Rede von
Wolfgang
Schmitt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Nolting hat eben behauptet, die Entscheidung, die fünf U-Boote an Indonesien zu liefern, sei nach gewissenhafter Prüfung getroffen worden. Ich konnte der Presse entnehmen - das ist wohl auch in den zuständigen Ausschüssen nicht dementiert worden -, daß diese Entscheidung im Rahmen eines Umlaufverfahrens getroffen worden ist. Es scheint offenbar der Stil dieser Regierung zu sein, so mit außenpolitisch bedeutsamen Fragestellungen umzugehen.
Ich kann nur sagen: Ich bin entsetzt, wenn die Außenpolitik dieses Landes hier in Bonn nach Bürokratenmanier entschieden wird.
Ich möchte es mir nicht so einfach machen. Es wird Sie nicht wundem, wenn ich als jemand, der der Partei Bündnis 90/Die Grünen angehört, sage, daß wir prinzipielle Einwände gegen Rüstungsexporte haben. Aber selbst wenn man diese prinzipiellen Einwände nicht hat - ich will mich insofern auf Ihre Ebene einlassen -, kann man doch einmal die Frage stellen, ob der hier ins Auge gefaßte Export der fünf U-Boote den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland entspricht.
Die Bundesregierung hat an verschiedenen Stellen ausgeführt, daß es ihr bei der Außenpolitik um Stabilitätssicherung in globaler, regionaler und nationaler Hinsicht geht, auch um die Sicherung von Menschenrechten und Demokratie; das ist eben noch einmal bestätigt worden. Ökonomische Interessen und Entwicklungsverträglichkeiten werden gelegentlich ins Feld geführt.
Was man nicht vergessen darf, meine Damen und Herren: Wir streben alle danach, die Außenpolitik der Mitglieder der Europäischen Union kohärenter zu gestalten. Deshalb ist es eine wichtige Frage, inwieweit sich dieser Export mit der Außenwirtschafts-
und der Rüstungsexportpolitik unserer Partner in der Europäischen Union harmonisieren läßt.
Noch ein Hinweis: Es wurde immer wieder darauf verwiesen, daß diese U-Boote nicht dazu dienen können, innenpolitische Konflikte zu lösen, demokratische Bewegungen in Indonesien zu unterdrücken. Das ist nachvollziehbar. Dann stelle ich aber an Sie die Frage, warum Sie nicht längst für eine Aufhebung des totalen Rüstungsembargos gegen die Volksrepublik China eintreten.
Denn als Reaktion auf das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens hat man mitnichten beschlossen, daß nur die Waffen nicht mehr exportiert werden dürfen, die zur Unterdrückung von Demokratiebewegungen geeignet sind. Es wurde vielmehr mit Recht beschlossen - ich finde, diese Berechtigung besteht nach wie vor -, sämtliche Kriegswaffen auf die Embargoliste zu setzen.
Offenbar mißt dort die Bundesregierung mit zweierlei Maß.
Über die Menschenrechtssituation ist schon einiges gesagt worden. Ich kann Ihnen von hier aus nur noch mitteilen, daß der Wahlkampfleiter, sinnigerweise der Vorsitzende des „Komitees zum Gewinn der bevorstehenden Wahlen" - so heißt diese Körperschaft der regierenden GOLKAR-Partei offiziell -, das Ergebnis der Parlamentswahl bereits vorhergesagt hat, und zwar bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma: 70,02 Prozent für die GOLKAR-Partei wird das Ergebnis sein; so war es dem „Far Eastern Economic Review" zu entnehmen. Ich bin der Meinung, dies ist erneut ein Beweis dafür, daß es mit den demokratischen Errungenschaften in Indonesien nicht gerade zum besten bestellt ist.
Noch ein Hinweis auf die Region: Eben ist behauptet worden, es gebe keinerlei Spannungsmomente in der Umgebung Indonesiens. Ich kann mir vorstellen, der Bundesregierung ist entgangen, daß sich Indonesien sowohl mit Malaysia als auch mit Vietnam in territorialen Auseinandersetzungen befindet - zwar nicht auf hohem Niveau, jedoch sind in beiden Fällen im maritimen Raum Inselgruppen bzw. Gebiete auf
Wolfgang Schmitt
dem Festlandsockel Vietnams zwischen den Nationen umstritten.
Der Glaube, daß man durch eine ausgewogene Rüstungsexportpolitik in einer Region zur Stabilität beitragen kann, hat sich wohl zuletzt im Zusammenhang mit dem ersten Golfkrieg eindeutig als falsch erwiesen. Denn auch da hat man geglaubt, daß es zur Stabilität in der Region beiträgt, wenn man den Iran und den Irak aufrüstet.
Meine Damen und Herren, zum Thema Europa. Das schwedische Parlament hat für U-Boot-Technologie ein totales Verbot des Exports nach Indonesien beschlossen. Auch das Europäische Parlament hat in einer Resolution vom Juni 1996 die Mitgliedstaaten aufgefordert, von Rüstungsexporten nach Indonesien abzusehen. Ich denke, es stünde der Bundesregierung gut an, dieser Aufforderung des Europäischen Parlaments zu entsprechen.
Wenn wir dies nicht tun, könnten wir die Überweisung von 150 Millionen DM an Entwicklungshilfe, die Indonesien für das Jahr 1997 aus der Bundesrepublik Deutschland erhält, unterlassen, das Geld hierbehalten und die U-Boote kostenlos nach Jakarta liefern. Das wäre sozusagen ein eindeutiger und klarer Beweis dafür, welche Prioritäten diese Bundesregierung setzt: Der Export von Rüstungsgütern steht vor den Entwicklungserfordernissen unserer Partnerländer in der Dritten Welt.
Herzlichen Dank.