik selbst, der Schutz des menschlichen Genoms, ist viel zu umfassend, viel zu wichtig, verlangt tiefergehende Befassung, als daß es in Fünfminutenbeiträgen auch nur annähernd seriös, der grundsätzlichen Bedeutung angemessen diskutiert werden könnte. Wir haben uns im Deutschen Bundestag schon seit Jahren mit der Gentechnik, den Fragen der Genomanalyse, der Gentherapie befaßt, und mit dem Embryonenschutzgesetz international vorbildlich einen Markstein gesetzt. Der Bundestag befaßt sich mit den wissenschaftlichen, den sozialen, vor allem aber auch mit den ethischen Kategorien der Reproduktionstechniken und dem ganzen Problemfeld des Klonens. Wir sind uns bewußt, daß diese ganze Thematik nicht allein im nationalen Rahmen geregelt werden kann; daß über die Bioethik-Konvention des Europarats hinaus international verbindliche Regelungen zwingend erforderlich sind, wie sie in dem Bioethics Committee der UNESCO in einer Deklaration zum Schutz des menschlichen Genoms und zu den Menschenrechten formuliert werden sollen. Ich bin der Meinung, es ist unbestritten, daß wir bei der Befassung mit der Thematik den jeweils aktuellen Stand der Beratungen auf den Ebenen Europa und VN mit einbeziehen müssen und natürlich damit verlangen müssen, unsere Meinungen, Auffassungen, auch Vorschläge zu den europäischen und internationalen Konventionen bzw. Deklarationen einbringen zu können. Ich erkläre deshalb, daß ich den vorliegenden Antrag unterstütze. Wolfgang Bierstedt (PDS): Der vorliegende Entwurf der UNESCO-Deklaration „Zum Schutz des menschlichen Genoms" ist ein erneuter Beleg für den zu befürchtenden Siegeszug einer biomedizinischen Ethik, die allein einen Rahmen abgibt für die rechtliche Absicherung, ethische Legitimierung und programmatische Vorbereitung eines zweifelhaften biowissenschaftlichen Fortschritts, in diesem Fall der Humangenetik und Reproduktionsbiologie. Ein internationales Bioethik-Komitee hat diese Deklaration erarbeitet, dessen Legitimation mehr als fragwürdig und dessen Zusammensetzung bei genauerem Hinsehen völlig unakzeptabel ist. Unter den Mitgliedern sind so einige Kandidatinnen und Kandidaten, die schon aus bioethischen Diskussionen unrühmlich bekannt sind, erinnert sei auch an das ursprüngliche deutsche Mitglied Hans-Martin Sass, der schon lange für Keimbahnmanipulation und Präimplantationsdiagnostik eintritt. Die Art und Weise, wie diese Deklaration entstanden ist, nämlich ohne größere öffentlich wahrnehmbare Diskussion, entspricht nicht den Anforderungen an einen Text, der weltweit ethische Grundprinzipien festhalten oder aufstellen will. Ich finde es bezeichnend, daß genau die Bioethikerinnen und Bioethiker, die immer wieder von Wertepluralismus und den Grundprinzipien sprechen, auf die sich die gesamte Gesellschaft verständigen soll, möglichst allein hinter geschlossenen Türen und über die für andere verbindlichen ethischen Prinzipien sprechen. Es ist doch grotesk, daß dieses Bioethik-Komitee in Artikel 13 der Deklaration die Einrichtung von unabhängigen, interdisziplinären und pluralistischen Ethikkomitees verlangt, Anforderungen, die es selbst nicht im mindesten erfüllt. Ich sehe diesen Entwurf der Deklaration insbesondere als Versuch an, dem Programm zur Entschlüsselung des menschlichen Genoms, den HUGO-Projekten, ein ethisches Mäntelchen zu geben und gleichzeitig sich die weltweite Zustimmung für eine ungehinderte industrielle Nutzung der Gene zu sichern. Wie anders soll sie interpretiert weden, wenn Klonierung und Keimbahnintervention nicht untersagt sein sollen, wie anders soll interpretiert werden, daß zur Patentierung von Genen nichts gesagt wird, in den Antworten zum Fragebogen des ersten Dossiers es sogar heißt, die UNESCO hätte nicht das Mandat, diese Frage zu klären. Andererseits die UNESCO sich das Mandat herausnimmt, den „informed consent", die informierte Zustimmung zu Forschung, Therapie und Diagnose, die das Genom des einzelnen betreffen, durch das Prinzip der „person's best interest"-Entscheidung durch Vertreter der Betroffenen auszuhöhlen. Ich frage mich, wer hat ihr dafür das Mandat erteilt? Der vorliegende Entwurf ist nicht nur in zahllosen Einzelpassagen völlig untragbar, er ist auch geprägt von einer fanatisch zu nennenden Fortschrittserwartung durch die Erforschung und technischen Nutzbarmachung der menschlichen Genome, der nicht nur jede vernünftige Grundlage fehlt, sondern die auch in einer Deklaration über ethische Grundsätze der Forschung und Eingriffe an Genomen überhaupt nichts verloren hat. Ich befürchte, daß dieser Entwurf der Deklaration nicht verbesserungsfähig ist, in der vorliegenden Form kann er nur eine deutliche Ablehnung erfahren. Ungeachtet dessen hätte ein Projekt, das weltweit wirklich tragfähige ethische Grundsätze für Humangenetik, Reproduktionsbiologie und auch deren industrielle Verwendung entwickeln will, unsere volle Zustimmung. Aus unserer Sicht würden zu diesen Grundsätzen zumindest das Verbot der Klonierung und Keimbahnintervention, das Verbot der Patentierung von Genen und das Festhalten am Grundsatz der freiwilligen individuellen Zustimmung zu jeglichen diagnostischen, therapeutischen und forschenden Eingriffen gehören. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Der Entwurf enthält neben einem allgemeinen Abschnitt zum menschlichen Genom vor allem Bestimmungen über die Genomforschung, über die Rechte der Betroffenen und über die Bedingungen für die Ausübung der Forschungstätigkeit. Angesichts der stetigen Fortschritte in der biologischen und medizinischen Forschung ist das Anliegen der UNESCO grundsätzlich zu begrüßen. Denn die humangenetische Forschung und deren Anwendung dürfen unter keinen Umständen mit der Menschenwürde und den Menschenrechten in einen unvereinbaren Gegensatz geraten. Hierfür ist es aber unerläßlich, der Achtung der Menschenwürde gegenüber allen anderen Erwägungen den Vorrang einzuräumen. Leider besteht insoweit noch bei etlichen Punkten des Entwurfs ein erheblicher Diskussions- und Nachbesserungsbedarf. Die Bundesregierung hat das in ihrer Stellungnahme an die UNESCO auch klar zum Ausdruck gebracht: So muß das zentrale Anliegen der Deklaration - die Wahrung der Menschenwürde und der Menschenrechte beim Umgang mit dem menschlichen Genom - noch deutlicher herausgestellt werden, als es bisher der Fall ist. Außerdem fehlen wichtige Regelungskomplexe, beispielsweise Bestimmungen über ein Verbot von gezielten Eingriffen in die menschliche Keimbahn und zur Ächtung des Klonens von Menschen bisher völlig. Gleiches gilt auch für Regelungen zur Begrenzung der Embryonenforschung. Gerade in diesen Bereichen sind aber Regelungen aus Sicht der Bundesregierung unbedingt erforderlich, um Fehlentwicklungen vorzubeugen. Darüber hinaus haben wir - und ich kann das nur noch einmal nachdrücklich unterstreichen - klare Rahmenbedingungen für die Genomforschung gefordert, die bisher nur in Ansätzen vorhanden sind. Ob sich unsere weitreichenden Änderungsvorschläge durchsetzen lassen, wird sich erst im Sommer bei der Regierungskonferenz erweisen. Von deren Verlauf wird die künftige Haltung der Bundesregierung zur Deklaration entscheidend abhängen. Selbstverständlich werden wir den Deutschen Bundestag über diesen weiteren Verlauf der Verhandlungen in geeigneter Weise unterrichten. Eines aber kann ich Ihnen heute schon versichern: In einer Zeit, in der täglich neue biomedizinische Entdeckungen gemacht werden und in der das geklonte Schaf „Dolly" Zukunftsängste auslöst, wird die Bundesregierung das internationale Forum der UNESCO nutzen, um sich für ihre fundamentalen werthaften Grundsätze und Grenzen im Umgang mit dem menschlichen Genom einzusetzen! Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 712. Sitzung am 16. Mai 1997 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Erstes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes - Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zu dem Schengener Übereinkommen vom 19. Juni 1990 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen - Justizmitteilungsgesetz und Gesetz zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze (JuMiG) - Viertes Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes (4. FStrÄndG) - Zweites Gesetz zur Änderung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Seeschiffahrt - Gesetz zur Sicherung des Nachweises der Eigentümerstellung und der Kontrolle von Luftfahrtunternehmen für die Aufrechterhaltung der Luftverkehrsbetriebsgenehmigung und der Luftverkehrsrechte (Luftverkehrsnachweissicherungsgesetz, LuftNaSiG) - Gesetz über den Amateurfunk (Amateurfunkgesetz - AFuG 1997) - Gesetz zur Umsetzung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Energieeinsparung bei Haushaltsgeräten (Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz - EnVKG) - Gesetz zu dem Übereinkommen vom 23. Januar 1996 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Französischen Republik, der Regierung des Großherzogtums Luxemburg und dem Schweizerischen Bundesrat, handelnd im Namen der Kantone Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Aargau und Jura, über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und örtlichen öffentlichen Stellen - Gesetz zu dem Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 20. November 1995 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 5. Juni 1997 ihren Antrag „UNESCO-Deklaration zum Schutz des menschlichen Genoms im Deutschen Bundestag beraten" - Drucksache 13/7675 - zurückgezogen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 30. Mai 1997 ihren Antrag „Aussetzung des Rückübernahmeabkommens mit Algerien" - Drucksache 13/7707 - zurückgezogen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehender Vorlage absieht: - Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über die Tagung der Versammlung vom 2. bis 5. Dezember 1996 in Paris - Drucksachen 13/6945, 13/7209 Nr. 1.2 - Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat mit Schreiben vom 23. April 1997 einen Zweiten Bericht der Bundesrepublik Deutschland nach dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen übersandt. Der Bericht ist als Ausschußdrucksache 542 des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit verteilt. (Zu weiteren Möglichkeiten des Zugangs vgl. Hinweis in Drucksache 13/ 7865.) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Innenausschuß Drucksache 13/7216 Nr. 2.4 Drucksache 13/7306 Nr. 2.5 Sportausschuß Drucksache 13/4921 Nr. 3.1 Drucksache 13/4921 Nr. 3.2 Drucksache 13/4921 Nr. 3.3 Drucksache 13/4921 Nr. 3.4 Finanzausschuß Drucksache 13/7541 Nr. 2.12 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/7117 Nr. 2.7 Drucksache 13/7117 Nr. 2.15 Drucksache 13/7216 Nr. 2.21 Drucksache 13/7456 Nr. 1.3 Drucksache 13/7456 Nr. 2.8 Drucksache 13/7456 Nr. 2.12 Drucksache 13/7456 Nr. 2.16 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/6129 Nr. 1.29 Drucksache 13/6129 Nr. 1.33 Drucksache 13/6861 Nr. 1.5 Drucksache 13/6861 Nr. 2.18 Drucksache 13/7017 Nr. 2.25 Drucksache 13/7456 Nr. 2.3 Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 13/6129 Nr. 1.32 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/7017 Nr. 2.20 Drucksache 13/7117 Nr. 2.11 Drucksache 13/7117 Nr. 2.19 Drucksache 13/7306 Nr. 2.15 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/6861 Nr. 1.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/7306 Nr. 2.24 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/7456 Nr. 2.13 Drucksache 13/7216 Nr. 1.3 Drucksache 13/7216 Nr. 1.5
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Werner Schulz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern waren die Feiern zum 50. Jahrestag des Marshallplans. Das ist sicher ein Anlaß, zurückzuschauen, denn dieses Datum markiert eigentlich auch den Beginn einer dramatischen Auseinanderentwicklung zwischen West und Ost. Während der Westen massive amerikanische Aufbauhilfe bekommen hat, Wirtschaftswachstum, Wohlstand und das sogenannte Wirtschaftswunder erlebt hat, mußte der Osten Reparationen bezahlen, hat seine erste Deindustrialisierung in der Nachkriegsgeschichte erlebt und war durch Knebelverträge in seiner gesamten Existenz eigentlich an die Sowjetunion und den RGW gebunden. Eine weitere Fehlentwicklung der Wirtschaft wurde durch die SED hinzugefügt.
    Nach der Wirtschafts- und Währungsunion und auch durch eine verfehlte Treuhandpolitik, die Privatisierung vor Sanierung gesetzt hat, hat der Osten seine zweite Deindustrialisierung in der Nachkriegsgeschichte erlebt. Heute gibt es eben keine Mauer in den Köpfen, wie das Institut für Marktforschung in Leipzig diese Woche festgestellt hat, sondern eher eine Vermögensgrenze, die zwischen Ost und West verläuft.
    Aus der Sicht des Produktionsvermögens gehört der Osten heute eigentlich dem Westen; dies erkennt man, wenn man es sich genau anschaut. Das hat jedoch nicht dazu geführt, daß im Osten die entsprechenden Aufbaueffekte zustande gekommen wären. Es ist sicherlich einiges geschehen. Das hat Kollege Krüger hier betont, und das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen.
    Aber Sie kennen auf der anderen Seite die Probleme. Sie sind einschneidend. Ich bezweifle, daß hier bereits der Rohbau eines tragfähigen, eines guten Wirtschaftsgebäudes vorhanden ist, wie Sie das behaupten, Herr Huber, sondern ich glaube eher, daß die wirtschaftliche Basis, das Fundament des Ostens, noch immer sehr schwach ist, wir noch immer darauf angewiesen sind, den Osten zu fördern.
    Jedenfalls sollten wir uns diese Stichworte vor Augen führen, wenn wir heute über die Notwendigkeit und Dauer und auch die Schwerpunkte der Ostförderung sprechen. Wir hätten eigentlich Wachstumsraten um 10 Prozent gebraucht. Sie wissen das alle. Das ist ausgeblieben, und im Moment laufen wir sogar Gefahr, daß das Wachstum im Osten hinter dem Wachstum des Westen zurückbleibt. Das heißt, der Aufholprozeß Ost findet eigentlich nicht statt.

    Werner Schulz (Berlin)

    Nun liegt uns heute der offenbar mühsam ausgehandelte Kompromiß über die Fortschreibung der Ostförderung auf dem Tisch. Ich nehme an, das ist offenbar der Preis für die Zustimmung der ostdeutschen Unionsabgeordneten für die Absenkung des Soli-Beitrags. Einerseits muß ich sagen, daß die Streichung steuerlicher Sonderabschreibungen und die Konzentration auf Investitionszulagen vor allen Dingen im verarbeitenden Gewerbe, bei der produktionsnahen Dienstleistung sowie für die Sanierung und Modernisierung im Wohnungsbau die eigentlich schon lange bestehenden Schwachpunkte in der Ostförderung beseitigt.
    Wir sind andererseits aber der Auffassung, daß die Fördermittel von 5,7 Milliarden DM viel zu gering sind. Das sagt auch eine Erfassung im Hause des Wirtschaftsministers, die einen Subventionswert von eigentlich 6,8 Milliarden DM bei der bisherigen Ostförderung ausweist. Das heißt, bei der Neustrukturierung der Ostförderung ist einfach so nebenbei eine kleine Milliarde für die Haushaltssanierung abgefallen. Vielleicht muß man hier auch das feststellen.
    Ich habe mir am 22. Mai im Berliner Roten Rathaus die groß angekündigte Initiative für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland angeschaut - sicherlich eine wichtige Sache. Aber, Ministerpräsident Stolpe, Sie werden erlauben - wir haben das beide erlebt -, daß ich sage: Mir kam diese ganze Veranstaltung ein bißchen so vor wie in den Endzügen der DDR, als mit großem Bahnhof und Getöse eine Regierung, die eigentlich am Ende war, den Mikrochip präsentiert hat. Was Sie dort gemacht haben, war der begehbare Mikrochip.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Denn obwohl der Bundeskanzler so vollmundig mit der Zahl von 100 000 neuen Arbeitsplätzen ab 1998 hantiert hat, hat er nebenbei auch das Eingeständnis gebracht, daß er eigentlich seine Zielsetzung, die Halbierung der Arbeitslosigkeit, reduziert hat. Von der Halbierung der Arbeitslosigkeit zur Halbierung der Zielsetzung! Denn wenn wir die Arbeitslosigkeit wirklich auf die Hälfte reduzieren wollten, müßten wir mindestens 200 000 Arbeitsplätze pro Jahr schaffen. Selbst die hunderttausend sind noch zweifelhaft. Denn als konkret danach gefragt worden ist, wo sie entstehen werden, in welchen Branchen, welchen Berufen, und welche Aussichten es gibt, sagte der Wirtschaftsminister auf der Pressekonferenz wörtlich, es sei objektiv nicht möglich, die Zahl an Arbeitsplätzen zu beziffern. Koalitionsinterne Differenzen gibt es also offenbar nicht nur in der Steuerpolitik, sondern auch bei den Verkündungen und Offenbarungen dieser Regierung.
    Das Stärkste an dieser Gemeinschaftsinitiative war sicherlich der Überraschungseffekt. Dennoch sagt das viel mehr über die Beharrlichkeit der Gewerkschaften in diesem Land aus, also über den konstruktiven Beitrag, den momentan der DGB und vor allen Dingen sein Vorsitzender leisten. Denn Herr Schulte hat es fertiggebracht, das eigentlich aufgekündigte Bündnis für Arbeit zumindest als ein Bündnis für Arbeit Ost noch einmal zu beleben, auch wenn das hier eine Leichtvariante ist. Er hat sich beweglich gezeigt, was die Flächentarife anbelangt. Das ist sicherlich auch eine Schrittmacherposition, die er hier einnimmt. Wir haben gesehen, daß es zum Beispiel bei der IG Chemie bereits Wirkungen gibt.
    So notwendig es ist, die Lohnpolitik auf die Probleme im Osten zuzuschneiden: Die Senkung der hohen Lohnstückkosten ist nicht allein über die Senkung der Lohnkosten oder gar Senkung der Löhne zu erreichen. Wir haben im Osten einfach zu hohe Betriebskosten. Den Betrieben werden die hohen Energiepreise aufgebürdet. Sie wissen: Durch das Energiewirtschaftsgesetz bzw. durch die Lex Veag haben wir die Situation, daß die Strompreise im Osten höher sind als im Westen. Wir haben die Situation, daß den Betrieben durch die Modernisierung der Infrastruktur auch diese Kosten angelastet werden, so daß es hier trotz moderner Infrastruktur eindeutige Standortnachteile gibt.
    Auch der Beitrag der Unternehmen zur Ostinitiative ist nicht überzeugend. Absatzförderung und Einkaufsinitiative können nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir im Osten vor allen Dingen Produkt- und Verfahrensinnovation brauchen, um mit anderen Betrieben, die eine wesentlich bessere Ausgangssituation haben, wettbewerbsfähig zu sein. Ich hoffe, daß sich die Einkaufsinitiative Ost künftig nicht darauf beschränkt, daß Radeberger Pils in den westlichen Betriebskantinen fließt,

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    sondern daß man künftig im Osten auch industrielle Güter entdeckt, weil diese mittlerweile auch hier mühsam produziert werden.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Unzureichend ist der Beitrag der Banken. Für kleine und mittelständische Unternehmen fehlt der so wichtige Risikokapitalmarkt und vor allen Dingen ein Existenzsicherungsprogramm. Denn nicht nur die Frage der Existenzgründung ist im Osten wichtig, sondern es geht vor allen Dingen auch um die Existenzgründer, die sich jetzt nach drei Jahren in einer Durststrecke befinden und denen eigentlich über die Klippen geholfen werden muß.
    Gefordert sind natürlich mehr als nur unverbindliche Zusagen bei Ausbildungsplätzen. Hier müssen wir uns gemeinsam anstrengen, um das auch vom Gesetzgeber her besser zu regeln. Immerhin hat die Regierung stillschweigend einige Kritikpunkte der Opposition übernommen. Darüber freut man sich. Es ist bei der Bauförderung so, daß wir von der Förderung von Büro- und Abschreibungsprojekten auf die Sanierung und Modernisierung beim Wohnungsbau kommen.

    (Dr.-Ing. Paul Krüger [CDU/CSU]: Schon seit 1996!)

    - Ja, schön. - Ich würde mich freuen, wenn hier nicht
    nur die Eigentümermodernisierung, sondern vielleicht auch die Mietermodernisierung gefördert wer-

    Werner Schulz (Berlin)

    den könnte - denn gerade das ist eine Sache, in der der Osten relativ große Erfahrungen hat -

    (Dr.-Ing. Paul Krüger [CDU/CSU]: Auch das läuft schon seit anderthalb Jahren!)

    und die Eigeninitiative auf diese Weise belebt werden könnte.
    Trotz positiver Tendenz bleibt festzuhalten: Die Mittel für den Aufbau Ost werden in den kommenden Jahren spärlicher fließen, nicht etwa, weil sich die wirtschaftliche Lage im Osten verbessert hat und man die Ostförderung einstellen könnte, sondern - da baue ich eigentlich auch auf Ihren Beitrag, Herr Finanzminister Huber aus Bayern - weil sich eine kleine Koalitionspartei den Luxus erlaubt, den Solidarbeitrag für den Osten ab 1998 zu senken. Ich muß Ihnen sagen - Ihr Kollege Glos hat da vollkommen recht gehabt -: Dieser Versuch der F.D.P., hier Kraft zu zeigen, gleicht wirklich dem Versuch eines Karpfens, sich an Land zu schmeißen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Ich sage Ihnen eindeutig: Sie sollten sich davor hüten, den Soli-Beitrag als Futter für diesen Karpfenteich einzusetzen.
    Ich glaube, die Solidarität für den Osten ist ein wichtiges Signal, und die Senkung des Solidarbeitrages ist in dieser Situation, in der es weiterhin auf eine dauerhafte, stabile Ostförderung ankommt, das denkbar falscheste Signal.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS Jörg van Essen [F.D.P.]: Eine einzige grüne Abgeordnete hört dem zu!)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Jürgen Türk.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Türk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schulz, Ihr Antrag, den ich wirklich gründlich gelesen habe, ist tatsächlich kein ganz schlechter, aber offensichtlich interessiert das niemanden aus Ihrer Fraktion; sonst wären Ihre Kollegen heute morgen zahlreicher vertreten.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Außerdem habe ich mitbekommen, daß Sie auch für Steuersenkungen eintreten. Der Solidarbeitrag ist eine Steuer, und wir müssen endlich einmal konsequent sein und mit Steuersenkungen beginnen, statt den Leuten nur etwas vorzumachen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Als Cottbusser muß ich Ihnen sagen: Es kann kein besseres Beispiel dafür geben, was man alles mit Energie schaffen kann:

    (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    mit 3 : 1 den Aufstieg! Geben wir uns also auf dem Bonner Spielfeld endlich einen Ruck; dann sind der Aufschwung Ost und der Standort Deutschland insgesamt gerettet.

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Der Aufstieg von Hannover kommt erst später!)

    - Er kommt später.
    Es muß aufhören, daß die Politik ständig Eigentore schießt; das machen wir. Darum fragt bei Trainer Ede: Von Geyer lernen heißt siegen lernen.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der F.D.P.)

    Sein Erfolgsrezept lautet: gute Leute und Sponsoring. Somit wären wir beim Thema.
    Mit der Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung für die neuen Bundesländer nach 1998 bis zum Jahr 2004 geht es nicht um die Fortschreibung von Dauersubventionen, sondern weiterhin um den noch erforderlichen Handicapausgleich. Das ist ja ganz offensichtlich.
    Wenn wir die ostdeutsche Wirtschaft für Europa fit machen wollen, brauchen wir sowohl die Steuerreform als auch weitere Starthilfen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dabei ist und muß das Ziel sein, die Förderung noch effizienter zu gestalten und sich mehr auf kleine, mittlere und innovative Unternehmen zu konzentrieren, auf diejenigen nämlich, die wirklich Arbeitsplätze schaffen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dazu gehört auch die generelle Umstellung von AfA auf Investitionszulagen. Übrigens ist auch diese Forderung deckungsgleich mit derjenigen der Grünen, Herr Schulz.
    Für jährlich 5,76 Milliarden DM - das sind etwa 11 Milliarden DM AfA - soll unter anderem folgendes so verändert werden, daß es wirklich hilft: erstens die Erhöhung der allgemeinen Investitionszulage von 5 auf 10 Prozent, zweitens die Erhöhung der Mittelstandszulage von 10 auf 20 Prozent, also auf eine wirksame Größe, drittens die Verdopplung der Zulage für den kleinen innerstädtischen Einzelhandel - ich betone dies - als Nachteilsausgleich gegenüber den Großen und zur Belebung der Innenstädte. Vielleicht gelingt uns das noch.
    Darüber hinaus sollte über folgendes beraten werden.
    Erstens: Straffung des Förderweges. Der Investitionswillige braucht das Geld für die Investition und nicht erst danach.
    Zweitens. Besonders bei risikofreudigen Existenzgründern mit der Idee für ein neues Produkt muß unbürokratisch geholfen werden. Lassen Sie uns dafür das vorhandene ostdeutsche Netz von Technologiezentren nutzen. Diese Zentren müssen die Anlaufstellen für die Leute mit guten Ideen werden, das

    Jürgen Türk
    heißt den innovativen Existenzgründer von der Idee bis zum Produktabsatz begleiten, zum Beispiel durch erfahrene Akademiker und engagierte Hochschulabsolventen.
    Drittens. Die Fördermittelbürokratie sollte bei Existenzgründern mit bis zu 25 Mitarbeitern durch Selbstberechnung der Zulage und Verrechnung mit den Steuern abgebaut werden, denn es wird rasche Zahlungsfähigkeit benötigt.
    Viertens. Wir wissen, die Zahlungsmoral ist nach wie vor schlecht. Deshalb kann die Mehrwertsteuerentrichtung erst nach Zahlung erfolgen. Deshalb ist die jährliche Umsatzgrenze von 1 Million DM auf 5 Millionen DM zu erhöhen. Darüber müssen wir unbedingt sprechen.
    Fünftens. Da die Absatzförderung wichtig ist, sind die Markterschließungshilfen zu erhöhen.
    Sechstens. Existenzgründer scheitern vielfach schon an Boden- und Immobilienpreisen. Andererseits kosten seine Immobilien den Bund viel Geld für Verwaltung und Instandhaltung. Das sieht man überall. Deshalb fordere ich die verbilligte Abgabe der bundeseigenen Immobilien und Liegenschaften.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Siebentens und letztens. Es ist die Einrichtung grenzüberschreitender Modellregionen erforderlich, Herr Ministerpräsident. Denn über die EU-Erweiterung darf nicht immer nur gesprochen werden; jetzt muß die EU endlich etwas für das schrittweise Zusammenwachsen mit den mittel- und osteuropäischen Staaten tun. Das bezieht sich natürlich auf die neue EU-Außengrenze. Durch die Einrichtung von Modellregionen können der Aufbau der strukturschwachen deutschen Grenzregionen und die organisierte, schrittweise Integration der potentiellen EU- Mitglieder Polen und Tschechien erreicht werden. Die experimentellen Erfahrungen können verallgemeinert und in ganz Deutschland genutzt werden.
    Schließlich möchte ich nicht versäumen, mich zu bedanken bei Herrn Dr. Ludewig und Herrn Dr. Rexrodt für den ständigen Kampf um den Aufbau Ost.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS] Lachen bei der SPD und der PDS)

    - Er wird dafür doch gleich den Beweis abgeben.
    Bei Herrn Rexrodt und Herrn Geil möchte ich mich im voraus für die zugesagte unvoreingenommene Prüfung der gerade gemachten Vorschläge der AG Aufbau Ost der F.D.P.-Fraktion bedanken.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)