Rede von
Steffen
Tippach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Nolting, U- Boote gegen Piraten, das ist, glaube ich, ein Witz, den Sie selber nicht völlig ernst meinen können.
Ich möchte mich auf Helmut Kohl berufen. Helmut Kohl war am Mittwoch voriger Woche im Auswärtigen Ausschuß und hat dort auf meine Frage zu Rüstungsexporten nach Indonesien in seiner unnachahmlichen Art gesagt: Welche Rüstungsexporte außer den DDR-Waffen? Wir haben keine Rüstungsexporte nach Indonesien auf der Tagesordnung, noch haben wir sie auf der Tagesordnung gehabt.
Nach dieser hohntriefenden Antwort habe ich mir gesagt: Steffen, jetzt sammle mal, was es dank der Kollegin Beer und einiger anderer in den letzten Monaten in diesem Haus an Drucksachen zu Waffenexporten nach Indonesien gegeben hat. Wenn wir da anfangen, haben wir zunächst eine Lieferung von MSG-90-Gewehren. Herr Nolting, mit MSG-90-Gewehren kann man auf Menschen schießen. Bingo! Die sind zwar nicht für die Aufstandsbekämpfung konzipiert, steht drin, was man aber damit macht, ist eine andere Frage.
Dann weiter - Zitat vom 4. April 1996 -: „Die Bundesregierung hat der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung für den Export von sieben Kleinpanzern Wiesel nach Indonesien zugestimmt."
- Hier steht, daß sie dem Export zugestimmt hat, unterschrieben von Staatssekretär Dr. Norbert Lammert.
Der Kollege Fritz hat vorhin gesagt: Nur alles, was fährt, das geht nicht.
Weiter haben wir hier Torpedo-Lieferungen - Firma AEG, SDN-AE, Materialpakete. Auch das ist bekannt, das ist sogar von 1997. Aber die Bundesregierung hat nichts exportiert, - bis zu dieser U-BootKomponente.
Ich habe bereits im Januar nach diesen U-Booten gefragt. Von der Bundesregierung bekommt man ja im Regelfalle leider keine vernünftigen Antworten.
Es kommt dann der Standardsatz, die Menschenrechtsfrage sei unter den allgemeinen politischen Grundsätzen ein Faktor. Daraufhin habe ich die Bundesregierung gefragt, wie groß denn Menschenrechtsverletzungen sein müßten, damit keine Rüstungsexporte mehr nach Indonesien stattfinden. Darauf hieß es, das sei eine Entscheidung von Fall zu Fall. Na, Klasse!
Vorige Woche hat sich der Kanzler hingestellt und gesagt, es gebe keine Rüstungsexporte nach Indonesien. Tage später darauf meldet der ,,Spiegel", am Wochenende habe ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums die Lieferung der U-Boote bestätigt. Da muß ich feststellen: Der Kanzler hat den Ausschuß belogen; es ist eine skandalöse Angelegenheit, wenn ein Ausschuß dieses Hauses vom Bundeskanzler so unverfroren belogen wird.
Jetzt komme ich zu dem Thema, über das wir hier reden. Amnesty International meldet in seinem Jahresbericht 1996, daß in Indonesien mehrere hundert Menschen vorübergehend ohne Gerichtsverfahren in Gewahrsam genommen wurden, Folterungen an Gefangenen, auch an jugendlichen Gefangenen weit verbreitet waren und in einigen Fällen den Tod der Opfer zur Folge hatten und zahlreiche Menschen extralegalen Hinrichtungen zum Opfer gefallen sind. So sieht die Situation in einem Land aus, in das Sie systematisch Waffen exportieren. In den letzten zehn Jahren gab es 680 Ausfuhrgenehmigungen für Waffen und Rüstungsgüter. Dies ist eine Aussage der Bundesregierung, die Sie in einer Drucksache nachprüfen können. Diese 680 Ausfuhrgenehmigungen sprechen Bände für das moralische Defizit einer Regierung, die hier an der Macht ist.
Wir reden von einer Regierung, die von vitalen Interessen in Indonesien spricht. Welche vitalen Interessen hat die Bundesrepublik in Indonesien? Laut Wörterbuch von 1991 heißt vital: lebenskräftig, frisch oder munter. Daß die Interessen in Indonesien frisch oder munter sind, glaube ich Ihnen unbesehen. Aber wenn schon in Indonesien vitale Sicherheitsinteressen vorherrschen, frage ich Sie: Wo herrschen sie auf dieser Welt nicht vor, und welchem Diktator würden Sie, wenn Bedarf besteht, nicht auch noch Waffen hinterherwerfen, weil Sie dort Sicherheitsinteressen haben?
Erst am Freitag haben die Indonesier laut „afp" den Vorschlag des UN-Menschenrechtskommissars José Ayala Lasso abgelehnt, einen UN-Menschenrechtsbeobachter aus Timor ins Land zu lassen; er werde niemals umgesetzt. Solch ein rotzfreches Verhalten wird von Ihnen prompt mit U-Booten belohnt.
Die Staatsanwaltschaft in Indonesien hat verboten, bei den anstehenden Wahlen die Regierung zu kritisieren. Können Sie mir verraten, wie da eine Opposition Wahlkampf machen soll? Es wird unter diesen Voraussetzungen zumindest etwas schwieriger. Aber auch all das hält Sie genauso wenig wie Aussagen
Steffen Tippach
von Friedensnobelpreisträgern von Rüstungsexporten ab. Ich zitiere eine Meldung von „Reuter":
Es sei völlig inakzeptabel, daß dieselben großen westlichen Demokratien, die lautstark Verstöße gegen die Menschenrechte in Ost-Timor anprangerten, die größten Waffenlieferanten Indonesiens seien, sagte Ramos-Horta bei einer Pressekonferenz im belgischen Parlament in Brüssel.
Dort darf er wenigstens noch sprechen.