Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will, um die Debatte nicht zu verlängern, lediglich einige Stichworte aufgreifen; denn auch die heutige Debatte hat gezeigt, daß es eine Tendenz gibt, vorhandene Fakten beharrlich einfach nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, Herr Schlauch.
Wenn man sich hier immer wieder auf die Schweiz oder auf die Niederlande oder weiß Gott welche Beispiele beruft, dann muß ich Ihnen sagen: Ihnen stehen nur die gleichen Unterlagen wie uns zur Verfügung, und sogar unter wirklich kritischer Selbstkontrolle bin ich nicht in der Lage, in einem dieser Länder hinsichtlich der Belastung durch Drogensüchtige eine bessere Bilanz als in der Bundesrepublik Deutschland zu erkennen.
Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
Weil wir dem eigenen Urteil nicht glauben sollen, haben wir das heute hier bereits genannte Institut für Therapieforschung beauftragt, einmal zu bewerten, wie sich die Erfolge der deutschen Drogenpolitik international einordnen.
Meine Damen und Herren, wir stehen, was die Belastung durch Drogen angeht, an drittletzter Stelle. Besser ist es also nur noch in Schweden und in Norwegen. Ich glaube, das ist ein Vergleich, der berechtigt ist und der zeigt, daß wir uns in der Drogenpolitik gar nicht so schlecht darstellen, wie es hier immer wieder behauptet wird, ganz abgesehen davon, daß natürlich jeder Drogentote beklagenswert ist und möglichst vermieden werden sollte.
Es ist ja mittlerweile glücklicherweise geklärt - auch durch das, was Herr Singer hier gesagt hat -, daß natürlich jede Erleichterung des Zugriffs zu solchen Substanzen die Zahl der Konsumenten vermehrt, den Konsum intensiviert und es auch denjenigen, die mittlerweile in der Sucht verhaftet sind, deutlich schwerer macht, sich wieder aus der Sucht herauszuarbeiten.
Mich wundert nur, wie inkonsequent die Gedankengänge dazu sind. Ich denke etwa an Frau Moser aus Schleswig-Holstein, die einerseits auf dem Wege der Abgabe von Haschisch über Apotheken den Zugriff erleichtern will, gleichzeitig aber an einem Beschluß mitgewirkt hat, Zigarettenautomaten um Schulen herum abzubauen, weil sie hier den Verführungseffekt bejaht. Das paßt doch alles nicht zueinander.
Vielmehr gibt es von der Lebenserfahrung her eigentlich nur die richtige Erkenntnis: Natürlich macht Gelegenheit Diebe. Das stellen wir überall fest. Deshalb haben die Holländer mit ihren Coffee-Shops auch eine mehr als doppelt so hohe Belastung mit Haschischkonsumenten wie die Bundesrepublik. Sie liegt bei uns bei etwa 2,5 Prozent, in Holland bei 4,5 Prozent.
Auch hinsichtlich der Gefährlichkeit gibt es in Holland eigentlich keine Zweifel mehr. In der „Süddeutschen Zeitung" ist einer der ganz großen holländischen Experten dieser Tage zu Wort gekommen. Er sagt, von der Schimäre, daß Haschisch harmlos sei, habe sich die niederländische Diskussion längst verabschiedet. Man stellt nämlich fest, daß mehr und mehr Haschischkonsumenten Beratung in den Suchtberatungsstellen suchen; der Anteil derjenigen, die nach langem Haschischkonsum dort um Hilfe nachsuchen, hat sich in den letzten drei Jahren mehr als verdoppelt. - Soviel zu dem, was man international zur Einschätzung unserer eigenen Situation gewinnen kann.
Meine Damen und Herren, im übrigen wissen wir alle, daß die sogenannte Trennung der Märkte nicht funktioniert. Das war ein Grund dafür, daß in Holland die Zahl der Coffee-Shops so drastisch reduziert worden ist.
Lassen Sie mich auch noch ein Argument aufgreifen, das ja immer dem Bürger angeboten wird und das eine gewisse Attraktivität hat - das sehe ich auch -, daß nämlich die Kriminalität ausgetrocknet würde.
Da kann man in der Tat schon jetzt auf die Schweizer Verhältnisse zurückgreifen. Immerhin hat der Bericht der Polizei des Kantons Zürich - dort ist ja der Schwerpunkt sowohl der Methadonabgabe als auch der Heroinversuche - einen drastischen Anstieg der Einbruchsdelikte und einen fast 30 prozentigen Anstieg der Rauschgiftdelikte für 1996 ergeben. Ich möchte jetzt gar keine weitergehenden Folgerungen daran knüpfen. Aber wenn das, was uns von Ihnen dauernd verkündet und empfohlen wird, richtig wäre, dann hätte es 1996 diesen Anstieg nicht geben dürfen.
Auch wird behauptet, daß sich die sogenannten Verelendeten, die sonst nicht mehr erreicht würden, dieser Einrichtungen bedienten. Frau Senatorin, wenn Sie den zweiten Zwischenbericht gelesen haben, dann wird Ihnen aufgefallen sein, daß genau diese noch nicht einmal die persönliche Strukturierung aufweisen, um an dem Programm teilnehmen zu können. An dem Programm haben in der Tat vor allem jene teilgenommen, die sich noch in einigermaßen geordneten Verhältnissen befinden, also überhaupt fähig sind, sich beispielsweise an Zeitvorgaben zu orientieren. Deshalb haben die Schweizer festgestellt, daß die sogenannten Schwerstverelendeten, mit denen Sie dauernd für Ihre Ideen werben, von dem Versuch, den Sie hier wiederholen wollen, nicht erreicht worden sind.
Im übrigen bitte ich Sie, einmal darauf zu warten, wie sich die objektiven Ergebnisse in der Schweiz letztlich darstellen; da kann ich der Frau Kollegin nur recht geben. Wir werden uns die Schweizer Ergebnisse kritisch, aber objektiv ansehen. Denn niemand anderes als wir, meine Damen und Herren, ist mehr daran interessiert, alles, was sich als besser als unsere Drogenpolitik in der Welt erweist, hier in Deutschland einzuführen. Nur haben wir dafür bisher noch nichts Verantwortbares gefunden.